Donnerstag, 31. Mai 2012

Ethik und Konsum

In regelmäßigen Zyklen flammt diese Diskussion bei uns zu Hause auf. Diesmal war es Kindersklaverei in der Elfenbeinküste. Kinder wurden als Sklaven gehalten und halfen auf den Kakaoplantagen bei der Ernte. Erbost waren wir alle und wollten keine Schokolade mehr essen und keinen Kakao mehr trinken.

Solche Themen finden sich auch in meinen Blogs wieder. So hatte ich über den ARD-Marken-Check berichtet, in dem Unternehmen wie H&M, Ferrero oder SATURN an den Pranger gestellt wurden. Regelmäßig geht es dort um menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Ausbeutung, insbesondere in der Dritten Welt. Den Fernsehbericht über Kindersklaverei in der Elfenbeinküste hatte ich vor, genauso in meinem Blog zu platzieren. Der Effekt wäre aber so gewesen wie bei unseren Diskussionen zu Hause: Vor Wut hätte ich gekocht. Auf die Firmen, die daran verdienen, hätte ich geschimpft. Danach wäre aber wieder alles verpufft und hätte seinen gewohnten Gang genommen. Bis der nächste Fernsehbericht ausgestrahlt wird und die Wirkung danach wieder verpufft. Wie ein Rad, das sich endlos dreht, aber nicht von der Stelle kommt.

Ethik und Konsum – als Verbraucher kann ich eigentlich Macht ausüben, für welchen Anbieter ich mich bei meinem Kauf entscheide. Bei näherem Hinsehen stelle ich aber fest, dass ich auf ein unentwirrbares Dickicht stoße. Und dass ich eher selten eine Kaufentscheidung nach den Kriterien der Vernunft treffen kann.

Klar: die Öko-Bewegung hat einiges bewirkt – so dachte in der Automobilindustrie in den 70er Jahren noch niemand an Katalysatoren, bleifreies Benzin oder Rußpartikelfilter. In der Textilindustrie gibt es mittlerweile weltweit ca. 100.000 Qualitätszertifikate, mit dessen Hilfe über alle Wertschöpfungsstufen die Umweltfreundlichkeit von Textilfasern bewertet wird. Fairtrade stellt sicher, dass Arbeiter in der Dritten Welt bei der Ernte von Bananen, Kaffee oder Kakao angemessen entlohnt werden – ohne Kinderarbeit. Bei uns im Rhein-Sieg-Kreis gibt es eine Ethik-Bank, die mit ihrem Kapital nur ethisch vertretbare Vorhaben finanziert.

Trotz dieser positiven Beispiele kriege ich als Verbraucher keinen Griff an meine Kaufentscheidungen. Zu viel Zeitaufwand geht drauf, um mir solche Informationen zu beschaffen. Schlimmer noch: die Botschaften stimmen nicht, denn es wimmelt nur so von Widersprüchen. Einerseits sponsert Ferrero Projekttage an Schulen, die gesunde Ernährung und Bewegung in den Vordergrund stellen, andererseits bezieht Ferrero seine Haselnüsse aus der Türkei, wo Kinder bei der Ernte helfen. Der Touristik-Konzern TUI wirbt mit nachhaltigen Hotels in Urlaubsgebieten und vergisst gleichzeitig die Betonwüsten an mediterranen Stränden, die er selbst mit aufgebaut hat. Der Energiekonzern RWE bietet Öko-Strom aus Laufwasserkraftwerken an und war in der Vergangenheit ein vehementer Verfechter von Atomkraftwerken.

Ethik und Konsum – das Dickicht nimmt kein Ende und die Verwirrungstaktik von Meinungsmachern und Konzernen scheint aufzugehen. Nicht mehr als Nischenexistenzen sind die positiven Beispiele, die glaubwürdig klingen und keine Doppelmoral betreiben. So eine Art Subkultur, Auflehnung, Randgruppe, aber keine Massenbewegung. An den Leitbildern großer Konzerne darf ich mich ohnehin nicht orientieren. All diese kleinen Ethik-orientierten Ansätze muss ich wie ein Puzzle zusammensetzen – bis ich zum Schluss merke, dass weit mehr als die Hälfte der Puzzlestücke fehlt. In den kleinen Bewegungen wird fleißig getreten und etwas bewegt, aber in Summe – im Großen – bleibt das Rad auf der Stelle stehen. Die globalisierte Wertschöpfungskette leistet ein übriges, um Ethik und Konsum zu verwässern. Wie die Warenflüsse um den Globus kreisen und welche Teile aus welchen Ländern in welchen Produkten landen, dazu bedarf es genauer Stücklisten, um dies festzustellen. Und diese hat der Verbraucher üblicherweise nicht.

Ethik und Konsum – zum Schluß manövriert sich der Verbraucher selbst ins Abseits. Der Einfluss von Faktoren wie Nachhaltigkeit auf die Kaufentscheidung wird wahrscheinlich überschätzt. Vergesslichkeit kennzeichnet die Masse der Verbraucher, denn man muss denken, um nachhaltig einzukaufen. Eltern aller Einkommensschichten kaufen asiatisches Billigspielzeug. Klamotten-Ketten wachsen, in denen sich Kunden für 30 € komplett einkleiden können. Apple meldet Absatzrekorde für iPhones und iPads, obwohl jeder weiß, dass Arbeiter sie zusammengeschraubt haben, die schuften müssen, bis sie zusammenbrechen. Bei LIDL, ALDI & Co nehmen die Warteschlangen kein Ende, wenn Montag morgens die Schnäppchenjagd eröffnet wird.

Ethik und Konsum – offensichtlich sind dies Welten, die nicht zusammenpassen. Da kann das Fernsehen noch so viele Markenchecks zeigen. Zuletzt war Adidas an der Reihe. Da können noch so viele Unternehmen an den Pranger gestellt werden – wegen Kinderarbeit oder sogar Sklaverei. Wieder erschreckt eine Fieberkurve der Empörung den Fernsehzuschauer. In gewohnter Heftigkeit wird bei uns zu Hause diskutiert – mehr passiert nicht.

Business as usual.

9 Kommentare:

  1. Für den Otto-Normalverbraucher ist es furchtbar schwierig, durch den Dschungel an Zertifikaten, Labeln und Beteuerungen durch zu blicken. Und nicht überall, wo öko drauf steht ist auch wirklich NUR öko drin ... wir können unser Bestes versuchen, mehr aber auch nicht.

    Grüße! N.

    AntwortenLöschen
  2. Ahoi,
    habe gerade deinen Kommentar auf meinen Blog gelesen. Danke.
    Freut mich, dass die Fotos gefallen. Hab mich bei dir auch schon umgesehen, gefällt mir, bin dir auch gleich gefolgt.

    LG

    AntwortenLöschen
  3. Recht hast Du Dieter. Einerseits... andererseits, steter Tropfen höhlt den Stein! Denk mal daran wie lange es gedauert hat bist Katalysatoren in allen Neuwagen waren.... Das geht alles nicht von heute auf morgen und der einigermaßen klar denkende Mensch erinnert sich beim nächsten Einkaufen und kauft eben nicht das, was gerade vor ein paar Wochen im TV angeprangert wurde... Denke es geht voran, wenn auch langsam.
    Viele Grüße
    Micha

    AntwortenLöschen
  4. Ein sehr guter, ein wichtiger Beitrag zu diesem Thema, das eigentlich in einem zivilisierten Land keines sein dürfte. Ich denke mal es wird keine 20 Jahre mehr dauern, dann werden eben die dem maßlosen Konsum verfallenen Menschen merken, dass Wachstum in der uns täglich suggerierten Form zwar sättigt, doch leider nicht satt macht...

    Servus
    CL

    AntwortenLöschen
  5. Die Markenchecks schaue ich auch gerne,wenn ich dran denke und noch nicht zu müde bin.
    Sehr informativ,aber mir geht es da,ehrlich gesagt, wie euch.
    Leider.
    Es wurmt mich.
    Ich würde gerne so vieles ändern...z.B. kein Fleisch mehr essen...aber mein Tag und auch mein Kopf sind so voll...da gehen die anderen Dinge einfach unter.
    Leider...man sollte da so vieles überdenken.

    AntwortenLöschen
  6. Sehr schöner Artikel, den du auch gut geschrieben hast. Kann mich deiner Meinung nur anschließen.
    Sendungen wie Markenchecks sehe ich mir auch gerne mal an.
    Morgen kommt etwas über Arbeitsvermittler (Doku) - da bin ich auch mal gespannt.
    Abendgruss Wieczorama (◔‿◔) | Mein Fotoblog

    AntwortenLöschen
  7. ich stimme dir zu!
    weiter geht es auch mit chemikalien die in kleidung und schuhe stecken.
    die firma buffulo (schreibt man das so..ich weiss es nicht) kauft günstig in china ein, chemikalienverseucht und wir kaufen sie für teures geld. also andere, ich nicht!
    LG

    AntwortenLöschen
  8. argg..kommi wech. dann will ich wenigstens grüsse dalassen!

    AntwortenLöschen
  9. In meinen Augen ist Vieles einfach nicht transparent genug. Es wird einfach noch zu viel verschleiert. Insofern bringen die Infosendungen wenigstens ein bisschen Klarheit in den Dschungel, was, wo und wie hergestellt wird, was für den Verbraucher oft ja gar nicht ersichtlich ist, hält er ein Produkt in der Hand.
    Aber ehrlich gesagt.....wenn ich ein T-Shirt im Discounter für € 5,00 kaufe, kann dies denn aus einer Produktion kommen, wo Menschen unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten.
    Es liegt viel an uns, ob wir dies mittragen oder eben nicht.
    Bei Plastikspielzeug für die Kleinen müssten strenge Kontrollen durchgeführt werden und wenn die Spielzeuge verseucht sind, dann eben striktes Einfuhrverbot.
    Man könnte hier Beispiele aus allen Bereichen aufführen, seien es Nahrungsmittel oder was auch immer.

    Liebe Grüße
    Christa

    AntwortenLöschen