Unter neue Formen der Ausbeutung im Arbeitsleben ordnete ich
dies ein, daher war mir dieser Artikel zu schade zum Wegwerfen. Oder: wie die
menschliche Arbeitsleistung zum Objekt der Kosteneinsparung wird.
So diffus wie der Begriff, so diffus bewegen sich die
Tätigkeiten der Scheinselbständigen in einer Grauzone. Während im klassischen
Arbeitgeber-/Arbeitnehmerverhältnis alles im Arbeitsvertrag geregelt ist, so
wird beim Scheinselbständigen alles, was Geld kostet, auf den Auftragnehmer
abgeschoben – das sind vor allem die Sozialabgaben. Dieser ist auf dem Papier
selbständig. Er bewegt sich aber nicht auf Augenhöhe mit anderen Selbständigen,
die mit ihrer Tätigkeit ordentlich Profit erwirtschaften – wie etwa
Architekten, Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare. Denn er arbeitet
ausschließlich für einen einzigen Auftragnehmer. Logistik; Transportgewerbe; Kurier-
und Paketdienste; Subunternehmer auf Baustellen; Messe-, Garten- und Landschaftsbau;
Interviewtätigkeiten für Marktforschungsinstitute; Regalauffüller in
Supermärkten; ihr Anteil steigt stetig, doch die genaue Zahl kennt niemand.
In unserer Gesellschaft, in der die Gewinnmaximierung die
Leitlinie sämtlichen unternehmerischen Handels ist, ist dies so gewollt. Schon
Friedrich Engels hatte zur Lage der arbeitenden Klasse in England festgestellt,
dass die Konkurrenz der vollkommenste Ausdruck des in der bürgerlichen
Gesellschaft herrschenden Krieges Aller gegen Alle ist. In diesem
Konkurrenzkampf versucht stets der schlechter bezahlte den besser bezahlten zu
verdrängen. Karl Marx fügte dem hinzu, dass sich der Arbeiter in eine Ware
verwandelt. Der Lohn für seine Arbeitsleistung tritt an die Stelle
zwischenmenschlicher Beziehungen.
Scheinselbständige werden de facto ausgegrenzt. Sie gehören
nicht zur Firma dazu. Die Firma hat zwar einen Job. Aber zwischen Firma und
ihnen verläuft eine Trennlinie, denn mit den Kollegen der Firma haben sie
offiziell nichts tun. Mit ihrem Einkommen sind sie schlechter gestellt, gegen
Krankheit sind sie nicht abgesichert, ihre Urlaubsvertretung müssen sie selber
organisieren, für Saison-schwache Umsatzzeiten müssen sie selbst etwas
zurücklegen.
Als Adam Smith 1776 sein Grundwerk „Wohlstand der Nationen“
schrieb, forderte er, dass es eine unsichtbare Hand geben müsse, die sich schützend
über das Marktgeschehen legt. Andererseits führe der Kapitalismus zu einer
Verelendung der Massen und zu Arbeitsbedingungen, bei denen die Menschen im
Endeffekt für einen Hungerlohn schuften müssten. Im Laufe der Jahrhunderte, mit
der aufkommenden Arbeiterbewegung und mit dem Entwurf eines Sozialstaates,
haben sich diese Zustände deutlich gebessert. Doch mittlerweile sorgt der Markt
wieder dafür, dass die Löhne hierzulande mit den Niveaus in China, Indien, Brasilien,
Mexiko, Polen, Rumänien oder Bulgarien konkurrieren müssen.
Die schützende Hand des Staates hat sich längst zurückgezogen.
Der Staat reguliert nichts mehr, sondern überlässt die Handlungsfelder der
Wirtschaft. Der Mensch, der auf Arbeitssuche ist, hat dann nur die Wahl
zwischen Pest und Cholera. Entweder zu Hause sitzen und Hartz IV oder ein
Niedriglohnniveau, das irgendwie versucht, mit China, Indien, Brasilien, Mexiko,
Polen, Rumänien oder Bulgarien mitzuhalten. So wie zur Zeit der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts, wird
der Mensch so viel arbeiten, um seine existenziellen Bedürfnisse sicherstellen.
Er wird sich also auf solche dubiosen Konstrukte wie die Scheinselbständigkeit
einlassen.
Der Enthüllungs-Journalist Günter Wallraf hatte dazu die
Arbeitsbedingungen beim Paketdienst GLS recherchiert. Je mehr sich die
Weihnachtszeit nähert, um so mehr boomt die Paketbranche. Der Fahrer, mit dem
Günter Wallraf unterwegs war, erhielt monatlich 1.200 € brutto als Entgelt für
seine Dienstleistung. Dieses Bruttoentgelt setzte sich aus einer Vergütung von
1,30 € je Paket zusammen, so dass je Arbeitstag etwas mehr als 40 Pakete
zuzustellen waren. Um diese Stückzahl zuzustellen, war der Fahrer inklusive
Beladung täglich von 5 Uhr bis 19 Uhr unterwegs. Dies entsprach einem Brutto-Stundenlohn
von 3 €. Um diesen Brutto-Stundenlohn zu erzielen, durfte der Fahrer nicht
krank werden und ihm stand auch kein Urlaub zu. Um bei Krankheit einen Arzt
aufzusuchen, musste er sich krankenversichern lassen, was die 3 € weiter
schrumpfen ließ.
GLS hat nach der Ausstrahlung in Stern TV einiges
dementiert. Ich gehe aber davon aus, dass Günter Wallraf einen Kern von
Wahrheit beschrieben hat.
Das Unverschämte ist: der Staat duldet diese neuen Formen der Ausbeutung, wobei als Nebeneffekt Scheinselbständige aus der Arbeitslosenstatistik
verschwinden. Und dies verkauft der Staat dann als Erfolg.
Ja mein lieber Dieter, diese Dinge sind mir bekannt und ein Bekannter hat sich dieses Elend auch angetan und ist Pleite gegangen. Wenn wir diese Scheinselbstständigen, die in den Fortbildungen und Massnahmen dazu zählen sind wir da, wo wir waren bei 5 Mill. Arbeitslosen.
AntwortenLöschenLiebe Abendgrüße
Angelika
Den Bericht habe ich vor langer Zeit im TV verfolgen können, und wieviele Leute daran pleite gegangen sind :-((( Mit der Scheinselbstständigkeit war schon vor vielen Jahren, als die Gesetzesänderungen vorgenommen wurden ein heisses Eisen. Die Sozialversicherungen waren hinterher es aufzudecken, aber irgendwie wurde immer wieder ein Schlupfloch gefunden. Denn normalerweise ist es ganz klar im SGB geregelt.
AntwortenLöschenIch finde es echt traurig, allerdings eben so traurig das der Staat noch immer nicht dazu bereit ist dem AG einen Anreiz zu geben Missstände abzuändern. Dabei denken ich an die hohen Lohnnebenkosten, die nicht nur dem AN jeden Monat seine Abrechnung erschaudern lassen, sondern auch dem AG die Überlegungen gibt irgendwie darum herumzukommen.
herzliche Nachtgrüssle
Nova
Wegen Urheberrechtsverletzung kannst du das Probs bekommen...
AntwortenLöschenSo neu ist diese Form der Ausbeutung nicht, bestimmt schon 10 Jahre. Nur hat es inzwischen durch die vielen Osteuropäer, die alle ein Gewerbe anmelden und dann ergänzendes H4 beantragen und viele Hochschulabsolventen, die gleich in die Scheinselbständigkeit gehen (teils ebenfalls mit eH4) und keinerlei Aussicht auf einen richtigen Angestelltenvertrag mit den üblichen Rechten und Schutz...
alles sehr extrem geworden.
Sei wieczoramatisch gegrüßt und hab einen schönen Start ins Wochenende
Wieczorama (◔‿◔) | Mein Fotoblog
guten morgen Dieter
AntwortenLöschenwas soll ich dazu schreiben.....es laufen immer mehr und mehr Arbeitslose rum-((((
trotzdem wünsche ich Dir und Deiner Familie ein schönes Wochenende
lieben gruss
Christa
P.S.schön,Dein neuer Blog-))))
Außer den bereits aufgeführten Argumenten trägt natürlich die Globalisierung auch ihren Teil zum Problem Arbeitslosigkeit bei und somit der Scheinselbständigkeit.
AntwortenLöschenEs geht wie überall nur um Gewinnmaximierung und Macht und daran wir sich auch nichts ändern. Ich weiß nicht, ob du im TV den Film über RyanAir gesehen hast. Man kann nur noch mit dem Kopf schüttel.
Dieser Park Schönbusch in Aschaffenburg ist nicht allzuweit vom Schloss entfernt. Ich hatte das Schloss vom Park aus sogar fotografiert. :-)
Liebe Grüße
Christa
Das ist ein Problem, dass es schon seit vielen Jahren gibt, und sich mit der Öffnung der östlichen Grenzen immer schlimmer wurde und weiterhin bestimmt noch zunehmen wird.
AntwortenLöschenDie Politik lässt es zu um die Arbeitslosenzahlen zu kaschieren und den Unternehmen ist es nur recht um ihre Gewinne zu steigern, und gleichzeitig Verantwortung und Kosten auf andere zu wälzen.
Gruß Nachtfalke
Wir steuern auf eine Wirtschaftsdiktatur zu ... das, was Deutschland jetzt zu spüren bekommen, ist nur der Anfang.
AntwortenLöschenLG
Beate