Meist war es der gewohnte Alltagstrott. Morgens schritt ich durch die
Fußgängerzone, Passanten schauten anonym vor sich hin, Geschäfte und
Ladenlokale sehnten den Tag herbei, es war noch still. Kunden rieselten in
Bäckereien hinein, verpflegten sich mit ihrer Vormittagsration und stierten draußen
auf eine grinsende Gestalt, die mit „BUL Shoes“ auf einer Werbetafel ein perfektes Gehvergnügen versprach. Kram, Nippes, Billigware, Dies und Das, emotionslos
rauschten die Warenauslagen an mir vorbei. In Erwartung des bevorstehenden Tages
dümpelte mein Gefühlspegel auf einem niedrigen Niveau. Mal sehen, welche
Überraschungen der Tag zu bieten haben würde. Meine Gedanken waren so sehr in
die Ferne gerückt, als würde ich meine eigene Mondlandung planen.
Als ich die Metalltafel erreichte, wo 1967 das erste Stück Fußgängerzone
gebaut worden war, kam die Überraschung. Wie angegossen steckten sie in ihren
tadellosen und sauberen Uniformen. Die beiden Burschen waren so jung, als ob sie
gerade erst die Schule beendet hatten. Die aschgraue Farbe der Uniformen stach
in der Morgenfrühe heraus. Die Jungs mit den butterweichen Gesichtszügen, ihrer
festgepflanzten Haltung und ihren suchenden Blicken waren markant. Mit ihren
Schiffchen, den kurzgeschorenen Haaren und den nach oben gerichteten Ohren war
die Zuordnung klar: Bundeswehr.
Was hatte die Bundeswehr in der Fußgängerzone zu suchen ? Einsam und alleine
? Ich rätselte, verlangsamte meinen Schritt. Sie kamen mir verloren vor, herum
irrend, als wüssten sie nicht, wo sie ihren Platz in der Kaserne hätten. Der
Fluß der Passanten nahm keine Notiz von ihnen.
Als ich auf den Marktplatz strebte, entwickelte sich eine ungeahnte
Dynamik, denn sie schritten auf mich zu. Ihre Schüchternheit wandelte sich in
eine Unerschrockenheit.
Zielgerichtet sprachen sie mich an: „Wollen Sie etwas für die Deutsche
Kriegsgräberfürsorge spenden ?“
Normalerweise war ich gewarnt, je mehr sich die Vorweihnachtszeit näherte.
Es war nicht Ostern, Muttertag, Pfingsten, Christi Himmelfahrt oder
Fronleichnam, sondern das Weihnachtsfest, welches das allumfassende Fest der
Liebe war. Die Spendenbereitschaft in der Bevölkerung war in der
Vorweihnachtszeit besonders hoch. Als rational denkendes Wesen klopfte ich
ansonsten im Vorfeld ab, für was ich spenden wollte. Teilweise grenzten die
Spendenaktionen an Nötigung, wenn wir Weihnachtskarten von karitativen
Organisationen zugesandt bekamen und dann um Spenden gebeten wurden.
Die harmlos aussehenden Jungs von der Bundeswehr, die ich mir nicht im
Kampfanzug vorstellen konnte, warteten, ihre Blicke kreisten, ihre Spendendose
zeigte nach unten. Sie rührten sich nicht. Zwischen ihrem glatten Kinn und
ihrer fein rasierten Haut verzogen sie keine Miene.
Ich hätte vorbeigehen können, ohne dass sie mir nach geschaut hätten. Wahrscheinlich
waren sie sich ihrer Mission auch bewusst, dass man sie auf den allgemeinen
Spendenzug gesetzt hatte und dass sie sich nicht wehren konnten mitzufahren.
Vielleicht waren sie auch froh, dass sie dem Drill in der Kaserne nicht
ausgesetzt waren. Anstelle Befehl und Gehorsam konnten sie nun die Zeit auf
irgendeinem Fleck in der Fußgängerzone totschlagen.
Ich grübelte. Mit Soldatenfriedhöfen verband ich vieles. Ich hatte sie in
Flandern, in der Picardie, in der Champagne, in Lothringen und zuletzt auch in
Königswinter gesehen. Sie hatten mich sehr bewegt. Sie waren Mahnung und Symbol, dass sich Kriege zwischen
europäischen Staaten hoffentlich niemals wiederholen sollten.
Ich war keinen Moment unentschlossen. Ich spendete. Ein Euro wanderte in
die Spendendose. War es nicht eine höhere Aufgabe, sich um die Toten der beiden
Weltkriege kümmern ? Die beiden nickten zufrieden, wünschten mir einen schönen
Tag. Ich entschwand in der Flüchtigkeit des Marktplatzes. Abseits der
Marktstände verschwammen die Laufwege der Passanten. Die Ornamentik des
Rathauses drückte auf den Marktplatz. Die Monumentalität des Platzes brachte
mich einen Moment lang aus meinem Alltagstrott.
Hinab in die U-Bahn. Ich hatte ein gutes Gefühl, gespendet zu haben.
Ja gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit laufen viel menschn mit Spendendosen rum Lieber Dieter, da muß man acht geben. Doch wenn du ein gutes Gefühl hattest, war es doch ok...oder?
AntwortenLöschenGute Nacht und liebe Grüße
Angelika
Ich freue mich für jeden Bundeswehrsoldaten, dem ein Auslandseinsatz erspart bleibt. Mir ist es völlig unverständlich, dass es immer noch offensichtlich reichlich Soldaten gibt ... obwohl sie ja nicht mehr müssten ...
AntwortenLöschenherzlichen Gruß
Brigitta
wegen der Arbeitslosigkeit
LöschenSo manchesmal gebe ich auch gerne einen Euro, aber dabei muss auch ich wirklich ein gutes Gefühl haben. Bei dieser Aktion sollte man es eigentlich, denn die Soldaten bekommen ja auch einen Spendenausweis den man sich zeigen lassen kann.
AntwortenLöschenLiebe Grüsse
Nova
am besten wäre es, wenn sie diesen Spendenausweis umhängen/angesteckt haben.
LöschenGuten Morgen Dieter,
AntwortenLöschenich vermute, Du bist in Bonn unterwegs gewesen... da interessiert mich, wo 1967 die Fußgängerzone ausgebaut wurde...
Bei uns im Dorf wird im November auch immer für die Deutsche Kriegsgräberfürsorge gesammelt.... ist quasi Tradition.
Ich gehöre zu denjenigen, die meistens spendet... allerdings nicht für unbekannte Organisationen, wie Dein Beispiel mit den Karten. Aber auch ganz große Hilforganisationen haben ihre Spendenskandale, ich erinnere an UNICEF...
Ich finde es übrigens gut, dass Du etwas gespendet hast, ein Euro tut nicht weh...
Liebe Grüße
Marita
Huhu, guten Abend, Dieter (◠‿◠)
AntwortenLöschenIch hätte da nicht gespendet, weil ich in dem Mom 1.x überfordert gewesen wäre. Angeschaut hätte ich die Beiden vlt. auch. Aber mit dem Thema bin ich nicht vertraut, und auf der Straße möchte ich mich nicht aufklären lassen, zumal ich es norxerweise immer zieml eilig habe. Andererseits ist es eigentl egal, ob 1,-€ weg geht oder nicht. Spenden aber 1000de von PassantInnen nur 10 ct. kommt doch eine erhebliche Menge zsm und dem steht zustäzlich das Phänomen Klingeldose entgegen, denn diese gibt mir kaum Sicherheit, ob und wo das Geld wirklich ankommt. Daher spende ich so gut wie nie in Spendendosen. Also dann doch wieder nicht. ... Naja, alles hat so sein Für und Wieder, kann lange ausdiskutiert werden, sogar ohne jetzt dieses spezielle Thema gut zu kennen.
wieczoramatische Grüße zum Abend, (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Ich muss ja gestehen, dass ich mich gerade jetzt vor Weihnachten von Spendenaufforderungen und -sammlungen schon belästigt fühle. Vielleicht bin ich da mal wieder ignorant... Ich spende dem Denkmalschutz, mehr leider nicht. Da hab ich was von... andre Institutionen machen wichtigere Arbeit und ich fühl mich jetzt wieder total egoistisch, weil ich sogar beim Spenden an mich denke.
AntwortenLöschenUnd bei Soldatenfriedhöfen hätte ich vermutlich die Assoziation mit langweiligen, gleichaussehenden Gräbern und würde mich gegen das Spenden entscheiden.
Wünsche Dir einen schönen Abend!