Donnerstag, 21. November 2013

Haushaltssperre


Die digitale Anzeigetafel sticht gegen die dumpfe Fassade der Bundeskunsthalle. Blau-grün-orange strecken sich die Streifen in die Länge, darauf kündigen sich die Ausstellungen im nächsten Jahr an. Dann kommt Bewegung in die Sache: die Streifen drehen sich in Form eines Würfels, anschließend füllt der rote Hintergrund die linke Seite, die hohe Auflösung der weißen Schrift beeindruckt, die aktuelle Ausstellung „1914 – die Avantgarden im Kampf“ erscheint auf der Bildfläche. Florenz, im Modder der Summenmoderation,  Missing Sons, die Würfel drehen sich weiter, aktuelle und künftige Ausstellungen ziehen im bunten Farbenspiel vorbei, die multi-funktionale Anzeigetafel steht nie still.

Florenz und 1914 möchte ich gerne besuchen. Hoffentlich, wenn ich mir die Zeit dafür frei schaufeln kann. Die Museumslandschaft ist mit ihren 39 Museen in Bonn schon grandios. Dieses kulturelle Erbe, das auch kleine Museen wie das Ernst-Moritz-Arndt-Haus oder das Schumann-Haus umfasst, droht nun der ehemaligen Bundeshauptstadt zum finanziellen Verhängnis zu werden.

Bonn ist ungefähr pleite. Das ist nicht mit Detroit in den USA vergleichbar, wo ganze Straßenzüge vor sich hergammeln, wo die Einwohner in Scharen wegziehen und wo kein Geld mehr da ist, um verrottete Häuser abzureißen. Bonn hat sich jahrelang über Wasser gehalten und ist nun am Ende. Nur noch 500.000 € stehen für ungeplante Ausgaben, die nicht für einen bestimmten Verwendungszweck reserviert sind, bis zum Jahresende zur Verfügung. Die Schulden der Stadt betragen insgesamt 1,6 Milliarden Euro, davon werden in diesem Jahr 64 Millionen Euro neue Schulden dazu kommen, im nächsten Jahr könnten es  98 Millionen Euro weitere Sculden sein. Der Stadtkämmerer hat daher die Reißleine gezogen und eine Haushaltssperre angeordnet. Wird mehr als dieser unverplante Rest von 500.000 € bis zum Jahresende ausgegeben, so droht ein Nothaushalt. In solch einem Nothaushalt muss die Stadt für jeden Kugelschreiber, jeden neuen PC oder jeden Handwerkerauftrag für eine verstopfte Toilette zur Bezirksregierung nach Köln rennen, um sich die Ausgaben genehmigen zu lassen.

Mit diesem Schuldenstand befindet sich Bonn in guter Gesellschaft zu Städten im Ruhrgebiet. Doch Bonn ist nicht Oberhausen, Duisburg, Essen oder Dortmund. Bonn hat nichts mit Kohle und Stahl sowie hoher Arbeitslosigkeit zu tun.

Der Fall liegt anders. Als Bonn noch Bundeshauptstadt war, wurde bestellt und der Bund bezahlte. Die Straßenbahn wurde unter die Erde gelegt. Die B9, die Diplomatenrennbahn, die an den Ministerien vorbei führte, wurde die ganze Nacht über hell ausgeleuchtet, so dass niemand die Schaltzentralen der politischen Macht verfehlen konnte. Oper und Theater wurden auf den Standard einer Bundeshauptstadt angehoben, ebenso ein Netz von Bibliotheken.

Dann kam der Fall der Berliner Mauer. Das Schicksal Bonns nahm am 20. Juni 1991 seinen Lauf, als 337 Abgeordnete zu 320 Abgeordnete für einen Umzug nach Berlin stimmten. Zukunftsängste machten sich breit, Bonn könnte zu einem Provinznest werden, wo sich Hase und Igel Gute Nacht sagen. Der Rückfall in die Bedeutungslosigkeit sollte verhindert werden. Dazu spendierte der Bund Ausgleichszahlungen von 1,4 Milliarden Euro. Das war kein Kleinkram.

2005 fielen die Ausgleichszahlungen weg. Seitdem sind die Zeiten unwiederbringlich vorbei, dass Bonn bestellte und andere bezahlten. Immerhin: mit Attraktionen wie der Museumsmeile, die nach dem Fall der Berliner Mauer fertiggestellt wurde, hat Bonn es geschafft, nicht zu einem verschlafenen Provinznest zu werden. Aber dafür bleiben die Kosten für eine Infrastruktur, die das Hauptstadtniveau aufrecht erhalten will, an der Stadt kleben.

Ideen und Kreativität sind gefragt. Wo können Kosten eingespart werden ? Was die Verantwortlichen der Stadt abgeliefert haben, sieht nicht nach einem zündenden Konzept aus. So sieht das Haushaltssicherungskonzept vor, dass freie Planstellen ein Jahr lang nicht besetzt werden; Dienstreisen müssen sich einem Sondergenehmigungsverfahren unterziehen; neue Bauvorhaben werden verschoben. Sportvereinen sind bereits Zuschüsse gekürzt worden. Dass sich die Verantwortlichen am liebsten mit Kleinkram befassen, zeigt das Beispiel, dass 100 Müllbeutelspender für Hundekot abgeschafft worden sind. Dadurch werden 10.000 € pro Jahr eingespart.

Wenn ich in die Vergangenheit schaue, sehe ich andere Größenordnungen, die eingespart werden könnten. Beispiel 1: Die U-Bahn wurde rund zwei Kilometer unterirdisch verlängert. Sie endet aber oberirdisch an derselben Haltestelle, so dass keinerlei Zeitersparnis für den Fahrgast entsteht. Über der Erde ist nun ein überdimensionaler Kreisverkehr entstanden. Kosten für zwei Kilometer U-Bahn: rund 200 Millionen Euro. Beispiel 2: die Straßenbahnhaltestelle Max-Löbner-Straße war provisorisch und musste ohnehin erneuert werden. Damit die Haltestelle dem architektonischen Design der nächsten Haltestelle entsprach, wurde sie mit einem rund geformten Glasdach überbaut. Baukosten: 2,5 Millionen Euro. Beispiel 3: aus EU-Mitteln wird das Projekt der Landschaftsarchitektur „Grünes C“ finanziert. Das Projekt hebt grüne Inseln in der Stadt hervor, indem Bänke in die Landschaft gepflanzt werden. Deren Gestaltung aus Beton ist aber dermaßen scheußlich, dass sich erst einmal Sprayer daran austoben. Kosten für die Entfernung eines Graffitis: 1.500 €.

Straßenbahnhaltestelle Max-Löbner-Straße

Grünes C - Graffiti
Soviel Kreativität ist den Verantwortlichen nicht zu entlocken. Zuletzt ist der Bürgermeister Jürgen Nimptsch den einfachen Weg gegangen, indem er die Bürger zur Kasse bitten will: die Einwohner sollen die Zeche über eine Bürgerabgabe zahlen, indem die Grundsteuer massiv angehoben werden soll. An unpopuläre Maßnahmen, die letztlich zu Personalabbau führen, wagt sich niemand so richtig ran. Man könnte die Opernhäuser in Köln und Bonn zusammenführen. Man könnte sich fragen, ob sich die Stadt ein eigenes Beethoven-Orchester noch leisten kann. Die Vielfalt der 24 Theater könnte zusammenschrumpfen. Dasselbe gilt für die 10 Stadtteil-Bibliotheken oder die 9 Bäder. Die Verantwortlichen haben darüber nachgedacht, Zuschüsse für kirchliche Träger von Alten- und Pflegeheimen könnten gekürzt werden, was zu Lasten von Alten, Kranken und Pflegekräften ginge.

Die Diskussionen werden kreisen. Betriebswirtschaftlich passt das nicht zusammen. Strom-, Betriebs-, Instandhaltungs-, Gebäude-, Infrastrukturkosten laufen auf hohem  Niveau geradeaus, weil der Bund nicht mehr bezahlt, sondern die Stadt zuständig ist. Bonn ist traditionell Behördenstadt gewesen und ist es auch geblieben, da Ministerien gegen Bundesrechnungshof, statistisches Bundesamt oder Bundeszentralamt für Steuern ausgetauscht worden sind. Daher nimmt die Stadt keinen zusätzlichen Cent aus der Gewerbesteuer ein.

Solch einen technischen Schnickschnack wie die multi-funktionale Anzeigetafel an der Bundeskunsthalle brauche ich nicht. Die Formen, wie ich mich über Ausstellungen informieren kann, reichen aus. Ich möchte nicht wissen, wie störungsanfällig solch eine Anzeigetafel ist und welche Folgekosten die Stadt zu tragen hat.

Gerne besuche ich Ausstellungen. Die Stadt darf durchaus stolz sein auf das kulturelle Angebot. Aber wenn die Bürger dieses kulturelle Angebot selbst bezahlen sollen – wie über eine Bürgersteuer – werden sie bestimmt Nein sagen. Bei all den Anstrengungen, Kosten einzusparen, kann dies nicht die Zielrichtung sein, den Bürger vorzuschicken und ihn zum Entscheidungsträger zu machen.

7 Kommentare:

  1. Oh ha das ist echt schlimm Dieter, es werden an Stellen immer wieder Steuergelder ausgegeben, die nicht nötig sind, dabei wird an Stellen gespart, den das Geld besser gut tun würde. Kulutrell hat Bonn einiges zu bieten, wir hatten unseren Ausflug vom Böllerclub dort hin und es hat mir gefallen. Was mir wohl aufgefallen ist und ich sehr schade finde, das viel alte wunderbaren Villen verlassen da stehen und vor sich hinrotten. Den Bürgern immer mehr aufzubürden ist auch nicht der richtige Weg. Ein Dilemmer, hoffentlich wird ein Weg gefunden.

    Liebe Grüße
    Angelika

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  2. Hej Dieter,
    wenn man das liest, stehen einem die Haare zu Berge. Aber leicht kann man diese Reihe "armer" Städte in Schweden mit unserem Städtchen fortsetzen. Statt endlich die Wasserversorgung auf Vordermann zu bringen wird eine Therme gebaut uam.
    Tja, es gibt verschiedene Zustände, die sind tatsächlich grenzenlos.

    Gruß
    Beate

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  3. Ja, was ist Bonn heruntergekommen... Es tut mir weh, denn der dargestellte Größenwahn passt nicht zu der netten Studentenstadt meiner Jugend.
    LG
    Astrid

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  4. Die Kassen sind in vielen Städten und Gemeinden leer, viele kriechen unter den Rettungsschirm, da bleibt wenig Raum für kulturelle Dinge und Ähnliches. Auf der anderen Seite werden unnötige Ausgaben getätigt, wie auch hier schon geschrieben wurde, die hätten vermieden werden können, hätte man im Vorfeld besser geplant.
    So ist es halt....hätte, hätte, hätte....

    Liebe Grüße und trotz all diesen Problemen dir einen schönen Abend
    Christa

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  5. Ist hier nicht viel anders, vor allem wenn Bürgermeister unfähig sind und mehr als verschwenden und einstecken (nicht in meinem Ort/Gemeinde)

    Noch schlimmer finde ich allerdings dann die ungerechte Verteilung von Geldern die Kanaren betreffend (vor allem Teneriffa). Schon lange leiser geflüstert wird es immer lauter das Madrid die Insel wie Kolonien behandelt. Kein Wunder wenn nach Unabhängigkeit gerufen wird.

    Dazu dann noch EU-Gelder die für Stierkämpfe und Ausbildungen diesbezüglich verschleudert werden, und nur weil er zum Kulturgut anerkannt wurde. Hallo...haben wir hier nicht andere schwerwiegendere Probleme die es zuerst zu lösen gilt. Sind da nicht Weiterbildungen und Hilfen für Einheimische nicht wichtiger??

    Irgendwann sehe ich mich hier als Residente noch in einer Demo gegen die Beschlüsse^^, einfach als Unterstützung.

    Liebe Grüsse

    Nova

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  6. Da hast du dich ja wieder in's Zeug gelegt. Schön geschrieben.
    Um die wunderschöne Stadt Bonn tut es mir leid. Der Wechsel war bestimmt schwer.
    Meiner Meinung nach hätte das Kulturangebot abgebaut werden müssen. Keine Stadt kann alles bieten, je kleiner desto weniger.
    Danke für deinen cmt.: Toll, dass ihr auch in die Flieger hinein durftet. Bei uns machen sie jetzt eine Menge mit Pädagogik, um an die Jug heranzukommen und auch einen Erlebniswert anzubieten.
    Technikmuseum Sinsheim hat eine schöen HP, auf der auch super Fotos von den Fliegern zu sehen sind.
    wieczoramatische Grüße zum Start ins Wochenende,(◔‿◔) | Mein Fotoblog

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  7. Jaja. Bonn muss sparen. Und so manche Eltern auch. Denn um den Haushalt zu entlasten wurde mal eben das Budget für Schulmaterial fast halbiert. Und das so kurzfristig zum Ende der Sommerferien, dass die Schulleiter aus allen Wolken gefallen sind.
    Guter Beitrag von dir.
    Gruß vonner Grete

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