Donnerstag, 20. Juni 2013

Siebengebirgsmuseum

Bei 36 Grad Außentemperatur war der Museumsbesuch ein Geheimtipp. Draußen heizte die Sonne ein, als befände ich mich in einem Backofen. Die Hitze staute sich in den Gassen, brachte jede Bewegung zum Erliegen, und selbst auf dem Rennrad brachte der Fahrtwind keine Abkühlung. Ich bog ab, steuerte auf das stattliche Herrenhaus des Siebengebirgsmuseums zu.


Dass ich Museen und Ausstellungen zu sehen bekomme, ist positiver Nebeneffekt des Bloggens. Neugierig wie ich bin, vermitteln Museen und Ausstellungen Tiefenbohrungen in Dinge hinein, die ich so oft betrachten kann, wie ich möchte. Dabei halte ich es wie mit Kirchen: die großen Dome und Kathedralen überwältigen mich, während kleine Kirchen – oder kleine Museen – genauso große Schätze bewahren. Sie sind greifbarer, übersichtlicher, einfacher zu durchdringen.

Die Klimaanlage war genial. Sie kühlte die Räume im Erdgeschoss, in denen die Sonderausstellung „Rheinromantik" zu sehen war, auf angenehme Temperaturen herunter. Ich durfte nicht fotografieren, anstatt dessen war aber die Hitze verflogen. Die Sonderausstellung belegte, dass Anfang des 19. Jahrhunderts ein regelrechter Rheintourismus eingesetzt hatte. Hotels, Gaststätten und Pensionen boomten. Aus ganz Europa reisten Künstler, Schriftsteller, Dichter, Maler, Intellektuelle und Adlige heran. Der Rhein inspirierte sie – wobei sich die Maler in wunderbaren Gemälden verewigten. Schneider, Schütz, Diezler, die Namen dieser Maler sagten mir nichts und ich werde sie schnell wieder vergessen. Mit kühlem Kopf konnte ich den Rhein und seine Burgen als wiederkehrendes Motiv betrachten. Im Obergeschoss hingen dann Gemälde in demselben Stil der „Rheinromantik“, die ich fotografieren durfte.



Als akademischer Zeichenlehrer an der Universität Bonn, malte Nikolaus Christian Hohe Mitte des 19. Jahrhunderts die steinerne Kulisse des Siebengebirges. Romantisch und verträumt, stand der Rhein im Mittelpunkt schöner Landschaften.

Das Siebengebirge war mehr als ein Werbeplakat für Rhein und Tourismus. So führte die Dauerausstellung im Obergeschoss querbeet durch die Facetten des Siebengebirges: der Denker Cäsarius von Heisterbach, Schiffahrt auf dem Rhein, Gesteinsarten, Burgen oder fränkische Gräberfunde. Mein Weltbild wurde auf den Kopf gestellt, was ich zu steinzeitlichen Besiedlungsformen wusste. In Uhldingen am Bodensee hatte ich gelernt, dass die Menschen in der Steinzeit am Seeufer oder an Flüssen siedelten. Im Siebengebirge war dies genau umgekehrt. So wurden beim Neubau der ICE-Strecke hinter Thomasberg Werkzeuge (Axt, Meißel, Steinbeil) aus der Steinzeit gefunden. Thomasberg liegt aber auf der vom Rhein abgewandten und windgeschützten Seite des Siebengebirges.  

Ich fand meine Idee genial, vor der Hitze in ein Museum zu fliehen. Ein leiser Luftzug säuselte an mir vorbei und kühlte die Schweißperlen auf meiner Stirn. Den Preußen war zu danken, dass es das Siebengebirge, wie wir es heute kennen, noch gibt. Als der Kölner Dom seiner Vollendung entgegen strebte, wurden große Massen an Gestein aus dem Siebengebirge dort verbaut. Das Siebengebirge drohte mit den Steinbrüchen regelrecht ausgehöhlt zu werden. Felsformationen wie in einem löchrigen Käse wären übrig geblieben. 1836 kaufte die Preußische Verwaltung der Rheinprovinz den Drachenfels und dämmte Stück für Stück den Raubbau an der Natur ein. 1914 wurden alle Steinbrüche still gelegt, 1923 wurde das Siebengebirge eines der ersten Naturschutzgebiete in Deutschland.

Ein Modell zeigte, dass im 19 Jahrhundert in den Steinbrüchen praktisch nichts automatisiert war. Der Rheinländer Friedrich Engels hätte also nicht nach England reisen müssen, um sich ein Bild über katastrophale Arbeitsbedingungen zu machen. Die Lage der arbeitenden Klasse im Siebengebirge war zerquält, es war reine Schufterei, tonnenschwere Lasten mussten quer durch die Berge bewältigt werden, Arbeitsunfälle und Frühinvalidität müssen die Regel gewesen sein. Dennoch habe ich keinen schalen Beigeschmack, wenn ich mir heutzutage das Wunderwerk des Kölner Doms betrachte.

Die Tür zur Dachterrasse war geöffnet. Die Hitze schlug mit entgegen, als ich nach draußen trat. Die Kühle in den Innenräumen war eine Insel des Wohlfühlens. Dennoch: der Blick über die Dächer von Königswinter überwältigte mich. Hinterhöfe gruppierten sich, wie ich sie in Vorstädten wie Köln-Ehrenfeld kannte, Häusergiebel aus braunem Klinker bröckelten vor sich her, dahinter überragte die Ruine des Drachenfelses die Stadt. Skulpturen von Ernemann F. Sander waren auf der Dachterrasse ausgestellt, die Arbeiten aus Bronze drehten sich um das Kloster Heisterbach.


Das Siebengebirgsmuseum verschaffte Bildung in kleinen Dosen. Ich fühlte mich nicht erschlagen von der Fülle an Gemälden, Exponaten oder kultureller Substanz. Kurzum ein Museum mit Wiedererkennungswert. Als ich meinen Besuch beendete, erschlaffte ich in der Hitze. Die Räumlichkeiten des Museums, die sich gegen die Hitze behauptet hatten, hatte ich verlassen.

Nicht nur wegen der Klimaanlage, werde ich anregende Erinnerungen in meinem Gedächtnis behalten.

11 Kommentare:

  1. Lieber Dieter,
    gerade die kleinen Ausstellungen und Museen vermitteln vielmehr Wissen als die großen, wo man nicht weiss, wohin man zuesrt gehen soll. Sie erdrücken und ermüden.
    Eine gute Nacht wünscht
    Irmi

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  2. Boa....die Idee von dir ist toll, aber auf die Idee zu kommen sich bei so einer Hitze aufs Rad zu setzen ;-) Das fällt bestimmt nicht vielen Menschen ein bzw. wird ja auch vor Anstrengungen immer gewarnt.

    Aber mal gut dass du es gemacht hast, so hast du uns ein tolles Museum zeigen können. Das hätte ich mir auch sehr gerne angeschaut^^.

    Wünsche dir einen tollen Tag und sende herzliche Grüsse

    Nova

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  3. Ein toller Museumsbesuch Dieter, aber bei diesem Wetter auf dem Rad...das ist nicht gesund, zumal die Ozonwerte sehr hoch waren.
    Interessantes Hintergrundwissen, gerade gestern habe ich einen Bericht über den Bau des Kölner Domes im Fernseh gesehen. Da wurde auch der Baubau des Gesteins im Siebengebirge erwähnt.
    Danke für den tollen Bericht.
    Hoffe ihr seit von Wetterkapriolen verschönt geblieben.

    Liebe Grüße
    Angelika

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  4. Hej Dieter,

    sich ganz auf ein Thema einlassen, dabei die verschiedensten Facetten kennen lernen und sie in Bekanntes einreihen, da macht Wissenszuwachs Spaß! Und ganz nebenbei noch in angenehmen Temperaturen durchatmen dürfen, das ist auch Glück!

    Glad Midsommar
    Beate

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  5. Ein sehr interessanter Beitrag, danke! Wir waren vorigen Samstag in der Gegend unterwegs, im Museum war ich allerdings noch nie. Ich setz' es mal auf meine Liste ;-)
    Herzliche Grüße, 'Franka'

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  6. Hallo Dieter, ich hab deinen Artikel mit Interesse gelesen, du hast so anschaulich geschrieben, dass ich mir direkt vorstellen konnte ich sei auch ein Museumsbesucher. An solch einem Tag war das geöffnete Museum ja wirklich ein Glückstreffer.
    Schönes Wochenende und herzliche Grüße von MinaLina

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  7. Guten Abnd, Dieter (◠‿◠),
    das ist ja wieder ein interessanter Posts. Deine Idee, Erläuterungen und Fotos gefallen mir. Danke dir fürs "Mitnehmen" - ich war gerne dabei.
    Happy weekend wünscht dir Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog

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  8. Interessanter Museumsbesuch, den du so anschaulich erzählt hast, dass man das Gefühl hatte mit dir alles gerade anzuschauen! Danke für den ausführlichen Bericht!
    Sogar die "Klimaanlage" funktioniert: heute hat es draußen gerade mal 18°C! ;-)
    LG Calendula

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  9. Also man bemerke ... unten hängen die wertvollen Gemälde und oben die unwichtigeren, die man fotografieren darf ;-)

    Für was ein Museumsbesuch doch alles gut sein kann und wenn es an diesem Tag nur für die Klimaanlage gewesen wäre ;-) Mit Malerei kann ich meist so gar nichts anfangen *hüstel*

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  10. ICH MUSS HIN!
    Das ist vielleicht der beste Reisetipp, den ich seit langem bekommen habe. Die Ausstellung ist wirklich genau mein Geschmack und ich werde sie lieben, sehr lieben. Ich bin jetzt schon begeistert.
    So, jetzt hast Du mich endgültig überzeugt, mal ein Wochenende in Bonn zu verbringen, dann mach ich auch mal einen Abstecher nach Königswinter.

    Durfte man dort fotografieren?

    DANKE fürs Zeigen!

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  11. Ah, hab es grad gelesen, dass ich oben fotografieren darf.

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