Denkmal Caracciola |
Unvorstellbar ? Nun schaut Johann Otto August Caracciola
von seinem Denkmal rheinaufwärts, die Lastkähne tuckern auf dem Rhein. Der
Himmel drückt tief hängendes Gewölk herunter. In der Januarblässe steigen die auslaufenden
Berghänge der Eifel unvermutet an. Rheinaufwärts kanalisiert sich der Verkehr.
Bundesstraße plus Einsenbahnlinie plus Rhein, alles fließt. Das Gestänge der
Oberleitung frißt sich in den Berghang hinein. Die Verkehrstrassen schieben sich
wie ein Fremdkörper unter die Apollinariskirche, die schüchtern oben auf dem
Berg liegt.
Apollinaris-Kirche |
Es waren die Verkehrswege und der Schutz des
Rheintals, was die römische Siedlung „Rigomagus“ entstehen ließ. Erstmals durch
den römischen Chronisten Marcellinus erwähnt, konnte sich ein „oppidum
Rigomagus“ als einziger römischer Stützpunkt gegen die Germanen behaupten.
Dabei kommt der Name „Rigomagus“ nicht aus dem Germanischen, sondern aus dem
Keltischen. „Rigo“ bedeutet so viel wie König, „magus“ ist das Feld.
Römermuseum |
Die Römer hatten sich an dieser Stelle breit
gemacht. 30.000 Doppelschritte waren nach Köln zurückzulegen, das zählt ein
Meilensteinrest aus dem Jahr 145 zusammen. Kaiser Trajan sollte von dem
Außenlager in der fernen germanischen Provinz Notiz nehmen: „Dem Imperator und
Cäsar, dem Sohn des göttlichen Nerva, Nerva Trajanus, dem besten Augustus,
Germanicus …“, das hat sich auf einer Stele verewigt. Die Inschrift auf einem
Altar belegt sogar, dass „Rigomagus“ im Jahr 179 einen Hafen gehabt hat. Die
Überreste aus der Römerzeit sind vielfältig, wenngleich einige Bestände des
Römermuseums im zweiten Weltkrieg zerstört worden sind. In der Stadt muss man
schon mit mikroskopischem Blick hinsehen, um die Römerzeit zu entdecken. So
sind in der Kirche St. Peter und Paul einige Steinquader aus der Römerzeit
verbaut. Bruchsteine aus Grauwacke standen jedenfalls reichlich zur Verfügung,
denn an dieser Stelle, wo mehrere Jahrhunderte später die Kirche gebaut wurde,
war die römische Stadtmauer ein gewaltiges Monstrum. Drei Meter war sie breit
und sechs Meter ragte sie in die Höhe.
Die Gassen Remagens sind eine übersichtliche
Angelegenheit und bewegen sich in einem magischen Dreieck zwischen dem Bahnhof,
dem Rhein und der Kirche St. Peter und Paul. Römermuseum, Kirche St. Peter und
Paul, Caracciola-Gedenkzimmer, Rheinpromenade, Friedenskirche, Obelisk: in
handlichem und fußläufigem Format liegt alles schön dicht beisammen. Die Gassen
ergeben sich in der Januarblässe einer gewissen Trägheit. „Geschlossen vom 20.
Dezember bis zum 12. Januar“ weist ein Hotel mögliche Gäste ab. Die Besitzerin
tritt die Eingangstüren hinaus, schließt ab, wirft einen flüchtigen Blick über
das Treppengeländer. Wie schlaftrunken, staksen ihre Schritte über die
holprigen Pflastersteine. Schräg gegenüber, im Lokal „Kwartier Latäng“ stapeln
sich im Hinterhof leere Getränkekästen, die Türe des Lokals steht offen, der
Wirt hantiert unter schummrigen Licht an der Theke herum.
Gaststätte "Kwartier Lateng" |
„Rigomagus“ hielt sich hartnäckig. Bis in das 8.
Jahrhundert erschien es in den Annalen des Geographus Ravennae. Wie in anderen
Römerstädten, waren es in den nachfolgenden Jahrhunderten Kirchen und
christliche Märtyrer, die die Stadt zu neuem Leben erweckten. Des einen Freud, des
anderen Leid. Im 9. Jahrhundert wurde die Basilika in Ravenna in Oberitalien
geplündert, in der die Reliquien des Bischofs Apollinaris aufbewahrt wurden.
Die Reliquien verstreuten sich in ganz Europa und gelangten auch ins Rheinland
nach Remagen. Eine Kirche wurden auf den zum Rhein auslaufenden Berghängen
gebaut, Wallfahrten setzten ein, wobei die heutige Apollinaris-Kirche im 19.
Jahrhundert neu gebaut wurde.
Im Mittelalter erging es Remagen nicht viel anders
wie so manchen anderen Städten. Der 30-jährige Krieg, der weite Teile Süd-,
Südwest- und Ostdeutschlands in tiefstes Elend stürzte und regelrecht
entvölkerte, erreichte das Rheinland erst relativ spät. Aber dafür um so
heftiger. 1632 besetzten Truppen des schwedischen Feldherrn Wolf Heinrich von
Baudissin Remagen. Dabei hatte sich der Erzbischof von Köln mit den spanischen
Niederlanden verbündet. Im Januar 1633 befreiten die spanischen Niederlande
unter dem General Ernst von Isenburg-Grenzau die Stadt. Doch einen Monat
später, im Februar 1633, kehrten die schwedischen Truppen zurück und vertrieben
die spanisch-niederländischen Befreier. Diesmal legten sie die ganze Stadt in
Schutt und Asche und brannten die Stadt nieder. Die Kirche und 106 Häuser ohne
Scheunen und Stallungen verbrannten. Nur 24 Häuser waren stehen geblieben, und
bis auf weiteres verkrochen sich die Bewohner in ihren Kellern. Plünderungen
und Brandschatzungen, Besatzungen und Kontributionszahlungen, Erpressungen und
Misshandlungen hörten nicht auf. Noch 1714, als der spanische Erbfolgekrieg zu
Ende ging, beklagten sich die Remagener Bürger, sie wären so ausgesaugt und der
Nahrungsmittel entblößt wie zu Zeiten des 30-jährigen Krieges.
Sein Imperium konnten die schwedischen Truppen nicht
abfackeln, denn es entstand erst 250 Jahre später. Von seinem Denkmal aus
betrachtet Johann Otto August Caracciola, was von seinem Imperium übriggeblieben ist. Er war
nicht nur 19-facher Vater, Inhaber der Kölner Dampfschifffahrts-Gesellschaft,
agiler Geschäftsmann, sondern auch Hotelinhaber. Rheintourismus, Schifffahrt
und Hotels, das war alles miteinander fest verzahnt. Er stieg in das
Hotelgeschäft ein, wurde zum Bauherrn. 1858 wurde sein Hotel Fürstenberg
eröffnet. 1870 kaufte er ein weiteres Hotel, das daneben liegende „Hotel von
Preußen“, als sein Besitzer starb. Es ging noch weiter. 1869 gründete er in
Koblenz den „internationalen Verein der Gasthofbesitzer“, das war der Vorläufer
zu der heutigen „internationalen Hotelier Vereinigung“.
früheres Hotel von Preußen |
Das „Hotel von Preußen“ hat die Zeiten überdauert.
Heute ist es das „Ristorante da Franco“. Mit Würde repräsentiert es seine
geschichtsträchtige Vergangenheit. Die Rundbogenfenster haben Form und
Schönheit, der Rheinblick fügt seine eigenen Form- und Schönheitsideale dazu, an
den Seitenflügeln blättert die Farbe ab, in historisch gediegenem Ambiente kann
man italienisch essen, speisen und trinken.
Die übrige Rheinpromenade ist nicht häßlich, aber es
wäre vermessen, sie als schön zu bezeichnen. Sommers tummeln sich die
Ausflugstouristen, und nun genieße ich diese Januarblässe, in der die
Rheinpromenade ausholen und atmen kann. Entweder ist im Krieg zu vieles weg
bombardiert worden oder wie anderenorts haben phantasielose Stadtplaner ihr
Unwesen getrieben oder alle haben ihre Ideale auf dem Altar von Kostenobergrenzen
geopfert. Das ist jedenfalls platt, einfallslos, bauklotzartig und könnte
genauso in der Fußgängerzonen in Hagen, Bottrop oder Düren stehen.
Die wahre Schönheit des Rheins liegt auf der anderen
Seite. Unkel, Erpel, Linz, die Remagener blicken anderswo hin. Die Lastkähne
arbeiten sich rheinaufwärts voran. Zum Mythos der kriegszerstörten Brücke von
Remagen, die für mich heute zu Fuß zu weit ist.
Möven am Rhein |
Vermisst habe ich jetzt nur den legendären Rennfahrer "Karratsch" in deinem Post, der mir in Kindertagen ein Begriff war aus einem Zigarettenbildchen- Album, das ich von einer alten Nachbarin geschenkt bekommen hatte. Ansonsten trifft deine Beschreibung des Ortes den Nagel auf den Kopf.
AntwortenLöschenLG
Astrid
danke wieder für die interessanten Infos. Da war mein Geschichtsunterricht früher in der Schule im Vergleich doch sehr langweilig ;-)
AntwortenLöschenLieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Eine wunderbare Beschreibung der Stadt Dieter, hast du schön geschrieben, habe vor Jahren Remagen besucht. Unter anderem das Museum an der Brücke von Remagen.
AntwortenLöschenWünsche dir einen schönen Sonntag
liebe Grüße
Angelika
Wüsste gar nicht ob ich schon in Remagen gewesen bin....aber jedenfalls war es siehr interessant davon zu lesen.
AntwortenLöschenWünsche auch einen schönen Sonntag und sende herzliche Grüsse
Nova
Was für eine Arbeit die du hier in den Text gesteckt hast. Remagen wird direkt lebendig. Ich wünschte, ich könnte auch mit so offenen Augen und Wissendurst durch die Welt gehen. Deutschland hat soviel schöne Ecken. Leider gelingt mir das nur selten. Zuviel Alltag drumherum.
AntwortenLöschenSonntgasgruß vonner Grete
Hmmm, die Chancen stehen gut, dass das halbe Rheinland mit Herrn Caracciola verwandt ist :-D.
AntwortenLöschenRemagen kenne ich noch gar nicht, aber Dein Bericht macht mal wieder Lust, es kennen zu lernen!
Wünsche Dir einen schönen Sonntag!
Faszinierend... in so Momenten denkt man immer wieder wiviel man doch noch nicht gesehen hat...
AntwortenLöschenGanz lieben Gruß, Michaela