Mittwoch, 10. April 2013

Astrid Lindgren - Kalle Blomquist


Beim Betreten ihres Kinderzimmers hampelte unsere Kleine noch genauso herum wie im Badezimmer, als sie sich die Zähne geputzt hatte. In Zickzack-Schritten stolperte sie auf die Treppe ihres Hochbetts. Lässig schlabberten die Beine ihres Schlafanzugs die Stufen hoch. Als sie die Bettfläche erreicht hatte, bohrte sich ihr Blick so überrascht in das Bettzeug mit dem blauen Kreismuster hinein, als hätte sie nie dort geschlafen.

„Papa, ich friere. Decke mich zu !“

Sie legte sich hin, sie breitete Arme und Beine aus, ich deckte sie zu. Doch dann kamen tausende von Zappelmännern aus ihr heraus und sie strampelte mit den Beinen das Bettzeug weg. Die Situation wiederholte sich, ich deckte sie erneut bis auf ihr Kinn zu, hielt das Bettzeug mit der Urkaft eines Ringers fest. Und die zappelnden Beine hatten ihren Spaß, das Bettzeug hochzuwirbeln. Mit der Beständigkeit eines Uhrwerks setzten sie ihre energischen Bewegungen fort.

Allabendlich genieße ich es, in die Welt der Kinderbücher einzutauchen. Ich schnappe mir Kalle Blomquist, halte den gelb-schwarzen Einband in der einen Hand und das Bettuch in der anderen Hand. Meine Faust packt fest zu, damit ich mich gegen dieses wilde und ungestüme Gestrampele behaupte.

Wortgewaltig nennt sich Kalle Blomquist „der Meisterdetektiv“. Als 13 jähriger klärt er in der schwedischen Kleinstadt Kleinköping in drei Kriminalromanen Verbrechen auf, darunter einen Juwelenraub, eine Entführung und einen Mord. Seine gleichaltrigen Freunde Anders und Eva-Lotta sind eine verschworene Gemeinschaft und sie helfen ihm dabei.

Astrid Lindgren kann wunderschön erzählen. Die Geschichten lesen sich einfach, unkompliziert, spontan und auch mit einem Hauch von romantischer Verträumtheit.
„In Windungen und Bogen tastet sich die Straße weich durch die grüne Sommerlandschaft. Sie schlängelt sich um kleine, rauhe Felsvorsprünge, kleine, blinkende Seen, kleine Kiefernwälder, läuft zwischen weißen Birkenstämmen dahin, an blühenden Wiesen und Weiden und wogenden Kornfeldern vorbei ...“ - so beschreibt sie die Küstenlandschaft in Schweden.

Drollig beschreibt sie in einer Passage die Rolle der Eltern, wenn 13 jährige anstelle von Aufgaben für die Schule oder im Haus lieber Verbrecher jagen.
„Eltern sind oft hinderlich. Sie greifen auf verschiedene Weise störend in den Gang der Geschehnisse ein. Manchmal bekommt der Lebensmittelhändler Blomquist den Einfall, dass sein Sohn im Geschäft helfen soll, wenn es dort am meisten zu tun gibt. Und der Postdirektor verlangt alle Nase lang, dass sein Sohn die Gartenwege harken und den Rasen mähen soll. Vergeblich versuchte er seinem Vater klarzumachen, dass ein wild wuchernder Garten viel schöner ist. Der Postdirektor schüttelt nur verständnislos der Kopf und zeigt stumm auf den Rasenmäher.“

Wie Kalle Blomquist seine Kriminalfälle löst, erinnert bisweilen an Sherlock Holmes. „Ich kombiniere“ kann als Leitmotiv seiner Recherchen betrachtet werden. So heften sich die drei Freunde, als der 5-jährige Rasmus entführt wird, auf die Fersen der Entführer. Sie werden entdeckt und können wieder entwischen. Dabei nutzen sie den Augenblick, als ein Entführer Rasmus das Frühstück in die Hütte bringen möchte, wo sie eingesperrt sind, um ihn zu überwältigen. Dabei kann Kalle Blomquist entkommen. Die Geschichte steckt voller Überraschungen, denn in diesem Moment schließt der 5-jährige Rasmus die Hütte von innen ab und wirft den Schlüssel aus dem Fenster. Ein Entführer ist nun gemeinsam mit Rasmus und Eva-Lotta in der Hütte eingesperrt. Im Endeffekt sorgt Kalle dafür, dass die drei Entführer gefangen werden, indem er in ein Wohnhaus eindringt und über Funk die Polizei verständigt.

Achja, was die jugendlichen 13-jährigen treiben, rankt sich um einen Bandenkrieg der Roten und der Weißen Rose. Ruppig und eiskalt geht es in diesem Bandenkrieg zu. Die beiden Parteien prügeln sich und vertragen sich, denn in Wirklichkeit sind sie beste Freunde. Jedenfalls belauern und bekriegt man sich dauernd. Streit- und Zankobjekt ist der sogenannte Großmummrich, das ist ein Stein mit der Form eines kleinen, sitzenden Männchens.

Dem Druck der aufwühlenden Beinbewegungen habe ich längst nachgegeben. Das Herumgezappele war erlahmt. Gefügig hörte sie der Geschichte zu. Ab und zu lachten wir herzhaft, wenn der 5 jährige Rasmus mit den Entführern diskutiert und sie mit den Argumenten eines 5 jährigen zur Verzweiflung bringt.

Astrid Lindgren ist eine herrliche Mischung aus kindlicher Naivität, jugendlichem Lausbubenstreichen, detektivischem Scharfsinn und schrägen Verbrechertypen, denen ein jugendlicher Spürsinn hinterher ist.

„Meine Füße frieren … „
Flehte unsere Kleine mich aufs Neue in einem zitternden Tonfall an. Als ich ihre zarten Füße anfasste, waren sie tatsächlich in Kälte erstarrt. Rasch deckte ich sie zu, damit sie sich nicht erkältete. Ein letztes Aufbäumen ihrer zappeligen Beine, dann kuschelte sie sich unter der Bettdecke.

Nachdem ich das Kapitel beendet hatte, wünschte ich ihr eine gute Nacht.

8 Kommentare:

  1. Oh ja als Kind habe ich diese Bücher geliebt Dieter, hast Du schön spannend erzählt. Überhaupt waren Bücher von Astrig Lindgreen das Größte.

    Liebe Grüße und gute Nacht
    Angelika

    AntwortenLöschen
  2. Einen wunderschönen guten Morgen, lieber Dieter!
    Schön, ich bin auch der totale Astrid Lindgren-Fan! Und die Bücher kann man immer lesen, egal, wie alt man ist!
    Ich wünsche Dir einen sonnigen Tag!
    Liebe Grüße,
    Claudia

    AntwortenLöschen
  3. *ggg* allabendliche Rituale :-)
    Meine Eltern haben mir nie vorgelesen ... ich kann es aber nachvollziehen und bin deswegen nicht böse. Dafür habe ich selbst sehr früh damit begonnen, Bücher zu verschlingen. Sobald ich mit 6 lesen konnte ging es los und das ist bis heute so geblieben.

    AntwortenLöschen
  4. Danke dir Dieter....durch deine lebhafte Erzählung habe ich diese Ritual förmlich vor meinem geistigen Auge sehen können^^

    Ich mochte bzw. mag Astrid Lindgrin auch immer noch, und wenn ich die Möglichkeit habe dann lese ich auch liebend gerne vor. So wurde es bei mir gemacht und so habe ich es vor Jahren auch so gehalten. Finde solche Rituale einfach wichtig und schön. Leider wird es heute oft nicht mehr gemacht....schade.

    Wünsche dir einen schönen Tag und sende herzliche Grüsse

    AntwortenLöschen
  5. Ich trag zwar ihren Vornamen, aber kennengelernt habe ich sie erst RICHTIG als Mutter in den 80er Jahren! Als Kind habe ich nur "Mio mein Mio" als 8jährige ausgeliehen. Ich persönlich liebe Michel aus Lönneberga über alles, besitze Filme auf DVD und die Jubiläumsgesamtausgabe der Lindgren - Bücher. An sie heran reicht eigentlich nur noch Michael Ende, Otfried Preußler und Kurt Held ("Die rote Zora und ihre Bande").
    Herzlichst
    Astrid

    AntwortenLöschen
  6. Wieder wunderschön geschrieben. Man kann es förmlich
    miterleben, das Leben im KInderzimmer.
    Ich nehme oftmals Kinderbücher zu Hand und lese darin.
    Besonders liebe ich James Krüss.
    Einen lieben Abendgruß schickt
    Irmi

    AntwortenLöschen
  7. achja, lieber Dieter, da kommen erinnerungen auf. Als ich meinen kindern vorlas.... als das, heute würde man sagen "uncool" war, sie also alleine lasen, krallte ich mir abends die bücher, einfach WUNDERBAR! So konnte ich dann "auch mitreden" ;)
    Eigentlich sind es zeitlose bücher, ich hoffe, daß noch generationen ihre freude an Astrid Lindgren haben werden.
    Dankeschön!
    Liebe grüße
    Bine

    AntwortenLöschen
  8. Ich liebe Kindebücher, erst vor kurzem habe ich in meinem Blog über "Räuber Hotzenplotz" geschrieben.
    Astrid Lindgren begleitet mich seit meiner Kindheit.
    Egal ob Michel aus Lönnaberga oder Pippi oder auch die Kinder aus Bullerbü.
    Ein wunderschönes Thema, Kinder und ihre Bücherwelt!

    AntwortenLöschen