Samstag, 30. November 2013

bei Leen und Jan in Leuven / Belgien

Zugegeben, ich habe manchmal verrückte Ideen.

Die Bahnfahrt von Köln nach Leuven war komfortabel. Eine Stunde mit dem Thalys von Köln nach Lüttich. Umsteigen, dann 35 Minuten nach Leuven. Das war nicht schlecht. Nur zwei Zwischenstationen und in eine Stunde und 49 Minuten war ich in Leuven angekommen.

Ich war voller Spannung, denn in Leuven traf ich mich mit den beiden Buchautoren Leen Huet und Jan Grieten. Leen Huet hatte ich über ihren Blog kennen gelernt. Als Kontaktkanal zu ihren Lesern führt sie als belgische Buchautorin ihren Blog, der einer der interessantesten in meinen persönlichen Top10-Blogs ist. Wir hatten fleißig kommentiert, Mails hin- und hergeschrieben und beschlossen, uns persönlich kennen zu lernen.


Gelesen habe ich von Leen Huet und ihrem Ehemann Jan Grieten „Rockox –Burgemeester van de gouden eeuw“ – das ist eine Biografie des Bürgermeisters von Antwerpen, der von 1560 bis 1640 gelebt hat. Des weiteren habe ich „Mijn Belgie“ von Leen Huet gelesen, das mit der Abfolge von A bis Z mit „Die deutsche Seele“ von Thea Dorn vergleichbar ist. In Geschichten, Anekdoten, Dingen, Begriffen und Personenbeschreibungen erzählt sie über ihr Belgien.

Im Bahnhof in Leuven angekommen, war die Anspannung wie weggeblasen. Hinter der Unterführung erkannte ich sie auf Anhieb, denn Fotos von den beiden standen in der Rockox-Biografie. Dann zeigten mir die beiden ihre Stadt Leuven.


Justus Lipsius (Denkmal) war Philosoph, der auf den lateinischen Schriften von Cicero, Tacitus, Livius usw. aufsetzte. Er starb 1606.


Das Rathaus (gebaut 1439 bis 1468) ist eine der schönsten gotischen Profanbauten in Europa.


Die St. Pieters-Kathedrale ist ihren hohen Fensterbögen dem gotischen Stil zuzuordnen und erinnert stark an den nordfranzösischen Kathedralbau.


Dies sind Details der Fassade an der Universitätsbibliothek im Stil der Neo-Renaissance.


Hinter der Universitätsbibliothek erhebt sich ein Glockenturm, wie er typisch für Belgien ist. Er steht frei, er diente dazu, die Zeit zu strukturieren, das Signal zum Schließen und Öffnen der Stadttore zu geben, Anfang und Ende der Arbeitszeit zu markieren oder Festlichkeiten anzukündigen. Als es 12 Uhr war, konnten wir dem Glockenspiel zuhören.


Leuven ist die älteste und größte Universitätsstadt Belgiens. Die alten Universitätsgebäude verteilen sich quer über die Innenstadt.


Auf dem Großen Markt befinden sich keinerlei Geschäfte, sondern es ist ein reiner Platz der Geselligkeit mit Kneipen und Cafés.




Der Beginenhof ist so groß, dass er eine Stadt in der Stadt ist. Er ist UNESCO-Weltkulturerbe und dient heute als Studentenwohnheim.

Leen, rechts., Jan, Mitte, ich, links
Vier Stunden Zeit hatte ich in Leuven und natürlich ging die Zeit viel zu schnell vorbei. Wie ich ungefähr erwartet hatte, haben wir wenig über das Bloggen gequasselt. Vor meiner Abfahrt haben wir in einem Café noch einen Kaffee getrunken. Zum Schluß haben wir uns über Grundsätze des Bloggens unterhalten. Darüber werde ich in der nächsten Woche berichten.

noch 25 Tage bis Weihnachten ...

MIELE-Werbung
… und allmählich wird dieses Gefühl stärker, dass ich mich verkriechen will.

15 Milliarden Euro wollen die Menschen in unserer Republik für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Das hat eine repräsentative Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) heraus gefunden. Die Größenordnung haut mich um. Der Handel reibt sich die Hände und freut sich. Das ist fast so viel Geld, wie meine eigene Firma als Jahresüberschuss 2012 erwirtschaftet hat. Das ist deutlich weniger Geld wie stark wachsende Branchen – Smartphones und Tablet-PCs – verdienen. Sie liegen unterhalb der 10 Milliarden Euro-Grenze. Die drückende Last von Schulden, die die Stadt Bonn hat, sind mit 1,6 Milliarden Euro Kleckerkram gegenüber den 15 Milliarden Euro.

Übermorgen naht der erste Advent, und ich werde mich all dem Tannengrün und all den Weihnachtsmärkten, die bis in die kleinste Kleinstadt in der Provinz stattfinden müssen, nicht entziehen können. In unserer Gegend sind viele Weihnachtsmärkte kopiert: eine fest strukturierte Ansammlung von Freßbuden, wenig kreatives und selbst gebasteltes, und dann noch ein paar Händler, die als zusätzlichen Vertriebskanal für ihre Parfüms, Bekleidung oder Backwaren Weihnachtsmärkte ausgewählt haben.

Blutdruckmessgerät zu verschenken
Dieses Gedudele von Weihnachtsliedern macht mich nervös. „Stille Nacht – heilige Nacht“ oder „Santa Claus is coming into town“: das wird einfach mal diffus in die Gegend gesprüht, losgelöst von jeder Bedeutung. Dort, wo jedes Kaff seinen eigenen Weihnachtsmarkt haben muss, frage ich mich, ob diese Massen von Adventskränzen, Krippen und Weihnachts-Deko jemals gekauft werden, denn welcher Haushalt braucht jedes Jahr einen neuen Adventskranz, eine neue Krippe oder die Vollausstattung einer Weihnachts-Deko ?

Auf diesen Zug der Weihnachtswerbung springen alle auf. Das sind nicht nur Warenhäuser wie Kaufhof oder Karstadt. Die Botschaften der Werbung drehen alles in Marschrichtung auf Weihnachten um. Ein Nikolaus neben Schmerztabletten, Schleifen und Tannengrün verschönern ein Blutdruckmessgerät, Schönheitspillen zwischen der Weihnachtsdeko. Vieles wird künstlich zurecht gerückt, wenn ich in das Schaufenster einer Apotheke blicke und mich frage, wer so etwas zu Weihnachten verschenkt. Dasselbe bei Haushaltsgeräten: wenn ich es wagen würde, Nützliches im Haushalt meiner Göttergattin zu schenken, würde ich bitterböse Blicke ernten.

Ich will mich verkriechen. Weihnachten muss ich mich auf Umwegen nähern. Ständig stolpere ich darüber, dass Weihnachten zu einem Wirtschaftsfaktor geworden ist. Um den niemand einen Bogen machen kann, denn die Existenz von vielen, vielen Einzelhandelsgeschäften hängt eben von diesem Weihnachtsgeschäft ab. 288 Euro gibt der Bundesbürger im Durchschnitt für Weihnachtsgeschenke aus. Das ist eine bizarre Situation, dass sich Moment des Glücks in Geldeinheiten ausdrücken lassen.

Die Bestsellerautorin Susanne Fröhlich hat mich zuletzt – wie es ihr Nachname verspricht – aufgemuntert. In der Radiosendung SWR1 Leute. In der Talk-Sendung hatte sie gestöhnt. Bei uns zu Hause läuft es nicht viel anders. Ihre Familie war groß, es war ihr zu stressig, und sie hatte ein Ende von all der Beschenkerei herbei gesehnt. Ihr Vorschlag, wegzufahren und Weihnachten irgendwo anders zu verbringen, lief dauerhaft ins Leere.

LIDL-Werbung
Ihre Kinder waren stock-konserativ. Ein Tannenbaum, groß und voll gestopft mit Schmuck und Lametta, musste es sein. Und viele Geschenke, damit jeder schön viel zum Auspacken hat. Alljährlich lief es auf ein großes Chaos hinaus, wenn am letzten Advent der Tannenbaum gekauft wurde. Krumm und schief, zu dicht oder zu dünn, zu hoch oder zu breit: die Eheleute stritten sich regelmäßig, wenn der Tannenbaum nicht optimal war. Doch bei der Bescherung war alles wieder vergessen
Die Gesellschaft für Konsumforschung hatte noch etwas herausgefunden. Die Menschen wollen in diesem Jahr 2% mehr für Weihnachtsgeschenke ausgeben. Das ist gegen den Trend. In kaum einer Branche steigen die Löhne um 2%. Die Verschuldung der privaten Haushalte steigt, das auf die hohe Kante gelegte Gesparte sinkt. Aber bei Weihnachtsgeschenken wird nicht geknausert. Die Lieben sollen unter dem Weihnachtsbaum das bekommen, was ihr Herz begehrt. Koste es, was es wolle, wird das Geld aus allen Ecken zusammen gekratzt, egal, ob es da ist oder nicht.

Es ist gut so, dass das Weihnachtsfest bei uns so harmonisch enden wird wie bei den Fröhlichs. Meine Abneigung gegen die geschäftliche Ausrichtung des Weihnachtsfestes wird meine Familie zurecht rücken. Auch wir laufen geradeaus im Trend der Vorweihnachtszeit. Spätestens am Heiligabend unter dem Tannenbaum wird alles anders sein. Wenn die Weihnachtsmesse vorbei ist, wenn wir zu Abend gegessen haben, wenn die Geschenke ausgepackt sind, wenn die Gesichter strahlen und wenn sich jeder über jeden und alles freut. Weihnachten ist Familienfest. Und ich werde es schön finden, im Kreis all unserer Lieben mitten drin zu sein.

Mittwoch, 27. November 2013

Thomas R.P. Mielke - COLONIA-Roman einer Stadt


Es gibt solche Bücher, dessen Lust am Lesen mich nicht losläßt. Thomas Mielke hat mich mit seinem Buch „Colonia“ ganz, ganz weit zurück in die Stadtgeschichte Kölns geführt. Eine Stadt, in der es nur seltene Epochen gegeben hat, dass Köln an Bedeutung verloren hat. Römerstadt, christliche Märtyrerstadt, Hansestadt, Domstadt, preußische Festungsstadt, rheinische Industriestadt – Köln dürfte ungefähr die einzige deutsche Stadt sein, die es über alle Epochen hinweg es zu soviel Glanz und soviel Größe gebracht hat.

Jede Masse Stoff füllt somit einen Roman über diese Stadt. Mielke beginnt seinen Roman bei den ersten Siedlungen Kölns, bei den Germanen – oder präziser formuliert: bei den Ubiern, die die Römer bei der Stadtgründung Kölns als ansässigen Volksstamm integrierten. In Episoden wird der Leser durch mehr als 2000 Jahre Stadtgeschichte geführt.

Mielke wählt eine Form der Erzählung, die mir sonst noch nie begegnet ist. Wie in einer göttlichen Schöpfung erschafft er die Person des Rheinold, die stirbt und später in einem neuen Menschen wieder aufersteht. Er lebt sozusagen über 2000 Jahre lang, bis er den Jahrtausendwechsel am 31.12.1999 hoch oben auf dem Dom erlebt. Dies verleiht dem Roman Kontinuität. Rheinold schlüpft in immer neue Rollen, als römischer Krieger, als Dombauer, als Fischer oder als Schankwirt.

Gemeinsam mit Rheinold wählt Mielke Symbole, die nicht in jeder Episode, aber in regelmäßigen Zeitabständen vorkommen. Das ist zuerst seine treue Gefährtin Ursa, die mal seine Ehefrau ist und ihm einen reichlichen Kindersegen beschert. Mal erkennt er sie in der Menschenmenge, er begegnet ihr aber nicht. Mal wird sie Gattin seines Nebenbuhlers. Aus den Urzeiten des Opferkultes der Druiden erhält er ein Amulett, dessen Zauber ihn in Gefahrensituationen rettet. Während das Amulett dem heidnischen Glauben entspringt, setzt mit dem christlichen Glauben die Reliquienverehrung ein – Rheinold begegnen „Knöschelche“. Teer bedeutet so viel wie Tod, Äpfel so viel wie Liebe. Genauso kehrt Gedankenstaub wieder – als Sinnbild für Träume, Wünsche oder Visionen.

Mich hat gewundert, dass Mielke gar kein alt-eingesessener Kölner ist, sondern aus Detmold in Westfalen stammt (geboren 1940). Seit 25 Jahren lebt er in Berlin. In der Schriftstellerei ist er Quereinsteiger, denn er war lange Zeit Produktmanager bei Ferrero. Kindern dürften seine Produkte bestens bekannt sein, denn er war 1974 an der Produkteinführung des Überraschungs-Ei’s (Ü-Ei) beteiligt. Mielke schreibt seit 1960 im Genre des Science-Fiction-Romans. Ab 1988 kamen historische Romane dazu, unter anderem über Karl den Großen oder die Varusschlacht im Teutoburger Wald.

Sein Stil ist blumig, er taucht in Details ab, seine Schilderungen sind intensiv, die Beschreibungen der Stadt und der historischen Alltagsfiguren sind exzellent. Ich wage mir kaum vorzustellen, welche Arbeit an Recherche dahinter gesteckt hat. Detailgetreu beschreibt er, wie ein römisches Oppidum ausgesehen hat, wie das Essen aus Knoblauch, Öl und gekochtem Fisch um die Jahrtausendwende gekocht wurde oder welches Mobiliar in einer mittelalterlichen Hafentaverne gestanden hat.

Dann ist Mielke noch Querdenker, denn er verknüpft die Entwicklungen in Köln mit anderen geschichtlichen Ereignissen außerhalb Kölns. Die Ader des Rheins kam aus Südwestdeutschland und führte nach Holland. Darauf bauten sich Handelsbeziehungen auf. Er blickte nach Westen, als der Bischof Maternus aus Tongeren in Belgien nach Köln kam. Über viele Jahrhunderte hinweg war Aachen die Schnittstelle europäischer Politik, denn der Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation wurde im Aachener Dom gekrönt. Er schaut nach St. Denis in Paris, das den ersten Anstoß zum gotischen Kathedralbau lieferte, also der Ur-Entwurf des späteren Kölner Doms.

Beklemmendes und bedrückendes läßt Mielke nicht aus. Die Normannen fallen in die Stadt ein, plündern alles, brennen die ganze Stadt nieder, so dass es Jahrzehnte dauert, bis Köln wieder zu neuem Leben erwacht. Die Kirche trägt auch ihren Teil dazu bei. Erzbischof Anno hat den Bischof von Münster zu Gast, damit dieser eine neue Kirche einweiht. Für die Rückreise nach Münster will er für einen Teil der Strecke ein Handelsschiff aus Rheinolds Flotte benutzen. Als Rheinold ihm dies verweigert, wird er als Strafe geblendet. Mielke beschreibt, wie hochnäsig die Preußen sind, als die Einweihung des Doms zu einer Einmann-Veranstaltung des Kaisers verkümmert. Beklemmend beschreibt er schließlich die Bombennächte im zweiten Weltkrieg unter dem Dom zwischen dem Geheul von Sirenen, dem Brummen von Flugzeugen und den Detonationen der Bomben.

Der einzige Kritikpunkt an diesem Buch ist die fehlende Dichte im späten Mittelalter und in der Renaissance. Jahrhundertelang tut sich nichts in Köln, was nicht der Wirklichkeit entspricht. Ein wenig muss ich entschuldigen, denn sonst wäre das Buch viel zu lang geworden. 543 Seiten lebendige Stadtgeschichte von Köln sind spannend und mitreißend geschrieben. Wenn Mielke das späte Mittelalter und die beginnende Neuzeit so beschrieben hätte wie das frühe Mittelalter – aus dem vergleichsweise wenige Quellen vorliegen – dann wäre bestimmt ein tausend Seiten dicker Wälzer heraus gekommen.
Die Stadtgeschichte Kölns hätte sicherlich so viel Stoff hergegeben. Tausend Seiten wären mir zuviel des Guten gewesen. 

Das Buch hat mir gefallen, wie anschaulich alles beschrieben ist. Nicht wie in Geschichtsbüchern, wo sich Schlachten und Herrscher und Jahreszahlen anhäufen. Sondern so, wie das einfache Volk gelebt hat.

Montag, 25. November 2013

Blue Monday

Eine Studie aus den USA brachte mich zuletzt ins Grübeln. Sie befasste sich mit dem Potenzial, sich selbst zu ändern, welches zweifellos in jedem Menschen vorhanden ist. Von Kopf bis Fuss sollte sich jeder Mensch selbst durchleuchten, wo die Dinge krumm und schief sind, wo sie auf den Kopf gestellt werden sollten. Ein Manager würde dies so formulieren, dass in einem Business Process Reengineering kein Stein mehr auf dem anderen stehen bleiben sollte. In einer Art von Selbstreinigungsprozess sollten die Dingen auf deren Sinn und Wertbeitrag hinterfragt werden.

Und die Studie aus den USA nannte auch die optimalen Zeitpunkt, damit zu beginnen: nämlich allwöchentlich jeden Montag. Wieso ? Die üblichen Anlaufschwierigkeiten gehen los, der Wecker schmeißt einen bereits zu Nachtzeiten aus dem Bett, es gilt die kuschelige Bettdecke loszulassen, das Frühstück fällt kurz und abgerissen aus, die aufmunternde Tasse Kaffee wird hastig herunter gekippt.

Jeder weist den Wochenbeginn mürrisch von sich fort. Der Tatendrang ist gebremst, die Sinnfrage drängelt sich kritisch in den Vordergrund. Wozu das Ganze ? Arbeitnehmer werden sich bald im Büro, in der Fabrik, auf der Baustelle oder sonstwo einfinden. Ich beziehe meinen eigenen Radikalansatz aus der Musik, in der die Montage so schlecht wegkommen, dass sie in Rebellion auszuarten drohen.
„I don’t like Mondays“, damit hatte es Bob Geldof in den 80er Jahren ganz weit nach oben geschafft. Seinem Unmut ließ er freien Lauf. Er posaunte „I want to shoot the whole world down“ hinaus und traf damit so sehr den Nerv der Bevölkerung, das er wochenlang auf Platz Eins der Hitparade stand.

Montage sind ein unbeschriebenes Blatt in der Woche, doch entgegen der Studie aus den USA will dies niemand als Chance begreifen, Änderungspotenziale aufzuzeigen.

Dass Skepsis angebracht ist, beweist ein anderer Montags-Hit, nämlich „Monday Monday“ von „The Mamas and the Papas“. Das Lied fordert mich sogar geradezu auf, vorsichtig mit beiden Füßen aus dem Bett aufzustehen, denn man weiß nie, was montags passieren könnte.

„Monday, Monday, can’t trust that day …
… oh Monday morning, you gave me the warning of what was to be.”

In demselben Stück könnte es noch schlimmer kommen:
„ …whenever Monday comes you can find me crying all of the time …”

Ich könnte so eine Art von Montags-Vorsätzen entwickeln, um mich selbst zu ändern. Ich könnte versuchen, die Dinge in positivem Licht zu sehen, denn Vorgesetzte und der Arbeitsalltag meinen es nicht immer schlecht mit mir. Doch so eine depressive Laune der Mamas und Papas färbt auf mich ab.

Die positiven Glückshormone des Wochenendes sind aus und vorbei, in der Arbeitswelt warte ich ab. In „Blue Monday“ von New Order finde ich meinen eigenen Rhythmus. Die Synthesizer bringen mich auf Trab. Das Klangbild ist noch jung in der beginnenden Woche, nicht euphorisch. Dann die Stimme, die sich nach langem Warten in die Melodie traut. Bloß nichts überstürzen. Geniale Gedankensprünge kommen nicht am frühen Montag Morgen, sondern irgendwann später, wenn ich nicht damit rechne. Die Stimme quält sich mehr dahin, wartet ab, obschon ein weitaus höheres Potenzial in ihr steckt. Mich Montags morgens anstrengen, kann unproduktiv sein, weil ich meine Hochlaufkurve der Kreativität noch nicht erreicht habe. Das ist so wie in der Automobilindustrie, wenn schlechte „Montags“-Autos produziert werden. Präzision und Gedankenschärfe müssen noch ausgereift werden.

Im Wochenverlauf wird alles besser werden. Niemand kann einhundertprozent Leistung an allen Tagen in der Woche rund um die Uhr erbringen. Ich erlaube mir diesen „Blue Monday“. Sollen all die anderen doch überlegen, wie sie sich in einer Art von Business Process Reengineering selbst verbessern sollen.




Sonntag, 24. November 2013

vom Wanderparkplatz Dollendorfer Hardt zum Kloster Heisterbach

Da die Tage für Radtouren nunmehr zu kurz werden, nutze ich die hellen Stunden am späten Nachmittag dazu, kleinere Wanderungen zu machen. In der letzten Woche bin ich mit meinem Trekkingrad zum Wanderparkplatz auf den Höhen des Siebengebirges gefahren. Von dort aus bin ich zwei Stunden hin und zurück bis zum Kloster Heisterbach gelaufen. Die dunkle Jahreszeit nutze ich, um Orte kennen zu lernen, die relativ nah liegen, so nah, dass sie nicht zu den Zielen meiner Rennradtouren gehören.


Von diesem Wanderparkplatz aus bin ich gestartet.


Steinerne Wegweiser werden mich auch hier sicher ans Ziel führen.


Die herbstliche Blätterpracht wird in einigen Wochen verschwunden sein.


Nach vorn schaue ich auf den 335 Meter hohen Nonnenstromberg, der zwischen Petersberg und Ölberg liegt.


Sogar auf die Bushaltestelle ist der geschichtsträchtige Hintergrund übertragen worden.


Die Türe des imposanten Eingangsgebäudes steht offen.


Das Gelände des Klosters ist riesig – so wie die ausladenden Wirtschaftsgebäude mitsamt der früheren Zehntscheune.


Von den Mauern des 1191gegründeten Zisterzienserklosters ist kaum etwas erhalten geblieben.


Der Mönch Cäsarius von Heisterbach (gestorben 1240) ist eine der bedeutendsten mittelalterlichen Denker im Rheinland.


Die Chorruine aus dem 13. Jahrhundert ist bis heute erhalten geblieben.




Die Ruine erzeugt in dem großzügigen Park eine einzigartige Stimmung.

Samstag, 23. November 2013

what's app


Ich lebe hinter dem Mond. Auf meinem Smartphone kriege ich es gerade auf die Reihe, zu telefonieren, im Internet zu surfen oder meinen E-Mail-Eingang zu sichten. Wenn ich eine SMS schreibe, zappeln meine Finger dermaßen nervös über die Tasten, dass ich mit Ach und Krach eine halbwegs richtige Nachricht abgesendet bekomme.

What’s app für meine Göttergattin zu installieren, wurde zur Herausforderung.  Als ich auf der Internetseite den grünen Button „installieren“ betätigte, weigerte sich das grüne Feld beharrlich, so etwas wie eine Installation zu starten. Mir fiel ein, dass wohl als erstes ein Google-Konto eröffnet werden musste. Sieben oder acht Installationsschritte waren zu bewältigen. An den Nerven zehrten die Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen, deren Länge mich erschlug. Falsch gesetzte Haken drohten die Installation fehlschlagen zu lassen. All die Fehlermeldungen und Installationsschritte, die einfach stoppten, brachten mich zur Verzweiflung, bis ich es dann doch geschafft hatte.

Ich lebe trotzdem hinter dem Mond, die besten Apps nicht zu kennen. What’s app war in unseren spärlichen Frühstücksrunden bei der Arbeit ein heißes Thema. Jung und dynamisch nutzt what’s app, während alt und vergreist ohne what’s app gut im Alltag klar kommt. 

„Mich dürft ihr nicht fragen, ich habe keine Ahnung … „ registrierte ich zufrieden, als sich ein gleichaltriger Arbeitskollege outete. Er kannte what’s app bestens, denn seine Göttergattin tobte sich endlos während des abendlichen Fernsehprogramms darauf aus. Bisweilen grenzte dies an Unverfrorenheit, denn die Gespräche zwischen den beiden versickerten zwischen Smartphone, what’s app und Gesprächsfetzen, die von dem Tippen auf der Tastatur des Smartphones auseinander gerissen wurden. Schließlich verkroch er sich in einen Nebenraum, weil ihn die zerstückelten Dialoge nervten.

Es gibt keinen Zweifel, dass what’s app auch unser Leben verändert hat, aber auf sehr moderatem Niveau. What’s app kann sogar lustig sein. Videos wandern über what’s app hin und her. Wir beide lachen uns krumm und schief, wenn etwa eine Entführungsszene im Flugzeug ins Lächerliche gezogen wird und wenn Komisches über what’s app verbreitet wird.

Mit what’s app hat ein neues Wettrüsten der Mobilfunkkommunikation eingesetzt. Menschen werden in Gruppen aufgenommen, die Gruppen wachsen auf über zehn Personen an. Hin und Her vervielfacht sich in der Gruppe die Kommunikation. Es wird auf die Absendetaste gedrückt, was das Zeug hält. Einer meiner Arbeitskollegen gehört zu zehn what’s-app-Gruppen, bei denen innerhalb von zwei Stunden an die einhundert SMSn eingehen können. Schlimmer noch: es entsteht eine Gruppendynamik, dass von ihm innerhalb eines bestimmten Zeithorizonts eine Antwort erwartet wird. Willenlos ist er also seinem Smartphone und what’s app ausgeliefert.

So schlimm geht es bei uns zu Hause nicht zu. Ich hatte aber Gelegenheit mitzuerleben, wie dünn die Gesprächsinhalte auf what’s app sein können.

Beispielhaft und fiktiv habe ich bei uns zu Hause folgendes aufgeschnappt:

„Hat jemand aufgepasst, wie die Aufgabenstellung ist ?“
„Nööö … so richtig weiß ich das nicht.“
„Wir sollen mit allgemeinen Grundsätzen beginnen und mit Einzelbeispielen aufhören.“
„Ich habe das genau umgekehrt verstanden.“
„Wie bitte ?“
„Müssen wir überhaupt etwas machen ?“
„Kann mich mal jemand aufklären, über was ihr da redet ?“
„“Nööö … ich habe keine Ahnung.“
„Die Diskussion ist mir einfach zu blöd.“
„Ich bin dann mal weg.“
„Tschüss.“
„ Schönen Abend.“

Ein anderer Arbeitskollege klagt darüber, wie kurz die Kommunikation sein kann. „Hmmm“ … „Hey“ … oder „Hallo“ lauten gewisse Standardsilben, die kaum ein höheres Niveau erreichen. Er habe lernen müssen zu filtern, die Luftblasen der Mobilfunkkommunikation auszublenden, das wesentliche zu extrahieren.

Zu Hause habe ich festgestellt, dass sich what’s app und Bloggen sogar ergänzen können. Positiv gedacht, kehren in what’s app die Kommunikationsstrukturen wieder, der werthaltige Input kann sich vergrößern. Beim Bloggen habe ich prinzipiell dasselbe Problem, aus der Flut von Blogs das Lesenswerte heraus zu filtern, wichtiges von unwichtigem zu trennen und Luftblasen oder reine Selbstdarstellungen zu überlesen. What’s app oder Blogs sehe ich immer noch als Chance.

Man muss lernfähig sein, mit den modernen Formen der Mobilfunkkommunikation umgehen zu können.

Donnerstag, 21. November 2013

Haushaltssperre


Die digitale Anzeigetafel sticht gegen die dumpfe Fassade der Bundeskunsthalle. Blau-grün-orange strecken sich die Streifen in die Länge, darauf kündigen sich die Ausstellungen im nächsten Jahr an. Dann kommt Bewegung in die Sache: die Streifen drehen sich in Form eines Würfels, anschließend füllt der rote Hintergrund die linke Seite, die hohe Auflösung der weißen Schrift beeindruckt, die aktuelle Ausstellung „1914 – die Avantgarden im Kampf“ erscheint auf der Bildfläche. Florenz, im Modder der Summenmoderation,  Missing Sons, die Würfel drehen sich weiter, aktuelle und künftige Ausstellungen ziehen im bunten Farbenspiel vorbei, die multi-funktionale Anzeigetafel steht nie still.

Florenz und 1914 möchte ich gerne besuchen. Hoffentlich, wenn ich mir die Zeit dafür frei schaufeln kann. Die Museumslandschaft ist mit ihren 39 Museen in Bonn schon grandios. Dieses kulturelle Erbe, das auch kleine Museen wie das Ernst-Moritz-Arndt-Haus oder das Schumann-Haus umfasst, droht nun der ehemaligen Bundeshauptstadt zum finanziellen Verhängnis zu werden.

Bonn ist ungefähr pleite. Das ist nicht mit Detroit in den USA vergleichbar, wo ganze Straßenzüge vor sich hergammeln, wo die Einwohner in Scharen wegziehen und wo kein Geld mehr da ist, um verrottete Häuser abzureißen. Bonn hat sich jahrelang über Wasser gehalten und ist nun am Ende. Nur noch 500.000 € stehen für ungeplante Ausgaben, die nicht für einen bestimmten Verwendungszweck reserviert sind, bis zum Jahresende zur Verfügung. Die Schulden der Stadt betragen insgesamt 1,6 Milliarden Euro, davon werden in diesem Jahr 64 Millionen Euro neue Schulden dazu kommen, im nächsten Jahr könnten es  98 Millionen Euro weitere Sculden sein. Der Stadtkämmerer hat daher die Reißleine gezogen und eine Haushaltssperre angeordnet. Wird mehr als dieser unverplante Rest von 500.000 € bis zum Jahresende ausgegeben, so droht ein Nothaushalt. In solch einem Nothaushalt muss die Stadt für jeden Kugelschreiber, jeden neuen PC oder jeden Handwerkerauftrag für eine verstopfte Toilette zur Bezirksregierung nach Köln rennen, um sich die Ausgaben genehmigen zu lassen.

Mit diesem Schuldenstand befindet sich Bonn in guter Gesellschaft zu Städten im Ruhrgebiet. Doch Bonn ist nicht Oberhausen, Duisburg, Essen oder Dortmund. Bonn hat nichts mit Kohle und Stahl sowie hoher Arbeitslosigkeit zu tun.

Der Fall liegt anders. Als Bonn noch Bundeshauptstadt war, wurde bestellt und der Bund bezahlte. Die Straßenbahn wurde unter die Erde gelegt. Die B9, die Diplomatenrennbahn, die an den Ministerien vorbei führte, wurde die ganze Nacht über hell ausgeleuchtet, so dass niemand die Schaltzentralen der politischen Macht verfehlen konnte. Oper und Theater wurden auf den Standard einer Bundeshauptstadt angehoben, ebenso ein Netz von Bibliotheken.

Dann kam der Fall der Berliner Mauer. Das Schicksal Bonns nahm am 20. Juni 1991 seinen Lauf, als 337 Abgeordnete zu 320 Abgeordnete für einen Umzug nach Berlin stimmten. Zukunftsängste machten sich breit, Bonn könnte zu einem Provinznest werden, wo sich Hase und Igel Gute Nacht sagen. Der Rückfall in die Bedeutungslosigkeit sollte verhindert werden. Dazu spendierte der Bund Ausgleichszahlungen von 1,4 Milliarden Euro. Das war kein Kleinkram.

2005 fielen die Ausgleichszahlungen weg. Seitdem sind die Zeiten unwiederbringlich vorbei, dass Bonn bestellte und andere bezahlten. Immerhin: mit Attraktionen wie der Museumsmeile, die nach dem Fall der Berliner Mauer fertiggestellt wurde, hat Bonn es geschafft, nicht zu einem verschlafenen Provinznest zu werden. Aber dafür bleiben die Kosten für eine Infrastruktur, die das Hauptstadtniveau aufrecht erhalten will, an der Stadt kleben.

Ideen und Kreativität sind gefragt. Wo können Kosten eingespart werden ? Was die Verantwortlichen der Stadt abgeliefert haben, sieht nicht nach einem zündenden Konzept aus. So sieht das Haushaltssicherungskonzept vor, dass freie Planstellen ein Jahr lang nicht besetzt werden; Dienstreisen müssen sich einem Sondergenehmigungsverfahren unterziehen; neue Bauvorhaben werden verschoben. Sportvereinen sind bereits Zuschüsse gekürzt worden. Dass sich die Verantwortlichen am liebsten mit Kleinkram befassen, zeigt das Beispiel, dass 100 Müllbeutelspender für Hundekot abgeschafft worden sind. Dadurch werden 10.000 € pro Jahr eingespart.

Wenn ich in die Vergangenheit schaue, sehe ich andere Größenordnungen, die eingespart werden könnten. Beispiel 1: Die U-Bahn wurde rund zwei Kilometer unterirdisch verlängert. Sie endet aber oberirdisch an derselben Haltestelle, so dass keinerlei Zeitersparnis für den Fahrgast entsteht. Über der Erde ist nun ein überdimensionaler Kreisverkehr entstanden. Kosten für zwei Kilometer U-Bahn: rund 200 Millionen Euro. Beispiel 2: die Straßenbahnhaltestelle Max-Löbner-Straße war provisorisch und musste ohnehin erneuert werden. Damit die Haltestelle dem architektonischen Design der nächsten Haltestelle entsprach, wurde sie mit einem rund geformten Glasdach überbaut. Baukosten: 2,5 Millionen Euro. Beispiel 3: aus EU-Mitteln wird das Projekt der Landschaftsarchitektur „Grünes C“ finanziert. Das Projekt hebt grüne Inseln in der Stadt hervor, indem Bänke in die Landschaft gepflanzt werden. Deren Gestaltung aus Beton ist aber dermaßen scheußlich, dass sich erst einmal Sprayer daran austoben. Kosten für die Entfernung eines Graffitis: 1.500 €.

Straßenbahnhaltestelle Max-Löbner-Straße

Grünes C - Graffiti
Soviel Kreativität ist den Verantwortlichen nicht zu entlocken. Zuletzt ist der Bürgermeister Jürgen Nimptsch den einfachen Weg gegangen, indem er die Bürger zur Kasse bitten will: die Einwohner sollen die Zeche über eine Bürgerabgabe zahlen, indem die Grundsteuer massiv angehoben werden soll. An unpopuläre Maßnahmen, die letztlich zu Personalabbau führen, wagt sich niemand so richtig ran. Man könnte die Opernhäuser in Köln und Bonn zusammenführen. Man könnte sich fragen, ob sich die Stadt ein eigenes Beethoven-Orchester noch leisten kann. Die Vielfalt der 24 Theater könnte zusammenschrumpfen. Dasselbe gilt für die 10 Stadtteil-Bibliotheken oder die 9 Bäder. Die Verantwortlichen haben darüber nachgedacht, Zuschüsse für kirchliche Träger von Alten- und Pflegeheimen könnten gekürzt werden, was zu Lasten von Alten, Kranken und Pflegekräften ginge.

Die Diskussionen werden kreisen. Betriebswirtschaftlich passt das nicht zusammen. Strom-, Betriebs-, Instandhaltungs-, Gebäude-, Infrastrukturkosten laufen auf hohem  Niveau geradeaus, weil der Bund nicht mehr bezahlt, sondern die Stadt zuständig ist. Bonn ist traditionell Behördenstadt gewesen und ist es auch geblieben, da Ministerien gegen Bundesrechnungshof, statistisches Bundesamt oder Bundeszentralamt für Steuern ausgetauscht worden sind. Daher nimmt die Stadt keinen zusätzlichen Cent aus der Gewerbesteuer ein.

Solch einen technischen Schnickschnack wie die multi-funktionale Anzeigetafel an der Bundeskunsthalle brauche ich nicht. Die Formen, wie ich mich über Ausstellungen informieren kann, reichen aus. Ich möchte nicht wissen, wie störungsanfällig solch eine Anzeigetafel ist und welche Folgekosten die Stadt zu tragen hat.

Gerne besuche ich Ausstellungen. Die Stadt darf durchaus stolz sein auf das kulturelle Angebot. Aber wenn die Bürger dieses kulturelle Angebot selbst bezahlen sollen – wie über eine Bürgersteuer – werden sie bestimmt Nein sagen. Bei all den Anstrengungen, Kosten einzusparen, kann dies nicht die Zielrichtung sein, den Bürger vorzuschicken und ihn zum Entscheidungsträger zu machen.

Sonntag, 17. November 2013

Stimson Memorial Chapel

Ursprünglich hatten die amerikanischen Besatzungsmächte in der Nachkriegszeit ihren Sitz in Frankfurt. Als Bonn Bundeshauptstadt wurde, bauten sie dort einen eigenen Standort. Es entstand das amerikanische Viertel, wo sich neben Wohnungen und einem Einkaufszentraum auch eine Kirche befand. Am 18. Juli 1952 wurde die Kirche im Kolonialstil des 18. Jahrhunderts geweiht. Benannt wurde sie nach dem damaligen amerikanischen Verteidigungsminister Henry L. Stimson. Nach dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin übergab Bill Clinton die Kirche 1999 an die Stadt Bonn.


Von der Straßenseite aus hebt sich der Kolonialstil heraus.


Die wuchtigen Säulen prägen die Vorderseite.


Die Eingangstüre ist eingerahmt von den Säulen.


Die Bronzetafel erinnert an Übergabe 1999 durch Bill Clinton.


Von der Grünanlage aus blicke ich auf die andere Seite der Kirche.


Weiß gestrichen streckt sich der Glockenturm in die Höhe.


Die Werbefläche hundert Meter weiter versetzt einen direkt in den Mittleren Westen der USA.

Samstag, 16. November 2013

379 km/h

Phlippinen; Quelle: www.todayonline.com
… die Spitzenböen des Taifuns Haiyan lagen außerhalb meiner Vorstellungskraft. Dieses irrsinnige Tempo irgendwo zwischen ICE und Flugzeug hatte alles zerfetzt, was sich in den Weg stellte. Ich muss relativieren: es waren 314 km/h mittlere Geschwindigkeit, was der Zerstörungskraft ungehemmt freien Lauf ließ.

Ich erstarrte, war sprachlos. Ansonsten habe ich meine Probleme mit Katastrophen in Nachrichtensendungen, denn ich neige zum Wegschauen. Es gehört zum Geschäftsmodell von Nachrichtensendungen, in allen Winkeln der Erde nach Unglücken und Katastrophen zu suchen, so dass sie in all der Informationsflut untergehen. Aber die 379 km/h brachten meine Aufmerksamkeit in Fahrt.

Es sah so aus, als sei ein riesiger Rasenmäher über alles drübergefahren. Bäume waren wie Streichhölzer umgeknickt, Autos wurden wie Spielzeug durch die Luft gewirbelt, Dächer wurden weggerissen, Häuserwände stürzten ein, Strommasten knickten um.

Otto Dix - Flandern (1936)
Quelle: www.ottodix.org
Nur noch ein Torso von Landschaft war in den Philippinen übrig geblieben. Abgesäbelt, weggerissen, zerfetzt. Die kümmerlichen Reste der Natur erinnerten an die Schlachtfelder in Flandern oder in Verdun im ersten Weltkrieg. Menschen, die vor der höllischen Windmaschine in ihren Häusern Schutz suchen mussten, dürfte es kaum anders ergangen sein wie Menschen in Köln, die im zweiten Weltkrieg in Luftschutzkellern oder in Bunkern Luftangriffe überleben mussten. Was für die Kölner Bevölkerung die Detonation der Bomben und die Erschütterungen waren, das waren auf den Philippinen das Heulen des Windes, der peitschende Klang des aufgestachelten Meeres und die nicht zu bändigende Energie des Windes, der die Zerstörungskraft von mehreren Atombomben hatte. Die meisten Menschen waren sogar nackt und schutzlos ausgeliefert, denn ihre primitiven Bambushütten wurden gleich bei den ersten Windstößen hinweggefegt.

Ich schauderte. 3.637 Menschen wurden getötet, 3 Millionen hatten kein Dach mehr über den Kopf. Ich schüttelte den Kopf. Ich war mir bewusst, dass die Helfenden an ihre Grenzen stießen, ich hoffte, dass die Hilfe und Nahrung alle erreichen würden.

Köln 1945
Quelle: www.wikipedia.de
Die einen Katastrophen – Kriege – hatten sich die Menschen als Tötungsmaschinerie gegen andere Menschen selbst gemacht. Die anderen Katastrophen – Super-Stürme, Sintfluten, Unwetter – waren den Urgewalten der Natur entsprungen, wobei der Mensch bei den 379 km/h Windgeschwindigkeit ein Stück weit die Hände mit im Spiel hatte. Ein Klimaschutzabkommen ist nicht in Sicht. Heiß wird diskutiert, debattiert, gestritten, Uneinigkeit gezeigt. Solange ist die Menschheit Gefangener der eigenen Treibhausgase. Wir Europäer hatten Glück. Die Schreckenskammer der Wetterküche hatte am anderen Ende der Erde gewütet.

Die Menschen auf den Phlippinen mussten sich vorgekommen sein wie beim jüngsten Gericht. So wie auf den Schlachtfeldern von Ieper, Langemarck oder Verdun im ersten Weltkrieg. Oder in den Luftschutzkellern in Köln im zweiten Weltkrieg. So als hätte ihr letztes Stündlein geschlagen. So als würde draußen der Sensemann warten, um sie umzusensen und ins Jenseits zu befördern. So als wäre es ein Gottesurteil, ob die Menschen von einer herabstürzenden Häuserwand begraben werden oder nicht. So als würden die apokalyptischen Reiter an die Haustüren anklopfen und den Weltuntergang ankündigen.

Phlippinen, Quelle: www.techniasia.com
Der Weltuntergang wird auf sich warten lassen. Das Jahr 1000 war eine magische Zahl, als die Menschen im Mittelalter sich seelisch auf den Weltuntergang vorbereiten. Am 21. Dezember letzten Jahres flüchteten Menschenmassen in das südfranzösische Kaff Burgarach, um dem Weltuntergang, den der Maya-Kalender vorhersagte, zu entkommen. Der Weltuntergang ist ausgeblieben.

Ich tue mich schwer, die Welt als EINE Welt zu begreifen. Den Klimawandel und das jüngste Gericht werden wir nur als EINE Welt überleben. Katastrophen können Antriebe liefern. Ich denke, dass wir zumindest in Deutschland aus Seveso oder Bhopal gelernt haben. Es gibt Hochwasserschutzprogramme. Wir haben den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Die Energiewende umfasst ein breites Konzept zum Ausbau der erneuerbaren Energien.

Es tut sich durchaus etwas. Aber viel zu langsam. Allen voran die USA – gibt es Bremser auf der ganzen Welt.