Stolz zeigte die Hofinhaberin
auf den Stein, der auf der Außenwand vermauert worden war. 1722: aus diesem
Jahr stammte der Bauernhof. Zerbombt im zweiten Weltkrieg – wie viele Dörfer
rund um Düren – war dieser Stein einer derjenigen tragenden Überreste, der den
Zahn der Zeit überdauert hatte. Das Bruchsteinmauerwerk im zarten Braunton
schmiegte sich sanft um den Gebäudetrakt des Hofladens.
Die schweren Schritte und die
dicke Gestalt der 71-jährigen standen im Gegensatz zu ihrem Mundwerk, das flink
war und einen schwindlig reden konnte. Selbstbewusst unterstrich sie die
Bedeutung und den Erfolg des Hofladens, in dem es vor Kunden nur so wimmelte.
Bis im Jahr 2010 die Ortsumgehung eingeweiht wurde. An der ehemaligen Bundesstraße
positioniert, rauschten nun viele Kunden vorbei. Die Umsätze waren eingebrochen.
„Meine Produkte stammen aus
der Region um Düren. Ich weiß, welchen Vorlieferanten ich vertrauen kann. Wer
zuviel spritzt, von dem kaufe ich nichts mehr.“
Einkaufen auf dem Bauernhof ?
Zufällig waren wir über eine Freundin in diesem Hofladen in der Dürener Gegend
gelandet. Unsere Freundin hatte die 71-jährige und den 74-jährigen Hofbesitzer
während eines Wochenendes im Kloster kennen gelernt. Die Bundesstraße stach
unverdrossen in die Ausläufer der Nordeifel hinein. Sie marschierte den Berg
hinauf, wo sie den Blick auf weitere Hügelketten offenbarte.
„Da, sehen Sie. Von diesem
Hof kaufen wir die Hühner und die Eier.“
Tatsächlich. An der Wand
hingen Fotos mit Seltenheitswert, die Hühner auf einem Hof mit viel Platz
zeigten. Damit wurde dokumentiert, was Eier von tatsächlich freilaufenden
Hühnern bedeuteten. Dagegen wurde in Discountern und Supermärkten weggeschaut, dass
Eier mit dem Prädikat „von freilaufenden Hühnern“ nie und nimmer den Tatsachen
entsprachen.
Die Idee, auf einem Bauernhof
einzukaufen, fanden wir nicht abwegig. Es entsprach aber effektiv nicht unseren
Einkaufsgewohnheiten. Einkaufen auf dem Bauernhof, das gab es genauso bei uns
zu Hause um die Ecke. War es uns zu teuer ? Oder steckten wir voller
Widersprüche, dass unser ökologisch bewusstes Einkaufsverhalten um Bauernhöfe
einen Bogen machte ? Oder scheuten wir die zusätzliche Wegstrecke zum Bauernhof
?
Der Käse stammte aus eigener
Produktion, der Weißkohl kam aus der Bretagne, die Tomaten – die 2,99 €
kosteten - kamen definitiv nicht aus der Dürener Gegend. Oder zählte man
niederländische Gewächshäuser zur näheren Umgebung von Düren ? Wir kauften einen
Sack Kartoffeln. Zu Hause im Supermarkt mussten wir suchen, bis wir die
richtige Sorte fanden. Oft war diese nicht vorrätig, und wir mussten uns mit Kartoffelsorten
aus Zypern, Frankreich, Spanien, ja, sogar Ägypten begnügen. Das war
schlichtweg ökologischer Unsinn, wegen Subventionen, Verbraucherwünschen oder
Lobbyistentum Agrarprodukte quer durch Europa zu karren..
„Den Kuchen habe ich komplett
selbst gebacken. Darum reißen sich meine Gäste.“
Bienenstich, Käsekuchen oder
Kirschstreusel – das sah hinter der Glasvitrine sehr lecker aus. Treppenstufen
führten sogar in ein abgetrenntes Café hinauf, in dem man es sich gemütlich
machen konnte.
Transparenz der
Nahrungskette. Der 74-jährige Hofbesitzer führte uns in den Aufbereitungsraum
der Rohmilch. Aus den Eutern der Kühe wurde die Milch abgesaugt. Er öffnete die
Zinkabdeckung des Bottichs, der nahezu den ganzen Raum ausfüllte. „Die holt ein
LKW ab und fährt sie nach Pronsfeld bei Bitburg“ erklärte er den weiteren Weg
der Milch, bis sie in den Regalen von Supermärkten landete.
Massentierhaltung ade. Wir
schritten in den Kuhstall. Das war übersichtlich, wie die Reihen von Kuhköpfen
scheinbar desintessiert in den Stall schauten, sich unsystematisch auf und ab
senkten, tranken, fraßen, und überall fanden sich auf dem Betonboden Schichten
von Heu. Zweirehig, standen sie sich mit ihren Hintertelen gegenüber, und
dazwischen klaffte eine großzügige Lücke. Dort war ausreichend Platz, dass eine
Katze auf Strohballen das undurchsichtige Treiben all der Kühe von einem
höheren Standpunkt aus beobachten konnte. Das war eine ruhige Stimmung, in der
ich Mühe hatte, aus den Gesichtszügen der Kühe Gefühlsregungen abzulesen. Sie
diktierten ihren eigenen Rhythmus, Tag und Nacht, beständig untermalt mit dem
Kauen ihrer Unterkiefer, das nicht enden wollte.
„Der Nachbar gegenüber ist
Ingenieur bei RWE, der Nachbar daneben arbeitet bei der Stadtverwaltung, der
nächste Nachbar arbeitet auf dem Bau. Bei gewissen Wetterlagen ist der Geruch
intensiver. Die Nachbarn haben gelernt damit zu leben, und wir kommen bestens
miteinander aus. Ab April geht es hundert Meter weiter auf die Wiese.“
Massentierhaltung ade. Im
Nachbarstall hockten die Kälber noch weiter auseinander. Das war wie eine
Insel. Ich dachte an den aktuellen Pferdefleischskandal. EHEC, Dioxin in Eiern,
BSE, mehrere Gammelfleischskandale – hier war alles artgerecht und ich konnte
vertrauen.
Der ganze Markt für
Agrarprodukte war ein Tummelplatz für Betrüger, Schummler und Kriminelle, denen
der Boden mit der Geiz-ist-Geil-Mentalität der Verbraucher bereitet wurde.
Was wir auf diesem Bauernhof
sahen, war schlichtweg idyllisch und schön. Hier war die Welt noch in Ordnung.
Mitunter bin ich froh, konservativ zu sein und an Traditionen festzuhalten. Und
ich habe festgestellt, wie widersprüchlich ich selbst als Verbraucher bin.
Es ist schön, dass es noch Bauernhöfe gibt, die versuchen, im Einklang mit der Natur Produkte zu erzeugen, sei es mit der Erzeugung von Lebensmittel durch Anbau oder Tierhaltung.
AntwortenLöschenSchlimm finde ich die Massentierhaltungen, wenn Tier leiden müssen, sei es bei Schweinen, die in zu engen Gehegen dahinvegetieren müssen, dass sie sich Schwänze und Ohren bei aggressivem Verhalten abbeißen und deshalb oft kupiert werden oder Rinder, die eingepfercht stehen, Geflügel, das sich gegenseitig tot trampelt in überfüllten Ställen, einfach grausam.
Aber es liegt auch an uns Verbrauchern gegenzusteuern.
Wie sollen Tiere artgerecht gehalten werden, wenn wir das Spiel mit den Dumpingpreisen der Fleischprodukte im Supermarkt mitspielen?
Liebe Grüße
Christa
Deshalb ist es einfacher, das Fleisch weg zu lassen oder wenigstens extrem zu reduzieren.
LöschenMit den (Dumping-)preisen ist so eine Sache, weil viele von uns auch von Dumping-Löhnen leben müssen.
Find ich toll das mIhr nun auch den passenden Bauernhofladen gefunden habt. Ich kaufe den Großteil dort ein. Von Eiern, Gemüse über Kartoffeln und Obst. Ich mag nur noch das nötigste im Supermarkt kaufen, da steckt mir zu viel Betrug hinter vielen Dingen. Ich will Eier aus Deutschland steht auch auf der Verpackung und was ist drin... Eier aus NL.
AntwortenLöschenSo kann ich ein Beispiel nach den anderen aufzählen.
Regional und ich weiss wo die Sachen herkommen. ich brauche weder Ananas aus Chile oder Madagaska noch Datteln aus Tunesien.
Liebe Abendgrüße
Angelika
Das ist der Vorteil bei euch draussen. Mich würde es fertig machen, mir einen Bauern zu suchen und zum Einkaufen an den Stadtrand zu fahren. Ds wäre schnell ein halber Tag vorbei...
LöschenJa liebe Wieczora, hier auf dem Land kannst du schneller und besser im Bauernladen kaufen als in irgendeiner Kette.
LöschenIch finde es erst einmal klasse dass sie diesen Stein als Zeitzeugen immer noch haben^^ So isses doch eine sehr schöne Erinnerun.
AntwortenLöschenPersönlich habe ich in D. immer gerne bestimmte Dinge in Hofläden eingekauf bzw. bestellt. So ist das im Norden von D. oft zu finden, und frischer geht's nimmer.
Im Grunde so wie hier mit den "Bauernmärkten" am Wochenende. Einige Gemeinden haben schon eigene Gebäude gebaut wo die umliegenden "Bauern" ihre Produkte verkaufen können. Ich liebe diese Märkte und bin oft am WE in La Guancha zu finden.
Toll finde ich dort auch die vorherigen Preisabsprachen untereinander, und vor allem dass die Produkte sogar noch günstiger als im Supermarkt sind.
Wundere mich immer wenn auch im Supermarkt so manche Leute auf z.B. holländische, bekannte, eingeschweißte Gurken zurückgreifen, und bei den Nudeln muss es Barilla sein :-((( Die heimischen Gurken sehen zwar nicht so glänzend und glatt aus aber schmecken drei Mal besser...
Liebe Nachtgrüssle
Nova
Bei uns gibt es nur die genormten Gurken in den Supermärkten.
LöschenDie natürlich gewachsenen Gurken vlt. auf Markständen oder sie gelangen i-wie in die Suppenküchen, wo dann ein Salat draus gemacht wird...
Hej Dieter,
AntwortenLöschendas vermisse ich, einkaufen auf dem Bauernhof. In D war der Hofladen im Nachbarort unser Lebensmittelgeschäft. Am Ortsrand wohnend, war ich so oft es ging mit dem Fahrrad zum Einkaufen dort, sogar im Winter. Das war mehr als nur "sich mit Lebensmitteln versorgen": die Tiere, das Gespräch über den Ladentisch, das Hoffest neben den Waren, ich vermisse das!
Gruß
Beate
Hallo Dieter,
AntwortenLöscheneinkaufen auf dem Bauernhof... so etwaqs spricht mich auch sehr an. Leider gibt es hier bei uns so etwas -fast- gar nicht. Eier beziehe ich aus dem nahen Westerwald, alle 14 Tage werde ich beliefert. Zum Glück habe ich ja einen kleinen Nutzgarten, Noch immer ernte ich Feldsalat.. so schön.
Dein Post hat mir gut gefallen. Düren ist nur sooo weit weg.... (lach)
lG Marita
Hallo Diter, zu diesem Thema fiel mir meine Beitrag von Dez. 09 ein, den ich in unserer Dorfzeitung mal veröffentlicht habe, ich habe ihn Dir per Mail geschickt.
AntwortenLöschenLG Marita
So gut wie alle Verbraucher sind widersprüchlich. Da stehst du nicht allein da. Und auch ich muss mich da leider einreihen.
AntwortenLöschenSo ein Hofladen ist großartig, leider ist es - gerade, wenn du eine junge Familie bist - finanziell oftmals schwierig umzusetzen, ausschließlich so einkaufen zu gehen.
AntwortenLöschenWat een mooie blog. Zo'n oude steen is geweldig.
AntwortenLöschenDas ist ja spannend. Wäre der Bauernhof nicht auch etwas für natürlich heimat? Da wird das einkaufen auf dem Bauernhof beworben?!
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