Dienstag, 11. September 2012

neues altes Peugeot Rennrad


Nach so einem Schätzchen hatte ich lange gesucht. Beim Arbeitskollegen des Fahrradkumpels, der auf meiner Straße wohnt, stand das Peugeot Rennrad zehn Jahre lang in der Garage. Ungenutzt, kaum einen Kilometer gefahren, vergessen. Offensichtlich war ihm die Lust aufs Rennradfahren abhanden gekommen.

Der Marke Peugeot bin ich bei Fahrrädern seit mittlerweile seit 24 Jahren treu. Damals, 1989, als ich mein erstes Rennrad kaufte, war Peugeot das Maß aller Dinge. Schaltung, Zahnkränze, Kette, Umwerfer, alles fädelte sich nahtlos ein. Mit dem Rahmen aus Aluminium war das Rad federleicht. Die Bremsen packten und griffen sofort. Butterweich rollte das Rad auf der Straße. Das Fahrgefühl ließ mich in den Himmel schweben, das Landschaftserlebnis versetzte mich in Ekstase. Mit 14 Gängen war der kleinste Gang klein genug, um die Berge hoch zu kommen. Und der höchste Gang passte in flacher Landschaft genauso. Übertragen auf Autos, ist Peugeot für mich so etwas wie der Volkswagen unter den Rennrädern. Das Rad läuft und läuft und läuft – und wenn etwas verschließt, wird es ersetzt. Anschließend läuft das Rad und es läuft und läuft und läuft …

Jäh unterbrochen wurde mein Traum vom Rennradfahren 1997, als mein Peugeot Rennrad geklaut wurde. Das war eigentlich leichtsinnig, dieses Schmuckstück tagsüber am Bahnhof stehen zu lassen. In den Folgejahren hatte ich weder Geld noch Zeit, mir ein neues Rennrad zu leisten. Unsere großen Kinder waren klein, so dass ich jede Menge andere Dinge um die Ohren hatte. Rennradfahren fand nicht mehr statt. Anstatt dessen war ich mit einem normalen Tourenrad unterwegs. Das war zwar auch die Marke Peugeot, aber kräftige Steigungen oder ins Mittelgebirge hoch traute ich mich nicht mehr.

Das änderte sich 2006, als mir mein Arzt zum Abnehmen riet, denn allgemein waren meine sportlichen Aktivitäten eingeschlafen. In dieser Phase leuchteten vor meinem geistigen Auge wieder meine Rennradtouren auf, die als Traum, Vision, Vergangenheit in einer Abstellkammer des Vergessenen gelandet waren. Abnehmen durch Rennradfahren. Das sollte bestimmt klappen !

Ich ärgere mich heute noch, dass ich nicht früher die Idee hatte, dass es EBay gibt. Jede Masse gebrauchte Peugeot Rennräder auf EBay. Ich probierte einige Male, doch ich erhielt nicht den Zuschlag. Bis ein Rennrad mit silber-farbenem Rahmen eingestellt wurde, bei dem ich der einzige Bieter war. 10 € - ein Spottpreis, beinahe verschenkt. Das Rennrad hatte aber einen Haken, der nicht in EBay erkennbar war: das Rad hatte bestimmt 20 Jahre oder mehr auf dem Buckel, vor allem: die Maße von Felgen und Bereifung waren veraltet und nicht mehr erhältlich. Nach einigen Monaten war zuerst das Vorderrad platt – da musste ich mir sogleich eine neue Felge plus Reifen plus Schlauch kaufen. Gleichzeitig kaufte ich mir ein neues Hinterrad – inklusive Zahnkranz für 14 Gänge. Das kostete rund 150 €. Dafür besaß ich nun ein Peugeot Rennrad, das trotz des hohen Alters das Maß aller Dinge für mich verkörperte. Wieder dieses butterweiche Fahrgefühl. Mit den 14 Gängen kletterte ich die Mittelgebirge hoch. Die Touren gingen ins Siebengebirge, in die Eifel, in den Westerwald, in die Ardennen, in den südlichen Zipfel der Niederlande.

Dabei hatte ich die Entwicklungen im Hintergrund von Peugeot nicht mitbekommen. 2006, als ich mich alternativ nach neuen Rennrädern von Peugeot umsah, vermisste ich diese bei Fahrradhändlern. Als ich nachfragte, sagte man mir, diese würden nicht mehr hergestellt. Normale Tourenräder ja, aber keine Rennräder. Da wäre ohnehin nur der Weg über EBay geblieben.

Den Zeitpunkt hatte ich um fünf Jahre verpasst, dass bis 2001 Peugeot Rennräder produzierte. Bereits 1991 hatte Peugeot die traditionsreiche Fahrradsparte verkauft. Der Grund war eine wachsende Konkurrenz durch Discounter, Baumärkte und asiatische Hersteller. Davor hatte sich Peugeot über mehr als einhundert Jahre am Markt behauptet. 1882 hatten die „fils des Peugeot frères“ ein Hochrad entwickelt, das neben anderen Fahrradtypen 1888 in die Serienfertigung ging. Als 1903 das erste Rennen der Tour de France gestartet wurde, fuhren die meisten Radrennfahrer auf Peugeot Rennrädern. Die langjährige Tradition bei der Tour de France wurde durch eigene Peugeot Radsportteams unterstrichen, die sich mit Unterbrechungen erstmalig 1905 und letztmalig 1989 zusammenfanden.

Mit dem Verkauf der Fahrradsparte an Cycleurope 1991 blieb die Marke Peugeot erhalten. Produziert wurde irgendwo auf der Welt, auf den Rädern stand bzw. steht Peugeot. Mit dem ursprünglichen Unternehmen Peugeot hat dies aber nichts mehr zu tun. Das ist ungefähr wie bei einem Turnschuh von Adidas, dessen Einzelteile in globalisierten Wertschöpfungsketten - quer über unseren Globus verteilt - zusammengefügt werden. Mit dem alteingesessenen deutschen Traditionsunternehmen Adidas hat dieser Turnschuh nichts mehr zu tun.

Die Lizenz, unter der Marke Peugeot Fahrräder herstellen zu können, lief 2001 aus. Danach entschied sich Cycleurope (im Gegensatz zu dem übrigen Fahrrad-Angebot von Peugeot), die Lizenz nicht zu verlängern. Seitdem ist die Produktion von Peugeot Rennrädern offiziell eingestellt. Ausnahmsweise werden einzelne streng limitierte Sonderanfertigungen hergestellt – in diesem Jahr waren es einhundert Peugeot Rennräder.

Im letzten Jahr kam dann das Aus für mein 2006 ersteigertes Peugeot Rennrad. Ich hatte dermaßen viel Kilometer zurückgelegt, dass sich die Kette durchdrehte. Einmal war bereits Zahnkranz auf dem Hinterrad plus Kette erneuert worden. Diesmal musste der Zahnkranz auf dem Vorderrad erneuert werden. Doch nirgendwo wurde ich fündig, an ein Ersatzteil heran zu kommen. Daher verkaufte ich das treue Stück für 32 € über EBay.

Als ich in diesem Jahr in EBay hineinschaute, um ein neues altes Peugeot Rennrad zu ersteigern, ließen mich die Preise in den Auktionen erschaudern. Unter 150 € war ein brauchbares Peugeot Rennrad, das halbwegs vernünftig aussah, nicht zu haben. Ich stöberte immer wieder in EBay, doch vergeblich. Irgendwann empfand ich die Sucherei in EBay als reine Zeitverschwendung.

Bis mein Fahrradkumpel mir von seinem Arbeitskollegen erzählte. Zufällig war ihr Gespräch in die Spur geraten, dass sie beide gerne Fahrrad fuhren. Mit welchem Fahrrad, da erzählte der Arbeitskollege, dass er lieber mit seinem Mountain-Bike fahre, während sein Rennrad in der Garage vor sich her staube.

Es war ein feierlicher Augenblick, als mein Fahrradkumpel mir das Peugeot Rennrad in seinem VW Sharan ins Haus brachte. Frech und sportlich, farbenfroh schillerte der gelb-orange-rote Rahmen. Rahmenhöhe 54, das passte nicht ganz, denn sonst fahre ich Rahmenhöhe 58. Macht aber nichts, denn mit dem Rennrad fahre ich ins Büro und (vorläufig) nicht ins Siebengebirge oder in die Eifel. Und dafür reicht es allemal ! Die Spannung steigerte sich, als ich auf das Rennrad stieg. Die ersten Meter glitt das Rennrad sanft und glatt dahin. Diese butterweiche Gefühl, auf der Straße daher zu schweben, kehrte zurück. Das war dasselbe Maß aller Dinge, das mich – mit Unterbrechungen – seit 24 Jahren begleitete.

Ich muss zugeben, dass mein Rennrad „Bulls Vulture“, das auf den Fotos meiner Rennradtouren zu sehen ist, noch einen Tick besser ist. Technisch ausgereifter, greifen die Komponenten bei der Schaltung besser. Zudem schonen die 21 Gänge meine Kräfte, wenn ich mittendrin in Eifel oder Westerwald stecke und wenn das Auf und Ab in den Bergen nicht aufhört.

Jedenfalls ist das Fahrgefühl auf einem Peugeot Rennrad unverwechselbar schön. Für 80 €. Ein wahres Schnäppchen !

8 Kommentare:

  1. Lieber Dieter, das sieht richtig edel aus! Ich kann deine Begeisterung gut verstehen. Es betrübt mich immer wieder aufs Neue, dass Hersteller, die jahrelang Qualität geboten haben, die Produktion beenden, weil sie mit Billiganbietern nicht mehr mithalten können.
    Zum Thema Collagen: Ich würde mich freuen, mal eine davon in deinem Blog zu sehen. Wo gestaltest du deine? Auch in PhotoScape?
    Alles Liebe, Traude

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  2. Hallo Dieter
    Glückwunsch zum neuen gebrauchten Drahtesel. Es freut mich für Dich, das Du auf Umwegen deiner Marke treu bleiben konntest und nun wieder dieses gute Gefühl beim Fahren hast.

    Es ist echt schade das deutsch Qualität von Billigimporten abgelöst wird,
    Wünsche Dir viel Spass beim Fahren

    ♥ liche Grüße und noch einen schönen Abend
    Angelika

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  3. ich wünsche dir viel Freude mit dem neuen / alten Peugeot Rennrad :-)
    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  4. Ich gratuliere dir ganz herzlich zu diesem Schnäppchen und wünsche dir viel Freude mit dem neuen aufgemöbelten Drahtesel! :-)
    Zur deutschen Wertarbeit müssen wir einfach wieder ein wenig zurückfinden, was nicht einfach ist in der globalisierten Welt.

    Liebe Grüße
    Christa

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  5. Da haste wirklich ein Schnäppchen gemacht und das eine kannste ja mal so benutzen und das andere bei langen Strecken. Aber wenn du so aus warst so was gerne zu haben haste das jetzt und kannste dich erfreuen dran...toll!
    Lieben Gruss Elke

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  6. Chick,ich wünsche dir viel Spaß mit deinem neuen Rennrad.Hin und wieder kann man mal schnäppchen machen.
    LG
    Nicole

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  7. Gratulation und allseits gute Fahrt damit. Möge es dich sicher überall hintragen :-)
    Ja, wenn man einer Marke verfallen ist, dann ist das so.

    Mir geht es mit meiner Fotoausrüstung nicht anders. Mit Canon angefangen und dabei geblieben :-)

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  8. Das war ja fast wie eine Liebeserklärung an diese ... Rennräder. Ich wünsche dir noch ganz viel Freude und viele viele gemeinsame Kilometer mit dem neuen Gefährt.

    LG Arti

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