In regelmäßigen Zyklen flammt diese Diskussion bei uns zu Hause auf. Diesmal war es Kindersklaverei in der Elfenbeinküste. Kinder wurden als Sklaven gehalten und halfen auf den Kakaoplantagen bei der Ernte. Erbost waren wir alle und wollten keine Schokolade mehr essen und keinen Kakao mehr trinken.
Solche Themen finden sich auch in meinen Blogs wieder. So hatte ich über den ARD-Marken-Check berichtet, in dem Unternehmen wie H&M, Ferrero oder SATURN an den Pranger gestellt wurden. Regelmäßig geht es dort um menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Ausbeutung, insbesondere in der Dritten Welt. Den Fernsehbericht über Kindersklaverei in der Elfenbeinküste hatte ich vor, genauso in meinem Blog zu platzieren. Der Effekt wäre aber so gewesen wie bei unseren Diskussionen zu Hause: Vor Wut hätte ich gekocht. Auf die Firmen, die daran verdienen, hätte ich geschimpft. Danach wäre aber wieder alles verpufft und hätte seinen gewohnten Gang genommen. Bis der nächste Fernsehbericht ausgestrahlt wird und die Wirkung danach wieder verpufft. Wie ein Rad, das sich endlos dreht, aber nicht von der Stelle kommt.
Ethik und Konsum – als Verbraucher kann ich eigentlich Macht ausüben, für welchen Anbieter ich mich bei meinem Kauf entscheide. Bei näherem Hinsehen stelle ich aber fest, dass ich auf ein unentwirrbares Dickicht stoße. Und dass ich eher selten eine Kaufentscheidung nach den Kriterien der Vernunft treffen kann.
Klar: die Öko-Bewegung hat einiges bewirkt – so dachte in der Automobilindustrie in den 70er Jahren noch niemand an Katalysatoren, bleifreies Benzin oder Rußpartikelfilter. In der Textilindustrie gibt es mittlerweile weltweit ca. 100.000 Qualitätszertifikate, mit dessen Hilfe über alle Wertschöpfungsstufen die Umweltfreundlichkeit von Textilfasern bewertet wird. Fairtrade stellt sicher, dass Arbeiter in der Dritten Welt bei der Ernte von Bananen, Kaffee oder Kakao angemessen entlohnt werden – ohne Kinderarbeit. Bei uns im Rhein-Sieg-Kreis gibt es eine Ethik-Bank, die mit ihrem Kapital nur ethisch vertretbare Vorhaben finanziert.
Trotz dieser positiven Beispiele kriege ich als Verbraucher keinen Griff an meine Kaufentscheidungen. Zu viel Zeitaufwand geht drauf, um mir solche Informationen zu beschaffen. Schlimmer noch: die Botschaften stimmen nicht, denn es wimmelt nur so von Widersprüchen. Einerseits sponsert Ferrero Projekttage an Schulen, die gesunde Ernährung und Bewegung in den Vordergrund stellen, andererseits bezieht Ferrero seine Haselnüsse aus der Türkei, wo Kinder bei der Ernte helfen. Der Touristik-Konzern TUI wirbt mit nachhaltigen Hotels in Urlaubsgebieten und vergisst gleichzeitig die Betonwüsten an mediterranen Stränden, die er selbst mit aufgebaut hat. Der Energiekonzern RWE bietet Öko-Strom aus Laufwasserkraftwerken an und war in der Vergangenheit ein vehementer Verfechter von Atomkraftwerken.
Ethik und Konsum – das Dickicht nimmt kein Ende und die Verwirrungstaktik von Meinungsmachern und Konzernen scheint aufzugehen. Nicht mehr als Nischenexistenzen sind die positiven Beispiele, die glaubwürdig klingen und keine Doppelmoral betreiben. So eine Art Subkultur, Auflehnung, Randgruppe, aber keine Massenbewegung. An den Leitbildern großer Konzerne darf ich mich ohnehin nicht orientieren. All diese kleinen Ethik-orientierten Ansätze muss ich wie ein Puzzle zusammensetzen – bis ich zum Schluss merke, dass weit mehr als die Hälfte der Puzzlestücke fehlt. In den kleinen Bewegungen wird fleißig getreten und etwas bewegt, aber in Summe – im Großen – bleibt das Rad auf der Stelle stehen. Die globalisierte Wertschöpfungskette leistet ein übriges, um Ethik und Konsum zu verwässern. Wie die Warenflüsse um den Globus kreisen und welche Teile aus welchen Ländern in welchen Produkten landen, dazu bedarf es genauer Stücklisten, um dies festzustellen. Und diese hat der Verbraucher üblicherweise nicht.
Ethik und Konsum – zum Schluß manövriert sich der Verbraucher selbst ins Abseits. Der Einfluss von Faktoren wie Nachhaltigkeit auf die Kaufentscheidung wird wahrscheinlich überschätzt. Vergesslichkeit kennzeichnet die Masse der Verbraucher, denn man muss denken, um nachhaltig einzukaufen. Eltern aller Einkommensschichten kaufen asiatisches Billigspielzeug. Klamotten-Ketten wachsen, in denen sich Kunden für 30 € komplett einkleiden können. Apple meldet Absatzrekorde für iPhones und iPads, obwohl jeder weiß, dass Arbeiter sie zusammengeschraubt haben, die schuften müssen, bis sie zusammenbrechen. Bei LIDL, ALDI & Co nehmen die Warteschlangen kein Ende, wenn Montag morgens die Schnäppchenjagd eröffnet wird.
Ethik und Konsum – offensichtlich sind dies Welten, die nicht zusammenpassen. Da kann das Fernsehen noch so viele Markenchecks zeigen. Zuletzt war Adidas an der Reihe. Da können noch so viele Unternehmen an den Pranger gestellt werden – wegen Kinderarbeit oder sogar Sklaverei. Wieder erschreckt eine Fieberkurve der Empörung den Fernsehzuschauer. In gewohnter Heftigkeit wird bei uns zu Hause diskutiert – mehr passiert nicht.
Business as usual.