Sonntag, 30. September 2012

Felder und Mais

Nachdem die Felder abgeerntet sind, kommen sie mir ungeheuer öde vor. Glatt, ohne Konturen, sind sie wie glatt gebügelt oder platt gewalzt. Ich vermisse Akzente, was die Felder auflockern könnte. Alleinstehende Baumgruppen, Waldstücke, Wegekreuze, Strauchreihen, Pappelreihen, Wiesen, Weiden sind nur eine spärliche Erscheinung. 





Großflächig, schweift der Blick in die Weite. Die Struktur entwickelt sich erst in der Ferne, vor der dominanten Kulisse des Siebengebirges oder vor der Unauffälligkeit am Ortsrand, Sportplatz oder Friedhof.



Der Mais ist ungefähr das einzige, was noch auf den Feldern wächst und ihnen eine Struktur verleiht.



Die Kurven des Teerweges schlängeln sich zwischen den Maisfeldern.



Akzente setzen die oberirdischen Stromleitungen.



Gelb und prall quillt der reife Mais aus den Kolben heraus.



Es ist soweit: der Mais wird geerntet.

Soweit ich mich an die Vorjahre erinnere, bricht bald die Zeit von Elstern und Raben an. In riesigen Scharen werden sie sich auf den Feldern zusammentun. Noch habe ich Elstern und Raben lediglich als sporadische Einzelerscheinung gesehen.

Samstag, 29. September 2012

Autobahnbrücke über den Rhein

Ich mache Pause und halte inne. Diesmal nicht an einem besinnlichen und stillen Ort, sondern wo es hektisch ist. Ich bewege mich auf dem Fahrradweg neben der Autobahn A565, die vom Kreuz Meckenheim aus Richtung Siegburg und Köln führt. Autos brausen ununterbrochen daher, durchsetzt mit Schwerlastern und Sattelschleppern. Solch eine Autobahnbrücke führt mir vor, welch kleines Individuum der Mensch gegenüber der Technik ist. Dabei bewundere ich Ingenieure und Arbeiter, welche technischen Meisterleistungen sie bauen können.


Die Konstruktion der Spannbrücke überwältigt mich.


Die düsteren Wolken lichten sich am Horizont.


Hinter der Gegenspur schlängelt sich der Rhein.


Die andere Seite der Autobahnbrücke zeigt einen Bilderbuchblick auf das Siebengebirge.


Vom Rhein aus zeigt sich die Gesamtkonstruktion der Autobahnbrücke.



Am meisten beeindruckt mich, wenn ich von unten über die beiden Brückenpfeiler hinweg schaue.


Düster und bedrückend wirkt auf mich, wenn ich unter der Brücke in die "Katakomben" hineinschaue.

Freitag, 28. September 2012

ein Jagdschloss im Kottenforst


Das mickrige Überbleibsel verliert sich im Wald. Aber es sieht heute putzig aus. Gelb leuchtet der Anstrich des Jägerhäuschens unter dem Krüppelwalmdach. So klein und so niedrig, wie es sich an der Wegekreuzung duckt, fühle ich mich unmittelbar in die Märchenwelt hinein versetzt. In dem Häuschen könnte man sich eine Hexe vorstellen, die „Knusper Knusper Knäuschen … wer knuspert an meinem Häuschen“ ruft.

Doch das Jägerhäuschen beherbergte von langer Zeit weder Märchen noch Hexen, sondern einen simplen Pferdestall. Das war ziemlich genau bis zu dem Zeitpunkt, als der Kurfürst Clemens August starb.

Ein Jagdschloss im Kottenforst, das war die Vollendung des Imperiums von Schlössern, die Clemens August in seiner Funktion als Erzbischof von Köln und als weltlicher Kurfürst geschaffen hatte. Augustusburg in Brühl, Clemensruh (heute Poppelsdorf) in Bonn, Clemens August fühlte sich dazu berufen, Schlösser zu bauen und diese perfekt in den Köln-Bonner Landschaftsraum zu integrieren. Das Jagdschloss im Kottenforst bei Bonn nannte er Schloss Herzogsfreude.

Sein Hofstaat glänzte, er lebte in Saus und Braus. Die Jagd wurde aufwändig inszeniert, sie gehörte zu den Privilegien der Fürsten, um sich vom einfachen Landadel abzuheben. Und im Kottenforst sollte nicht so gejagt werden, wie man es sich gemeinhin vorstellen könnte: auf dem Pferd mit einem Gewehr auf Rotwild oder Schwarzwild schießen. Gejagt wurde in der sogenannten Parforce-Jagd. Eine Hundemeute wurde vorausgeschickt, die ein bestimmtes Wild so lange hetzten, bis dieses erschöpft war. Den Hunden folgten Jäger, die das ermattete Wild dann erlegten.

Schloss Herzogsfreude wurde von 1753 bis 1755 gebaut. Im Zeitalter von Herrschern, die sich im absoluten Zentrum der Macht sahen, waren Schlösser wie Versailles, Potsdam oder Karlsruhe das Maß aller Dinge. Zum Zentrum der Macht zulaufend, wurden Schneisen in den Kottenforst geschlagen. Strahlenförmig liefen die Schneisen auf das Schloss zu und sollten eine Art von Sonnenkönig verkörpern. Mit seinem dreiflügeligen Bau war das Jagdschloss mitten im heutigen Bonn-Röttgen platziert und hatte wirklichkeitsfremde Ausmaße – allein der Mitteltrakt war 70 Meter lang.

Kostbare Möbel, prächtiges Porzellan und kunsthandwerkliche Silberarbeiten gehörten zur Ausstattung. Eine Inventarliste zählte annähernd 500 Gemälde auf: Rembrandt, Rubens, van Dyk, Tizian, Holbein, Dürer. Man hatte keine Kosten gescheut.

Dann kam das Jahr 1761. Kurfürst Clemens August starb. Sein Erbe, Kurfürst Max Friedrich, hatte nichts mit der Jagd zu tun. Zumindest nicht in der provinziellen Abgeschiedenheit des Kottenforstes. Und auch nicht als Parforce-Jagd. Das Jagdschloss wurde nicht mehr genutzt, es verfiel. Über Jahrzehnte hinweg hatte niemand Interesse an dem Prunkschloss, das nun zu einem Geisterschloss geworden war. Das änderte sich auch nicht 1803, als napoleonische Truppen einmarschierten. Sie hatten keine Verwendung für den Bau, dessen Pracht Risse zeigte und einzustürzen drohte. Sie entschieden, das Jagdschloss zu verkaufen.

1804 wurde ein Dachdecker aus Bonn neuer Eigentümer. Er handelte kaufmännisch und schlachtete die zerfallende Ruine aus. Rege nachgefragt waren die Steine des Außenmauerwerks, die später in der Festung in Wesel verbaut wurden. Auch im Vorgebirge zwischen Köln und Bonn fand man später Steine wieder. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde danach das ganze Schloss abgerissen. Der Name „Schloss Herzogsfreude“ wurde spätestens dann zur Lüge. Dort ist schätzungsweise mehr Geld zum Fenster heraus geworfen worden wie beim Schürmann-Bau, beim WCCB und auf dem Petersberg zusammen.

Heute erinnern nur noch spärliche Reste an das einst prunkvolle Schloss. Im Ortskern von Bonn-Röttgen findet sich eine Gedenktafel. An einer Säule stehen die Initialien C.A. für Clemens August, die noch von Ursprungsbau erhalten sind. Und das Jägerhäuschen, das als Pferdestall diente. Es lag zu weit ab, am Ende einer Schneise jenseits des Jagdschlosses. Still, auf einer Lichtung mitten im Wald gelegen, erfreut es heute Spaziergänger und auch Radfahrer wie mich. Es erhält die Erinnerung an die einst überdimensionierte Pracht aufrecht. 

Donnerstag, 27. September 2012

Beerdigung


Die Besprechung hatte sich um vierzig Minuten in die Länge gezogen. Ich flitzte mit dem Peugeot Rennrad nach Hause. Waschen, umziehen. Frau und Kind einsammeln, losfahren, kein Stau auf der Autobahn. Das war bis auf die Minute ausgezirkelt. Punkt halb drei, als die Glocke schlug, betraten wir die Kirche.

Das Orgelspiel setzte wie Hammerschläge ein. Die Schar der Trauernden war groß, und wir mussten weit nach vorne, bis wir in einer Seitenbank freie Plätze fanden.

Mein Onkel H. war im Alter von 72 Jahren verstorben.
„Wir alle trauern mit seiner hinterbliebenen Ehefrau, seiner Familie und seinen Angehörigen. Er war ein geschätzter Ehemann und Vater. Seine Familie hatte er über alles geliebt. Seine eigenen Bedürfnisse untergeordnet. Seine Familie wird ihm für immer dankbar sein, welch schönes Haus er selbst gebaut hat … „ würdigte die Pastorin den Verstorbenen.

Onkel H. hatte seit etwa drei Jahren an Sklerose gelitten. Muskeln und Körperbewegungen hatten zunehmend ihren Dienst verweigert. Seit einem Jahr hatte er im Rollstuhl gesessen. Zuletzt hatte ich in beim Geburtstag meines Bruders im März gesehen. Weil er in seinem Rollstuhl zu schwer war, waren wir nicht in der Lage gewesen, ihn auf unsere Terrasse zu tragen. Daher hatten wir uns zu ihm hinter dem Treppenaufgang gesellt. Seine Gliedmaßen regten sich zäh und vorsichtig. Trotzdem hatte er ein fröhliches Gesicht gemacht, er hatte uns angelächelt. Sonst war er eher ein trockener und korrekter Menschentyp, aber in diesem Moment war er mir locker und wie eine rheinische Frohnatur vorgekommen.   

Zuletzt war Onkel H. ein Pflegefall, und meine Tante und meine Cousine mussten sich rund um die Uhr um ihn kümmern. Niemand wird dem Tod seine Tragik nehmen können. Aber in seinem Fall war es vielleicht eine Art Erlösung von seinem Leiden.

Bis auf den Chorraum, der sich mächtig empor reckte, war die Kirche schlicht und einfach. Sie war neugotischen Ursprungs, um 1900 gebaut. Die hohen Kirchenfenster waren schnörkellos, und geschwungene Striche deuteten Verzierungen an. Der Boden war in einem kreisförmigen Muster gekachelt. Ich habe jede Menge schönere Kirchen gesehen, doch mit dieser Kirche in meinem Heimatort verbinden mich die meisten tragenden Erinnerungen. Als Messdiener und Vorbeter. Und als Relikt aus einer grauen Vorzeit, als die Kirche im Dorf noch so etwas wie Hörigkeit oder Autorität verkörperte.

Nach der Messe begaben sich die Trauenden vor die Kirche. Die Lippen blieben stumm, und den Weg zum Friedhof legten alle wortkarg zurück. Langsam schlurften die Schritte vorwärts. Vor der Friedhofsmauer erspähte ich das Grab meiner Großeltern, von dem ich nicht mehr wusste, wann ich es das letzte Mal besucht hatte (1975 und 1987 waren die Großeltern gestorben). Vor dem eisernen Gitter des Friedhofs erwartete uns der Leichenwagen mit Onkel H.’s Urne.

Spätestens, als ich den Leichenwagen sah, wusste ich nicht, wie ich mich fühlen sollte. Sonst vermied ich Bedrückung oder schwermütige Gedanken. Nun war mir die Gelassenheit abhanden gekommen. Ich tat mich schwer, meinen Seelenzustand auf einem ausgeglichenen Niveau zu halten.

Für meine Tante, meinen Cousin mit Frau und Sohn, für meine Cousine mit ihrem Mann, war das schlimm. Natürlich auch für die übrigen Anverwandten. Gemessenen Schrittes wandelte die Trauergemeinschaft zum Grab. Ein Wind pustete, der schon an die Stürme des Herbstes erinnerte. Die Sonne spinste zwischen daher brausenden Wolkenfetzen hindurch. Hinter dem Friedhof erstreckten sich die Weiten des Niederrheins. Felder rollten vom Ortsrand weg. Grenzenlos konnten Wirtschaftswege in Felder und Mischwald hinein stoßen. Sie zogen Radfahrer und Spaziergänger gleichermaßen an, wodurch sich die Ruhe der wohl geformten Landschaft noch verstärkte.

Die Urne wanderte ins Grab, das von Kränzen und Blumen umgeben war, die vor lauter Farben nur so strotzten.

„Von Erde bist du gekommen, zu Erde sollst du werden. Wir aber hoffen auf unseren Herrn Jesus Christus, der da spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich der wird nimmermehr sterben.“ 
sprach die Pastorin, warf einen Krumen Erde ins Grab und überließ dieses den Trauernden.

Allen voran meine Tante, nahmen sie Abschied, wobei jede Masse Tränen flossen. Kurze Zeit später, auf dem rot geschotterten Weg, drückte ich Tante, Cousin, Cousine nebst Ehefrau und Sohn und Ehemann ganz fest. Ich empfand eine bedrückende Ohnmacht vor dem Schicksal und konnte meine eigenen Tränen nicht vollständig zurückhalten. Aber ich war froh, mit einem großen Teil meiner Familie dabei zu sein und unsere gemeinsame Anteilnahme zu zeigen. Während viele Trauergäste noch wie angewurzelt da standen, entspannte sich in manchen Gesichtern die Situation. Es kam mir vor wie bei einem Gewitter, bei dem die dunkle Zelle mit Blitz und Donner über einem hinweggezogen war, aber es regnete noch kräftig und in der Ferne zeigte sich blauer Himmel.

Zum Kaffee. Die Trauergemeinschaft schlenderte zur Gaststätte im Sportlerheim. Es war vorbei. Die Verkrampfung lockerte sich. Die ersten Gesichter hatten sich aufgehellt. Memento mori. Die einzige Gewissheit im Leben eines Menschen ist der Tod. Alpha und Omega. Werden und Vergehen. Nicht erst jetzt, begriff ich das Leben als ständig wiederkehrenden und sinnstiftenden Kreislauf.

Dienstag, 25. September 2012

Wein, Chips und Crime Time


Lieber Leser, möchtest Du meine Schattenseiten kennen lernen, die Du nicht vermutet hättest ? So dass mein Bild als sportlicher, ambitionierter, trainierter, gesunder Mensch ins Wanken gerät ?

Zugegeben, im Grunde steckt ein kleiner Garfield in mir. Nicht, was Maß, Proportionen und Gewicht betreffen, sondern meine Bequemlichkeit und meine Nachgiebigkeit, Leckereien und Genüsse durchaus zuzulassen. Einerseits durchtrainiert, andererseits dieses Stück Garfield, der leckeres Essen in sich hinein stopft und nicht genug davon bekommen kann.

Wider meine Gesundheit verhalte ich mich. Jeder Arzt dürfte die Hände über seinen Kopf zusammenschlagen. Alle Grundsätze von Gesundheit und Maß-Halten schmeiße ich über Bord. Das ist zwar nicht jeden Tag so. Aber es gibt Tage – vor allem an Wochenenden – da steigt dieser Hunger nach Chips in mir auf. Abends lasse ich mich in meinen Fernsehsessel zurückfallen. Ich lehne mich zurück, schlage meine Beine übereinander, ich sinke in mich zusammen, die Masse meines Körpers breitet sich aus, ich bewege mich keinen Millimeter. Ich ruhe und warte die Dinge ab, die kommen werden. Zu faul bin ich um aufzustehen, geschweige denn, die Treppe hoch zu laufen oder in den Keller zu gehen.

Die wichtigen Dinge, um den Abend einzuläuten, umgeben mich. Wein, Chips und Crime Time. Dazu das Laptop auf dem Boden und ein unterhaltsames Buch auf dem Wohnzimmertisch, falls Verbrechen und Krimis wider Erwarten langweilen sollten.

Das Knistern der Chipstüte zwischen meinen Fingern erzeugt eine Vorfreude. Die Chips auf der Verpackung lachen mich an. Beste Kartoffeln, bestes Sonnenblumenöl und ein knackig-echter Geschmack werden mich verführen. Es ist gewiss: wenn ich die ersten Chips gegessen habe, werde ich nicht mehr aufhören. Der Garfield in mir wird sich daran nicht satt essen können. Maß halten: Fehlanzeige.

Die Crime Time flimmert über den Fernsehbildschirm. Der Alte. Wie in anderen Krimi-Serien, wechseln Schauspieler, Kommissare, Ermittler, Gerichtsmediziner schneller als ich mitdenken kann. Walter Kreye als „Der Alte“ ist von der Bildfläche verschwunden. Der neue „Alte“ hat ein kugelrundes Gesicht, weit geöffnete Augen, einen Dreitagebart und seine Haare sind nach hinten gekämmt. Michael Ande zieht mich in seinen Bann. Dieses Urgestein hat alle Kommissare überdauert. Sein schütteres, graues Haar dokumentiert all die Erfahrung von 35 Jahren, in der er den „Alten“ assistiert. Michael Ande verkörpert für mich noch den Urtypen von deutschen Ermittlern, die feinfühlig in das Umfeld der beteiligten Personen einsteigen, die die Psychologie der Menschen studieren und ohne große Knalleffekte auskommen. Im Fernsehen werden wir überschwemmt mit Krimis. „Der Alte“ habe ich stets als eine ruhigere Variante gesehen.

Der nächste Festakt des Abends naht: das Entkorken der Weinflasche. Auch hier mögen die Mediziner Nachsicht beim nachlässigen Umgang mit meiner Gesundheit haben. „Da flehen die Menschen die Götter an um Gesundheit und wissen nicht, dass sie die Macht darüber selbst besitzen. Durch ihre Unmäßigkeit arbeiten sie ihr entgegen und werden so selbst durch ihre Begierden zu Verrätern an ihrer Gesundheit“ so hatte einst Demokrit vor 2.500 Jahren gesagt. Als Rheinländer halte ich mich lieber an meine rheinischen Artgenossen.

„Schütt' die Sorgen in ein Gläschen Wein. 
deinen Kummer tu' auch mit hinein. 
Und mit Köpfchen hoch und Mut genug 
leer das volle Glas in einem Zug! Das ist klug!“
so hatte einst Willy Schneider gesungen. 

Der Rheinländer Konrad Adenauer sah das nicht anders: „Ein gutes Glas Wein ist geeignet, den Verstand zu wecken.“

Also lasse ich mir Silvaner und Chips auf der Zunge zergehen. Das Glas mit dem kühlschrank-kalten Silvaner leere ich in langen Zügen, und Garfield wäre wahrscheinlich längst betrunken. Nebenher bekomme ich mit, wie der Kommissar Richard Voss den Fall gelöst hat.

Den Abend lasse ich mir auf der Zunge zergehen. Danach erhält der Tatort mit Ulrike Volkerts den Spannungsbogen aufrecht, dann endet die Krimi-Nacht vorläufig. Barbara Schöneberger begibt sich mit ihrem New Pop Festival in seichtere Gewässer. Ich packe mein Laptop auf den Wohnzimmertisch und surfe hinein in meine Blog-Seite.

Bis Lana del Rey bei Barbara Schöneberger auf die Bühne tritt. Live. Aber das ist schwach. Nur ein matter Abklatsch der Studioversion von „Summertime Sadness“. Lana del Rey sieht mit ihrem langen braunen Haar zwar bildhübsch aus, aber lustlos flüstert sie vor sich hin, als hätte man ihr das Singen aufgezwungen. Wahrscheinlich ist es auch schwierig, diese Stimmung von Melancholie oder „Sadness“ in das Lied hinein zutransportieren. Ich bin enttäuscht.

Irgendwann nach Mitternacht, wenn ich die Flasche Silvaner geleert habe, falle ich ins Bett. Am nächsten Morgen habe nicht einmal eine Andeutung von einem dicken Kopf. Medizinern dürften wohl die Haare zu Berge stehen.

Wochenrückblick #38

Im Fernsehen
Beim Friseur musste ich zuletzt eingestehen, dass ich bei wichtigen Fernseh-Ereignissen nicht auf dem Laufenden war. Abends wollte sich die Friseuse das Super-Talent mit Thomas Gottschalk anschauen. Mir waren nur Jury-Mitglieder wie Dieter Bohlen, die Fußballer-Ehefrau Silvie van der Vaart oder Sarah Connor ein Begriff. Aber Thomas Gottschalk ? Sonntag Vormittag war es soweit: das Super-Talent flimmerte auf dem Bildschirm, verwundert stellte ich fest, dass sich Dieter Bohlen, Michelle Hunziker und Thomas Gottschalk mit ihrem geballten Sachverstand zusammengetan hatten, um Artisten und Sänger zu begutachten. Unsere Kleine hatte sich auf unsere Couch platziert und ließ sich von Show und Klamauk berieseln. Elegant und geschmeidig ging es zu, als zwei Inder sich um eine Art von Marterpfahl wanden und drehten. Danach überzeugte ein schwarzer Sänger aus den Niederlanden mit dem schwedisch Nachnamen „Johansson“, wie er mit ausdrucksvoller Stimme das Stück „I believe“ sang. Dann hantierte ich in der Küche herum, bis ich Michelle Hunzigers kreidebleiches Gesicht sah. Sie würgte, als ob sie sich jeden Moment übergeben könnte. So schwarz, wie der 26 jährige New Yorker Künstler gekleidet war, so schwarz, wie seine Haarlocke in sein schneeweißes Gesicht fiel und so schwarz, wie seine Fingernägel lackiert waren, erinnerte er mich an die Leiche, die in der Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher“ von Edgar Allan Poe aus dem Sarg wieder auferstanden war und mitten auf die Bühne getreten war. Als ich weiterschaute, traute ich meinen Augen nicht: er hatten einen Draht durch seinen eigenen Hals gebohrt und er war gerade dabei, sich seine Kehle durch zu schneiden. Und ganz gebannt, mit weit geöffneten Augen schaute unsere Kleine mitten in den Fernseher hinein. Die Augenblicke, bis ich den Ausschalteknopf der Fernbedienung fand, dauerten eine gefühlte Ewigkeit. Ich verfluchte die Jury inklusive Thomas Gottschalk, dass sie diesen Auftritt aus einem Horror-Film überhaupt zugelassen hatten. Am liebsten hätte ich eine Handgranate in unserem Fernseher geworfen.

Health Award
Nicht nur unter Bloggern, sondern auch bei unserer Arbeit werden Awards verliehen. „Health Award“, das klingt professionell. Durch Anglizismen wird die Bedeutung in ganz andere Sphären gehoben. Um zur deutschen Sprache zurückzukehren: bei dieser Gesundheits-Trophäe werden sportliche Aktivitäten berücksichtigt, die zur Arbeit oder als Ausgleich außerhalb der Arbeit betrieben werden. Von Oktober bis Dezember wird gezählt und in Kalorienverbrauch umgerechnet, wie viel sich jeder bewegt. Letzte Woche hat unser Chef nachgefragt, wer sich daran beteiligen wollte. Dabei wurde ich sogar als leuchtendes Vorbild dargestellt, wie viele Fahrradkilometer ich zusammenbekäme (wobei ich von Oktober bis Dezember wegen der Dunkelheit weniger Fahrradkilometer zurücklegen werde). Nun haben auf diesen Aufruf eine Reihe von Fahrradfahrern und Joggern – inkulsive Halbmarathon-Läufer – reagiert. Bei einigen Teilnehmern habe ich bewundert, welche Blüten die rege Phantasie treiben kann. Gartenarbeit und Rasenmähen, Hausputz und Meditation, Holzhacken und Spaziergang mit Hund haben sie als sportliche Aktivität aufgezählt. Ja, bei so manchen Aktivitäten kann ich bestätigen, dass sie auch anstrengend sein können. Zum Beispiel Garten umgraben oder die Bückerei beim Bodenwischen, die ins Kreuz geht. Nur eine Betätigung, die viele einbringen wollten, war unzulässig: Sex. Obwohl sie auf wissenschaftlich erwiesene Studien verwiesen, dass Sex Kalorien verbraucht.

201.000 km und 2 Jahre TÜV
Der KFZ-Werkstatt und dem TÜV-Prüfer sei Dank: letzten Freitag hat unser Auto für zwei weitere Jahre eine TÜV-Plakette bekommen. Der Junior-Chef hatte zuvor noch gemeint, unser Auto laufe „wie ein Uhrwerk“ – womit er zweifellos Recht hat. Vergaserflansch erneuern, undichter Auspuff, Teile des Getriebes erneuern, dadurch waren Mehrkosten von 500 € gegenüber einer normalen Inspektion entstanden. Bei rund 18.000 Kilometern, die unser Auto pro Jahr fährt, hatte ich im Stillen mit so etwas gerechnet (aber nichts für einen solchen Fall zurückgelegt). Hauptsache, durch den TÜV, das war mir in diesem Moment wichtiger als diese Mehrkosten. Auf die nächsten zwei Jahre. Mal sehen, wie alt unser Auto wird.

Ralf Dahrendorf
Ich habe sein Buch „Reisen von innen nach außen“, das 1984 erschienen ist, nochmals gelesen. Dahrendorf hat sich in Spitzenpositionen auf unterschiedlichen Gebieten betätigt. Er hat ursprünglich Philosophie und klassische Philologie studiert. Danach war es bis 1970 Landtagsabgeordneter der FDP, bis 1974 war er in der Europäischen Kommission in Brüssel tätig, bis 1984 war er Professor an der London School of Economics, bis 1997 war er Professor an den Universitäten Konstanz, New York und Oxford. Seit 1998 besitzt er die britische Staatsbürgerschaft, seit 1993 war er Mitglied des britischen Parlamentes. 2009 starb Ralf Dahrendorf. Bereichsübergreifend bewegen sich seine Denkansätze zwischen der Soziologie, der Philosophie und der Ökonomie. Traditionelle Bindungen, die die Menschen festhalten, entfallen. Dies wird verstärkt durch einen Lobbyismus im Großen und im Kleinen, das Gruppen und Grüppchen in der Gesellschaft ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Dahrendorf verbindet dies mit dem Begriff des Lumpenproletariats bei Marx. Wirtschaftswachstum dient als Religionsersatz. Zum einen stößt das Wachstum an seine Grenzen (siehe Berichte des Club of Rome), zum anderen profitieren nicht alle gleich vom Wirtschaftswachstum. Insbesondere bei niedrigem Wirtschaftswachstum zeigen sich die Schattenseiten der Wirtschaft – das sind Arbeitslose oder das ist auch Schwarzarbeit. Da Auffangsysteme in der Gesellschaft weggefallen sind, rutschen viele ins Bodenlose ab. Obdachlose, Jugendliche ohne Schulabschluss, Asylanten, Ghettoisierung, Junkies, Drogensüchtige, Massenschlägereien bei Fußballspielen oder Demos: Dahrendorf betrachtet dies als neues Lumpenproletariat von Menschen, die durch jedes ökonomische Raster fallen und denen die Gesellschaft keinen Halt bieten kann. Das Lumpenproletariat wächst, und wenn man diesen Menschen helfen will, doktert man nur an den Symptomen herum und nicht an den Ursachen.

Glockentürme (3)
Zu dem Glockenturm in Douai (Nordfrankreich) habe ich auf youtube Filme gefunden.


Song der Woche
In den 70er Jahre hatte ich sie nie gerne gehört, weil mir ihre Hits "Hey Tonight" oder "Looking out my back Door" nie gefielen. Seit ich mein Internet-Radio besitze, habe ich Creedence Clearwater Revival häufig und gerne auf Radio Caroline gehört. Dort wurden die LP-Versionen u.a. von "I put a spell on you" oder "Born on a Bayou" gespielt. Zuletzt lief "Suzy Q". Dieses Stück ging mir nicht mehr aus dem Ohr !



Samstag, 22. September 2012

Pétanque

Es ist interessant, welche Traditionen aus dem Ausland sich bein uns wiederfinden. Am stärksten durchdrungen, ja, multikulturell, ist die Gastronomie. Chinesisch, japanisch, indisch, russisch, Falafel, Querbeet werden wir von der Küche auf der ganzen Welt verwöhnt. Ja, auch der Sport ist international. Zunächst denke ich an die Olympischen Spiele. Ich denke aber auch im Kleinen. Einen Steinwurf vom Rhein entfernt, eingerahmt von einer Rasenfläche, sichte ich des öfteren eine Gruppe von Männern, die meistens dieselben sind. Pétanque (oder Boule) hat den Eingang ins Rheinland gefunden. Ich selbst habe nie Pétanque gespielt, aber das Spiel strahlt eine ungeheure Ruhe aus.






Gerne bleibe ich stehen und schaue zu. Bei dem Spiel wird lebhaft diskutiert. Die Lage der Kugeln wird begutachtet. Oft sind es Haaresbreiten, die entscheiden. Es wird lamentiert und gehadert um Glück und Pech. Bis die nächste Runde eingeläutet wird.

Freitag, 21. September 2012

hässliche Architektur

Andere Städte in NRW dürften Bonn beneiden. Wie sorgfältig die Innenstadt nach dem 2.Weltkrieg wieder aufgebaut worden ist. Wie historische Ecken und Winkel mit viel Liebe zum Detail wieder zu neuem Leben erweckt worden sind. Ob Mönchengladbach oder Krefeld, ob Essen oder Bochum, ob Hamm oder Bielefeld, viele Städte in NRW klagen noch heute darüber, dass sie wegen Bausünden in den 50er Jahren vollkommen uninteressant und unattraktiv für jeden Besucher geworden sind. Erstaunlich ist, dass diese Bausünden eine Renaissance erfahren. Dass die Verantwortlichen ganz bewusst willentlich in Kauf nehmen, dass ihre Stadt mit neuen Bausünden verschandet wird. So auch in Bonn.


Das Grundstück am Rhein zwischen der Oper (rechts) und dem Alten Zoll (links) war nach dem 2.Weltkrieg nicht mehr bebaut worden.


Dort sind nun die Rheinlogen gebaut worden. Es sind 75 Eigentumswohnungen der Extraklasse entstanden, Blick auf den Rhein und Siebengebirge inklusive. Zum Beispiel kostet eine Wohnung von 138 qm 540.000 €.


Während der Übergang von der Oper im 50er Jahre-Stil nicht ganz so krass ist, ist der Übergang zum Alten Zoll geradezu schrecklich, ein Fleck, der eigentlich ausradiert werden sollte.


Genauso verschandet der Bau die barocke Kulisse der Universität im Hintergrund.


Die Farbgebungen und in grün-weiß wirken vollkommen abstoßend.



Das Gebäude ragt als schrecklicher Klotz in die Höhe.



An den Ecken dieses unansehnlichen Klotzes sind die Baustellen noch nicht verschwunden.

Im General-Anzeiger häufen sich die Kommentare über die häßliche Architektur. Hier ist eine Auswahl:

"Aus dem geplanten "Tor zur Stadt" ist eine hässliche Mauer geworden. Der Bürger-Bund-Bonn hat in einem Schreiben die Namen der verantwortlichen Politiker genannt. M.E. hat er den Komplex zu Recht als "Opernbunker" bezeichnet. Die Verklinkerung erinnert an ein Krankenhaus. Die von vielen Seiten schon während der Offenlegung der Baupläne sind mit einem Handstreich vom Tisch gewischt worden. Selbst der übrig gebliebene kümmerliche Rest der echten Altstadt, das Giertor, wird nicht der Öffentlichkeit zugängig sein. Traurig!"
"Und wieder einmal haben sich die Entscheidungsträger von dem wohlfeilen Gerede der vermeintlich elitären modernen Architektur einlullen lassen. Dies zieht sich wie ein roter faden durch die Geschichte der Stadt. Ob Südüberbauung, Cassius-Bastei, Stadthaus, WCCB und vieles mehr - ein Schandfleck reiht sich in Bonn an den Nächsten. Und nun die "Rheinlogen" mit ihrer nicht zu überbietende Gräßlichkeit und dies an einer Stelle, die Besucher vom Rhein anlocken soll in das "schöne Bonn". Ich frage mich nur, wohin diese Architekten in Urlaub fahren, wahrscheinlich in liebevoll gepflegte mittelalterliche Städtchen mit verwinkelten Gässchen und stilvollem Ambiente, um sich dann für den Bahnhofsvorplatz das nächste Ausrufezeichen einladender "moderner" Architektur auszudenken. Ich ahne Schlimmes!!"
"Es wird nur noch teuer und häßlich gebaut in Bonn. Der naive hilflose Versuch, ein Kranhaus a la Cologne nachzubilden zeigt die Hilfslosigkeit der Stadt, ihre Bedeutungslosigkeit zu akzeptieren. Man hätte viel aus der Stadt machen können, statt dessen wird der Charme der Stadt mit Füßen getreten. Es wird den Preis für das häßlichste Dorf gewinnen und die Anlageobjekte werden ein Verlustgeschäft sein. Abwarten und Bönsch trinken, bis zum großen Knall."
Bonn verschandet sich nun selber. Sind da etwa Euros an Zuwendungen oder sonst etwas an die Beamten der Baubehörde geflossen ? Für einen Bau, den in der Stadt niemand haben will. Nach dem Willen der Bonner Bürger sollte er wieder abgerissen werden.

Dienstag, 18. September 2012

mit dem Rennrad über die Margaretenhöhe



Den Bonnern gilt der Petersberg als Sündenfall der Verschwendungssucht. 1978 von der Bundesrepublik erworben, war den Regierenden der Petersberg sympathischer wie das Schloß Gymnich, wo bis dahin die Staatsgäste übernachtet hatten. Repräsentativer, näher an der Bundeshauptstadt, Gästehaus inklusive, so lauteten die Argumente für den Kauf. 18,5 Millionen DM kostete damals das Gästehaus. Danach konnte fleißig saniert und umgebaut werden, denn das Gästehaus war seit 1973 ungefähr nicht mehr bewohnt worden. Die Erhöhung der lichten Höhe des Speisesaals für eine halbe Million DM, eine zusätzliche Direktorenwohnung für 200.000 DM, eine Fußbodenheizung für 1,3 Millionen DM oder eine aufwendigere Klimaanlage für 1,6 Millionen DM, eine schönere Beleuchtung für 595.000 DM. Dadurch schossen die ursprünglich geplanten Baukosten von 103 Million DM auf 140 Millionen DM in die Höhe. Der Petersberg hat Schlagzeilen gemacht - durch die explodierenden Baukosten.

Einstweilen schaue ich von Königswinter aus auf den Petersberg. Wie blank geputzt, lacht die weiß-gelbe Fassade mit dem Mansardendach vom Berg hinab. Aus dem Rheintal kommend, lasse ich die Höhenmeter auf mich zukommen. Zuerst die Autobahnbrücke über die B42, wo sich der Anstieg mit aller Macht meinem Rennrad entgegen stemmt. Ich muss mächtig treten. Einen Kilometer weiter lese ich auf der Gegenspur: 8% Gefälle. Allmählich verschwindet der Petersberg hinter meterhohen Sträuchern, die die Höhe von Bäumen wie Birke, Erle oder Weide erreichen. Der Lärm der Umgehungsstraße ist verstummt. Die Steigung schraubt sich tiefer ins Siebengebirge hinein.

Für mich ist die Tour vom Rheintal auf die Margaretenhöhe so eine Art Königsetappe. Gleich mehrere bildhübsche Strecken führen aus dem Rheintal quer durchs Siebengebirge. Davon ist die Margaretenhöhe die härteste Variante. Die fünf Kilometer ziehen sich von 70 Meter Höhe im Rheintal auf 320 Meter auf der Margaretenhöhe hoch. Das erste und das letzte Stück steigt mit 8% fulminant an. Dazwischen liegen rund 5% Steigung. Das ist das schwierigste Anspruchsniveau in der näheren Umgebung. Treten und ein ordentliches Durchhaltevermögen ist hier gefragt. Bis zum Schluss des Anstiegs, der seine Tücken hat. Denn mit aller Kraft, die ich aufwenden muss, legt die Steigung nochmals zu, sie verlangt mir alle Reserven ab und ich muss alles aus meinem Körper heraus holen und ich krieche die letzten Meter nur noch.


Um mir die Margaretenhöhe vorzunehmen, muss ich sogar einen inneren Schweinehund überwinden – was ich sonst nicht kenne beim Rennradfahren. Das liegt weniger daran, dass die Tour zu anspruchsvoll ist, sondern mehr am Verkehr. Hinter Ittenbach mündet die Hauptstraße geradewegs auf die A3, so dass die Paßstraße von Bonn aus als Abkürzung in Richtung Westerwald viel genutzt wird. Dementsprechend knubbeln sich die Autos – inklusive LKW’s. Das ist schade, denn die Straße windet sich in Kurven wunderschön durchs Siebengebirge. Eingerahmt von lauter Wald, plätschert ein Bach geduldig ins Tal hinunter. Von Wanderparkplätzen breitet sich ein Spinnennetz von Wanderwegen aus.


Wenn ich die Margaretenhöhe erreicht habe, konzentriert sich dieses Netz von Wanderwegen. Schilder mit Wegmarkierungen allenthalben. Der Ölberg, der höchste Berg des Siebengebirges, ist mit seinen 460 Metern Höhe in direkte Nähe gerückt. Das Ausflugslokal „Margaretenkreuz“ lockt mit seinem Biergarten in luftiger Höhe. Im Naturparkhaus kann man näheres über Geologie oder Naturschutz des Siebengebirges erfahren.

Ich atme kurz durch, dann stürzt die Straße mit 8% Gefälle nach Ittenbach herunter. Ich muss mehr bremsen, als mir lieb ist. Die Landschaft zischt an mir vorüber. Als ich in Ittenbach nach links auf die Nebenstraße abbiegen möchte, spüre ich, wie mein Vorderrad nachgibt. Mit reichlich Bodenhaftung biege ich um die Ecke. Ich steige ab, pumpe auf, das Vorderrad hat Luft verloren. Später, in Sankt Augustin, erneut aufpumpen, doch für den Rest der Strecke hält mein Vorderreifen durch.


Ab Ittenbach genieße ich die Abfahrten. Denn wenn ich mich bis zur Margaretenhöhe so mächtig den Berg hinauf gequält habe, muss es auch den Berg hinuntergehen. Auf der Nebenstraße genieße ich die Ruhe. Spärlich fließt der Verkehr, vor Thomasberg driftet der Blick ins Tal hinab, wo sich die gewellte Hügellandschaft des Westerwaldes an das Siebengebirge anschließt. Die ICE-Strecke und die A3 verstecken sich im Tal. Am Wegesrand grüßt erneut ein Wanderparkplatz, wo sich ein Netz von Wanderwegen verzweigt.

Diese Radtour ist kurz, heftig und intensiv. Es sind nur 45 Kilometer, die aber mitten durch das Herz des Siebengebirges führen. Ab Thomasberg folgen zwei wunderschöne Abfahrten, die mich für die gewaltige Steigung zur Margaretenhöhe entschädigen. Ich schieße die Abfahrten hinunter, vorbei an Apfelbäumen, wo ich jede Menge reife Äpfel sehe.

Und ich sehe schon dies Vorahnung auf den Herbst: Kürbisse, sorgfältig aufgereiht, orange-rot-grün schillert ihr Farbenspiel in den Herbst hinein.



Award


Von der lieben Angelika habe ich diesen Award verliehen bekommen. 


Dafür möchte ich mich herzlich bedanken und darüber freue ich mich sehr. Nachdem ich in der Köln-Bonner Gegend heimisch geworden bin, versorgt mich Angelika mit allerhand schönen Bildern aus meiner früheren Heimat und lässt meine Vergangenheit auf diese Weise fortleben.

Diesen Award darf ich nun an 5 Blogger weitergeben und das sind die Regeln:

1. der Blog darf nicht mehr als 200 Leser haben
2. man muss über den Award auf seinem Blog berichten
3. der Blog des Verleihers muss auf seinem eigenen Blog verlinkt werden, damit dieser bekannter wird
4. der Award muss an 5 Blogger weiter gegeben werden und sie müssen von der Nominierung unterrichtet werden
5. Schreibe diese Regeln auch auf deinen Blog.

Ich habe lange darüber nachgedacht, an wen ich den Award weiter reiche. Dazu bin ich quer durch Deutschland gereist.

Noch zum Rheinland gehörig, ist mir als erstes Marita – die Dällerin – eingefallen. Ihre Impressionen aus dem Siegtal beeindrucken mich. Sie wohnt in einem sehr schönen Abschnitt des Siegtals, wo sich die Sieg mäandrierend durch die Landschaft windet.

Ich bleibe in NRW und wechsle ins entfernte Westfalen. Dort gärtnert Elke in ihrem Reihenhausgarten. Ich genieße die bunte Vielfalt in ihrem Garten. Elke erzählt wunderbare Geschichten über all ihre kleinen Dinge in ihrem Garten.

Von NRW geht es nun nach Baden-Württemberg. Oder von Dortmund nach Karlsruhe, denn Nelja ist dorthin umgezogen. Nelja beherrscht eindrucksvoll die Kunst, knapp mit relativ wenig Text und etlichen Bildern die Banalitäten und die Dinge des Alltags auszudrücken.

Schließlich geht es genau in die andere Ecke Deutschlands – irgendwo in Sachsen. Das Leben ist bunt in der Mittelgebirgslandschaft der Lausitz. Am meisten begeistern mich die Sonnenaufgänge und –untergänge, die Ulrike fotografiert hat. 

Jo's Garten-Blog bekomme ich geografisch nicht einsortiert. Sie hat eine Art Metamorphose durchlaufen vom reinen Garten-Blog zu einem Blog, der sich mit heterogenen Themen befasst. Spirituelles findet sich dort, Jo meckert über die fehlende Kundenorientierung bei meinem Arbeitgeber, sie beschreibt Eindrücke mitten aus der Natur. Es macht Spaß, ihren Blog zu lesen.


Montag, 17. September 2012

Wochenrückblick #37

Im Fernsehen
Im WDR-Fernsehen wurden in der Sendung „Menschen hautnah“ die Ereignisse aufgearbeitet, die zum Selbstmord eines Schülers in einer Schule in Düren geführt hatten. Der Schüler war 16 Jahre alt. Mit Beginn der Pubertät bekam er epileptische Anfälle. Dies wirkte sich vor allem auf den Sportunterricht aus. Seine Bewegungsabläufe waren gestört, so dass er bestimmte Turnübungen nicht mehr durchführen konnte. In diesem Zeitraum hatte er auch die Schule gewechselt, weil seine Eltern in das Haus seiner Großeltern eingezogen waren. Er war zwei Meter groß, wirkte unbeholfen und unsicher, war unsportlich. Seine Mitschüler grenzten ihn aus, machten ihn lächerlich und mobbten ihn. An einem ersten Selbstmordversuch, als er sich von einer Brücke stürzen wollte, konnte er noch gehindert werden. Daraufhin kam er in eine Tagesklinik in psychologische Behandlung. In Facebook reagierten seine Mitschüler, indem sie schrieben: er sei zu blöd, und zwar so blöd, dass er nicht einmal fähig sei, sich umzubringen. Als er aus der Tagesklinik entlassen wurde, wirkte er stabil. Als er danach wieder die Schule besuchte, setzten Hänseleien, Erniedrigungen, Mobbing aufs Neue ein. Einige Wochen später warf er sich vor einen Zug.

Link auf Homepage des WDR

Brille
Nun sind wir in unserer Familie vollständig und tragen alle eine Brille ! In der letzten Woche war unser kleines Mädchen an der Reihe. Die Irritation, dass sie eine von zwei Schülern in ihrer zweiten Schulkasse ist, die eine Brille trägt, war schnell vorbei. In unserer Fernsehzeitung konnte sie mit einem Mal alles Kleingedruckte lesen. Wenn sie Wörter schrieb, war ihre Schrift nicht mehr wieder zu erkennen. Vorher hatte sie kraxelig geschrieben, als ob sie gar keine Lust auf Hausaufgaben hätte. Nun schreibt sie ungefähr in einer Schönschrift, dass es Spaß macht, ihre Wörter zu lesen. Was eine solche Brille bewirken kann !

Rennradtour
Nicht vom Büro aus, sondern von zu Hause aus, habe ich diesmal meine Rennradtour gemacht. Das war gestern Morgen bei dem Super-Sonnen-Wetter, das uns einen schönen Sonntag beschert hat. Da ich noch von der Woche davor übers Siebengebirge berichten wollte, beschränke ich mich diesmal auf die Kurzform. Es ging durch die Wahner Heide nach Rösrath. Ab Hoffnungsthal kam ein kräftiger Anstieg auf einen Höhenzug des Bergischen Landes. Richtung Lohmar wieder ins Tal zurück, dann dieselbe Strecke über die Wahner Heide nach Hause zurück. Gesamtlänge 60 km, Fahrzeit 2 Stunden 45 Minuten. An der evangelischen Kirche in Rösrath-Hoffnungsthal habe ich innegehalten, weil dort ein 450jähriges Jubiläum der Reformation im Bergischen Land gefeiert wurde. Im gesamten Erzbistum Köln hat die Reformation keine nennenswerten Auswirkungen gehabt (das Rheinland ist „erz“-katholisch geblieben). Dennoch gab es hier im Bergischen Land evangelische Exklaven. Das waren die angrenzenden Kirchengemeinden von Volberg, Honrath, Wahlscheid und Seelscheid, die man auf Konfessionskarten des Bergischen Landes im 17. Jahrhundert erkennen kann. Mit Lesungen, Konzerten und Exkursionen wurde verteilt über das Jahr rund um Rösrath dieses 450jährige Jubiläum gefeiert. Im Verlauf des Nachmittags haben wir es sogar geschafft, mit unserem Mädchen eine kleine Radtour durch die Felder zu machen. Die Sonne schien und der Wind blies über die Felder. Das war anstrengend bei dem Gegenwind ! Einige Male Pause machen und eine Capri-Sonne trinken. Nach einer dreiviertel Stunde waren wir zu Hause zurück. Zuerst legte unser Mädchen die Beine auf die Couch und dann haben wir alle ein Eis gegessen.

Kochen
Seit einigen Wochen arbeitet meine Göttergattin nachmittags stundenweise. Diese Uhrzeit liegt so, dass ich mich um das Kochen kümmern darf. Sonst habe ich praktisch nie gekocht. Da mir die Küche der südwest-deutschen Regionen (also Baden-Württemberg) vorzüglich schmeckt, konzentrieren sich meine Aktivitäten am Herd ausschließlich auf Spätzle (selbst gemacht, vorzugsweise als Käsespätzle). Und sonst ? Im Laufe der Jahrzehnte habe ich es genossen, bekocht zu werden. Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, essen wir kurze Zeit später. Ein paar Handgriffe packe ich mit an: Kartoffeln schälen, Zwiebel schälen, Salat lesen, Nudeln abkochen oder ähnliches. Das ist es aber. Daher muss ich mich langsam an die Kocherei heran tasten, wobei mir ganz mulmig zumute ist, sämtliche Feinheiten unserer Geschmäcker zu treffen. Die obligatorischen Nudeln mit Gehacktessoße, Bratkartoffeln mit IGLO-Schlemmerfilet, Nudeln-Bolognese-Auflauf, das waren meine ersten Versuche. In der letzten Woche stand Ratatouille mit Gehacktes, Paprika und Zucchini auf dem Speiseplan. Prompt hatte ich vergessen, dass ich noch Reis dazu abkochen musste. Ratatouille ohne Reis – da meckerten meine Lieben zu Recht. Also noch Reis abkochen, etwas mehr wie 15 Minuten warten. Anschließend hat es allen geschmeckt.  

Im Radio
Im Autoradio habe ich auf WDR2 einen Bericht über die Situation des sozialen Wohnungsbaus in NRW gehört. Grundsätzlich sind seit der Föderalismusreform die Länder für den sozialen Wohnungsbau zuständig. Und grundsätzlich fehlen in Ballungsräumen bezahlbare Wohnungen (davon 1,2 Mio Wohnungen in NRW). Alarmierend ist der Unterschied zwischen Köln und Düsseldorf. Von den Finanzmitteln, die das Land NRW verteilt, hat Köln in 2011 für 66 Mio € neue Sozialwohnungen gebaut. Düsseldorf hat hingegen nur 12,5 Mio € Landesmittel verbraucht. Der Baudezernent der Stadt Düsseldorf begründet dies damit, dass die Qualität der Wohnungen wichtiger sei wie deren Quantität. Beziehungsweise, dass der soziale Wohnungsbau ineffizient ist. Das soll heißen: Wohnraum wird in Düsseldorf bis auf weiteres unbezahlbar sein. Mieter mit geringerem Einkommen sollen sich bitte außerhalb von Düsseldorf eine Wohnung suchen.

Samstag, 15. September 2012

Glockentürme (2) - Belfriede in Belgien und Nordfrankreich

Nachdem ich zu Novas Glockenturm-Projekt in Spanien an der Costa Brava fündig geworden war, habe ich weiter in früheren Reisen herum gestöbert. Auf Fotos und Postkarten bin ich auf Belfriede (auf Französisch „beffroi“) in Belgien und Nordfrankreich gestoßen.  

Die meisten Belfriede wurden zur Zeit der Gotik gebaut und gehören zu den bedeutendsten weltlichen Bauten des Mittelalters. Ihnen gingen häufig hölzerne Türme voraus, von denen keiner erhalten ist. Sie wurden von den Stadtbehörden, den Zünften oder den Gilden als Symbol der bürgerlichen Macht errichtet, auch gegenüber jener der Kirche. In der Regel ist der Belfried mit dem Rathaus verbunden oder befindet sich freistehend daneben.
Als sicherster Ort einer Stadt beherbergte der Turm in seinem Innern meist das Stadtarchiv, die Schatzkammer oder ein Gefängnis. Darüber hinaus diente er als Wachturm und zum Ausrufen öffentlicher Angelegenheiten. Eine Stadtglocke strukturierte die Zeit und gab das Signal zum Öffnen und Schließen der Stadttore, markierte Anfang und Ende der Arbeitszeit oder läutete zu Festivitäten. Heute befinden sich in den meisten Belfrieden Carillons bzw. Glockenspiele.


Mons ist die Hauptstadt der belgischen Provinz Hainaut und liegt kurz vor der französischen Grenze.


Douai liegt in der französischen Provinz „Nord“. Der Glockenturm gehört seit 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Seit 1391 befindet sich im Inneren ein Glockenspiel, das mit 62 Glocken eines der größten Europas ist.


Zu dem Glockenturm von Douai existiert ein wunderschönes Gemälde von Jean-Baptiste Corot.




Lille ist die Hauptstadt des Départements „Nord“, das durch die Anfangsziffern 59… auf französischen Autokennzeichen gekennzeichnet ist. Der Glockenturm befindet sich auf der Handelskammer (chambre de commerce), dessen Urspünge während des wirtschaftlichen Aufschwungs der Textilindustrie entstanden.


Glockentürme gibt es auch in kleineren Städten – so in Armentières 20 km westlich von Lille und einen Steinwurf von der belgischen Grenze entfernt.

Diese Grenzregion zwischen Belgien und Frankreich besticht durch ihren spröden Charme und dürfte „üblichen“ Frankreich-Touristen unbekannt sein. Allenfalls auf dem Weg nach Paris fallen die Beschilderungen Richtung Douai, Lille oder Arras auf. Der Glockenturm von Bergues (dort war ich nicht) kommt übrigens auch in dem Kino-Film „Willkommen bei den Schtiis“ vor. Dort wird der Norden Frankreichs als Strafexpedition beschrieben. Im Vergleich zum Süden, ist das Wetter eiskalt wie auf dem Nordpol und es hört nicht auf zu regnen. Dem ist aber nicht so. Als ich in Lille war, hatte ich mich geradezu in diese Stadt verliebt. Lille wird als Paris des Nordens bezeichnet. Das kann ich nur bestätigen.