Sonntag, 28. September 2014

mit dem Rennrad nach Remagen

Domsteinbruch
Am Anfang war das Wort Gottes, eine Idee und ein Plan. Licht sollte das Innere der Kirche überfluten, die Kathedrale der Gotik sollte in nie dagewesene Höhen wachsen. Der Glaube versetzte Berge, als der Grundstein für den Kölner Dom gelegt wurde. Nachdem 200 Jahre gebaut wurde, war all der Eifer dahin, denn die Geldquellen der Kirche versiegten. Danach war der Kölner Dom mehr als 400 Jahre Bauruine, an dem Gerüste klebten. Baukräne stemmten sich gegen das ungewisse Schicksal. 1842 griffen die Preußen die Idee und den Plan wieder auf. Handwerker legten sich mächtig ins Zeug, um das Werk Gottes zu vollenden. Doch an einer anderen Ecke beutete dieses gigantische Bauwerk die Ressourcen aus, es fraß Stein für Stein. Aus dem Siebengebirge, das eine hektische Ansammlung von Steinbrüchen war, wurde ein löchriger Schweizer Käse, der in sich zusammenzufallen drohte. Da zogen die Preußen die Reißleine und untersagten den weiteren Abbau von Vulkangestein, so am Drachenfels. Bis der Dom 1880 zu Ende gebaut war, wurden Steinbrüche auf der anderen Rheinseite angezapft. Im Drachenfelser Ländchen, einst zum Herrschaftsgebiet der Grafen vom Drachenfels gehörend, war der Härtegrad des Trachytgesteins nur einen Tick schlechter als im Siebengebirge, so dass sich auch hier Steinbrüche in die Landschaft fraßen, wenngleich in moderater Form. Bei Wachtberg-Berkum stoße ich auf die Vollendung des Kölner Doms, den Domsteinbruch. Der Ursprung der beiden Türme des Kölner Doms ist genau hier zu suchen.

Ab dem Alten Zoll geht es den Rhein entlang, über Plittersdorf fahre ich nach Godesberg, dann halte ich mich hinter der Redoute in Richtung Lannesdorf. Immer geradeaus, in Lannesdorf einmal rechts, einmal links, dann direkt wieder rechts, dann nach links durch das Verbotsschild für Autofahrer und Motorradfahrer. Nach einhundert Metern wieder links, dann rechts auf die Hauptstraße, wo sich Streuobstwiesen bis zum Waldrand erstrecken. Das Gelände steigt merklich an. Und der Anstieg legt sogar noch zu, das unterstreicht das Straßenschild mit 8% Steigung.

Blick auf das Siebengebirge
Ich trete in die Pedale, schüttele die 8% Steigung ab, die in Ließem in ein seichteres Niveau übergehen. Hinter dem Ortsende links, hinein in all die Schönheit des Drachenfelser Ländchens. Blumen zum Selberpflücken bedecken ein Feldstück, Sonnenblumen, prallgelb, mit kleinen und zierlichen Blütenkelchen. Im Hintergrund schwindet das Siebengebirge, ich entferne mich von der trennenden Grenze des Rheins, hinter abgeernteten Feldern bauen sich die Erhebungen des Wachtbergs und des Höhenbergs auf. Im Ortskern von Gimmersdorf fahre ich auf eine weiße Kapelle zu, der eine Marienfigur in einer Nische über der Eingangstüre Nachdruck verleiht. Kurz dahinter biege ich nach links ab, Berkum liegt zum Greifen nahe, doch mit dem Anstieg zieht sich dieses Stück eine Weile lang. In Berkum geht es rechts, dann nach links, dem Fahrradsymbol nach Züllighoven folgend. Nach einem Auf und Ab ist es einen Kilometer weiter soweit. Den Domsteinbruch habe ich erreicht. Dass es zwei Domsteinbrüche gegeben hat, zählt der dicke Stein auf. Allzu nahe darf ich dem Domsteinbruch nicht kommen, denn ein Verbotsschild mit einem Privatweg hindert mich an der Weiterfahrt.

Ich bin nicht einmal enttäuscht, zumal ich von der Ferne aus eine steile, abfallende Steinwand erkennen kann. Wieder zurück nach Berkum, folge ich der Fahrradbeschilderung nach Bad Neuenahr. Aus Leibeskräften muss ich treten, denn nun geht es steil bergauf, abseits der Hauptstraße, bis ich geradewegs vor der weißen Kugel lande, die in und um Wachtberg herum in alle Himmelsrichtungen sichtbar ist. „Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnologie“ lese ich vor dem Eingangstor, das mit dem meterhohen Eisenzaun so hermetisch abgeriegelt ist, dass sich hier streng geheimes abspielen muss. Alles, was im Weltraum geschieht, kann hier geortet werden, Flugzeuge oder Satelliten genauso. Streng geheim ist indes, dass über Satelliten Daten gesammelt werden, wo auf der Erde Terroranschläge geplant sind.

Fraunhofer-Institut
Ich fahre nach links vorbei an dieser Riesen-Überwachungs-Kugel, vorbei an Obstgehölzen, dann geht es endlich abwärts, vorbei an Werthhoven über die Umgehungsstraße. Linkerhand verschwindet die Kulisse des Siebengebirges endgültig, nachdem die Straße elegant ins Tal hinuntergerollt ist und sich anschließend den nächsten Berg hoch wälzt.

Nun bin ich in Rheinland-Pfalz angekommen. Nach Birresdorf, dem nächsten Ort, fahre ich nicht mehr hinein, denn Straße biegt vorher links ab nach Remagen. Fünf, sechs Kilometer lang radele ich auf dem Höhenzug. Stoßweise geht es den Berg rauf und runter, das ist aber nicht dramatisch. Ich schaue auf Pferdegehöfte und auf die buckelige Landschaft der Grafschaft mit Dörfern, die sich in die Täler hinein schmiegen, in der Ferne zerschnitten von Linien von Hochspannungsmasten. Nach einigen Kilometern hört der Weitblick auf, denn ich tauche in ein dichtes, geschlossenes Waldgebiet ein. Die ruhige Nebenstraße, die der Autoverkehr nur sporadisch stört, schlängelt sich hinab bis Remagen, wobei das letzte Stück mit 6% Gefälle ordentlich bergabwärts purzelt. In dem letzten System von Kurven muss ich aufpassen, dass ich an der Apollinaris-Kirche nicht vorbei rausche. Wie gut, dass es Hinweisschilder an der abschüssigen Straße gibt, denn trotz ihrer Größe versteckt sich die Wallfahrtskirche am Waldrand.

Abriß und Neubau, so gingen die Verantwortlichen an der Apollinariskirche vor. Glaubt man der Legende, so wurden die Gebeine des Heiligen Apollinaris zu derselben Zeit mit dem Schiff auf dem Rhein transportiert wie diejenigen der Heiligen Drei Könige, die der Bischof Reinhard von Dassel 1164 in einer spektakulären Aktion nach Köln gebracht hatte. Der Apollinarisberg hieß damals Martinsberg und eine Kapelle wurde gebaut. Die Geschichte der Reliquien ist indes viel komplizierter: angeblich befanden sich diese 1164 in Remagen, 1383 wurden die Gebeine aber geraubt und landeten in Düsseldorf. Im 18. Jahrhundert wurde mit den Herzögen von Berg in Düsseldorf verhandelt, um die Reliquien nach Remagen zurück zu bringen, doch diese weigerten sich hartnäckig. Das änderte sich, als das Rheinland 1815 zu Preußen kam. Die Preußen starteten den großen Wurf von ganz oben herab. Sie beschlossen, den Kölner Dom weiter zu bauen. Die Martinskapelle auf dem Apollinarisberg war ohnehin baufällig, so dass eine Kirche neu gebaut werden sollte, die dann in einer Grabkammer die Gebeine des Heiligen Apollinaris beinhalten sollte. Düsseldorf konnte sich nicht mehr sträuben, da es zu Preußen gehörte. Der Baustil der neuen Kirche sollte Gotik durch und durch sein, schließlich war der Bauherr kein geringerer als der Dombaumeister des Kölner Doms: Ernst Friedrich Zwirner.

1857 wurde die Apollinaris-Kirche fertig gebaut, die Gebeine wurden in die Krypta überführt, erst danach wurde Remagen zum Wallfahrtsort. In Schleifen geht es das letzte Stück bergab nach Remagen. Ein kurzes Stück biege ich nach rechts ab auf die B9, dann wieder links unter die Bahnunterführung, geradeaus zum Rhein. Remagen lasse ich mit seinem Gewirr von Gassen links liegen.


Remagen
(Apollinaris-Kirche oben links,
Rathaus oben rechts,
Caracciola-Denkmal unten)
Einst kämpften die Römer gegen den Keltenfürst „Rigo“ auf einem Feld, welches auf keltisch „magus“ hieß. Danach benannten die Römer ihre Stadt „rigomagus“, daraus wurde das heutige Remagen. Der Werdegang vieler Römerstädte ähnelt sich. Erst Römerstadt, aus den Versatzstücken römischer Mauern wurde die mittelalterliche Stadt gebaut. Die Gebeine von Heiligen aus der Spätantike gelangten auf dunklen Wegen in die mittelalterliche Stadt. Die Stadt gewann an Dynamik, Handwerker faßten Fuß, der Handel auf dem Rhein hauchte der Stadt neues Leben ein. Mit dem Flächenbrand des 30-jährigen Krieges in Mitteleuropa ging das mittelalterliche Remagen unter, stand danach aber wieder auf, als auf dem Rhein der Warenverkehr zunehmend die Schranken von Grafschaften und Fürstentümern durchbrach.

1843 hatte Otto Caracciola den richtigen Riecher. Seine Eltern, die aus Neapel kamen, hatte es an den Rhein verschlagen. Indes hatte der Preußische Staat dafür gesorgt, dass der Rhein Reisende anzog, denn die Preußen putzten die Burgen  heraus, sahen sie auf Augenhöhe mit den Schlössern in und um Berlin. Am Mittelrhein, in Rheinstein, Stolzenfels und sonstwo ließen sie die Reisenden hinein, um an der Burgenromatik teilzuhaben. In Besucherbücher konnten sie sich eintragen, die dann „als Erinnerungsblätter für alle, welche die Burgen am Rhein besuchten“ in einem Reiseführer verewigt wurden.

1832 erschien der erste Reiseführer des Verlags Karl Baedecker, das war die „Rheinreise von Mainz bis Cöln“. Als dieser zuerst ins Französische und dann ins Englische übersetzt wurde, ging der Tourismus auf dem Rhein so richtig los. Das hatte Otto Caracciola aus Remagen erkannt. Er gründete 1843 eine Schifffahrtslinie, das war die Kölner-Dampf-Schifffahrtsgesellschaft. Er sorgte dafür, dass es Reisenden und Touristen an nichts fehlte, seine Schiffe lotsten sie von Burg zu Burg. Als die Kasse klingelte, baute er Hotels in Remagen für die Touristen. Doch er war nicht nur Geschäftsmann, sondern er hatte auch eine Ader für die innigsten Genüsse des Rheins. Er handelte mit Wein, und dabei stieß er wie mit seiner Schifffahrtslinie in neue Dimensionen vor. Hauptabnehmer seines Weines waren die Engländer, und er belieferte genauso den Deutschen Kaiser. Davon profitierten auch die Touristen am Rhein, denn er baute einen 1.800 Quadratmeter großen Weinkeller, in dem zeitweise 3 Millionen Liter Wein lagerten.

Rheinufer
Im Brauhaus Remagen mache ich Pause. Der direkte Blickkontakt zum Rhein schweift auf die andere Rheinseite, wo die romanische Kirche St. Severin sich aus den klaren Strukturen von Erpel heraus schält. Am Stehtisch schlürfe ich ein naturtrübes dunkles Bier in mich hinein. Der süffige und erfrischende Geschmack weckt aufs Neue meinen Tatendrang.

Als ich wieder losradele, wird dieser zunächst gebremst, denn ein strammer Nordwind bläst mir entgegen. Der Radweg begleitet die Bahnlinie, die ab 1858 einen zusätzlichen Touristenschub nach Remagen schaffte. Über seinen Weinhandel hatte Carraciola einen direkten Draht zum Preußischen Kaiserhaus, und als die Lokomotiven bis ins Ahrtal dampfen sollten, betrieb er mit dem Kaiser gemeinsam Standortpolitik, dass nämlich die Bahnlinie von Remagen aus ins Ahrtal abzweigte, so dass Zugreisende in Remagen und nicht in Sinzig umzusteigen hatten.

Vor mir krümmt sich der Rhein nach rechts, während die Wellen auf die Ufersteine plätschern und Unkel auf der anderen Rheinseite das Postkartenmotiv einer reizvollen deutschen Kleinstadt abgibt. Nun biegt sich der Rhein vor Oberwinter in die andere Richtung, nach links zurück, und das Siebengebirge erhebt sich über dem Rhein mit all seiner Urkraft, die einst im Erdinneren Vulkane brodeln ließ.

Diese Harmonie ist abrupt zu Ende, als der Radweg aufhört und ich mich auf dem Seitenstreifen der B9 mit dem Endlosband des Autoverkehrs arrangieren muss. Ich komme an der Gedenktafel vorbei, wo die amerikanische  Luftwaffe am 3. März 1945 den Rheindampfer Goethe versenkte und 20 russische Zwangsarbeiter tötete, die sich auf dem Schiff befanden, dann geht es vorbei am Yachthafen Oberwinter. Ein Matratzenlager, eine Tankstelle, ein Geschäft für Gartenmöbel, eine Schiffswerft, entlang der B9 reihen sich in Rolandseck lauter Unansehnlichkeiten aneinander, so dass ich bis zur Fähre warten muss, wo sich der Radweg an den Schönheiten des Rheins fortsetzt.

Von dort aus schaue ich auf ein Dreiermotiv, das zu Zeiten der Rheinromantik Touristen aus ganz Europa angezogen hat. Rolandseck, die Insel Nonnenwerth, der Drachenfels, diese Gesamtkomposition ließ Künstler aller Art dahin schmelzen.

Yachthafen Oberwinter
Bereits 1774 bereiste Goethe den Rhein von Mainz bis Düsseldorf. Dichter und Denker aus Deutschland folgten in großer Anzahl, so Heinrich Heine, Friedrich Schlegel, Clemens Brentano, Friedrich Hölderlin oder Heinrich von Kleist. 1844 brachte Ernst Moritz Arndt bei seinen „Wanderungen in und um Godesberg“ das Dreiermotiv von Rolandseck ins Schwärmen. Er schrieb: „Der Wanderer erblickt auf einmal in viel lichterem erhabenen Glanze das Siebengebirge jenseits, über die sich die Trümmer von Rolandseck und unter sich die Inseln Nonnenwerth und Grafenwerth. Hier steht er an einem der herrlichsten Punkte am Rheinstrom.“

Mit der Bogenform war Rolandseck geheimnisumwittert. 1475 wurde Rolandseck zerstört, als sich das Herzogtum Burgund über große Gebiete von Frankreich erstreckte und Herzog Karl der Kühne das Rheinland einkassieren wollte. 1619 bis 1622 wurden Steine der Ruine am Kloster Nonnenwerth vermauert, 1670 stellte das Erzbistum Köln fest, dass  „nur ein Stück Mauer stand, ein letzter Bogen, durch den man auf den Rhein und Drachenfels blicken konnte“. Seitdem ist aus der Burg Rolandseck der „Rolandsbogen“ geworden. Und passend dazu, kursierte die Sage vom Ritter Roland.

Dieser war Ritter unter Karl dem Großen und zog mit seinem Heer gegen die Mauren in Spanien. Zuvor hatte er sich in die Tochter des Burgherrn vom Drachenfels verliebt. Die heiß geliebte Tochter ereilte aber die Nachricht, Ritter Roland sei gefallen. Daraufhin wollte sie mit der Welt nichts mehr zu tun haben und ging ins Kloster Nonnenwerth. Die Nachricht von Rolands Tod war aber falsch. Als Roland von seinem Feldzug gegen die Mauren zurückkehrte, war er entsetzt, dass sie im Kloster für ihn in unerreichbare Ferne gerückt war. Ihr zu Liebe baute er auf einem Felsen den Rolandsbogen, von wo aus er durch ein Guckfensterchen auf die Klosterzelle seiner Geliebten auf der Rheininsel Nonnenwerth schaute, und zwar solange, bis ihm die Liebe das Herz zerbrach.

Rolandsbogen
Als 1839 der Rolandsbogen unter der Last seiner Baufälligkeit einstürzte, traf dieses Ereignis mitten in das Herz des Dichters Freiligrath. Aus Westfalen war er an den Rhein ausgewandert, er wohnte auf der gegenüberliegenden Rheinseite in Unkel. Jeden Tag schaute er von seinem Wohnhaus auf den Rolandsbogen, und die Aussicht war so sehr der Bestandteil von ihm selbst geworden, dass er eine großspurig angelegte Spendenaktion startete, um den Rolandsbogen wieder aufzubauen.

Seine Hilferufe trieben seine Schaffenskraft zu immer neuen Gedichten an:
„Wollt ihr erschauen, was ich selber sah ?
es liegt an euch ! – Ich stehe bittend da,
ich schreit‘ am Rheine mahnend auf und nieder.
Ein Knappe Roland’s, eil‘ ich durch das Land;
den offnen Helm in ausgestreckter Hand,
ruf‘ ich euch zu: gebt ihm den Bogen wieder !“

Er nutzte seine Beziehungen zu Adligen, zu der Tochter eines reichen Bankiers, zur Kölner Verlegersfamilie Dumont, und prompt hatte er im April 1840 das nötige Geld zusammengekratzt. Auch hier konnte Dombaumeister Zwirner mit all seiner Kunst des Kathedralbaus glänzen, denn er wurde zum Bauherrn des Rolandsbogens ernannt, um ihn mit seiner Bogengestalt wieder aufzubauen.

Wie im übrigen Rheintal, statteten Dichter und Denker aus ganz Europa dem Rolandsbogen einen Besuch ab, allen voran die Engländer. Lord Byron, ein Angebertyp, in Luxus badend und mit einem Berg voller Schulden, die Frauen wechselte er so schnell wie seine Hemden, widmete seinen Gedichtband „child harold’s pilgrimage“ dem Rhein:

Turner; Rolandseck und Drachenfels; Quelle: www.william-turner.org
“Walk smiling over this paradise;
Above, the frequent feudal towers
Through green leaves lift their walls of grey,
And many a rock which steeply lours,  
And noble arch in proud decay,  
Look over this vale of vintage bowers:  
But one thing want these banks of Rhine,—  
Thy gentle hand to clasp in mine!”

1818 erschienen seine Gedichte, die sich wie ein Lauffeuer in England verbreiteten. Als Seefahrernation den Flussläufen folgend, kamen danach die Engländer in Scharen. Einer von ihnen war der Maler William Turner, der wie die französischen Impressionisten in den wechselnden Stimmungen des Lichtes malte. Von Köln aus kommend, erwanderte er den Rhein. Rolandseck, die Insel Nonnenwerth, der Drachenfels, wie sehr dieses Dreiermotiv Künstler dahin schmelzen ließ, zeigt das Zusammenspiel von Licht und Wellen und Himmel und den thronenden Felsen vom Drachenfels und von Rolandseck auf seinen Bildern. In unterschiedlichen Stimmungen, zu unterschiedlichen Tageszeiten malte er mehrfach dieses Motiv.

Ich schmelze ebenso dahin. Der Drachenfels rückt näher, vordergründig untermalt von der Drachenburg. Linkerhand überragt eine Steinmauer den Radweg, Häuser und Gärten klettern den Hang hinauf. Rechterhand pflanzt sich ein Campingplatz vor die romantischen Kulisse des Drachenfelses. 

Und dann, das kommt etwas überraschend, radele ich in einen Stilbruch von der Rheinromantik in die moderne Kunst hinein. Im Jahr 2000 hat das Arp Museum, welches übrigens der Bahnhof Rolandseck beherbergt und an dem ich einen Kilometer zuvor vorbeigeradelt bin, einen Skulpturenpark entworfen. Von Remagen bis Rolandseck wurden zwölf Skulpturen aufgestellt, von denen sechs in Rolandseck stehen. Davon befinden sich zwei in unmittelbarer Nähe des Campingplatzes.


Skulpturen "Rheinschlafen" und "zur Natur zurück"
Die Skulptur „Rheinschlafen“, das sind zwei Wände aus geflochtenen Weidenruten, sollen zum Verweilen oder auch zum Schlafen anregen. Doch das ist für mich leicht kontraproduktiv. Verweilen auf meiner Rennradtour ja, aber nicht endlos, schlafen nein. Es ist wie so oft mit der modernen Kunst. Sie ist stark erklärungsbedürftig. Wäre auf einer Tafel nicht erläutert worden, dass Liegen aus den Wandgestellen herausgefahren werden können, hätte ich keinen blassen Schimmer gehabt, was hier Sache ist. 

Einfacher gestaltet sich die Interpretation am nächsten Objekt „zur Natur zurück“, denn die langstieliegen Buchstaben sind eindeutig. Das Schriftbild ist Bestandteil der geheimen Gärten im Hentzenpark, der sich wiederum an Schriften von Novalis über die Gartengestaltung  anlehnen soll. Klingt nicht uninteressant, doch das Schild „betreten verboten, Lebensgefahr“ vor dem Schriftzug läßt nichts Gutes ahnen. Droht die Mauer einzustürzen ? War das Ordnungsamt gezwungen einzuschreiten ? Das wirft kein günstiges Licht auf die moderne Kunst, und kurz darauf habe ich den Skulpturenpark verlassen und ich bin nach NRW zurückgekehrt.

Rasch gerät die Rheinfähre von Königswinter nach Bonn-Mehlem in Sichtweite. Wie im Schlaf, folge ich dem Rhein, zurück bis zum Alten Zoll.

Strecke (52 Kilometer):


Höhenprofil:


6 Kommentare:

  1. Ich sacke schon in die Knie, wenn ich nur das Höhenprofil sehen. Respekt, Respekt! Und Danke für die wahnsinnig schönen Aufnahmen und die Zeit, die du für den sooooo interessanten Bericht 'geopfert' hast! LG Martina

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  2. hallo dieter,
    wow, da hast du ja förmlich in kultur gebadet. herrlich, sowas gefällt mit.
    remagen, ja das hat geschichte, die brücke usw.
    schöner bericht auch lang, hab ne weile gebraucht und jetzt werde ich ihn nochmals lesen. wieder eine strecke,
    die mir auch spass gemacht hätte.
    wunderbar. aber wir haben uns übers wochenende die sonne auf den bauch scheinen lassen und gefaulenzt,
    obwohl segeln auch manchmal kalorien kostet. :-))
    anlegen und wasser plumpsen vorgesehen.
    vielen dank
    es hat mich sehr gefreut :-)
    lieben gruß eva

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  3. Hallo Dieter,
    eine Strecke die sozusagen proppevoll interessanter Details steckt, durch viele Jahrhunderte hindurch. Zum Glück wird ja heute geprüft, warum jemand ins Kloster geht. Ich denke das Burgfräulein hätte man nicht aufgenommen ... Mit 52 km kommen die Strecken allmählich in mein mögliches Tagespensum :-)

    Gruß
    Beate

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  4. Hallo Dieter,
    diese Landschaft habe ich wenigstens vom Schiff aus schon gesehen, wenn auch nicht mit dem Fahrrad erarbeitet.
    Irgendwann muss doch noch mal eine Radreise stattfinden, vielleicht sogar am Rhein entlang.
    VG
    Elke

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  5. deine Beschreibungen machen mich oft neugierig ... und so habe ich jetzt nach Remagen gegoogelt - und mich gewundert wieviele interessante youtubes es zu der Stadt und der Geschichte gibt.

    Lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  6. Lieber Dieter,
    toll erzählt und recherchiert hast du wieder - du kommst mit deinem Rennrad wirklich in die spannendsten Gegenden!
    Gut zu wissen, aus welcher Gegend der Stein zum Kölner Dom stammt - und gut auch, dass das Prachtbauwerk trotz mancher Nöte weitergebaut wurde. Im Vergleich erscheint die (relativ) lange Bauzeit der Sagrada familia in Barcelona dann gar nicht mehr sooo "ewig", ganz im Gegenteil...
    Hab noch einen schönen Abend und eine feine restliche Woche!
    Herzlichst, die Traude

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