Donnerstag, 6. Dezember 2012

L'art pour Lebkuchen

Seitdem ich blogge, hat sich mein Leben verändert. Meine Denkwelt stellt die Dinge auf den Kopf, rückt sie zurecht, es wird neu sortiert, Prioritäten werden anders gesetzt. Ich schaue tiefer in die Dinge hinein, weil ich sie aufmerksamer betrachte. Ich habe die Formen vor mir, in denen ich poste. Die Dinge nehmen Gestalt an, ich modelliere sie, ich übersetze sie in Text und Bilder, bis sie in meinen Posts erscheinen.

Wieso blogge ich ? Bloggen betrachte ich nicht als Selbstzweck, sondern ist nach außen gerichtet. Indem ich Texte und Bilder zeige, baue ich eine Verbindung zum Leser auf.

Wenn ich umgekehrt andere Blogs in anderen Denkwelten lese, freue ich mich über Inhalte, die kritisch sind, die Dinge mit eigenem Urteilsvermögen durchleuchten und Denkanstöße liefern. Ich möchte gerne über die Dinge aufgeklärt werden. In der Denkwelt eines Aufklärers wie Voltaire wäre dies, dass man Freiheit und Unabhängigkeit im Denken lernt, um sich auch gängigen höherwertigen Meinungen zu widersetzen.

Ich möchte nicht abdriften dahin, was Wolfgang Niedecken in der Malerei „L’art pour Lebkuchen“ genannt hat. Er hatte triviale Themen aus der Illustrierten-Welt von Gala, Neue Revue, Neue Post & Co in seinem eigenen Stil gemalt. Weil diese trivialen Themen quasi endlos reproduzierbar waren, wollte er Stückzahlen von Bildern schaffen. Er erreichte zwar diese Stückzahlen von Bildern, es mangelte aber an Details und Hingabe. Was er tagtäglich erlebte, fand sich in den Bilder nicht wieder.

Diese „L’art pour Lebkuchen“ möchte ich in meinen Posts gerne vermeiden. In meinen Posts sollen bewusst Ecken und Kanten stecken, an denen sich der Leser reiben kann. Bei anderen Posts mag ich es, wenn ich anfange nachzudenken, wenn ich nach Analogien suche, wenn ich dieses und jenes und welches miteinander vergleiche und wenn sich meine eigene Gedankenwelt dadurch anreichert. Lob, Tadel, Kritik, Provokation, Revolution, in der Unabhängigkeit des Denkens ist dies alles erlaubt.

Wolfgang Niedecken verband mit „L’art pour Lebkuchen“ Zynismus und Dekadenz. Klar, man kann nicht nur schwarz sehen, anklagen, kritisieren oder in eine Depression versinken. Schöne Momente des Alltags festhalten, gehört für mich genauso zum Bloggen. Ich will aber nicht unterhalten werden, so als ob ich abends passiv im Fernsehsessel mit einem Glas Wein und einer Tüte Chips versinke. Ich will hinsehen, wenn ich den Schmuddel-Ecken des Alltags begegne. Hässlichkeiten und Unannahmlichkeiten, Ungerechtigkeiten und Missstände, diese Sichtweisen reizen mich besondeers.

Wieso bloggen andere ? Sie sehen denselben Charme, dass sie eine Verbindung zum Leser aufbauen. Sie teilen Freude und Gedanke mit anderen, sie tauschen Ideen aus und genießen all die neuen menschlichen Kontakte. Auch sie wollen ihre Gefühle zeigen und so sein, wie sie sind: undressiert.

Genauso wie Wolfgang Niedecken in seinem Stück „Koot vüür aach“ aus seiner LP „Vun drinne noh drusse“, welches die Momente vor einem Bühnenauftritt beschreibt:

Will keine wabernde Masse aus grölenden Köpfen, 
anonym, die mich leerkonsumiert, die man abspeisen kann, 
die man unmündig hält, mit Routinesprüchen manipuliert. 
Will mir Fehler erlauben, Gefühle zeigen halt. 
So wie ich bin will ich sein: Undressiert.

Eines ist klar: das Bloggen wird weiter mein Leben  verändern. Bisher war es eine positive Bereicherung.

6 Kommentare:

  1. Da wünsche ich dir weiterhin eine Bereicherung für dein Leben!
    Gute Nacht wünsche ich dir!

    Lieben Gruss Elke

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  2. Kritisches Denken sowie Ecken und Kanten sind das, was ich mag.
    Für mich ist das Bloggen ein Fenster zur Welt. Ohne Feedback würde ich das nicht machen. Allerdings würde ich auch ohne Leser-/Besucherreaktionen eine Blogsoftware benutzen, weil ich die Sortiermöglichkeiten sehr schätze. Nur wäre es ohne Interaktion dann eine Homepage auf Blogsoftware. Da ist es dann egal, ob ich 10 Posts an einem Tag anfertige oder mal wieder 1 nach 4 Monaten.
    Blogs lesen gehört für mich zum Bloggen genauso dazu. Ich liebe es, die ganz persönlichen "Nachrichten" einiger BloggerInnen zu lesen. Hier wird ein Haus gebaut, dort besteht Angst vor einem großen Waldbrand, auf dem nächsten Blog schreibt ein Berufsdemonstrant... Besser als die doofe Presse, die nichts weiter vor hat als uns zu manipulieren und ihre Quoten hochschießen.
    Dennoch lasse ich mich lange nicht überall sehen, wo ich lese und ich lese lange nicht überall, wo ich angemeldet bin. Das mag sich seltsam anhören, aber ich bin für ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Ausserdem fände ich es aufdringlich, jemandem meine Kommentare aufzudrängen, wenn nichts zurück kommt, weil ich nicht wissen kann, ob diese Person mich nur langweilig findet oder mir mit Ignoranz signalisieren will, dass ich Ruhe geben soll. Viele BloggerInnen scheinen aber auch einfach extrem egozentrisch zu sein und halten sich selbst für unheimlich interessant. Das merke ich auch oft bei den BesucherInnen meines Fotoblogs, die ich absichtlich auf eine selbst eingerichtete Startseite leite. Gegenbesuch und Antworten ja, aber nur um sich zu verlinken oder um weitere Kommentare zu erhalten. An dem was sie schreiben, sehe ich dass sie sich meinen Fotoblog gar nicht angesehen haben. ...
    Viele Grüße aus einem verschneiten Berlin sendet Wieczorama (◔‿◔) | Mein Fotoblog

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  3. hallo Dieter
    hm..wieso wir bloggen.....ich blogge gerne weil....
    ich neue Sachen sehen will,meine Arbeit zeigen will,Deutsch lesen,und verschiedenes.Obwohl manchmal frage ich mich auch,wieso blogge ich?
    Den Wolfang Niedecken kenne ich nicht,habe ebend gelesen er hätte ein Gehirnschlag vor 4 Monate gehabt-(
    Aber warum Du bloggst?Weil Du Dich ausprechen möchtest?Kann sein-)))
    auf jeden fall warum und wieso Du machst es gut,und vor allem wenn Du lustige Geschichte schreibst!!!
    Hab ein schönes Wochenende
    lieben gruss
    Christ

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  4. für mich ist die bloggerei nach wie vor eine große Motivation kreativ zu sein oder zu bleiben. Und es freut mich einfach, dass es Menschen gibt, die sich auch über Kleinigkeiten freuen können, dass es Freude ohne Wettbewerbscharakter gibt.
    Und dann empfinde ich es auch als eine große Bereicherung mich auf die bloggerinhalte von dir oder anderen bloggern einzulassen. Sich mal ein bisschen in eine andere Welt fallen zu lassen ... andere Interessen wahrzunehmen - andere Denkweisen - anderen Humor - andere Nachdenklichkeit - andere Schreibweise - anderen Ärger - andere Freude - andere Sicht.
    Ich finde das bloggen klasse!
    Lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  5. Eigentlich wollte ich nie einen Blog haben, aber im Leben kommt es manchmal anders, als man denkt. Den Ursprung nahm mein Blog, weil ich an einem Scrap-Projekt teilnahm, was aber nur über einen Blog möglich war und nun hat sich das Bloggen in eine ganz andere Richtung entwickelt.
    Ich freue mich, dass ich Sachen, die mir wichtig sind, mit anderen teilen kann und genauso begeistert bin ich von den vielen Ideen, die mir auf anderen Blogs begegnen, die Art, wie Menschen schreiben, welche Gedanken sie niederschreiben. Man selbst erweitert dadurch einfach seinen Horizont. So sehe ich es zumindest.

    Ich danke dir noch für deinen Kommentar zum Windradbau. Dieses Windrad wird auf meinem Blog, wenn es mir möglich sein wird, zu Ende gebaut. Ich finde es einfach fantastisch, ein solches Projekt vom Loch beginnend bis zum Zusammensetzen des Motorblocks in Bildern festzuhalten. Hoffentlich verpasse ich nicht. :-)

    Liebe Grüße und ein schönes 2. Adventswochenende
    Christa

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  6. Ja, das Bloggen ist eine positive Bereicherung und nicht nur das Bloggen auf dem eigenen Blog, sondern auch der nette Kontakt, der durch das Lesen der anderen Blogs zustande kommt.

    Ich hoffe, ich werde noch lange mit dir auf diese Art und Weise Kontakt halten können :-)

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