Viktorschrein Xanten |
Soldaten aus dem Mittelmeerraum formierten sich,
darunter 6.000 Legionäre aus dem fernen Theben in Ägypten. Bunt zusammengewürfelt,
zusammengeschweißt durch ihre Disziplin, erreichte die Viel-Völker-Armee den
Rhein und sollte für klare Verhältnisse sorgen. Es kam aber zum Eklat: der
Heerführer Mauritius übte eine kollektive Befehlsverweigerung; seine Soldaten widersetzten
sich, als getaufte Christen aufständische Christen töten sollten. Ende des 3.
Jahrhundert kam es zu Massakern an Christen. Die Legionäre marschierten von
Römerlager zu Römerlager und schafften es nebenher irgendwie, die keltischen Bagauden zu beseitigen.
Die Massaker an Christen schrieben Weltgeschichte. Im
Mittelalter, als sich die Kirche als Struktur und Ort des Gottesdienstes
herausgebildet hatte, brauchte sie Heilige. Das waren die Märtyrer, die
Jahrhunderte zuvor entlang der Römerstraße getötet worden waren. Diese dienten
als Aushängeschild, hatten Vorbildfunktion, zogen die gläubigen Christen an.
Dabei entwickelte sich zeitgleich mit Heiligsprechungen eine Reliquienkult, der
nicht viel älter war als das Christentum selbst. Bereits im Jahr 156 wurde der
Bischof Polykarp aus Smyrna in
Kleinasien in Rom verbrannt, weil er sich weigerte, das Christentum zu verleugnen.
Bezogen auf Polykarp, wird erstmals wird im Brief an die Epheser der
Reliquienkult erwähnt: „So sammelten sie seine Gebeine auf, die wertvoller
waren als kostbare Steine und besser als Gold … die Knochen waren Sitz des
Lebens und Voraussetzung für die Wiedergeburt …“
Ungefähr ab dem Jahr 800, erreichte der
Reliquienkult auch das Rheinland. Dabei ist die Straße der Reliquien keine touristische
Straße, wie man ansonsten die romantische Straße in Franken oder die Deutsche
Weinstraße in der Pfalz kennt. Die Straße der Reliquien beschreibt vielmehr die
Marschrichtung der Legionäre von Römerlager zu Römerlage, insbesondere von den
Castellen Bonna (Bonn) und CCAA (Köln) nach Colonia Ulpia Traiana (Xanten).
Das Christentum steckte noch in seinen Anfängen.
Nachdem die Römer die Christen gnadenlos verfolgt hatten, duldete Kaiser
Konstantin in seinem Edikt von 313 das Christentum. Die Thebäer aus Ägypten
hatten sich taufen lassen, während die römische Armee ein Gemisch aus Heiden
und Christen darstellte. Die Einstellung der Christen, Konflikte friedlich zu
lösen, unterlief die Eroberungsstrategie der Römer, die in Gewaltausbrüchen an
Christen mündete.
Christliche Märtyrer wurden zu Heiligen. Deren
Gräber wurden geöffnet, Leichname wurden geborgen. „Sie fanden alles glückliche
und beste, das in der Erde beigesetzt war … mit Leichtigkeit hoben sie ihn aus
der Erde, am ganzen Körper unversehrt, mit allen Gliedern versehen, so dass
nicht ein Haar an seinem Haupte fehlte …“ so beschreibt der Bischof von
Eichstätt im Jahr 777 die Graböffnung des Wynnebald von Heidenheim.
Im Rheinland ranken sich Mythen und Legenden um die
thebäische Legion. Die Gräber von Märtyrern aus Nordafrika wurden geöffnet. Sie
waren in der Nähe von frühchristlichen Kapellen begraben, die Vorläufer waren
für bedeutende spätere Kirchenbauwerke. In Bonn waren es Cassius und
Florentius, die unter der heutigen Münsterkirche begraben waren. Über dem Grab
des Kölner Märtyrers Gereon wurde die spätere romanische Kirche St. Gereon
gebaut. Der Xantener Dom entstand über dem Grab des Heiligen Viktor. Die Gräber
wurden in Xanten im 9. Jahrhundert, in Köln und Bonn im 12. Jahrhundert
geöffnet. Die sterblichen Überreste wurden später in Reliquienschreinen aus
Gold aufbewahrt.
Im Rheinland boomte ein regelrechter Reliquien-Tourismus.
Es waren nicht nur verweste Leichen von Heiligen, die als Körper von Kopf bis
Fuß in den Reliquienschrein wanderten, sondern auch Teile. So wird von der
Heiligen Elisabeth von Thüringen berichtet, dass ihr der Schädel abgetrennt
wurde; dieser wurde mit einem eigenen Kopf-Reliquiar verziert, während ihr
übriges Skelett in einem Reliquienschrein aufbewahrt wurde. Wie in der heutigen
Gerichtsmedizin, wurden Leichen seziert. Zähne wurden herausgebrochen, Knochen
oder Finger abgetrennt. Wie Schmuck wurden Reliquien am Körper getragen, in
Reliquienkästchen, Kapseln zum Umhängen oder in Schnallenreliquiaren.
Den
Kölner Erzbischof Bruno (gestorben 965) hatte die Sammellleidenschaft gepackt. Er sammelte
Reliquien und fromme Gegenstände aller Art, stellte sie in seinen Kirchen aus.
Von überall her pilgerten die Menschen zum Wallfahrtsort Köln. Die Tradition
der Reliquienverehrung hat sogar bis heute nicht nachgelassen. So wird der
Viktorsschrein in Xanten alle 25 Jahre geöffnet, der Zustand der Reliquien wird
geprüft und in einer Urkunde dokumentiert. In der sogenannten Viktorstracht
wird der Reliquienschrein feierlich durch die Stadt getragen.
Die bedeutenden Reliquienschreine im Rheinland fußen
auf der thebäischen Legion. Und die Afrikaner aus Ägypten haben nicht nur mit
ihren Reliquien ihre Spuren hinterlassen. Mohrenstraße heißt eine Straße in der
Kölner Innenstadt. Neben dem Heiligen Gereon wurde Gregorius Maurus als
thebäischer Legionär ermordet. Das Wort „Mauren“ für Nordafrikaner hat daher
seinen Ursprung. Gregorius Maurus steht mit seiner Figur in St. Gereon.
Pechschwarz ist seine Hautfarbe.
Es ist eine der ältesten Zeugnisse
deutsch-afrikanischer Geschichte.
Lieber Dieter,
AntwortenLöschendanke für die Auffrischung der Geschichte.
Vieles war mir noch präsent - aber einige
Dinge eben doch nicht mehr.
Einen schönen Abend wünscht dir
Irmi
Oh Dieter, das ist ja ein toller Bericht in die Geschichte, Toll gemacht. Danke
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Angelika
danke für die Info Dieter. Für mich ist das alles neu. Vielleicht habe ich in der Schule nicht aufgepasst ... oder es hat mich damals nicht interessiert.
AntwortenLöschenEgal ... jetzt fand ich deinen Text auf jeden Fall interessant :-)
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Hallo Dieter, ich mag diese alten Geschichten sehr und höre auch sehr gerne zu, wenn jemand so gut Bescheid weiß.
AntwortenLöschenHeute schüttelt man natürlich den Kopf über so viel Unsinn den die Kirche veranstaltet hat ...und noch veranstaltet..... z.B. mit den Heiligsprechungen...und das im 21. Jahrhundert.
Dann kam Luther, aber das hat noch gedauert....erst wurde noch Amerika entdeckt.....ab da gings langsam bergauf für das einfache Volk.
Ich finde deine Zeilen äußerst spannend...Dankeschön!
Herzlichst MinaLina