Weiberfastnacht und die
Frauenbewegung ?
Es waren gegensätzliche
Mentalitäten, die im Rheinland aufeinander prallten und den Karneval in seiner
heutigen Form entstehen ließen. Nachdem Napoleon bei Waterloo vernichtend
geschlagen worden war, annektierte nach dem Wiener Kongreß 1815 Preußen das
Rheinland. Die Preußen führten Tugenden ein wie Disziplin, Ordnung oder
Gehorsam, die dem Rheinländer suspekt waren. Es entstand der Karneval in
der heutigen Form mit einem Rosenmontagszug, einem Karnevalsprinzen, einem
Elferrat und der entwertenden Darstellung von Uniformen, über die man sich
gegenüber den preußischen Besatzern lustig machte.
Die ersten Beschreibungen,
dass in Köln Weiberfastnacht gefeiert wurde, datieren aus dem Jahr 1823. Frauen
und Mädchen rissen sich die Hauben ab, sie rannten auf die Straßen und
begannen, das bunte Treiben des Karnevals auf den Donnerstag vor zu verlegen.
Dazu trieben sie den „Bellegeck“ – eine mit Schellen behängte Maske - durch die Straßen.
Fast zeitgleich 1825 – aber
auf andere Weise – drängten in Bonn die Frauen an die Macht. In der Epoche der
Industrialisierung waren in Bonn-Beuel auf der „schääl sick“ Wäschereien wie
Pilze aus dem Boden gesprossen. Waschpulver – Persil – ging erst 1907 durch die
Firma Henkel in die Massenproduktion. In den Wäschereien in Bonn-Beuel nutzte
man anstatt dessen eine Mischung aus Pottasche und Buchenholz, die Mitte des
19. Jahrhunderts durch Schmierseife ersetzt wurde. Die Wäsche wurde mit diesen
Zutaten bestreut, anschließend mit heißem Wasser ausgespült und über Nacht in
einem großen Holzfass eingeweicht. Indem man den Waschvorgang bis zu zehnmal
wiederholte, wurde die Wäsche quasi
blütenweiß sauber. Auf den ausgedehnten Wiesen am Rhein, auf die nachmittags
reichlich Sonne scheinen konnte, wurde die Wäsche schließlich getrocknet. Wegen
des hohen Qualitätsstandards, der beim Waschen erzielt wurde, wurde diese
Dienstleistung rege nachgefragt. Das Einzugsgebiet reichte bis Köln, da mit der
Industrialisierung dreißig Kilometer Rhein-abwärts das Wasser nicht so sauber war.
Weiberfastnacht und die
Frauenbewegung ? Es wurde soviel Wäsche gewaschen, dass es zeitweise an die 90
Wäschereien gab. In kleinen und mittelgroßen Betrieben organisiert, arbeiteten
dort meistens Frauen. Die Frauenbewegung fand ihre Ursprünge aus der
Arbeiterbewegung. Dort erfuhren sie, dass ihre Arbeit einen Wert hatte, dass
diese entlohnt wurde und bezogen auf das Endprodukt geschlechterspezifische
Grenzen aufgehoben wurden. Mit diesem Ansatz von Gleichberichtigung begann die
Frauen für weitere Rechte in der Männer-dominierten Gesellschaft zu kämpfen: Männer
hatten – wie zu Hause und sonst wo - das Sagen; dass Frauen arbeiten durften,
war überhaupt nicht selbst verständlich; das Wahlrecht war ihnen verwehrt, Bildung
und Universitäten genauso.
Der Karneval diente den
Wäscherinnen in Beuel dazu, sich als Frauen zusammen zu tun, eine eigene
Bewegung zu gründen, sich zu emanzipieren, um die Herrschaft der Männer
aufzubrechen. Am Donnerstag vor den Karnevalstagen waren viele Beueler Männer
nach Köln zur Auslieferung der Wäsche aufgebrochen. Ihre Bewegung nannten sie
„Damenkommitee“, die zum Ziel hatte, eine Schlacht gegen „Griesgram“ und
„Muckertum“ der Männer zu schlagen. Männer waren vom Treiben der Damen
ausgeschlossen. In den Ursprüngen als Frauenbewegung entstanden, verschrieben
sich die Wäscherinnen im Lauf der Jahrzehnte immer mehr dem Karneval. Über das
ganze Jahr hinweg, waren die Wäscherinnen freundlich, umgänglich und
hilfsbereit. Aber am Donnerstag vor den Karnevalstagen, trieben sie es heftig –
wie im Gründungsjahr 1825.
Weiberfastnacht und
Frauenbewegung ? In der Nachkriegszeit ist die Tradition der Wäscherinnen noch
bewusster und intensiver geworden. Seit 1958 gibt es eine Wäscherprinzessin,
die die Weiberfastnacht in Beuel eröffnet. In ihrem Schlepptau wird sie von
einem großen Hofstaat mit Gefolge begleitet: Wäscherinnen und Bützoffiziere, Möhnen
und Obermöhn, Stadtsoldaten mit Infanterie und Artillerie. Sie erhält somit die
Ursprünge aufrecht: als die Wäscherinnen sich zu emanzipieren begannen.
Mit ihrem Regimentsstab hat
am 7. Februar um 11.11 Uhr auf dem Franziskanerinnenplatz in Beuel die
Wäscherprinzessin Vanessa I das jecke Treiben der alten Weiber eröffnet. Dann
kann gefeiert, geschunkelt und getanzt werden, was das Zeug hält.
Wieder sehr interessant und nicht gewusst habe ich deinen Post gelesen. Finde es schön dass du solche Traditionen so ausführlich beschreibst. Danke dir dafür.
AntwortenLöschenSchönes Wochenende und herzliche Grüsse
Nova
Interessant zu erfahren welchen Ursprungs diese Tradition ist. Bin ja eher ein Faschingsmuffel und an diesem 'lustigen' Treiben weniger interessiert, aber diese Erklärung fand ich dennoch sehr informativ. Vielen lieben Dank für deine Ausführungen und ein entspanntes, schönes Wochenende für dich!
AntwortenLöschenN.
Das war sehr interessant, vor allem für eine Karnevalshasserin aus Ostwestfalen :-).
AntwortenLöschenfand ich auch interessant zu lesen.
AntwortenLöschenLieber Gruß von Heidi-Trollspecht