Mittwoch, 10. April 2013

mit dem Rennrad nach Ahrweiler

Nach Wochen des Wartens kam die Initialzündung. Wachtberg-Pech, Villip, mein Rennrad kletterte die ersten Steigungen hoch. Der hartnäckige Winter hatte meine sportlichen Aktivitäten zum Erliegen gebracht, so dass es erst die zweite Rennradtour in diesem Jahr war. Siebzig Kilometer hatte ich mir vorgenommen. Winterliche Untätigkeit und angegessenes Winterspeck sollten ein Ende finden, durch das Ahrtal, zurück in die Grafschaft, über Meckenheim und Bonn nach Hause zurück.

Ein steinernes Wegekreuz, auf dem sich Hände zusammenfalteten, ließ ich hinter mir. Die Parkanlage aus der Renaissance von Schloss Gudenau versteckte sich hinter hohen Mauern. Ich kroch die Steigung hoch, dessen Höhe die Grenze von NRW nach Rheinland-Pfalz beziehungsweise von Wachtberg zur Grafschaft markierte. Längst hatten sich diffuse Wolkengebilde vor die Sonne geschoben. Sorgfältig hatte ich den heutigen Tag für die Tour ausgewählt: im Laufe der Woche sollte sich ein Tief über Norddeutschland festsetzen, Regengebiete sollten das Rheinland fest im Griff haben, und heute sollten die Regenmengen erst spät ankommen und im zumutbaren Bereich liegen.

Von der Höhe aus überblickte ich diese hügelige Landschaft, dessen Anstiege unspektakulär waren, bis sie hinter der fernen Autobahn die Hänge der Eifel hoch rollten. Die Temperatur dümpelte unterhalb der 10 Grad-Marke vor sich hin. Hochspannungstrassen zerrissen das Landschaftsbild. Über den Dörfern der Grafschaft hing eine friedfertige Stille, die durch kleine Kapellen unterstrichen wurde. 1732, las ich in Arzdorf vor weißgestrichenen Mauern. Aus den Mauernischen schauten stolz drei Heiligenfiguren heraus.

Nichts los in der Grafschaft ? Um meine innere Ruhe zu finden, brauchte ich diese Untätigkeit. Keine Reizüberflutung, denn niemand war auf den Obstplantagen zu sehen. Wenige Felder hatten die Traktoren umgepflügt. Über freien Flächen fegte ein rauher Wind in mein Gesicht, flaute im nächsten Ort ereignislos ab, der aus lauter Schreinereien und Treppenbauern bestand. Also, liebe Häuslebauer und all diejenigen, die Wendeltreppen oder Spindeltreppen oder Bogentreppen oder Faltwerktreppen brauchen: auf nach Grafschaft !

War in der Grafschaft der Hund begraben ? Denkste, denn am 20. April würde die Feier richtig losgehen. Junggesellenfest, Disco, vorgezogener Mai-Ball, Dorfumzug, in zehn Tagen würde hier gefeiert werden, was das Zeug hält. Im Ortskern ging der Alltag seinen Weg. Der klotzige Bofrost-Transporter beglückte die Kunden mit seinen Tiefkühlprodukten. An der Häuserecke wurde das Garagentor gestrichen. Kleinkinder machten auf ihren Bobby-Cars ihre ersten Fahrübungen. Einige Dörfer weiter, in Lantersdorf, mischten sich neue Indizien an den Straßenrand, dass hier keineswegs der Hund begraben war. Die Heinz Erhardt-Show und die Krageknöpp – eine Kölsche Milieuband - kilometerlang war die Bundesstraße mit Plakaten zugepflastert.


In Ahrweiler änderte sich das Gesamtbild der vortouristischen, ruhigen Jahreszeit kaum. Daher war es wenig erstaunlich, dass ich am Marktplatz ein ungestörtes Plätzchen in einem Café fand, wo ich ein Weizenbier trinken konnte. Erstaunlich war aber die windgeschützte Lage des Plätzchens, so dass ich draußen bei einstelligen
Temperaturen nicht frieren musste. Wenig erstaunlich war die Diskussion am Nachbartisch, die eines der Hauptprobleme unserer Zeit betraf: Rumänen und Bulgaren als Bettler, kriminelle Organisation oder Wirtschaftsflüchtlinge. Das Thema waren diesmal Tierschutzprogramme: deutsche Tierschutzorganisationen stellen Gelder für Hilfsprojekte bereit. Die Zustände dauern aber in Rumänien an, dass Hunde auf Straßen vor sich her vegetieren oder Katzen in freier Wildnis verwahrlosen.

Bestimmte Streckenabschnitte sind fester Bestandteil meiner Rennradrouten. Dazu gehört das Stück zwischen Ahrweiler und Dernau. Dort gräbt sich das Ahrtal tief in die Mittelgebirgslandschaft der Eifel ein. Bisweilen fallen Felsformationen senkrecht ins Tal hinab. Wunderschön ist die Gestaltung der Weinberge als Terrassen-Landschaft. In Stufen klettern die Weinberge die Hänge hinauf, die Rebstöcke harren noch in ihrer Winterstarre aus, und bei diesem steilen Anstieg in den Weinbergen zu arbeiten, liegt außerhalb meines Vorstellungsvermögens.


Besenwirtschaften und Weinstuben – seit unserer Wanderung im Oktober letzten Jahres war Dernau nicht wieder zu erkennen. Behaglich und still war es dort. Die Touristenmassen, die sich verirrt hatten, gingen gegen Null. Die Stühle vor den Lokalen waren schön aufgeräumt. Der Weinverkauf steckte in den Startlöchern. Entlang der Hauptstraße herrschte geregelter Werktagsbetrieb. Erst mit dem Maibaumsetzen am 30. April würde ein gewisser Rummel losgehen.

Schließlich der Anstieg aus dem Ahrtal heraus. Das waren vier bis fünf harte Kilometer, die meine Kondition extrem strapzierten. Bei solchen Abschnitten bin ich froh, wenn ich den genauen Verlauf kenne, insbesondere, wann der Anstieg endet. Das vermeidet Frustration und Erschöpfung, wenn ich meine, hinter der nächsten Kurve endet der Anstieg, aber er setzt sich quasi endlos fort. Mit der Ausdauer, wie ich sie von mir kenne,
habe ich die vier bis fünf Kilometer mit beharrlichem Treten geschafft. Jedesmal genieße ich den unbeschreiblichen Ausblick ins Ahrtal hinunter. Von der Höhe aus beobachte ich, wie der Rotweinwanderweg Schlangenlinien zwischen Weinberge und Waldstücken zeichnet. Dass Dernau zwei Jahre hintereinander die Deutsche Weinkönigin gestellt hat, irritiert mich, weil die Deutsche Weinstraße in der Pfalz ebenso mit der Deutschen Weinkönigin fleißig Werbung macht. Habe ich da etwas durcheinander gebracht ?

Von Dernau aus zurück in die Grafschaft. Bunt hintereinander gewürfelt kamen die nächsten Dörfer Esch und wie sie alle heißen. Der tiefe Einschnitt des Ahrtals war übergegangen in buckelige Hügel, die mehr abwärts wie aufwärts führten. Mäßiger Rückenwind drückte mich mit leichtem Treten vorwärts. Die Akzente in der Landschaft verblassten. Mein Blick heftete sich an das lange Band der Autobahn A61, die die Grafschaft genauso wie die Hochspannungstrassen zerlegte. Reihen von LKW’s huschten in der Ferne vorbei. Unter einer Brücke kondensierte schließlich diese Masse von Autoverkehr: in luftiger Höhe passierte ich das Autobahnkreuz Meckenheim. Das System von Zufahrten und Abfahrten schwebte unter mir hinweg. In sicherem Abstand ging es auf der Landstraße weiter nach Meckenheim.


Der Rest war Routine. Nicht alle Landschaften sind so aufsehenerregend wie das Ahrtal. In Bonn musste ich mich sogar mit dem banalen Blick auf den OBI und den bauklotzartigen Häusern auf dem Hardtberg zufrieden geben.


10 Kommentare:

  1. Schön, dass du mich mit deiner Tour an die Orte meiner Jugend erinnerst! Oberhalb von Dernau habe ich in den Bergen das Autofahren gelernt - schräge Situation in jeglicher Hinsicht :-)....Usw. usw.
    Verdamp lang her, verdamp lang!
    Gute Nacht!
    Astrid
    P.S. Das Ahrtal ist wirklich wunderschön!

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  2. Eine wunderschöne Tour hast du da gemacht, und schön dass du diese Plätze auch mal von der anderen Seite kennenlernen konntest. Finde ich persönlich auch immer schöner, so kann man es dann genießen und auch entspannen.

    Liebe Grüssle
    Nova

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  3. Je nach Stimmung kann ich Ausflüge zu "stillen" Gegenden auch sehr genießen. Ich muss nicht immer Jubeltrubel um mich herum haben.
    Eine schöne Gegend, das Ahrtal. Kenne ich leider gar nicht. Aber man kann sich das ja auch sehr schön "erwandern", da ich lieber zu Fuß unterwegs bin als mit dem Rad. Danke für deinen Bericht!
    LG Calendula

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  4. Da hat du eine wunderbare Radtour hinter dich gebracht und wir
    durften wieder einmal partizipieren. Tolle Fotos und ein gran-
    dioser Bericht.
    Einen schönen Abend wünscht
    Irmi

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  5. du hast deine Radtour wieder so toll beschrieben! Wie machst du das eigentlich ... machst du dir während der Fahrt zwischendurch Notizen? oder schreibst du alles hinterher an einem Stück?
    Hat wieder Spaß gemacht bei dir zu lesen.

    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  6. Da hast du aber wieder eine tolle Radtour hingelegt und fein säuberlich alles genau beschrieben, so dass man glaubt, man würde mitradeln.:-)
    Machst du die Touren eigentlich immer alleine oder in Begleitung?

    Liebe Grüße
    Christa

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  7. Wow, mooie foto's ... Jullie hebben echt 'wijnbergen' hè? Ik heb genoten van de fietstocht. Straks, als de zon schijnt, wordt alles minder grauw. Fijn weekend!

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  8. Eine stramme Tour, die du da wieder mal durchgezogen hast. Bei der nächsten hast du bestimmt auch mal wieder schöneres Wetter ... ich wünsche es dir auf jeden Fall :-)

    Ein schönes Wochenende für dich und die Familie.

    LG Frauke

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  9. Tolle Bilder, man möchte am liebsten mitradeln und auch gucken!!
    Klasse!

    LG, Michaela

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  10. Hallo Dieter,
    das sieht nach einer tollen Rennradtour aus.
    Der Winter war wirklich zu lang, selbst zum gemütlichen Stadtradeln war es immer zu ungemütlich, daher habe ich auch wenig Kondition im Moment.
    Schönes Wochenende!
    Elke

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