Heute war er der Star in
Wassenberg. Hoch zu Roß kam er auf seinem Pferd daher geritten. Voller Stolz
trug er seinen Brust- und Rückenharnisch. Blank geputzt, bedeckte dieser seinen
Oberkörper. Gehalten mit Ketten besetzten Lederriemen, verlieh der Harnisch
seinem Körper Glanz, Würde und etwas Herausragendes. Zwei Reiter mit
Pickelhauben ritten voran, und in der freien Fläche über den Pflastersteinen
präsentierte sich seine Gestalt wie der Star auf einer Bühne.
Wie anderswo im deutschen
Reich, feierte Wassenberg den Sedantag am 2. September 1910. Der Sedantag
erinnerte an die entscheidende Schlacht im deutsch-französischen Krieg
1870/1871. Am 2. September 1870 hatten deutsche Truppen die uneinnehmbare Festung
Sedan in den französischen Ardennen erobert. Napoleon der Dritte war
vernichtend geschlagen und musste abdanken. Nach dem Friedensschluss fiel
Elsass-Lothringen an das deutsche Reich.
Weder der Tag des
Friedensschlusses, noch der Tag der Kaiserproklamation in Versailles, noch der
Tag der Schlacht bei Sedan, hatten sich als Nationalfeiertag des deutschen
Volkes durchgesetzt. Mancherorts wurde der Sedantag gefeiert, aber gerade im
Rheinland lehnten die Kirchen größere Feierlichkeiten ab, da ein Krieg
verherrlicht wurde und da sich die Aufmärsche speziell gegen den Erzfeind
Frankreich richteten.
Am 2. September 1910 war der
Bann gebrochen. Runde 40 Jahre lag nun die Schlacht bei Sedan zurück. Im
Zeitalter des Imperialismus fielen die europäischen Staaten wieder auf ihre Nationalismen
zurück. Patriotimus, die Rückbesinnung auf alles Deutsche, die Erinnerung an
erfolgreich geschlagene Schlachten passten ins Bild. Der 2. September 1910
wurde fast überall im deutschen Reich gefeiert.
In Wassenberg hatten in aller
Herrgottsfrühe die Glocken der Pfarrkirche St. Georg geläutet. Die Wassenberger
hatten einen Festgottesdienst mit allen wichtigen Dorfpersönlichkeiten und Vereinen
gefeiert. In der Volksschule sangen die Schüler Volkslieder, sie lasen Gedichte
vor, die Heldentaten Kaiser Wilhelms I. wurden erzählt. Von der Wassenberger
Burg wurden aus Kanonen Böllerschüsse gefeuert.
Höhepunkt des Tages war der
nachmittägliche Festumzug. Warum Wassenberg ? Wieso war gerade in dem rheinischen
Provinznest zwischen Aachen und Mönchengladbach so viel los ? Das waren die
Starallüren des Heinrich Stoffels. 22 Jahre jung, hoch gewachsen, 1,83 Meter,
kräftige Gestalt, ein Herkules in Person, gut aussehend, rissen sich die Mädchen
rund um Wassenberg um diesen charmanten Typen. Und es war das Top-Ereignis,
dass der Kaiser persönlich ihn von Potsdam nach Wassenberg geschickt hatte. Denn
er gehörte zur Leibgarde Kaiser Wilhelms II. Dieser ließ all seine Leibwächter
in die Heimatorte, damit seine Person und der Sedantag gebührend gefeiert
werden konnte.
Der Festumzug konnte sich
sehen lassen. Es war weniger ein paramilitärischer Aufzug, sondern mehr ein
buntes Treiben von Dorfpersönlichkeiten und Vereinen. Alle, die etwas zu sagen
hatten schritten voran. Das waren der Gemeinderat, der Bürgermeister, die Pastore
der beiden Konfessionen. Die Schützenbruderschaft mit ihren Fahnenschwenkern
mischten den Umzug auf, in deren Mitte der Schützenkönig, begleitet von
Trommelwirbeln und Querflöten des Trommlercorps. Musikverein, Kirchenchor,
Junggesellenverein, Ehrenjungfrauen rundeten die Präsenz von Dorfvereinen ab.
Abschluss und Höhepunkt des
Festumzugs bildete Heinrich Schuffels, den der Kaiser persönlich geschickt
hatte. Sein Harnisch gehörte zur Uniform der Kürassiere. Auf seinem Helm
blitzte der bronzefarbene Adler der Preußen. Kürassiere: als Reiter, durch
Brust- und Rückenpanzer gegen Gewehrfeuer geschützt, hatte sie entscheidend zum
Sieg in der Schlacht bei Sedan beigetragen. Mit Festball und Feuerwerk endete
abends der Sedantag. Beziehungsweise mitten in der Nacht oder früh Morgens.
All die jungen Frauen in
Wassenberg und Umgebung musste Heinrich Schuffels enttäuschen. Schon wenige
Tage nach dem Sedantag kehrte er nach Potsdam zurück. Einige Jahre später,
verlobte er sich mit einer Ostpreußin, er heiratete sie, er zog nach Ostpreußen
und besaß dort ausgedehnte Ländereien.
Quelle: schriftlicher Nachlass Dr. Anton Schuffels; in: Heimatkalender des Kreises Heinsberg 1987, S. 76
Quelle: schriftlicher Nachlass Dr. Anton Schuffels; in: Heimatkalender des Kreises Heinsberg 1987, S. 76
Das hast Du schön erzählt Dieter, die Geschichte war mir nicht bekannt.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Angelika
Vielen lieben Dank für die Geschichte die ich auch noch nicht kannte^^ Weisst du ob dieser Tag heute dort noch immer gefeiert wird bzw. ob vielleicht nochmal so ein "Umzug" stattgefunden hat??
AntwortenLöschenHerzliche Wochenendgrüsse
Nova
Hej Dieter,
AntwortenLöschensehr interessant in Details der Geschichte einzutauchen, vor allem, wenn der Lebensweg einer Person damit verknüpft ist. So sah also eine Karriere zur damaligen Zeit aus. Ganz eigentümlich berührt hat mich, dass sich an den "Dorffesten" bis heute nichts geändert hat.
Gruß
Beate
La victoire des uns correspond à la défaite des autres, et c'est normal que le vainqueur fête sa victoire.
AntwortenLöschenPour nous, en France, c'est la chute du second empire, ce dont on ne se plaindra pas, mais c'est surtout la perte de l'Alsace et de la Moselle... un des germes de la future guerre de 14/18 car bien sûr, la France n'avait qu'un rêve : la reconquête des provinces annexées par Guillaume II qui s'est faite dans le bain de sang qu'on a déjà évoqué ensemble.
Bien amicalement, Dieter passe une bonne journée (sous la neige à nouveau ?)
MamLéa
Lieber Dieter,
AntwortenLöschentoll erzählt. Mein Vater erzählte immer sehr viel von Sedan.
Schade allerdings um die vielen gebrochenen Herzen (lach)!
Liebe Wochenendgrüße sendet
Irmi
hallo Dieter
AntwortenLöschendanke sehr für diese Einzelheiten die ich auch nicht kannte.Gerne reise ich in die Vergangenheit-)))
lieben gruss
Christa