Freitag, 8. Februar 2013

Wäscherprinzessin


Weiberfastnacht und die Frauenbewegung ?

Es waren gegensätzliche Mentalitäten, die im Rheinland aufeinander prallten und den Karneval in seiner heutigen Form entstehen ließen. Nachdem Napoleon bei Waterloo vernichtend geschlagen worden war, annektierte nach dem Wiener Kongreß 1815 Preußen das Rheinland. Die Preußen führten Tugenden ein wie Disziplin, Ordnung oder Gehorsam, die dem Rheinländer suspekt waren. Es entstand der Karneval in der heutigen Form mit einem Rosenmontagszug, einem Karnevalsprinzen, einem Elferrat und der entwertenden Darstellung von Uniformen, über die man sich gegenüber den preußischen Besatzern lustig machte.

Die ersten Beschreibungen, dass in Köln Weiberfastnacht gefeiert wurde, datieren aus dem Jahr 1823. Frauen und Mädchen rissen sich die Hauben ab, sie rannten auf die Straßen und begannen, das bunte Treiben des Karnevals auf den Donnerstag vor zu verlegen. Dazu trieben sie den „Bellegeck“ – eine mit Schellen behängte Maske  - durch die Straßen.

Fast zeitgleich 1825 – aber auf andere Weise – drängten in Bonn die Frauen an die Macht. In der Epoche der Industrialisierung waren in Bonn-Beuel auf der „schääl sick“ Wäschereien wie Pilze aus dem Boden gesprossen. Waschpulver – Persil – ging erst 1907 durch die Firma Henkel in die Massenproduktion. In den Wäschereien in Bonn-Beuel nutzte man anstatt dessen eine Mischung aus Pottasche und Buchenholz, die Mitte des 19. Jahrhunderts durch Schmierseife ersetzt wurde. Die Wäsche wurde mit diesen Zutaten bestreut, anschließend mit heißem Wasser ausgespült und über Nacht in einem großen Holzfass eingeweicht. Indem man den Waschvorgang bis zu zehnmal wiederholte,  wurde die Wäsche quasi blütenweiß sauber. Auf den ausgedehnten Wiesen am Rhein, auf die nachmittags reichlich Sonne scheinen konnte, wurde die Wäsche schließlich getrocknet. Wegen des hohen Qualitätsstandards, der beim Waschen erzielt wurde, wurde diese Dienstleistung rege nachgefragt. Das Einzugsgebiet reichte bis Köln, da mit der Industrialisierung dreißig Kilometer Rhein-abwärts das Wasser nicht so sauber war.

Weiberfastnacht und die Frauenbewegung ? Es wurde soviel Wäsche gewaschen, dass es zeitweise an die 90 Wäschereien gab. In kleinen und mittelgroßen Betrieben organisiert, arbeiteten dort meistens Frauen. Die Frauenbewegung fand ihre Ursprünge aus der Arbeiterbewegung. Dort erfuhren sie, dass ihre Arbeit einen Wert hatte, dass diese entlohnt wurde und bezogen auf das Endprodukt geschlechterspezifische Grenzen aufgehoben wurden. Mit diesem Ansatz von Gleichberichtigung begann die Frauen für weitere Rechte in der Männer-dominierten Gesellschaft zu kämpfen: Männer hatten – wie zu Hause und sonst wo - das Sagen; dass Frauen arbeiten durften, war überhaupt nicht selbst verständlich; das Wahlrecht war ihnen verwehrt, Bildung und Universitäten genauso.

Der Karneval diente den Wäscherinnen in Beuel dazu, sich als Frauen zusammen zu tun, eine eigene Bewegung zu gründen, sich zu emanzipieren, um die Herrschaft der Männer aufzubrechen. Am Donnerstag vor den Karnevalstagen waren viele Beueler Männer nach Köln zur Auslieferung der Wäsche aufgebrochen. Ihre Bewegung nannten sie „Damenkommitee“, die zum Ziel hatte, eine Schlacht gegen „Griesgram“ und „Muckertum“ der Männer zu schlagen. Männer waren vom Treiben der Damen ausgeschlossen. In den Ursprüngen als Frauenbewegung entstanden, verschrieben sich die Wäscherinnen im Lauf der Jahrzehnte immer mehr dem Karneval. Über das ganze Jahr hinweg, waren die Wäscherinnen freundlich, umgänglich und hilfsbereit. Aber am Donnerstag vor den Karnevalstagen, trieben sie es heftig – wie im Gründungsjahr 1825.

Weiberfastnacht und Frauenbewegung ? In der Nachkriegszeit ist die Tradition der Wäscherinnen noch bewusster und intensiver geworden. Seit 1958 gibt es eine Wäscherprinzessin, die die Weiberfastnacht in Beuel eröffnet. In ihrem Schlepptau wird sie von einem großen Hofstaat mit Gefolge begleitet: Wäscherinnen und Bützoffiziere, Möhnen und Obermöhn, Stadtsoldaten mit Infanterie und Artillerie. Sie erhält somit die Ursprünge aufrecht: als die Wäscherinnen sich zu emanzipieren begannen.

Mit ihrem Regimentsstab hat am 7. Februar um 11.11 Uhr auf dem Franziskanerinnenplatz in Beuel die Wäscherprinzessin Vanessa I das jecke Treiben der alten Weiber eröffnet. Dann kann gefeiert, geschunkelt und getanzt werden, was das Zeug hält. 

4 Kommentare:

  1. Wieder sehr interessant und nicht gewusst habe ich deinen Post gelesen. Finde es schön dass du solche Traditionen so ausführlich beschreibst. Danke dir dafür.

    Schönes Wochenende und herzliche Grüsse
    Nova

    AntwortenLöschen
  2. Interessant zu erfahren welchen Ursprungs diese Tradition ist. Bin ja eher ein Faschingsmuffel und an diesem 'lustigen' Treiben weniger interessiert, aber diese Erklärung fand ich dennoch sehr informativ. Vielen lieben Dank für deine Ausführungen und ein entspanntes, schönes Wochenende für dich!
    N.

    AntwortenLöschen
  3. Das war sehr interessant, vor allem für eine Karnevalshasserin aus Ostwestfalen :-).

    AntwortenLöschen
  4. fand ich auch interessant zu lesen.
    Lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

    AntwortenLöschen