Dienstag, 6. November 2012

größenwahnsinnige Baustelle


Quadratisch, praktisch, gut, so könnte man das Erscheinungsbild der Troisdorfer Fußgängerzone zusammenfassen. Troisdorf = trostlos, so lautete jahrzehntelang das Motto, das die Stimmung in der Troisdorfer Fußgängerzone beschrieb. Mit Dynamit Nobel war Troisdorf reich geworden, als die beiden Weltkriege Massen von Munition und Sprengstoff verschlangen. Der Niedergang begann in den 90er-Jahren, als Dynamit Nobel an die Metallgesellschaft verkauft wurde. 2004 wurde schließlich die Produktion am Standort Troisdorf eingestellt.

Ähnlich wie die Städte im Ruhrgebiet, ist Troisdorf bis heute durch Industrie und Arbeiter geprägt. Was sehenswert und hübsch ist, findet man in den Randzonen von Troisdorf, aber nicht in der Fußgängerzone. So ist die Fußgängerzone keine Augenweide: Geschäfte sind hastig dahin geklatscht, Billig-Ketten haben Überhand genommen, historische Bausubstanz sucht man vergeblich, die zentralen Plätze sind neumodisch, kalt und abweisend. Quadratisch, praktisch, gut; zum Einkaufen findet man bisweilen, was man sucht.

Einen Verzweiflungsakt nach dem anderen haben die Stadtplaner hingelegt, um die Attraktivität der Fußgängerzone zu steigern. Seit den 90er Jahren haben sich Heerscharen darauf gestürzt, mehr Einzelhandelsfläche zu schaffen. Und das bei gleichzeitigem Niedergang der ansässigen Industrie, bei steigender Arbeitslosigkeit und schrumpfender Kaufkraft.

In der Fußgängerzone von Troisdorf klafft nun ein Riesenloch, denn Troisdorf bekommt ein neues Einkaufszentrum. Es konnte fleißig abgerissen werden, was das Zeug hält. Dazu ist das gute alte Bürgerhaus, das immerhin 35 Jahre alt geworden war, platt gewalzt worden. Bis in die Bodenplatte der Tiefgarage hatten sich die Abbruchbagger hineingefressen. Millimeter für Millimeter hatten sich die Stemmhammer hindurch gekämpft. Der Lärm war für die Anwohner unerträglich. Bei den Erschütterungen hatten die Anwohner Angst, dass ihre Gebäude beschädigt wurden.

Bei solchen größenwahnsinnigen Projekten stelle ich mir ständig die Frage, wieso niemand den Sinn des Ganzen hinterfragt. In ganz Europa haben wir in Deutschland die höchste Dichte an Einzelhandelsfläche, und die Einzelhandelsfläche wächst und wächst und wächst. Niemand kann den Konsumrausch des Verbrauchers aufhalten, so scheint es. Dabei kann jeder Euro nur einmal ausgegeben werden. Was hier eingekauft wird, fällt an irgendeiner anderen Ecke weg – oder der Verbraucher rutscht immer mehr in die Schuldenfalle.

In der Presse wurden wahre Jubelorgien gefeiert, als der Vertrag mit dem Investor unterschrieben worden war. „Der Konkurrenz um Längen voraus“,  „die Innenstadt bekommt ein Face-Lifting“ oder „ein neuer, attraktiver Publikumsmagnet“ so lauteten die Schlagzeilen in der Lokalpresse.

Dieser größenwahnsinnige Bau, der 7.000 qm neue Einzelhandelsfläche schaffen soll, wird ein neues Kapitel in dem Buch „Troisdorf = trostlos“ schreiben. Rückblick: 1996 wurde Kaufland mit einer Einzelhandelsfläche von 8.000 qm neu gebaut, 1997 das City Center mit 4.500 qm. 2000 wurde das Forum mit 4.000 qm umgebaut. 2000 wurde der Häuserabriß in der Kölner Straße mit einem Fest gefeiert. 1.500 qm Einzelhandelsfläche wurden dort neu gebaut. Dass Troisdorf dadurch lebendiger geworden ist, wird wohl niemand behaupten.

Troisdorf = trostlos, von diesem Image wird Troisdorf wahrscheinlich nicht wegkommen. Wenn die Geschäfte schließen, sind die Bürgersteige hochgeklappt. Und die meisten Geschäfte schließen nicht um 20.00 Uhr, sondern bereits um 18.30 Uhr. Daran wird auch dieses neue Einkaufszentrum nichts ändern. Gewiß, freuen werden sich einige Kunden von SATURN und C&A, die als einziger Großmieter feststehen. Die SATURN-Kunden können sich nun den Weg nach St. Augustin oder Köln-Porz sparen, die C&A-Kunden den Weg nach Siegburg oder Bonn.

Doch dieses Denken ist primitiv. Dieser größenwahnsinnige Bau wird über Jahre hinweg eine Riesen-Baustelle nach sich ziehen. Wenn das Einkaufszentrum fertig ist, wird sich dieses in den nackten und platten Stil der übrigen Fußgängerzone einfügen. Andere Geschäfte werden leer stehen, und Heerscharen von Immobilienmaklern werden damit beschäftigt sein, die Leerstände zu vermarkten. Das ist absurd. Silo-Effekt, das habe ich einmal in Organisation & Planung gelernt. All die Stadtplaner und die Menschen vom Stadtmarketing und die Beamten vom Bauamt schauen nur in ihr eigenes Silo hinein, in ihre eigene Röhre. Wie in der Bürokratie, schauen sie nicht nach links und rechts. Was in der anderen Ecke der Fußgängerzone passiert, was in Nachbarstädten wie Siegburg oder St. Augustin passiert, was der Bürger eigentlich will, ist ihnen gleichgültig.   

Achja, in St. Augustin gibt es positive Entwicklungen. Lange Zeit drohte der Größenwahnsinn in Troisdorf durch St. Augustin getoppt zu werden. Der HUMA-Einkaufspark sollte abgerissen und neu gebaut werden. Auf der grünen Wiese gebaut, findet sich dort ungefähr die gesamte Einzelhandelsfläche der Troisdorfer Fußgängerzone wieder. Stolze 30.000 qm ist der Einkaufspark in St. Augustin groß. Die Investoren haben die Vergrößerung der Einzelhandelsfläche auf 46.000 qm verworfen, weil sich das Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von 170 Mio € nicht mehr rechnet. Die Einnahmeausfälle in der Bauphase sind zu hoch.

Die Diskussion ist aber noch nicht zu Ende geführt.

8 Kommentare:

  1. Ja mein Lieber
    Die Städteplaner wissen manchmal nicht was sie entwerfen und tun.
    Hier in unserem beschaulich kleinen Städtchen haben sie auch ein Center gebaut vor Jahren. Metzgerei und Bäckerei halten sich, alle anderen Geschäfte sind immer wieder neu vermietet oder leer.

    Meine heimatstadt hagen in Westfalen war in den 50igern und 60igern führende Stahlstadt in Europe. Es gab 5 Stahlwerke und die Männer hatten Arbeit. In den 70igern gings los eine Stahlwwerk nach dem andern wurde geschlossen, genau so ist es Duisburg ergangen und andere Städte die Zechen hatten ebenso.

    Wandel der Zeit...oder wie wollen wir es nennen. Dieses mit so gigantischne Einkaufscenter zu beheben für mich...Schwachsinn...

    Liebe Abendgrüße
    Angelika

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  2. Dieter, ich glaube, solche Sachen sind zur Zeit in vielen Städten an der Tagesordnung. Wir haben solche Gegebenheiten in zweit mittleren Städten bei uns auch. So viele kleine Einzelhandelsgeschäfte wurden vergrault, mussten aus ihren Häusern/Läden hinausgehen, damit die großen Projekt durchgezogen werden können.
    Ich weiß nicht, ob eine solche Entwicklung wirklich gut geht. Entweder gehen wieder nur die großen Ketten in diese Einkaufsgalerien und letztendlich vielleicht die 1 €-Läden. Fachgeschäfte bleiben immer mehr auf der Strecke und das ist sehr schade. :-)

    Liebe Grüße
    Christa

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  3. Da fragt man sich wirklich was die Planer sich dabei denken und nur den Kopf schütteln. Erst dachte ich ja, och, sicherlich für Einzelhändler zum Sterben verurteilt, allerdings konnte ich dann ja beim Weiterlesen feststellen dass Troisdorf schon über mehr Center verfügt.

    Mehr als kaufen können die Leute nicht, allerdings Media oder Saturn sind dann schon Zugpferde die dann auch die alten Centren alt aussehen lassen werden. Was ich aber erstaunlich fand, dass die schon so früh ihre Türen schliessen...weia, das ist ja noch wie in der Steinzeit^^

    Hier müssen zwar auch kleine Läden, große Hotels und Restaurants schliessen...aber das liegt an der Krise.

    herzliche Grüsse
    Nova

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  4. Guten Morgen Dieter,

    so ist das leider : geplant ohne Sinn und Verstand.
    Da Du meinen Blog ja kennst, dürftest Du mitbekommen haben in welch beschaulicher Stadt ich wohne. Sie war einmal beschaulich. Denn seit sie bei uns alles abgerissen haben und ein riesen Einklaufszentrum außerhalb des Zentrums hingeplanzt haben, ist unsere Stadt tot. Die Innenstadt ein Bild des Grauens. Fast alle kleinen Geschäfte wurden geschluckt weil sie nicht gegen die großen Läden mithalten konnten. In jedem zweiten Geschäft hängt ein Schild "Zu vermieten" und keiner will es haben. Somit ist unsere eigentlich wunderschöne Innenstadt tot. Immerhin die Friseure haben sich dort noch gehalten, aber wer will schon eine ehemals wunderschöne Einkaufsmeile in der er lediglich die Wahl zwischen 6 Friseure auf einem Fleck hat. Keiner !
    Nun versucht die Stadt hektisch mit Straßensanierungen und neuen Bepflanzungen ein schöneres Bild zu zaubern, was aber auch nicht viel nutzt (außer das es scheinisch viel Geld kostet) da kein Mensch mehr die alte Einkaufsmeile besuchen möchte.
    So wird es immer weiter bleiben, die Großen schlucken die Kleinen und am Ende verkommt alles zu einem Haufen Nichts. Schade !
    Wir waaren früher einmal Dithmarschens Kreisstadt, heute sieht man nichts mehr davon, denn selbst die wichtigsten Behörden sind nach Heide verlegt worden. Wir haben uns zu einer reinen Rentnerstadt verwandelt, was mich manchmal echt ein wenig traurig macht.

    Liebe Grüße und einen schönen Mittwoch
    wünscht die Rebellin :)

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    1. Rechtschreibfehler gibt es heute ganz gratis dazu *lach* :)

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  5. Also ich wundere mich auch immer wieder, wie all die Bekleidungsgeschäfte in unserem Einkaufscenter existieren können, die Mieten sollen da sehr hoch sein...ich gehe in diese Geschäft eigentlich nie rein, sehe aber, dass sie so ziemlich das gleiche Sortiment führen und immer fast leer sind. Es fehlt da wirklich etwas mehr Vielfalt von Geschäften...es ist schon trostlos wenn man sich vorstellt, dass all die kleinen Läden verschwinden und nur noch die großen Ketten das Stadtbild und die Einkaufszentren beherrschen.
    Leider ist kaum jemand bereit, mal ein paar Cent mehr zu bezahlen, alle jagen hinter Schnäppchen her...mit den Angeboten der Ketten kann ein kleines Geschäft nicht mithalten. So haben wir uns das alle irgendwie selbst eingebrockt!
    Herzlichst Zaunwinde

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  6. Hallo Dieter,
    du hast dich also umbenannt, das ist eine gute Idee, so bringst du auch deine Heimat im Blogtitel unter.
    Troisdorf kenne ich gar nicht. Was Fußgängerzonen wirklich netter macht sind doch einfach nur Bäume und nicht allzu viel leere Fläche. Naja, und die Geschäfte, aber ich gebe ja auch zu, dass ich in vielen dieser wirklich netten kleinen Läden in der Altstadt auch nicht allzu oft einkaufe, weil sie doch recht teuer sind oder eben Luxusartikel verkaufen - dann schon eher im neueren Teil, der ist dafür auch architektonisch nicht so nett. In unserer Fußgängerzone in der Altstadt gibt es aber sogar noch einen ganz normalen Lebensmittelladen, das ist schon eine Seltenheit!
    VG
    Elke

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  7. Hallo Dieter
    Ja, wenn man die Augen offen hält, kann man sehr viel sehen, und man macht sich auch Gedanken über die Dinge.
    Eine glückliche Restwoche wünscht Dir Yvonne

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