Donnerstag, 15. November 2012

Jan und Griet


Als Karnevalsmuffel stelle ich erneut fest, dass der Karneval eine Fundgrube für geschichtliche Ereignisse ist. Historische Personen werden wiederbelebt, Geschichten erzählt und alljährlich finden sie Eingang in den karnevalistischen Trubel.

Jan von Werth zum Beispiel.

Bei meinem letzten Post über Breisach und den Dreißigjährigen Krieg war ich auf Jan von Werth gestoßen. Jan von Werth und Bernhard von Weimar, der Breisach belagert hatte, beide Feldherren hatten bei der Schlacht von Nördlingen gekämpft. Dabei zählte Jan von Werth zu den Siegern und Bernhard von Weimar zu den Verlierern dieser Schlacht.

Die Liebesgeschichte von Jan (von Werth) und Griet lebt alljährlich zum Kölner Karneval wieder auf. Jan von Werth, 1591 geboren, verließ den elterlichen Hof der Kappesbauern am Niederrhein, als sein Vater starb und seine Mutter mit acht Geschwistern hinterließ. Dem Elend wollte er entkommen, indem er sich als Knecht auf einem Hof in Köln durchschlug. Dort begegnete er einer bildschönen Stallmagd namens Griet, in die er sich unsterblich verliebte. Sie ignorierte ihn aber. Dennoch fasste er all seinen Mut zusammen und machte ihr einen Heiratsantrag. Barsch lehnte sie ab. Er sei nur ein Knecht. Er könne ihr nichts bieten. Sie suche sich den Richtigen aus, und das sei ein Mann mit Vermögen. Jan von Werth war am Boden zerstört und reagierte trotzig. Fremde Länder hoch zu Ross zu erkunden, reizte ihn. So trat er 1610 als Söldner in das Heer des spanischen Generals Spinola ein.

Es folgte eine militärische Karriere sondergleichen. Unter Spinola arbeitete er sich bis zum Offizier hoch. Einen wahren Karriereschub verlieh der Dreißigjährige Krieg (1618-1648). Er stieg auf zum Rittmeister, Oberwachtmeister, Obrist, Generalwachtmeister und Feldmarschallleutnant. In der Kriegs-entscheidenden Schlacht bei Nördlingen (1634) gelang es ihm als Befehlshaber der Kavallerie, eine entscheidende Wendung der Schlacht herbei zu führen. Dadurch konnten die katholischen Staaten, bestehend aus Bayern, Habsburg, Ungarn und Spanien diese Schlacht gewinnen. Daraufhin bedankte sich Kaiser Ferdinand II höchst persönlich bei Jan von Werth und ernannte ihn zum Freiherrn. Des weiteren wurden ihm als Dank umfangreiche Güter in Bayern, der Oberpfalz, in Böhmen und im Kraichgau geschenkt.

Nachdem Frankreich 1635 in den Krieg eingetreten war, eroberte Frankreich die Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. Von der Festung aus konnten die Franzosen den Schiffsverkehr auf dem Rhein kontrollieren, ja, sogar blockieren. Köln war also in höchster Gefahr. Köln und Jan von Werth – in diesem Moment entstand die geschichtliche Vision, dass Jan von Werth Köln von dieser Gefahr befreien wollte. In all seinen Schlachten war Frankreich Jan von Werth’s Lieblingsgegner, denn er hatte insgesamt dreißig Schlachten gegen Frankreich gewonnen. Er fühlte sich somit berufen, diese Schlacht gegen Frankreich zu schlagen. Er belagerte die Festung Ehrenbreitstein. Als die Franzosen drohten ausgehungert zu werden, kapitulierten sie und übergaben die Festung am 28. Juni 1637.

1637, siebenundzwanzig Jahre nachdem er die Stadt verlassen hatte, kehrte Jan von Werth nach Köln zurück. Die Nachricht, dass er sich Köln näherte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Die ganze Stadt war auf den Beinen, die Menschen strömten auf die Straßen. Die Ankunft ihres Befreiers konnten sie kaum erwarten. Am Chlodwigplatz war es schließlich so weit: höchst persönlich marschierte er mit Heer und Kavallerie und jede Menge Reitergefolge in die Stadt ein. Jubel und Freude waren grenzenlos, Jan von Werth wurde frenetisch von den Kölnern gefeiert.

Alles war auf den Beinen, auch die Marktfrauen am Chlodwigplatz. Eine von ihnen war Griet. Siebenundzwanzig Jahre später war ihr Haar ergraut, die Augen blickten wehmütig, überdrüssig war sie in einer unglücklichen Ehe. Sie schaute hinauf zu dem Freiherrn, den die Massen feierten und den sie vor langer Zeit barsch abgewiesen hatte. In ihrem eigenen Leben war manches schief gelaufen, Illusionen waren zerstört worden, sie fristete ihr Dasein als einfache Marktfrau.

Jan von Werth erkannte sie wieder und lenkte sein Pferd auf ihren Stand zu. Er zog seinen Hut, stieg vom Pferd ab und sagte zu ihr:
„Griet, wer et hätt gedonn !“ (Griet, hättest Du es doch getan !)

Sie antwortete ihm:
„Jan, wer et hätt gewoss !“ (Jan, wer konnte das wissen !)

Dann stieg Jan von Werth wieder auf sein Pferd, er ritt weiter durch das Severinstor, auf seinem Triumphzug quer durch Köln genoß er den Jubel der Menschenmassen. Kurz darauf verließ er Köln wieder, so dass sich Jan und Griet nie mehr begegnet waren.

Diese Begegnung zwischen Jan und Griet wird alljährlich an Weiberfastnacht wieder belebt, indem die Karnevalsgesellschaft „Reiterkorps Jan von Werth 1925 e.V.“ diese Geschichte am Chlodwigplatz nachspielt. Wie der Knecht Jan vom Kümpchenshof um die Griets Liebe wirbt. Wie sie ihn verschmäht. Wie Jan in den Dreißigjährigen Krieg einzieht und als berühmter Feldherr und Freiherr wiederkehrt. Wie Griet es bedauert, ihn damals abgewiesen zu haben.

Dabei fallen die historischen Worte:
„Griet, wer et hätt gedonn !“ und
„Jan, wer et hätt gewoss !“

8 Kommentare:

  1. Ik heb je een award gegeven. ( zie mijn blog)

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  2. Schön erzählt. Als Nicht Rheinländerin und damit fern jeden jecken Humors habe ich mich doch über diesen historischen Einblick gefreut. Hab Dank dafür.

    Herzlichen Gruß aus dem Nebel
    Jo

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  3. Ja, das wird jedes Jahr aufgeführt, aber ich war noch nie dabei. So viele Leute auf einen Knubbel, ist nicht so mein Ding, obwohl Karnevalslieder und gute Büttenreden ein absolutes karnevalistisches "MUSS" sind.

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  4. Schön dass du die Geschichte mir in Erinnerung gerufen hast ;-)

    Durch den Umzug von Köln nach Norddeutschland den Bezug zum Karneval verloren, habe ich ihn hier wiedergefunden. So bin ich dann auch immer verkleidet und erfreue mich am Umzug und den hiesigen Rhythmen :-)))

    Liebe Abendgrüssle

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  5. Wat een prachtig verhaal Dieter! En met een cameo-rol voor mijn favoriete generaal, Spinola.

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  6. Hallo Dieter
    Ja das ist Pflicht im Karneval, Mir war die Geschichte bekannt.
    Du hast schön den historischen Hintergrund erzählt.

    Liebe Grüße
    Angelika

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  7. Tja, wer haette das geahnt. ich schaue mal eben bei einem Niederlaender vorbei und finde dort einen Mann vom Niederrhein, der ausserdem auch noch niederrheinische Geschichten erzaehlt. Geschichten aus meiner Heimat, meinem stillen, sanften und nebligen niederrhein, den ich von herzen vermiss, auch nach ueber 30 Jahren noch.

    Hier komme ich noch oefters vorbei.

    Gruss von einem ehemals Krefelder Maedchen (das uebrigens auch nicht viel vom Karnevalstrubel haelt)

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  8. Hallo Dieter,
    endlich habe ich mich nun auch als Leser hier eingetragen. Dachte, das ginge ganz automatisch, hatte mich schon gewundert, dass ich keine Posts mehr bekam...
    Nun habe ich bis Wesseling "zurückgelesen". Die Geschichte von Jan und Griet war mir bekannt, aber es ist schön, normal so detailiertes bei Dir nachzulesen. "Arsch huh- Zäng usseinander" wurde von mir mit Begeisterung im TV verfolgt.
    Liebe Grüße
    Marita

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