Dienstag, 31. März 2015

Troisdorf - Neubau der Umgehungsstraßen K29n und EL332

Baustellenschild K29n
Der Ortseingang von Eschmar dämpft die Geschwindigkeit, in einer satten Kurve links vorbei am Bauernhof „Himmel und Erde“, dann 30er-Zone. Der Fahrradweg, aufgemalt als gestrichelte Linie auf der Fahrbahn, dann blockieren Linksabbieger zum Krankenhaus die Weiterfahrt.  Aral-Tankstelle, dann abbiegende Vorfahrt, einmal links, einmal rechts, die Ampel an der Apotheke an der Ecke ist der nächst potenzielle Wartepunkt. Dann der Kreisverkehr an der RSVG, der einen in ein regelrechtes Schleudertrauma versetzen kann, der Friedhof an der Ecke, die nächste Ampel, Feuerwache, Hilton-Hotel, ab der Autobahnauffahrt auf die A59 geht es nun etwas flüssiger nach Troisdorf, ohne störende Ampeln, auf dem gut ausgebauten Innenstadtzubringer.

Wer über die Stadtteile Eschmar und Sieglar nach Troisdorf hinein gelangen möchte, der muss Geduld mitbringen. Auto reiht sich an Auto, Stoßstange an Stoßstange, die einzige Durchgangsstraße leidet an Dauerverstopfung. Seit rund 40 Jahren begehrt eine Bürgerinitative auf gegen Verkehrslärm, Autoabgase und Dauerstau. Seit rund 40 Jahren gibt es ein Konzept zum Bau einer Umgehungsstraße und seit rund 40 Jahren beweist die gute deutsche Bürokratie, dass kaum jemand all das Planungschaos überblickt. Seitdem sind die Wortführer der Bürgerinitiative alt geworden, man fühlt sich verschaukelt, belogen, betrogen in Troisdorf-Eschmar und Sieglar. Es muss um 1975 gewesen sein, als die Planungen einer Umgehungsstraße aufgenommen wurden. Bei Umgehungsstraßen, genauso bei Bahnlinien, Flughäfen, Kraftwerken oder Binnenhäfen ist ein sogenanntes Planfeststellungsverfahren durchzuführen, in dem die Belange der betroffenen Bürger unter die juristische Lupe genommen werden.

Anfang der 1980er Jahre wurde ein solches Planfeststellungsverfahren beschlossen, es wurde aber 1988 wieder aufgehoben, da die Trasse zu dicht an Wohngebieten vorbei führte. Also durfte erneut geplant werden. In einem zweiten Planungsfeststellungsverfahren wurde die Trasse von den Wohngebieten weiter weg geschoben. Dabei gingen die Planungsschritte ungefähr im Zehnjahresrhythmus weiter. Für die Prüfung von sieben Varianten des Straßenverkaufs brauchten die Planungsverantwortlichen sieben Jahre. Das eigentliche Planfeststellungsverfahren, in dem das öffentliche Interesse der Umgehungsstraße festgestellt wurde, in dem Grundstückeigentümer angehört wurden, in dem eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde, und in dem schlussendlich Felder von Bauern enteignet werden konnten, beanspruchte weitere dreizehn Jahre, so dass 2008 das zweite Planfeststellungsverfahren beendet war.

Landkarte: K29n (blau) und EL332 (grün)
Es ist nur ein kleiner Schritt, aber nun hat sich nach 40 Planungsjahren sichtlich etwas bewegt. Eher zufällig, spulte ich auf meiner Rennradtour die letzten Kilometer durch Wohngebiete in Troisdorf-Sieglar herunter. Eine Baustelle zwang mich dazu, rechts abzubiegen, erste Blütenteppiche aus Krokussen, Narzissen und Hyzinthen sammelten sich in den Vorgärten, Einfamilienhäuser mit Grün und umliegenden Gärten atmeten Freiheit. Schüchtern schob sich das eine oder andere Auto durch die menschenleere Straße. Dann wieder links, ruckelte ich über den Bürgersteig, der gerade Strich des Fahrradwegs endete im Nichts der nächsten Baustelle. Vor Troisdorf-Kriegsdorf hatte das Straßenband einer Umgehungsstraße konkrete Gestalt angenommen.

Ich stieß auf einen halbfertigen Kreisverkehr, der noch in den Stadtteil Kriegsdorf hineinführte, aber bald einen Bogen um diesen Stadtteil schlagen sollte. Ich las auf dem Baustellenschild „Neubau der Umgehungsstraße K29n, Bauzeit 110 Werktage“. Es ging also doch, dachte ich vor mir her. Der Asphalt schimmerte in der Frühlingssonne, rot-weiße Warnbaken sperrten die gelbe Straßenmarkierung ab. Arbeiter verirrten sich zwischen einem Dixi-Klo und grünen Baustellencontainern. Wie die Beine von Insekten, staksten die Masten der Straßenbeleuchtung, noch ohne Licht, in die Höhe. Obschon nun ganz offensichtlich ist, dass gebaut wird, haben sich dennoch die Gemüter erregt. Die Planungsverantwortlichen haben die Baumaßnahme nämlich in zwei Abschnitte aufgeteilt: die Umgehungsstraße von Kriegsdorf, das ist die K29n im ersten Bauabschnitt, und der Umgehungsstraße EL332 von Troisdorf-Eschmar und Sieglar im zweiten Bauabschnitt. Die Umgehungsstraßen machen nur Sinn, wenn sie beide gebaut werden, denn sonst verstopft all der Autoverkehr wie gehabt die Troisdorfer Stadtteile Sieglar und Eschmar.

Wenn die Bewohner Glück haben, könnte sich auch in Richtung Sieglar und Eschmar etwas tun. Denn dort, wo der Fahrradweg durch die Felder gesperrt ist, schieben sich nun Baukräne und Erdhaufen ins Blickfeld. Wird dort die Umgehungsstraße weiter gebaut ? So richtig weiß es niemand. Zu oft ist die Landesregierung mit einer Ja-Aber-Strategie ins Feld gezogen. Einerseits befürwortet sie den Bau, andererseits hält sie sich mit nebulösen Floskeln bedeckt.

Baukräne über den Feldern: wird dort weiter an der EL332 gebaut ?
Nach dem Planfeststellungsbeschluss von 2008 ist die Lage zum absurden Theater geworden. Obschon verfassungsrechtliche Fragen in dreizehn Jahren Planfeststellungsverfahren eigentlich hätten entschieden werden müssen, wurde fleißig weiter geklagt. Erst vor dem Kölner Verwaltungsgericht, dann vor dem Landesverfassungsgericht in Münster. Und wie so oft bei öffentlichen Vorhaben, haperte es am Geld.

Dieses ökonomische Verteilungsproblem knapper Finanzen ist für die Verkehrsplaner das Kernproblem, wobei dies nicht immer nachvollziehbar ist, wenn man etwa darauf schaut, wieviel Mineralölsteuer der Staat beim Tanken einkassiert. Dabei muss nicht nur das Straßennetz, sondern auch das Schienennetz, das Wasserstraßennetz oder auch das Radwegnetz geplant werden. Marode Rheinbrücken, der Ausbau der S-Bahn-Linie 13 nach Bonn-Oberkassel, die Lärmbelästigung durch den Güterverkehr auf der Rheinschiene: zu viele Themen mit einer hohen Dringlichkeitsstufe schießen quer, so dass die Verteilung des Verkehrsetats einem Jonglieren auf einem Drahtseil mit unendlich vielen Keulen gleicht.

Speziell, was Umgehungsstraßen betrifft, war die Entscheidung der rot-grünen Landesregierung in NRW fatal, Gelder von Neubaumaßnahmen zur Sanierung des vorhandenen Straßennetzes umzuschichten. Dies macht hochgradig Sinn, denn niemand will an anderer Stelle über Rumpelpisten von Schlaglöchern fahren.

Spätestens seit dieser Entscheidung, das war 2010, wurde die Brechstange ausgepackt. Manche Bürger protestierten vor dem Troisdorfer Rathaus, andere Bürger klagten vor dem Verwaltungsgericht auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses aus dem Jahr 2008. Alle, die etwas zu sagen hatten, schrieben sich die Hände wund. Die Bürgerinitiative an den Regionalrat der Bezirksregierung, der SPD-Bürgermeister an die Verkehrskommission der Kölner Regierungspräsidenten, die CDU des Stadtrats Troisdorf an den Fraktionsvorsitzenden der CDU in der Landesregierung NRW, der Bürgermeister an Hannelore Kraft, die Bürgerinitiative an den Verkehrsminister des Landes NRW, die Grünen richteten einen Dringlichkeitsappell an das Land NRW. Es wurde auch persönlich miteinander gesprochen: der Troisdorfer Bürgermeister schaffte es, beim parlamentarischen Staatssekretär im Verkehrsministerium des Landes NRW vorzusprechen. Derweil dürfte sich dieser Papierberg bei Hannelore Kraft & Co in Düsseldorf turmhoch stapeln. Ob dieser Papierberg jemals gelesen wird, erscheint fraglich, da den Verantwortlichen wegen des ökonomischen Verteilungsproblems ohnehin die Hände gebunden sind.

neue Verkehrstrasse der K29n
Immerhin haben all diese Schreiben insofern geholfen, dass 2,6 Millionen Euro für die Umgehungsstraße K29n bereitgestellt wurden. Anscheinend sind 1,5 Millionen Euro für die Fortführung der EL332 eingeplant, die dann nach mehr als 40 Planungsjahren die Sieglarer und Eschmarer Bürger von Verkehrslärm, Abgasen und Dauerstau befreien könnten. Weitergehende Fragen lässt die Landesregierung in NRW aber offen: einerseits ist die EL332 in den Landesstraßenausbauplan mit der Dringlichkeitsstufe 1 eingeplant, andererseits werden die dazugehörigen Straßenbauvorhaben je nach Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln in den Folgejahren abgearbeitet. Überspitzt formuliert, stellt sich die Frage, in wieviel Jahrzehnten denn die Umgehungsstraße EL332 kommen wird. Die Planungszyklen nähern sich dem Bau von Kathedralen, mit einem Straßenbauwerk als Endergebnis, dessen Form und Gestalt niemals an eine Kathedrale heran reichen kann.

Jedesmal, wenn ich ungefähr im Schritttempo durch Troisdorf-Eschmar und Sieglar tuckere, im Stop-and-go-Rhythmus vorwärts komme und schön darauf achte, dass ich in der 30er-Zone die Geschwindigkeit nicht überschreite, denke ich an die heimischen Verkehrskonzepte, die nur Stückwerk sind und in dessen Nirwana alle den Überblick verloren haben.

Wenn ich an ein bestimmtes Vorhaben denke, zwanzig Kilometer weiter südlich am Rande des Siebengebirges gelegen, dann steigt in mir die Wut hoch. Dort liegt der Fall genau umgekehrt wie bei der EL332 in Troisdorf: den Ennertaufstieg, der quer durch das Siebengebirge führt, wollen ein paar Autofahrer, während die Umweltschützer Sturm laufen gegen die Verlängerung der Autobahn A562. Im Bundesverkehrswegeplan scheint es kein ökonomisches Verteilungsproblem zu geben. Gelder sind eingestellt. Im Ennertaufstieg sammelt sich all die Schizophrenie unserer Verkehrsplanung. 

2 Kommentare:

  1. So manche Umgehungsstraße ist schon wichtig und auch sinnvoll. Schön wenn es dann positv klappt und als Erfolg verbucht werden kann, aber schlimm wenn die Natur drunter leiden muss und vor allem es sich danach als Misserfolg zeigt (kenne so ein Beispiel→alte Linden (Lindenallee) mussten erst gefällt werden wegen Straßenverbreiterung→Jahre später gabs eine Umgehungsstraße→Straßenverbreitung wurde hässlich mit Insel wieder zweispurig gestaltet :-((( (aber die Linden sind Geschichte).


    Liebe Grüsse

    N☼va

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  2. ja - manche Umgehungsstraßen sind wirklich sinnvoll. Das habe ich früher nicht so gesehen ... heute überzeugt mich die Tatsache, dass sowohl Ort als auch Landschaft von der Umgehungsstraße einen Gewinn erzielen können.

    Dein Text war wieder toll geschrieben Dieter
    Herzliche Grüße von Heidi-Trollspecht

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