Dienstag, 15. April 2014

Erdbeeren


Zufall und Geduld fügten sich zusammen, als die Erdbeere Europa eroberte.

Bereits in der Steinzeit ernährten sich die Menschen von Beeren jeglicher Art, darunter auch Erdbeeren. Doch diese Art von Erdbeeren wuchs wild, gedieh auf humusartigen Böden in Wäldern. Und vor allem: die Früchte waren winzig, klein, sie schmeckten bitter und hatten nur wenig mit dem vollmundigen Geschmack von Erdbeeren gemein, wie wir ihn heute kennen.

1712 war es der französische Offizier Amedée-Francois Frézier, der auf einer Reise durch den Pazifik in Chile landete. Dort entdeckte er in den Wäldern an der Küste Erdbeeren, die um ein vielfaches größer waren als diejenigen, die er aus seiner Heimat Frankreich kannte. Der Geschmack war freilich etwas fade, aber sie wuchsen in Hülle und Fülle, und gut konnte er sich satt davon essen.

Gut gehegt, gepflegt und bewacht, entschloss er sich, auf der Rückreise fünf Erdbeerpflanzen nach Frankreich mitzunehmen. Als er in seine Heimat in der Bretagne zurückkehrte, pflanzte er die fünf Erdbeerpflanzen in seinem Garten in Saint-Malo. Gespannt wartete er auf das nächste Frühjahr, um sich an den üppigen Erdbeeren reichlich satt zu essen. Doch die Enttäuschung war groß. Die Ableger der fünf Erdbeerpflanzen breiteten sich zwar fleißig aus, weiße Blüten sprossen, es wuchs aber keine einzige Erdbeere.

Amedée-Francois Frézier war Allround-Genie. Als Offizier, Architekt, Entdecker und Kartograph war sein Garten Nebensache, um den er sich beizeiten kümmerte, und den er zwischendurch fleißig vor sich her wachsen ließ.

Amedée-Francois Frézier war ein geduldiger Mensch. Sagenhafte dreißig lange Jahre sollte es dauern, bis er mit seiner „fragaria chiloensis“ aus Chile die ersten Erdbeeren ernten sollte. Helfen sollte ihm dabei eine Erdbeer-Sorte, die französische Händler aus der anderen Ecke Amerikas mitgebracht hatten – und die Bienen.

Amedée-Francois Frézier hatte nämlich nicht genau hingeschaut und aus Chile fünf weibliche Erdbeerpflanzen nach Europa gebracht. Im 18. Jahrhundert hatte das Zeitalter begonnen, als Waren über Schiffe um den Globus zirkulierten und die großen Schiffsrouten über Afrika und Amerika nach Europa führten. Kanada war (noch) französische Kolonie, und parallel zu Amedée-Francois Frézier entdeckten französische Handelsleute in Kanada eine Erdbeersorte, die „fragaria virginiana“, die kleiner war und den Walderdbeeren ähnlich war, aber dafür zuckersüß schmeckte.

Wie der Zufall es wollte, kamen die Händler auch aus der Gegend von Saint-Malo in der Bretagne und nahmen mehrere Erdbeerpflanzen mit, pflanzten sie in ihren Gärten und ihnen schmeckten die runden, süßen Früchte hervorragend, die aber kaum größer als eine Himbeere waren.

Die Bienen vollendeten das Werk, indem sie durch die Gegend summten und die „fragaria chiloensis“ mit dem Staub der „fragaria virginiana“ bestäubten. Genau 28 Jahre später, 1740, reiften Erdbeeren an der „fragaria chiloensis“ Die Früchte, eine Kreuzung dieser beiden Erdbeersorten, waren gleichzeitig groß und süß. Unseren heutigen Erdbeeren bereits sehr ähnlich, pflanzten die Bretonen diese neue Frucht im botanischen Garten eines Klosters in ihrer Haupt- und Hafenstadt Brest. Der Abt der Klosters benannte diese Kreuzung nach dem Heiligen „Saint-Joseph“.

Danach war der Siegeszug der Erdbeere in Europa nicht mehr aufzuhalten. Die Niederländer kreuzten die „Saint-Joseph“ wiederum mit dortigen Walderdbeeren, so dass sich die Frucht vergrößerte. 1750 entstand die „fragaria ananassa“, tiefrot und voll praller Frucht, die so unserer heutigen Gartenerdbeere sehr nahe kommt.

In unserem Garten hat die Erdbeere längst ihren Siegeszug angetreten. Fünf Jahre lang haben wir viele leckere rote Früchte ernten können, aber sie hatten sich ungehemmt ausgebreitet, in den Ritzen der Randsteine, zu den angrenzenden Beeten, bis in unseren Rasen hinein, durch den Maschendrahtzaun zu unserem Nachbarn, und ihre Erträge waren im letzten Jahr etwas zusammen geschrumpft.

Einmal ausreißen und auf den Kompost. Den Neubeginn habe ich gewagt. Die nächste Generation von 24 Erdbeerpflanzen aus dem Discounter steht nun in Reih und Glied. Schön, wie sauber und akkurat und aufgeräumt dass das kleine Stückchen an dem Zaun zu unserem Nachbarn nun aussieht.

Auf die Früchte der „fragaria sonata“ freue ich mich bereits. 

7 Kommentare:

  1. Ich liebe diese Früchte auch und kann eine Freundin, die sie überhaupt nicht mag,
    ganz und gar nicht verstehen. Mögen die kleinen Pflanzen großartige Erträge bringen!
    Einen schönen Tag für dich! Martina

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  2. Na viel Erfolg und viele leckere Früchtchen wünsche ich euch, Dieter.
    Wie schön das du uns Hintergrundwissen über die Erdbeeren nahe bringst.

    Liebe Nachmittagsgrüße
    Angelika

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  3. Lieber Dieter,
    gut dass du mich erinnerst, ich möchte auch noch ein paar zusätzliche Erdbeerpflänzchen in unser Hochbeet setzen - im vorigen Jahr ist da einiges nicht so toll gewachsen (war ja auch ein Mist-Frühling 2013 - da kann der heurige mehr ;o)) Deine "kleine Erdbeerhistorie" finde ich sehr interessant. Was mich allerdings ein bisserl irritiert hat war, dass die wilden Erdbeeren früher bitter geschmeckt haben sollen - das kann ich mir ja gar nicht vorstellen, denn etwas aromatischeres als die Walderdbeeren, die man heute noch ab und zu mit etwas Glück findet, gibt es ja kaum auf dem "Beerensektor"... Faszinierend auch die Gechichte des Herrn Amedée-Francois Frézier - wie gut, dass es Menschen gegeben hat und gibt, die geduldig solche Ziele anstreben und nicht locker lassen.
    Ich wünsche dir und deinen lieben eine schöne vorösterliche Woche!
    Alles Liebe, Traude
    ✿ܓ✿ܓ✿ܓ✿ܓ✿ܓ✿ܓ

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  4. Lieber Dieter,
    wer mag sie nicht, die süßen Früchten.
    Ich habe ein Buch über den Siegeszug der Beeren.
    Danke, dass du noch einmal hier alles besschrieben hast.
    Einen angenehmen Abend wünscht Dir
    Irmi

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  5. Sehr interessant deine Info, wieder mal etwas gelernt. Ich drücke dir bzw. euch dann ganz feste die Daumen mit den neuen Pflanzen und wünsche eine volle Ernte.

    Liebe Grüsse

    Nova

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  6. Hallo Dieter,
    das war ja ein wirklich spannender Bericht!
    Ich frage mich immer, wie das damals wohl so ablief, als Früchte zum ersten Mal gegessen wurden - ob irgendwer eine Beere probiert hat und wenn sie nicht bitter schmeckte, konnte man es wohl riskieren, mehr davon zu essen?
    VG
    Elke

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  7. Dein wünsche ich euch einen guten Ertrag und lasst sie euch schmecken!!!

    Liebe Grüße
    Arti

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