Ein Arbeitsplatz als
Toilettenfrau ? Es hatte sie Überwindung gekostet. Und es kostete sie Tag für
Tag Überwindung. Wäre sie doch nicht so faul gewesen ! Hätte sie doch die
Hauptschule nicht geschmissen ! Nun, mit Mitte zwanzig, nachdem sie nichts auf
die Reihe gekriegt hatte, sah sie keinen anderen Weg als zurück, zurück,
zurück. Wo andere in ihrem Alter längst eine Lehre abgeschlossen hatten und im
Beruf standen, führte ihr Weg zum Arbeitsmarkt nur zurück, zurück, zurück.
Ganz unten angekommen. Die
Perspektivlosigkeit war ihr zu den Ohren heraus gekommen. Ein paar Euros selbst
verdientes Geld in den Händen halten. Das Außenseiterdasein aufgeben und Teil
der Gesellschaft werden. Nein, den ganzen Tag herum lungern und anderen auf der
Tasche liegen, das wollte sie definitiv nicht.
Bewerbungen, Praktikum, Schule,
Ausbildungsplatz, wenn etwas klappte, dann nur zeitweilig. Über ihren eigenen
Schatten musste sie springen, als sie das Arbeitsangebot auf der öffentlichen
Toilette der Stadt angenommen hatte. 7 € die Stunde, das war nicht so viel
weniger wie als Reinigungskraft oder wie im Supermarkt Regale einräumen. Als
ungelernte Kraft war die Auswahl der Arbeitsangebote ohnehin begrenzt. Putzen
oder Toilette sauber machen, davor hatte sie sich nie geekelt. Der Job als Toilettenfrau hatte sie
Überwindung gekostet. Das war hart an der Grenze zur Selbstverleugnung. Für solch
einen Arbeitsplatz musste sie ihr Gehirn ausschalten. Anfangs schämte sie sich,
dort sitzen zu müssen. Am liebsten hätte sie sich versteckt. Wenn Kunden kamen,
schaute sie weg, irgendwo auf den Boden oder auf das sterile Weiß der
Toilettentüre.
Wochenlang musste sie sich
einreden, dass ihr Arbeit einen Wert macht. Sie nahm sich ein Beispiel daran,
wie sie es im Haushalt ihrer Eltern gelernt hatte. Es war unstrittig, dass
saubere sanitäre Anlagen einen Wert verkörperten. Sie ekelte sich vor dreckigen
Toiletten, also sollte dies ihren Mitmenschen erspart bleiben.
Irgendwann kam der Punkt, da
hatte sie sich mit diesem Job arrangiert. Auf dem stillen Örtchen war sie ihr
eigener Chef. Mit Klobürste, Duftspray, Wischmob und Reinigungsmittel sorgte
sie dafür, dass alles so schön fein sauber war, wie sie es zu Hause kannte. Mit ihren
wachen blauen Augen begrüßte sie ihre Kunden. Manche kehrten wieder, und mit
manchen hielt sie ein kleines Schwätzchen. Auf der einzigen öffentlichen
Toilette im Zentrum der Stadt, war sozusagen ständig etwas los. Langweilig
wurde es nie.
Ganz unten angekommen ? Sie
schritt ein und wischte alles schön sauber, wenn bisweilen alkoholisierte
Kunden neben das Urinalbecken zielten und stinkende Urinreste hinterließen.
Hauptsache, die Kunden blieben friedlich. Bei Stadtfesten knubbelten sich die
Menschen auf ihrem Arbeitsplatz. Das war in Ordnung, wenn Handgreiflichkeiten
oder Schlägereien ausblieben.
Ganz unten angekommen ?
Beinahe war es ihr gelungen, sich mit dem miserablen Image als Toilettenfrau
abzufinden. Mental stand sie über diesem Niveau, das die Gesellschaft in die
Schublade ganz unten einordnete. Doch den Nerv raubten ihr die allzu feinen
Damen.
„Da drinnen ist es nicht
sauber.“
Diese allzu feinen Damen
schauten in die Ecken, nichts war ihnen gut genug, die Toiletten mussten so
perfekt sauber sein wie ihre Gesichtsfarbe. Entsetzen lähmte ihr Gesicht, wenn
sie selbst das kleinste Schnipselchen entdeckten.
„Für so etwas müssen wir noch
fünfzig Cent zahlen !?!?“
Erst betrachteten sie ihren
anschmiegsamen, festen Körper bis hinunter zu den flachen Wildlederschuhen, die
weder lässig noch schick wirkten, sondern irgendwo dazwischen. Dann schauten
sie auf die weiße Schürze der Toilettenfrau herab. Ihrem rundlichen Gesicht mit
den leichten, mädchenhaften Zügen und würdigten sie kaum einen Blick.
„Da … „
Rollte das Kleingeld auf dem
Teller dahin: Sie hatten es auf eine Art und Weise dahin geschmissen, so
lästig, als ob sie es am liebsten in den Mülleimer entsorgt hätten.
Das waren Situationen, da
hätte sie am liebsten ihren Job hingeschmissen. Sie selbst schritt mit Achtung
und Würde durch ihr eigenes Leben. Es war schrecklich, wenn Mitmenschen ihre
eigene Würde mit Füßen traten.
inzwischen gibt es immer mehr Toiletten mit Drehkreuz und Kasten zum Geld-Einwerfen. 50 Cent wirft man rein ... und dann darf man ... auch ohne Toilettenfrau.
AntwortenLöschenWobei ... sie ist trotzdem noch da ... zum Reinigen. Ich frage mich nur ... was verdient sie jetzt ohne Trinkgeld? oder musste sie das Geld das in den Teller gelegt wurde abgeben? Ich vermute es fast.
Ich wünsche jeder Toilettenfrau - und jedem Toilettenmann - ein anständiges Gehalt.
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Ich finde es absolut mies so eine Arbeit und Person mit den Füßen zu treten. Sollen die Menschen die gerade sowas machen doch froh sein das es sie überhaupt gibt. Ich glaube jeder weiß nur zu gut wie so manche Toilette aussehen kann wenn nix gemacht wird, und leider wohl auf Frauen-Toiletten geht es negativ zu (leider und unverständlich). Wer über sowas überhaupt nur die Nase rümpft der hat Missachtung verdient!!!
AntwortenLöschenLiebe Morgengrüsse
Hej Dieter,
AntwortenLöschenals ich Deinen Beitrag las, wurde ich das Gefühl nicht los: Die Frau straft sich selbst für in der Vergangenheit aus eigener Nachlässigkeit Versäumtes. Dann schmerzen solche Verhaltensweisen Anderer
doppelt. Ich wünsche ihr die Gelegenheit zur Ausbildung für eine andere Tätigkeit.
Grüße
Beate
Ich bin froh das es die Menschen gibt, die die Toiletten sauber halten und dafür bezahle ich gern 50 Cent.
AntwortenLöschenBei Sinn im Gladbach arbeitet auch ein junge Frau, die macht diese Arbeit um für ihre Kinder eine Ausbildung zu erreichen, die sie nie gehabt hat.
Liebe Grüße
Angelika
Dieter, es wäre vermessen, diesen Ausführungen
AntwortenLöschennoch etwas hinzuzufügen.
Was wäre, wenn wir die Toilettenfrau nicht hätten?
Einen schönen Abend wünscht dir
Irmi
Hut ab vor den Menschen, ob Frau oder Mann, die diesen Job ausführen. Mit Würde und Respekt sollte man ihnen begegnen und froh sein, dass sie den Ort sauber halten, an dem wir unser Bedürfnis erledigen können.
AntwortenLöschenSo manch einer sollte lieber darauf achten, dass er diesen Ort auch wieder so verlässt, wie er ihn selbst gerne anzutreffen wünscht und das ist leider nicht immer so.
Liebe Grüße
Christa
Ich muss mich den Worten von Christa anschließen.
AntwortenLöschenEine schöne Würdigung eine "Kloofrau". Ich kann mich noch erinnern, als in Bautzen in Nähe des Krankenauses ein Pissior stand und immer vor sich hin stank, bis es mal weggerissen wurde, aber kein Ersatz dafür kam. Eine Toilettenanlage, die sauber gehalten wird ist doch ok und Hut ab vor den Frauen, die das machen.
liebe Grüße Ulrike
Du beschreibst oft Sachen, die ich so selbstverständlich finde und mir wenig bis kaum Gedanken darüber mache. Dann fühle ich mich manchmal so ignorant...
AntwortenLöschenDanke, dass Du mich auf so kleine und doch so wichtige Dinge aufmerksam machst.
Toll geschrieben und leider so wahr Dieter :-(
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