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Dienstag, 13. August 2013

Legoland Günzburg - Teil 2

Unwillkürlich denke ich an die Sternstunden der Menschheit von Stefan Zweig, wenn ich durch das Miniland spaziere. Er beschreibt die Seefahrer, die den Pazifik entdeckt haben, den Komponisten, der die Marseillaise geschrieben hat oder die Techniker, die das erste Transatlantische Kabel von Amerika nach Europa verlegt haben. Ähnlich großes haben die Modellbauer im Legoland geleistet. Acht Modelldesigner beschäftigt das Legoland dauerhaft. Rund 25 Millionen Legosteine sind im Miniland verbaut. Wind und Wetter ausgesetzt, halten die Legosteine, die mit Spezialkleber verklebt und UV-Lack überzogen sind, rund fünf Jahre lang. Den Modelldesignern geht also nie die Arbeit aus, wenn außerhalb der Saison Steine erneuert werden müssen und die Modelle wieder zusammengebaut werden müssen. Damit wir jedes Jahr aufs Neue Städte und Sehenswürdigkeiten aus ganz Europa bestaunen können, die aus all den kleinen Steinen, die die Welt bedeuten, gebaut sind.


Ich beginne mit der Hauptstadt Deutschlands.


Frankfurt wirkt mit der Skyline und dem Römer noch kollossaler als in Wirklichkeit.


Mit der Pfalz bei Kaub ist sogar das Rheintal vertreten.


Schloß Neuschwanstein erstrahlt in einer märchenhaften Schönheit.


In der näheren Umgebung des Legolandes steht die Wallfahrtskirche St. Maria Vesperbild.


Der Flughafen München gewährt Einblicke ins tiefe Innere des Airbus A380.


Begeben wir uns in unser westliches Nachbarland nach Amsterdam …


… und in unser südliches Nachbarland nach Luzern.


Die Reise führt bis nach Venedig mit dem Markusplatz und dem Dogenpalast.


Die Filmwelt hat mit ihren Star Wars-Figuren genauso Einzug gehalten.

Montag, 12. August 2013

Legoland Günzburg - Teil 1


Am Vortag hatte das Gewitter einen eleganten Bogen um das Legoland geschlagen. Nachdem die Sonne untergegangen war, zückten Blitze in der Ferne. Sie rückten näher heran, bedrohlich nahe, der Donner grollte tief und fest, bis die Gewitterwolke wegdrehte und sich auf schleichenden Füßen entfernte.

Untermalt von dem Brummen des Donners, hatte die Band auf der Bühne gespielt. „Dead or alive“ von Bon Jovi hatte dagegen gehalten, genauso „With or without you“ von U2, „Can’t fight this feeling“ von REO Speedwagon oder “Tie your mother down” von Queen. Die Stücke, die genau mein Musikgeschmack waren, waren den Originalen täuschend ähnlich. Blitze waren in den schwarzen Himmel abgezischt, die Band verstummte. Der Höhepunkt des Tages konnte beginnen: das Feuerwerk.

Gut und Böse, Licht und Schatten, Leben und Tod, das Feuerwerk erzählte über das Chima, das waren Weisheiten aus China. Nach dreißíg Minuten war dieses sehenswerte Spektakel vorbei, das wir das allererste Mal im Legoland an diesem Tag der langen Nächte erlebt hatten.

Techno Schleuder, Lego Racers Achterbahn – Hinweis: ich fahre nicht mit Achterbahnen, sondern nur Gattin plus unser kleines Mädchen -, Wellenreiter, Tempel X-Pedition: mit diesen Fahrattraktionen begannen wir unseren zweiten Besuchstag. Die Tempel X-Pedition hatte in diesem Jahr neu eröffnet. Die Statue eines Pharaonen begrüßte uns zwischen Säulen und Schriftzeichen, zu denen sich gezeichnete Legosteine gesellten. Mit dem Fahrgeschäft schlüpften wir in die Rolle von Grabräubern. Im Inneren der Pyramiden zielten unsere Infrarotpistolen auf funkelnde Schätze, je abgeschossenen Schatz wurden Punkte gesammelt, doch mein Punktekonto sah grottenschlecht aus: zu oft traf ich daneben, so dass ich mit meinen 11.000 Punkten abgeschlagen im unteren Mittelfeld landete.

So glimpflich, wie wir am Vortag davon gekommen waren, so schlecht meinte es das Wetter am zweiten Besuchstag. Wir hatten es uns in der Lego Arena bequem gemacht, der chinesische Nationalzirkus zeigte seine Akrobatik rund um Gut und Böse, Licht und Schatten, Leben und Tod. Ein Artist mit einer Haarmähne, die zu dem Woodstock-Festival hätte passen können, jonglierte eine zentnerschwere Vase auf seinem Kopf. Indes hatte sich eine Gewitterfront hatte sich formiert und rauschte in die Lego Arena hinein. Es stürmte, Blätter fegten in die Luft, der Regen prasselte, wir flüchteten in das Arena Café.

Im dem Arena Café, wo man Pizza und Pasta essen konnte, knubbelte es sich. Eine Stunde lang standen sich die Flüchtenden auf den Füßen, bis der azurblaue Himmel das Gewitter vertrieb, als sei nichts gewesen.
Einmal Legoland von oben. Vom Aussichtsturm konnten wir das Gelände des Freizeitparks überblicken. Im Jahr 2000 setzte der damalige Bundesfinanzminister Waigel den ersten Spatenstich. April 2002 eröffnete Legoland Deutschland nach dem Vorbild von Billund in Dänemark. Seit 2003 besuchen wir regelmäßig Legoland Deutschland. An den Rändern ist der Park alljährlich um neue Attraktionen gewachsen.

Nachdem unsere Kleine die Mindestgröße erreicht hat, ist sie verrückt nach der Drachenachterbahn. In einer Höhle wird über Merlin, den Zauberer, und den Drachen, der den Burgschatz bewacht, erzählt, bis die Fahrt in zwanzig Meter Höhe abhebt und in atemberaubende Kurven schießt. So atemberaubend, dass ich mir dieses Schwindelgefühl erspare und vom standsicheren Erdboden lieber zusehe. Dabei verlängern sich die Phasen des Zusehens bisweilen, wenn der Rest meiner Familie drei- bis viermal hintereinander diesen Nervenkitzel genießt.

Das Gewitter hatte die Luft gereinigt, so dass am dritten Besuchstag die Sonne ungehemmt vom Himmel knallte. Dabei ist Hitze im Legoland kein erdrückendes Phänomen. Anders wie bei uns im Rheinland, wird es selten drückend und schwül. Man kann frei atmen. Seit der Eröffnung sind Bäume und Sträucher so gewachsen, dass sich Schatten findet.

Bei solchen Hitze-Wetterlagen retten wir uns in das Piratenland. Ab in die Wasserschlacht. Die Boote können sich gegenseitig bespritzen. Unsere Kleine zog den Badeanzug an, ich machte meinen Oberkörper frei. Zweimal hintereinander nahmen wir die Schlacht an und schossen mit den Wasserpistolen zurück, was das Zeug hielt. Vom Gesicht bis zu den Füßen waren wir klatschnass. Und wir waren uns sicher, dass es unsere Gegner mindestens genauso erwischt hatte.


Geruhsam trotten wir zur nächsten Wasser-Attraktion, der Wildwasserbahn. In der Warteschlange wird mir jedesmal aufs Neue gezeigt, was mit welcher Liebe zum Detail aus Legosteinen gebaut worden ist. Eine Eidechse hängt den Fels herab. Zwei Affen hocken auf einer Kiste. Die Leoparden-Mama und ihr Baby ruhen sich auf einem Stein aus. In luftiger Höhe erschreckt eine Spinne den Betrachter. Johnny Thunder begutachtet mit seiner Lupe die Tauglichkeit des Dschungels. Wie so oft, war die rasante Fahrt angesichts der Wartezeit von 45 Minuten viel zu schnell vorbei. Neue erfrischende Kühle fanden wir anschließend in der Unterwasserwelt von Atlantis. In einem kurzen Film erzählte ein Legomännchen vom Mythos Atlantis, tauchte in die Trümmer der versunkenen Stadt ab, bis sich eine Türe zu den Unterwasseraquarien öffnete. Das war eine kleine Kopie der Sea Life Center in Konstanz oder Oberhausen, wobei – natürlich – die Unterwasserwelt mit jede Menge Lego-Figuren gespickt war. Bevor wir die Aquarien verließen, gab es Seesterne zum Anfassen. Man konnte sie streicheln, ihren harten Panzer berühren, ihre Bewegungen beobachten.

Miniland, Hafenrundfahrt, Lego Fabrik, Rundfahrt mit der Eisenbahn, nicht zu vergessen der Lego Shop, in dem es nichts gibt, was es nicht gibt: zweieinhalb Tage lang haben wir das Legoland ausgekostet.

Der bittere Ernst holte uns auf der Rückfahrt auf der Autobahn A5 ein. Nachdem wir unser großes Mädchen in Freiburg eingesammelt hatten, fuhren ab Offenburg mit voller Wucht in eine Gewitterfront hinein. Gemeinsam mit der Gewitterfront, unter der es pechschwarz wie in der Nacht war, zogen wir nordwärts. Bei Karlsruhe waren auf der Gegenfahrbahn Bäume umgeknickt, so dass sich der Verkehr endlos staute. Es regnete so sintflutartig, dass in unserer Richtung stellenweise die Fahrbahn überschwemmt war, so dass sich der Verkehr staute und auf ein oder zwei Spuren an den Überflutungen vorbei schlängelte. Nach zwei Stunden war die Fahrt mitten durchs Gewitter vorbei. Hinter der Rheinbrücke lichtete sich bei Speyer der Himmel.

Abends hörten wir in den Nachrichten, dass das Unwetter weiter in Frankfurt gewütet hatte. Der Bahnverkehr war zwischen Köln und Frankfurt lahmgelegt, weil eine Metallabdeckung auf das Dach des ICE-Bahnhofs am Flughafen gestürzt war.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

in der Einsamkeit des Schwarzwaldes


Wo waren wir gelandet ? Das Ortsende von Freiburg-Kappel hatten wir längst verlassen. An der Molzhofsiedlung gabelte sich die Straße. Unsere Straße zwängte sich in einen schmalen Teerweg hinein, auf dem keine zwei Autos mehr nebeneinander passten. Der Teerweg schlich den Berg hinauf in einen Urzustand von Landschaft, die durch nichts gestört wurde. Wir folgten dem Bach, der das Tal hinab plätscherte. Die Berghänge des Schwarzwaldes bauten sich auf wie eine Wand. Ich hatte Angst, der Teerweg könnte untergehen in dieser Masse von Grün, Natur, Wildheit, Temperament. Bis das Haus mit der Hausnummer 40 auftauchte. 

Danach kam lange nichts, außer diesem steilen Anstieg, den unser Auto gerade im zweiten Gang bewältigte. So ungefähr, als wir nicht mehr damit rechneten, standen wir vor unserem Gasthof mit der Hausnummer 48. Von außen sah er so aus, was ich typischerweise mit Schwarzwaldhäusern verband: ein breiter, ausladender Baukörper, Elemente von dunklem Holz auf der Fassade, das weit herabgezogene Dach, ein hölzerner Balkon, jede Menge Blumenkübel.

Zu spät hatte ich bemerkt, dass unser Gasthof dermaßen weit außerhalb von Freiburg lag. Unserem großen Mädchen wollten wir beim Umzug helfen. Einigermaßen kurzfristig in den Herbstferien waren nicht mehr allzu viele Hotels oder Zimmer oder Ferienwohnungen frei. Dreibettzimmer passte, mit Frühstück passte, 24 € pro Person und pro Nacht passte, Freiburg-Kappel passte. Ich hatte aber bei der Buchung im Internet nicht genau genug hingeschaut, dass unser Gasthof zwar zu Freiburg gehörte, aber mitten im Schwarzwald lag. Das war hier am Ende jeglicher Zivilisation.

Viermal sollten wir hier übernachten. Kein Zweifel, ich war gerne mitten in der Natur. Andere Gegenden wie die die Eifel schätze ich. Ruhe und Verlassenheit konnte ich dort finden, pure Natur und lieblich zusammengescharte Dörfer in dieser buckeligen Mittelgebirgslandschaft. Aber soviel davon ? In einer solchen Überfülle ?

Ich gewöhnte mich kaum daran, dass ich hinter der Zivilisation, die an den letzten Häusern von Freiburg-Kappel endete, noch ein gehöriges Stück mit dem Auto durch die Gegend kurven musste. Auf 720 Metern Höhe lag unser Gasthof. Schrecklich stellte ich mir vor, wenn der Hof in Winter eingeschneit wäre. Ich war nie im Ski-Urlaub gewesen. Wenn ich andere davon reden hörte, beschrieben sie in aller Romantik, wie sie eingeschneit waren. Wenn es draußen knackig kalt war, heizte die Wärme im Inneren die Gemütlichkeit an.

Aber es musste nicht gleich Schnee sein. Bange wurde mir zumute, als es in der letzten Nacht schneeweiß gefroren war. Zu Hause kannte ich die Gefahr des Glatteises, wenn sich an einigen tückischen Stellen regelmäßig Autos im Straßengraben wiederfanden. Und hier ? Bei einer Abfahrt mit acht bis zehn Prozent Gefälle ? Es passierte nichts. Die Reifen griffen auf dem Asphalt, und heil kam ich in Freiburg-Kappel an.

Auch an den anderen Tagen war es lausig kalt auf 720 Metern Höhe. Selbst drinnen, beim Frühstück, fror ich eine Zeit lang, weil der mit Holz geheizte Ofen nur zögernd Wärme spendete. Während in Freiburg ein laues Lüftchen wehte, pfiff hier der Wind. Der Bach hinter dem Haus war laut, weil er mit all seiner urwüchsigen Kraft ins Tal stürzte. In einer Nacht trommelte der Regen auf das Dachfenster, so dass ich nicht mehr einschlafen konnte. Das schlimmste war: kein Handynetz. Der Gasthof lag in einem Funkloch. Mit unserem großen Mädchen in Freiburg-Littenweiler konnten wir nichts absprechen. Am Vortag nannten wir eine Uhrzeit, wann wir ungefähr aufkreuzen würden.

Die Zivilisation war eingekehrt, als wir Morgens ein gelbes Postauto gesichtet hatten. Die Menschen bekamen also die Post zugestellt. Strom gab es natürlich auch über die oberirdische Stromleitung, die sich von Mast zu Mast schwang. Auch die Müllabfuhr schaffte es soweit, wobei ich mich fragte, wie sie es in der Enge des Tals schaffte, zu wenden und umzukehren.

Unsere Gastgeber waren sehr, sehr nett. Es war ein Ehepaar, beide ungefähr Mitte sechzig, die bis 2005 den Gasthof als Gaststätte betrieben hatten. Sie hatten Spaß daran, sich mit uns zu unterhalten und aus ihrem Leben zu erzählen. Einmal, als wir einen Schreibtisch zusammenbauten, als vorgebohrte Löcher fehlten, konnten wir uns in der Werkstatt, die in einem eigenen Schuppen untergebracht war, bedienen, wie wir wollten.

Beim Abschied wurde mir klar, dass ich in einer Welt jenseits des Kapitalismus angekommen war. Wo nicht alles konsequent durchgerechnet werden musste. Wo einen Kosten und Umsätze nicht durch die Gegend trieben. Wo Geld nicht als das Maß aller Dinge betrachtet wurde.

Wir bezahlten genau den Preis, der auf der Buchungsbestätigung im Internet stand. Obschon wir eine Person mehr waren. Obschon ich an einem Abend eine Flasche Radler aus der Gaststätte getrunken hatte. Obschon der Aufbau des Schreibtisches lahmgelegt worden wäre, wenn wir die Löcher nicht hätten bohren können. Unsere Gastgeber lehnten es ab, dass wir selbst einen Cent mehr bezahlten.

Es gibt Dinge, die erschließen sich nicht beim ersten Mal. Man muss genau hinsehen, damit umgehen lernen. Wenn man schließlich den versteckten Charme kennen gelernt hat, bleibt dieser um so nachhaltiger haften.

Freitag, 19. Oktober 2012

Glockentürme (4) - St. Stephansmünster in Breisach am Rhein


Das Stephansmünster in Breisach (25 Kilometer westlich von Freiburg an der Grenze zu Frankreich) überragt die Stadt auf seinem Felsen und ist aus allen Richtungen in der Ferne zu sehen. Die Münsterkirche ist romanischen Ursprungs und ist im Chor gotisch umgebaut worden.




Ende 2010 wurde ein Glockenprojekt initiiert, dessen Ziel der Neubau eines Glockenturmes war. Die Glocken des Stephansmünsters sind mehrere Jahrhunderte alt und stammen aus den Jahren 1350, 1491, 1579, 1583 und 1662. Im Zuge des Glockenprojektes wurden drei neue Glocken gegossen. Ebenso wurde die Glocke aus dem Jahr 1579 instandgesetzt, die durch Kriegsschäden aus dem 2. Weltkrieg beschädigt war und im Stadtmuseum von Breisach aufbewahrt wurde. Die Gesamtkosten von 125.000 € wurden vollständig über Spenden finanziert. Die Weihe von zwei neuen Glocken wurde im Juni 2011 mit einem Stadtfest gefeiert. Für die insgesamt vier neuen Glocken wurde in dem kleineren Kirchturm ein Glockenturm neu gebaut. Die anderen Glocken finden sich in dem Glockenturm des größeren Kirchturms wieder. 

Im Inneren der Münsterkirche kann man die instandgesetzte Glocke aus dem Jahr 1579 bestaunen sowie die dritte neue Glocke, die noch nicht geweiht worden ist.



Freitag, 7. September 2012

SC Freiburg


Es ist ziemlich genau 25 Jahre her, dass ich mir in einem Stadion Bundesliga-Fußball angeschaut habe. Das war damals im Müngersdorfer Stadion (das inzwischen als Rhein-Energie-Stadion komplett neu gebaut worden ist). In meiner Jugend war ich als FC-Fan vollständig umringt von Borussia-Fans. Und in meiner Kindheit bin ich mit meinen Eltern des öfteren an den Bökelberg (wo es das Stadion heute auch nicht mehr gibt) zu Borussia Mönchengladbach gefahren. Wie der Zufall es will, ist unser großes Mädchen in Freiburg ganz dicht an der Fußball-Bundesliga dran. Etwa Luftlinie einen Kilometer entfernt liegt das Stadion des SC Freiburg, genau auf dem Weg zur Studentenbude unseres großen Mädchens. So dicht dran, habe ich wenigstens einige Fotos gemacht, wenn ich es schon nicht schaffe, mir im Stadion Bundesliga-Fußball anzusehen. Was den 1. FC Köln betrifft, schont dies ohnehin meine Nerven, auf den Weg ins Stadion zu verzichten.






Es gibt ja durchaus Verbindungen vom SC Freiburg zum 1. FC Köln. Immer wieder glaubte man das Modell Freiburg, mit wenig finanziellen Ressourcen ein vergleichsweise hohes spielerisches Potenzial zu erzeugen, nach Köln übertragen zu können. Zuletzt, indem man den Manager Volker Finke, der davor 15 Jahre lang Trainer in Freiburg war, nach Köln geholt hatte. Es hat sich mehrfach gezeigt, dass das Modell Freiburg nicht nach Köln übertragbar ist. Während man in Freiburg auf Krisensituationen mit Ruhe reagiert hat, sind in Köln gleich alle Jecken am tanzen. Und ordentlich mischen da auch Express, Bild & Co mit. Der Verein kommt nie zur Ruhe, jeder Piepser wird zu einem Skandal aufgebauscht. Alles muss sich ständig verändern und ausgetauscht werden, kein Stein darf mehr auf dem anderen bleiben, bis keine Kontinuität mehr da ist. Der SC Freiburg leuchtet in diesem Umfeld geradezu als Vorbild.

Mittwoch, 5. September 2012

Weingut Müller


Es gibt Dinge, die sind es mir wert. Erleben, wie sich eine Berglandschaft vor meinen Augen aufbaut. In urige Dörfer eintauchen. Die Herkunft des Weins mit einer flammenden Landschaft aus Buntsandsteinfelsen, Burgruinen und schier endlosen Wäldern verbinden.

Als Plus zu den 840 km nach Freiburg habe ich mir den Abstecher an die Deutsche Weinstraße gegönnt. Hinter Landau rolle ich auf der B10 talabwärts. Erst kommen die Weinberge, die sich für ein kurzes Stück in der Ebene formieren, dann holen die Berge des Wasgaus aus mit diesem Blick in die Weite, der neue Horizonte öffnet. Ganz bewusst drehe ich eine Schleife bis zum Fuße des Trifelses, der mit dem Abdruck seiner Ruine alles überragt. Über eine Nebenstraße zurück nach Albersweiler, wo sich Weinreben wie ein Dach über die Straße spinnen. Die Straße schrumpft zusammen, und über Serpentinen kraxelt das Auto die Weinberge hoch. Hinter jeder Kurve glitzert die Sonne in einem neuen Spiel aus Licht und Schatten in die Weinberge hinein.

Weingut Müller im nächsten Ort, Frankweiler, das ist mein Ziel.



Eine Verengung, ich biege ab. Symbolträchtig sind die Straßenschilder, denn die gelbe Rebe signalisiert mir, dass ich mich auf der Deutsche Weinstraße befinde. Die Straße wurstelt sich durch ein Spinnennetz von Höfen und Weingütern. Von schilfgrünen Fensterläden blättert die Farbe ab. Aus einem steinernen Brunnen plätschert Quellwasser. Auf dem Dorfplatz empfiehlt sich Frankweiler als „Riesling- und Ferienort“. Hinter dem Kirchturm mit der Barockhaube rücken die Weingüter wieder näher an die Straße heran. In der Seitenstraße spannt sich ein Bogen von Reben über die Straße. Aus einem hervor kragenden Obergeschoss mischt sich Fachwerk in die Stille des späten Nachmittags  hinein. Gerade so breit wie ein Auto, kriecht die Straße den Berg hinauf.


„Jahrzehntelang hat man den Trend verschlafen“ urteilt die Inhaberin des Weinguts Müller, als ich über einen Schotterweg angekommen bin. Es ist die Schwiegertochter, denn Wein haben wir ansonsten nur beim Schwiegervater eingekauft. Hoch aufgeschossen, agil, wendig, lockiges Haar, Mitte 30, aus vollem Herzen Geschäftsfrau, sprüht sie voller Ideen. „Das mittlere Preissegment ist hier in der Gastronomie nicht vertreten. Das bieten wir in unserer Vinothek an.“ Am Rande des Ortes, mitten in die Weinberge hinein gepflanzt, beherbergt das viereckige Gebäude der Vinothek eine Außengastronomie, die bei dem spätsommerlichen Wetter gut besucht ist. Unterbrochen von Dorf mit Kirchturm, rollen die Weinberge ins Endlose davon, bis sie die rheinische Tiefebene erreichen, wo am Ende des Horizonts ein Haufen von Schornsteinen die BASF in Ludwigshafen markiert.


„Noch vor einem halben Jahr hatten wir hier totale Baustelle“  erzählt die Winzerin. „Vor drei Monaten war außen noch gar nichts. Ist aber gut gelaufen. Alle Handwerker und Firmen waren zuverlässig und haben ihr bestes getan.“ Ich ergänze: “Was nicht immer der Fall ist. Da sind ja schlimme Szenarien denkbar, dass Klein- und Kleinstgewerke so einen Bau endlos in Länge ziehen können.“

Zwei Mountain-Biker bewegen sich erschöpft an die Theke und bestellen Riesling. Golden schimmert der Wein im Glas, die wärmende Spätnachmittagssonne lockt die Mountain-Biker nach draußen, wo sie die Beine in die Länge strecken, mit der Nase im Glas das süffige Aroma einsaugen und einen kräftigen Schluck nehmen. Andere Gäste essen Flammkuchen, während die Kinder in der Spielecke Lego-Steine zu abenteuerlichen Konstruktionen zusammentürmen.

Müller-Thurgau, Silvaner, Riesling, ich verstaue die drei Kisten Wein im Kofferraum. In einer ähnlichen Aktion habe ich im letzten Jahr von Freiburg aus einen Abstecher nach Frankweiler an der Deutschen Weinstraße gemacht. Davor hatten wir die Deutsche Weinstraße zehn Jahre lange nicht mehr gesehen. In dieser Zeit hat uns das Weingut Müller den Wein nach Hause gebracht.

Ein einziges Mal möchte ich auf meinem Blog Werbung machen (auf meiner Blog-Seite hat ansonsten Werbung nichts zu suchen !). In einer Preisspanne von 2,90 € bis 3,20 € haben die Standard-Weine von Weingut Müller einen hervorragenden Geschmack und sind vollkommen konkurrenzfähig zu Weinen im Supermarkt (wo man im übrigen nicht weiß, ob etwas zusammen gepanscht worden ist !). Der Aufpreis bei der Lieferung ins Haus hatte zuletzt 0,10 € pro Flasche betragen.

Ein letzter Schlenker ins Dorf zurück. Vorbei am Weingut des Schwiegervaters, wo wir vor genau 22 Jahren durch den Pfäalzer Wald gewandert sind. Abends hatten wir in der Weinprobierstube von Weingut Müller eine Weinprobe gemacht. Schon damals hatten den Vater Unsicherheiten geplagt, was in Jahrzehnten aus seinem Weingut werden würde. Sein Sohn und seine Schwiegertochter haben sich entschieden, diese alte Tradition fortzuführen. Ein Glas Wein trinken, ist für mich genauso Tradition. Das ist Genuss bei jedem Schluck. Da schillert diese Verbindung von Landschaft und Weingütern durch. Das ist auch nicht dieses Herunterschütten wie beim Bier, um den Durst zu löschen.


Ich verlasse Frankweiler. Gleisweiler, Burrweiler, Hainfeld, überall dasselbe Bild. Draußen sitzen Menschen, die sich bei einem Glas Wein zuprosten. Überall dieselbe versponnene Schönheit. Vor langer, langer Zeit bin ich sogar die komplette Deutsche Weinstraße mit dem Fahrrad entlang geradelt.

Donnerstag, 30. August 2012

Urlaub am Bodensee - Teil 5

Abschied


Es war eine verkehrte Welt. Mit meinen Arbeitskollegen hatte ich den Urlaubsplan nur so abstimmen können, dass ich eine Woche am Bodensee bleiben konnte, während die restliche Familie 14 Tage bleiben durfte. Doch die großen Kinder rebellierten. Der Bodensee war ihnen nicht exotisch genug, eher ein Urlaubsziel, wenn wir Eltern in Rente sind. Die Attraktionen, die wir bereits in früheren Urlauben besucht hatten, waren ihnen langweilig. Die Situation war absurd. Die großen Kinder waren gezwungen auszuharren. Und ich wäre gerne geblieben und musste abreisen.

Wieder auf nach Konstanz. 12.38 Uhr fuhr mein Zug ab. Ab Immenstaad nahmen wir das erste Schiff, denn der Wetterbericht hatte eine Gewitterfront angekündigt. Man hatte uns erzählt, wenn der See aufgewühlt und stürmisch ist, dass dann der Schiffsverkehr eingestellt wird. Der See war aber ruhig und zahm. Die Sonne versteckte sich hinter einem kompakten Wolkenschleier. Pünktlich lief das Schiff in den Konstanzer Hafen ein. Ungefähr anderthalb Stunden konnten wir noch durch Konstanz bummeln, bis mein Zug kam.

Wir hatten keinen Plan. Einmal quer durch die Altstadt und zurück. Bahnhofstraße, Rosgartenstraße, Wessenbergstraße. Ich musste auf die Uhr schauen, um gegen halb eins am Bahnhof zu sein. Mit den zahlreichen bemalten Hausfassaden erinnerte mich die Konstanzer Altstadt an Lindau. Sie war hübsch, doch nicht ganz so spektakulär. Homogen, in sich geschlossen, verband sie einen Einkaufsbummel mit einer harmonischen historischen Umgebung. Im zweiten Weltkrieg war nichts nennenswertes zerstört worden.

Schuhläden und Bekleidungsketten, Unterhaltungselektronik und Buchläden. Wir stöberten hier und da. T-Shirts in frischen Farben, Bücher über Kunst am Bodensee, die neueste Edition von Star Wars Battle Field, Sandalen für unser kleines Mädchen. Dass wir die Läden ohne Einkäufe verließen, fanden wir nicht weiter schlimm.

Ich studierte einige Fassadenmalereien. Es mussten Szenen aus der Stadtgeschichte sein. Ein Zug mit einem Fahnenträger schritt voran. An der Spitze des Zuges knieten zwei Männer vor einem Herrscher nieder und schauten ehrfürchtig in sein Gesicht. Was geschah in diesem entscheidenden Augenblick ?

Zeit, diese Frage zu beantworten hatte ich keine mehr. Am Restaurant zum Elefanten nahte mein Abschied. Das war Wehmut. Und so verrückt, denn andere wollten nach Hause, und ich wäre liebend gerne geblieben. Keine lange Abschiedsszene, ein paar Mal all meine Lieben knuddeln. Dann strebte ich zum Konstanzer Bahnhof.

Es war ein Abschied auf Raten. Pünktlich um 12.38 Uhr fuhr der Regional-Express nach Karlsruhe los. Ich stieg in die obere Etage des Doppelstockwagens und genoss die Aussicht. Der Zug passierte die Brücke. Von dort aus gönnte man mir für einen kurzen Augenblick einen Blick auf den Hafen und auf den Bodensee. Dahinter erst Wohngebiete, dann Industriegebiete. Das war öde, platt, identitätslos, sinnstiftend alleine in der Produktion, wie sonst wo in Industriegebieten. Mitten in dieser industriellen Einöde hielt der Zug in Konstanz-Petershausen. Dann drehte der Zug zum See zurück. Er fuhr so nahe am Seeufer, dass sich die Insel Reichenau glasklar aus dem See herausschälte. Ich war hingerissen. Die romanische Basilika stach genauso deutlich heraus. Der Vierungsturm markierte genau das Herz der Insel.

Allensbach, der nächste Halt. Einige freistehende Einfamilienhäuser versperrten den Blick auf den See. Nie im Leben hätte ich vermutet, dass Allensbach am Bodensee liegt. Allensbach kannte ich nur von Meinungsumfragen, jede Menge Statistik, Zahlenkolonnen ohne Ende, Marktforschung, Einkaufsverhalten, Wahlprognosen.

Weiterfahrt. Der Blick zum gegenüberliegenden Ufer verengte sich. Schilfgewächse verdichteten sich am Seeufer, das seicht und flach ausglitt. Der endgültige Abschied nahte in Radolfzell. Schon am Bahnhof war nichts mehr vom See zu sehen. Danach sah ich ein letztes Mal ein Stückchen See. Wehmütig schrumpfte der Seeblick. Der Bodensee verabschiedete sich mit einem Bierzelt und einem Zieleinlauf, denn in Radolfzell fand an diesem Wochenende ein Triathlon-Rennen statt. Schließlich drehte der Regionalexpress nach Karlsruhe weg und steuerte auf den Hegau und den Schwarzwald zu.

Mittwoch, 29. August 2012

Urlaub am Bodensee - Teil 4

8.  32 Grad


Auf den ersten Blick ist die Konstanzer Fußgängerzone nicht anders geartet wie diejenigen in Krefeld, Ludwigshafen oder Mainz. Ständer mit Bekleidung locken vor Schaufenstern mit Soderangeboten. Zwischen gläsernen Fensterfronten geht es zu Ladenpassagen, in dessen Inneren die Vielfalt von Einzelhandelsgeschäften aufblüht. Lokale mit Außengastronomie laden zum Verweilen ein.

Eine Kleinigkeit essen. Erfahrungsgemäß waren in anderen Städten in Fußgängerzonen kaum gemütliche Restaurants zu finden. Dazu kam die Hitze in Konstanz. Der glühende Ball der Sonne schien fast senkrecht vom Himmel. Die Steinplatten in der Fußgängerzone warfen die Hitze zurück. Kein Schatten, denn die Hausfassaden lagen zu weit auseinander. 32 Grad zeigte die rote Digitalanzeige an der Raiffeisenbank. Müde und erschöpft schlurften unsere Füße vorwärts. Die Mittagssonne brannte auf unsere Köpfe.

Uns blieb ein Zeitfenster von etwas mehr wie eine Stunde. Gegen 14 Uhr würde unser großes Mädchen mit dem Zug aus Freiburg ankommen.

Zuvor war unser Zeitfenster zusammengeschrumpft. Unseren Aufenthalt in Konstanz hatten wir mit einem Besuch des Sea-Life-Centers verbunden. Die Sonne hatte auf den Flachbau mit der Alu-Fassade direkt neben dem Seeufer gebrannt. Wir waren in die angenehm kühle Unterwasserwelt des Sea-Lifes-Centers hinein geschlüpft. Ohrenqualle, Kompassqualle, Kreuzqualle … Seepferdchen, grüne Meeresschildkröte, Hecht, Katzenhai, Bodensee-Felchen – wir waren fasziniert von dieser Artenvielfalt unter Wasser. Die Unterwasserwelt im mittelalterlichen Rotterdam oder im Bodensee – dahinter steckte eine Liebe zu Details, auch die Kleinigkeiten mit Leben erfüllen zu wollen. Krabben, Krebse, Seesterne, Tentakel – im interaktiven Berührungsbecken konnten wir diese Tiere fühlen und ertasten.

Eine Stunde lang dauerte unser Besuch. Im Freien schlug uns wieder diese Hitze ins Gesicht. Etwas trinken. Um uns gemütlich hinzusetzen, waren alle schattigen Bänke am Seeufer belegt. Daher mussten wir mit einem schattigen Plätzchen auf dem Rasen Vorlieb nehmen oder auf einer Bank in der prallen Sonne.

Nachdem wir die früheren Hafenanlagen mit ihrer großzügigen Außengastronomie passiert hatten und geradewegs in die Fußgängerzone strebten, fiel uns ein:
„Wir haben Hunger.“
„Eine Kleinigkeit essen.“
„Wo finden wir ein gemütliches Lokal ?“
„Eben am Seeufer sind wir an jede Menge von Lokalen vorbei gekommen. Wieso haben wir da nicht geschaut ?“

Zurück zum Konzilsgebäude, dessen Preise aber angesichts des geschichtsträchtigen Gebäudes aus dem Jahr 1414 jenseits von Gut und Böse lagen. Das war logisch und nachvollziehbar. Wieder zurück in die Fußgängerzone. Entsprechend den Temperaturen, platzten die Eiscafés aus allen Nähten. In der angrenzenden Bäckerei gab es nur Suppe, Quiche Lorraine oder Sandwiches, was unser Spektrum an Kleinigkeiten nicht ausreichend bediente.

Schließlich wurden wir fündig – das Casablanca. Das Innere war großzügig, die Preise waren bezahlbar, und zwischen Stuhlreihen und Tischen war Platz ohne Ende. Bei den heißen Außentemperaturen war die Eiskarte der Renner. Ansonsten genügten Pizza und Pasta unseren Ansprüchen.  

Die Ventilatoren unter der Decke kamen wir vor wie eine Anspielung auf Casablanca, das vor den heißen Sandwüsten Marokkos gedreht worden war. Die Ventilatoren verschafften Luft, als Schutzschild gegen die Hitze draußen. Einzelszenen führten uns durch den legendären Film aus dem Jahr 1942. Bilder in schwarz-weiß hingen auf der orange gestrichenen Wand. Humphrey Bogart und Ingrid Bergman wiederholten sich als Motiv, mal in ein Auto einsteigend, mal im Dreiergespräch, mal sich küssend. Doch plötzlich stellten wir einen Stilbruch fest: die Bilder in schwarz-weiß wechselten zu Marilyn Monroe und James Dean, die in dem Film Casablanca gar nicht mitgespielt hatten.

Nachdem wir unser großes Mädchen am Bahnhof nach ihrer Ankunft eingesammelt hatten, bestiegen wir das Schiff. Nach Hause zurück, in unsere Ferienwohnung. Das Schiff steuerte aus der Hafeneinfahrt heraus. Die Statue der Imperia verabschiedete uns mit den beiden Zwerggestalten, die sie in ihren Händen hielt. Wie auf der Hinfahrt, kühlte der Fahrtwind, als das Schiff losgefahren war. Stramm strich er über unsere Gesichter, die Schweißperlen lösten sich in ein Nichts auf. Der See schwebte unter uns dahin. Der Wind trieb die Segelboot vor sich hin, die sich im Zick-Zack-Kurs entfernten. Die Schiffsmotoren zerwühlten das Wasser. Mein Blick wanderte gleichförmig über den See, ich streckte ich meine Beine aus. Ruhig, gemächlich, ohne Hetzerei glitt das Schiff über den See. 


Meersburg kam ich Sichtweite. Dieses einzigartige Panorama mit der Burg, dem Barockschloß und der wunderschönen Altstadt näherte sich.

Mittwoch, 15. August 2012

Urlaub am Bodensee - Teil 3

7.  Immenstaad


Die Hütten des Dorfes ragten aus dem See heraus. Damit das Hochwasser sie nicht überschwemmte, baute man sie auf mannshohe Stelzen. Stege bildeten ein verzweigtes Netz: vom Ufer zu jeder einzelnen Hütte. Die Bewohner verkehrten mit Einbaumbooten auf dem See. Sie waren Jäger und Sammler, ernährten sich vom Fischfang. Für Getreideanbau war das unwegsame Gebiet um den See zu feucht, für Viehhaltung genauso.

So ungefähr war Immenstaad in der Bronzezeit besiedelt worden, das war vor 2000 Jahren. Freilich: bekannter sind die Pfahlbauten in Unteruhldingen, die zuletzt zum Weltkulturerbe ernannt worden sind. 1983 wurde in Immenstaad auch ein Pfahlbaufeld entdeckt, wodurch sich die Indizien verdichteten, dass die Vorfahren Immenstaads in der Bronzezeit sich genauso niedergelassen haben, wie man es sonst in Unteruhldingen besichtigen kann.

Urkundlich erstmals erwähnt wird Immenstaad 1094, als Herzog Welf IV. von Bayern dem Kloster Weingarten – ungefähr dreißig Kilometer entfernt - bedeutende Güter in Immenstaad schenkte. Da zu feucht, zu unwegsam, abseits der Handelsrouten, strategisch unbedeutend, hatten zuvor die Römer einen weiten Bogen um den Bodensee gemacht. Dies änderte sich, als germanische Volksstämme die römischen Besatzer aus Mitteleuropa vertrieben. In Süddeutschland waren dies die Alamannen. Wohl um 600-700 gründeten die Alamannen das heutige Immenstaad, dessen Namen mit Landestelle (Staad) des Fürsten Immo gedeutet wird.

Von der Bronzezeit über den Verkehr von Lastenseglern im Mittelalter bis zum heutigen Tourismus hat der See eine zentrale Bedeutung. Zwischen der Anlegestelle, der Uferpromenade und der Bachstraße, der Verlängerung der Anlegestelle, spielt sich heutzutage das maßgebliche Touristenleben ab. Man bummelt, flaniert, ist in Urlaubsstimmung, schaut in Geschäfte hinein, bevölkert Garten-Cafés, wechselt die Uferperspektiven, um den See in ständig neuen Variationen zu erleben.

Wenn sich das Kursschiff nähert, knistert es in mir voller Spannung. Der weiße Anstrich wirft fahle Muster auf die Oberfläche des Sees, die Umrisse des Schiffes verblassen in der Morgensonne. Ich lese „Bregenz“, dessen Buchstaben sich scharf am Bug zeichnen. Die Wellen formieren sich unaufgeregt. Der Wind streichelt das Wasser. Beschaulichkeit spannt sich auf bis zum Schweizer Seeufer.

Mit dem Schiff den Bodensee erkunden, das bedeutet, vom See aus die Breitseite an Landschaft kennen zu lernen. Entdeckung der Langsamkeit – so hatte Traude (Rostrose) einmal formuliert. Oder Entschleunigung – als Gegenbewegung zu Komplexität, multi-tasking, Technokratie, immer schnelleren Reaktionszeiten. Später, Richtung Hagnau und Meersburg, kleckert das Seeufer vorbei, im Zeitlupentempo. Nichts überstürzen. Das Panorama der Landschaft wechselt krass, doch in Ruhe kann ich mir all die mit Liebe in die Landschaft gezeichneten Details anschauen.


Als das Schiff zuvor den Immenstaader Anlegesteg verlassen hat, der mit 100 Metern der längste im gesamten Bodenseeraum ist, lasse ich die Kulisse von Immenstaad passieren. Vom Schiff aus betrachtet, ist dies vor allem eine Kulisse aus Ferienhäusern, die dicht an das Seeufer heranrücken und mal mehr, mal weniger Seeblick erhaschen. Dabei habe ich im Ort gelernt, dass Immobilien ein lukratives Geschäft sind. Das ist brav, artig, hübsch dekoriert, alleine die Kirche St. Judokus aus dem 15. Jahrhundert sorgt für eine historische Umgebung. Der dreieckige Kirchturm überragt den Ort. Die Mauern der Kirche erstrahlen in einem satten Weiß, so wie die übrigen Hausfassaden.


Dann, kurz vor dem Ortsende, schiebt sich eine Landzunge in den See hinein. Liegewiesen erstrecken sich bis zu einem gläsernen Kasten davor: das Aquastaad. 


Für mich bedeutet dies Badespaß zu jeder Jahreszeit, bei Sonnen- und bei Regenwetter, im Sommer wie im Winter, bei Hitze und bei Kälte. In dieser Badelandschaft haben wir uns alle gerne getummelt. 1983 hat man übrigens an dieser Stelle im See das Pfahlbautenfeld entdeckt. Steine geleiten die Badegäste in den See hinein. Baden im Bodensee, das ist ein Stückchen Meer, welches von den fernen Stränden des Mittelmeers herbei gezaubert wird. Palmen und Bananenstauden – die Vegetation liegt gar nicht so weit weg vom Mittelmeer. Doch der Weg in den  See ist steinig, die Sandstrände sind nicht bis hierhin transportiert worden. Meine Füße meckern, denn bis in den See müssen sie sich über Buckel von Steinen quälen.

Schwimmen, segeln, rudern, wandern, angeln, walken, Inline-skating, man ist hier aktiv in Immenstaad. Wie anderenorts am Bodensee, ist Immenstaad von sanftem Tourismus durchdrungen. Klötze von Ferienhaussiedlungen sind hier nicht zu sehen. Es werden keine Busladungen von Touristen ausgekippt. Massenanziehende Attraktionen wird man hier vermissen.

Radfahren habe ich bei den Aktivitäten noch nicht aufgezählt, denn Fahrradfahrer können sich wie im Paradies fühlen. Neben der Schifffahrt gibt es nicht schöneres, als den See mit dem Fahrrad zu erkunden. Das Netz an ausgeschilderten Fahrradwegen ist ausgezeichnet. Es gibt  einen durchgängigen Radweg, der ab dem Ortsende durch Weinberge führt. Ab Hagnau begleitet der Fahrradweg sogar das Seeufer. Wir hatten die Strecke früher einmal bis Überlingen geschafft, ohne Autoverkehr, auf separaten Radwegen, der See einen Steinwurf entfernt.

Tourismus, Weinbau, Obstanbau, Dornier-Werke, diese Elemente prägen Immenstaad. Die Umgehungsstraße trennt ungefähr die Domänen des Weinbaus und des Obstanbaus. Auf einem Apfel- und Weinspazierweg kann man beide Domänen erkunden. Hinauf auf den Hochberg, das ist ein 454 Meter hoher Aussichtspunkt.


Von dort aus kann der Blick die Fülle der Landschaft auskosten. Die Schattierungen der Schönheit entspringen im See, wo die Sonne im Wellenspiel glitzert, die Schönheit wandert über Weinberge, wo sich Reihen von Rebstöcken über Hügel schwingen, so weit das Auge reicht. Hinter der Trennlinie der Umgehungsstraße ergreift die Schönheit die Apfelbäume, wo Ende Juli die ersten Äpfel bereits geerntet worden sind. Waldstücke runden am Horizont die Gesamtkomposition ab, wo sie als Zickzacklinie zerlaufen.

Obst vom Bodensee – das ist ein Markenzeichen für die gesamte Region. Mittwochs Morgens ist Markttag, da wird Obst aus der Gegend verkauft. Gleich zwei Stände mit dicken, roten Äpfeln, die einen anlachen, stehen im Zentrum. Ich beiße in die Sorte „Elstar“ hinein. Der Apfel schmeckt saftig, süß, zerläuft auf der Zunge. Außerdem kann man an vielen Ecken Hochprozentiges kaufen: Obstler, Himbeergeist oder Kirschwasser. Denn so mancher Obsthof beherbergt eine Obstbrennerei. Doch da kann ich leider nicht allzu viel mitreden: bei Bier oder Wein endet meine Leidenschaft für einen guten Tropfen.


Ein Stück weiter, kurz vor dem Anlegesteg, kommt südländisches Flair auf. Eine Bühne, auf der Veranstaltungen im Freien stattfinden. Zugehört habe ich, als die Band „Route 66“ gespielt hatte. Das war Jazz vom feinsten. Wie „Tuxedo Junction“ von Glenn Miller. Das Grundmotiv des Orchesters, das auch wenigen Akkorden bestand, zog sich in die Länge durch Soloeinlagen. Vor allem der Saxophonist pustete fleißig in sein Instrument ein. Bei den Soloeinlagen war zwischendurch der Keyboarder an der Reihe, später die Trompete, so ging es reihum, und mit all den Soli und Grundakkorden hätte das Stück eine Ewigkeit dauern können, ohne jemals langweilig zu werden. Das war stundenlang Unterhaltung vom feinsten, bis wir irgendwann zurückdrehten in unsere Ferienwohnung.




An allen Ecken vom Tourismus geprägt, hat Immenstaad keine so schöne Altstadt wie Meersburg oder Überlingen zu bieten. Aber Immenstaad ist harmonisch. Fachwerkbauten treten nicht geschlossen auf, sondern als einzelne Episode. Das älteste Haus, das Haus Michael, wurde 1461 erbaut. 2001 renoviert, erhielt es 2003 den Denkmalschutzpreis. Weisheiten und Sprüche unter dem Gebälk regen zum Nachdenken an:

Nicht jeder ist seines Glückes Schmied. Vertrauen entsteht durch eingehaltene Versprechungen. Vermehren durch teilen. Der Mensch denkt er lenkt. Respektiere das Ende.

Unwillkürlich fällt man ins Grübeln und Philosophieren. Perla hat Haus Michael von innen kennen gelernt und bericht darüber in ihrem Blog.


 Daneben hauchen weitere Fachwerkbauten dem Ort Leben ein. Das Schwörerhaus, in dem einst Wein gekeltert wurde, stammt aus dem Jahr 1578. Besonders schön restauriert wurden im Ortsteil Kippenhausen das Haus Montfort und das Café Puppenhaus, die beide aus dem 18. Jahrhundert stammen. In Haus Montfort ist ein kleines Museum untergebracht. Im Café Puppenhaus konnte man bis vor einigen Jahren ein Puppenmuseum besichtigen.

In der Alten Vogtei, die 1732 erbaut worden war, haben wir in unserem Urlaub gerne gegessen. In dezenten roten Fliesen führt eine Treppe hinab. Im Gewölbekeller, der in der Form eines Rundbogens gemauert ist, fühlt man sich einige Jahrhunderte zurück versetzt.  Obschon die Preise ein leicht angehobenes Niveau haben, ist die Küche hier – wie zum Beispiel auch in dem gegenüberliegenden Lokal „Zum Hirschen“ – exzellent. Beim Essen bin ich stock-konserativ-schwäbisch oder badisch: ich esse Käsespätzle oder Maultaschen. Die Spätzle sind frisch zubereitet, die Zwiebelschmelze ist knusprig, die Portionen sind üppig. Und ein Müller-Thurgau aus Hagnau oder Meersburg rundet dieses Essen ausgezeichnet ab.

Hier in Immenstaad haben wir genossen, was es bei uns im Rheinland nicht gibt: eine regional-typische Küche. Hausgemachte Semmelknödel, Felchenfilet oder Rinderleberle. Auch die Gastronomie hat uns in den Himmel des Bodensees emporsteigen lassen.