Einsam war der Augenblick, als ich unseren Flur
betrat. Die Kinder hatten sich in ihre Zimmer verteilt, meine Gattin war zur
Abendschule enteilt, die sie zweimal wöchentlich besuchte. Der Feierabend
empfing mich mit offenen Armen. breitete sich in der Leere des langen Korridors
aus, der sich am Treppengeländer mit viel Grün und Engeln und glitzernden Sternen
geweigert hatte, Abschied vom Weihnachtsfest zu nehmen. Ich schüttelte den Büroalltag ab, indem ich
meine Jacke auf einen Garderobenhaken schmiß. Auf den Bodenfliesen hallten
meine Schritte wider, bis ein Läufer den hohlen Klang verwischte.
Derweil ich die Umklammerung durch den Büroalltag
losgeworden war, wartete die nächste Umklammerung auf mich. Ich erreichte sie,
als ich die Schiebetüre zur Küche beiseite stieß. Hunger meldete sich nach
Feierabend, und ich durfte unsere beiden Kinder bekochen. Streßmomente blitzten
auf, als mich die Unordnung auf der Küchenanrichte empfing.
Als Mann hatte ich meine eigenen Umgangsformen
entwickelt, um mit der Kocherei klar zu kommen. In der Ruhe liegt die Kraft. Ich
bin glücklich, dass es diese Momente gibt, dass Mann und Frau manche Dinge
getrennt organisieren müssen. Beim Kochen habe ich ein schlechtes
Teamverständnis. Frau hatte sich stets um die Kocherei gekümmert. Würzen,
Soßen, Salate, Gemüse, Garzeiten, die Handhabung des Schnellkochtopfs: bei mir
wimmelt es vor Unzulänglichkeiten – vorsichtig ausgedrückt, sind meine
Kenntnisse ausbaufähig.
Kochen ist ein Stück Meditation. Kochen fördert
klares Denken. Abläufe müssen komplett vom Anfangszeitpunkt bis zum
Endzeitpunkt – wenn alles gar ist – durchdacht werden. Ich habe mich arrangiert
mit den Momenten des Kochens, versuche, Neues auszuprobieren und Lerneffekte zu
erzielen. Ganz von vorne beginnen, an den Wurzeln der Kochkünste, mit einfachen
und handhabbaren Gerichten. Meine Konzentration lief auf Hochtouren. Ungestört,
ohne dass mir jemand hinein redete, vermochten mich die Streßmomente nicht
aufzuschrecken.
Heute sollte ich kennen lernen, dass Momente im
Kleinen ihre Größe entwickeln können. Für die Kinder bereitete ich Zucchini mit
Gnocchi in der Auflaufform zu – das geschah mit einer Fertig-Soße von
Maggi-Fix. Für mich selbst war ich bescheiden, kochte auf einfachem Niveau: ich
schnitt rohe Kartoffeln in kleine Scheiben, würzte sie mit Paprika und Salz, bratete
sie in Öl in der Pfanne.
In unseren Garten hatte sich längst die Dunkelheit
hinab gesenkt. In der Küche ergoß die Neonröhre ihr Licht, leuchtete die
überquellende Papiertonne aus. In wirrer Anordnung lungerten Gläser auf der
Spüle herum, während in der notdürftig eingeräumten Spüle eine gähnende
Leere herrschte.
Ich war in meinem Element, schaltete das
Internet-Radio ein. Ich sinnierte, meine Gedanken kreisten, bis sie sich am
Rezept festhakten. Die Katzen wuschelten um meine Beine herum. Schnell aufräumen,
wegräumen. Das Schöne am Kochen ist, dass man sein Gehirn einschalten muss,
bevor man einen Handgriff macht. Ich fischte die beiden Zucchini aus unserer
Obstschale, zerkleinerte sie in Scheiben, prüfte die bruzzelnden
Kartoffelscheiben, schaute auf unsere Küchenuhr, schaltete den Backofen ein,
wog die Gnocchis ab, mischte Gnocchis mit Zucchini, beförderte das Gemisch aus
dem Kochtopf in die Auflaufform, streute Käse darüber, ab in den Backofen.
Der Auflauf brodelte vor sich her, ich lehnte mich
zurück. „Whisky in the Jar“ von Thin Lizzy dudelte aus dem Internet-Radio. Ich
versuchte, die Reibeisenstimme von Phil Lynott nachzusingen, ohne Erfolg, und es
lag außerhalb meines Vorstellungsvermögens, wieviel Whisky ich saufen müsste, um
solche eine heisere Stimme heraus zu posaunen.
Nun war Kochen Pause, Erholung, Meditation,
Inspiration. Ich ruhte in mir selbst. Bis das Essen fertig war, der Tisch
gedeckt. Die gebratenen Kartoffelscheiben waren eine Granate, eine wahre
Delikatesse. Die Kinder ließen sich ihren Zucchini-Auflauf schmecken, während
die gebratenen Kartoffelscheiben kross bis weich waren, herzhaft auf der Zunge
zergingen, der Geschmack nach Kartoffeln so gepflegt war wie in Belgien Fritten
zubereitet wurden. Die Kartoffelscheiben lachten mich in der Pfanne an. Ich war
verdutzt, mit welchen einfachen Mittel man welches leckeres Essen hervor
zaubern konnte.
Der Augenblick wirkte nach. Noch am nächsten Tag,
als ich im Büro saß, plagte mich vor der Mittagspause der Hunger. Ich hatte
Appetit auf diese gebratenen Kartoffelscheiben. Glücksmomente schwappten
herüber. Wie aus kleinen Momenten ganz große werden.
Herzlichen Glückwunsch zum Start! Das freut mich!
AntwortenLöschenKlingt nach einem prima Moment, der mir direkt Appetit gemacht hat.
Gefällt mir.
Herzlichen Gruß
Brigitta
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenUnd wenn die Phase mit den Fertig-Würzmischungen überwunden ist wirst du erstaunt sein, mit welch einfachen Mitteln man auch ohne Maggi, Knorr und Co kochen kann.
AntwortenLöschenDann brauchst du auch irgendwann dieses Rezept nicht mehr: Klick mich
Eien schöne Momentbeschreibung. Erstaunlich, was man mit Worten aus einer alltäglichen Situation machen kann. Dein Text wirkt auf mich, wie auf dich deine Bratkartoffeln.
AntwortenLöschenSamstäglichen Gruß vonner Grete
Hej Dieter,
AntwortenLöschenha, wenn ich koche, dann bin ich am liebsten alleine. Nicht nur für Dich sind es Momente der höchsten Konzentration, auch bei mir geht da nix "ex ärmulo"! Aus der Not heraus hielt ich mich bisher immer an die Aussage meiner Mutter:"Wer lesen kann, kann kochen". Im Grunde hat sie recht :-).
Die Idee von Brigitta gefällt mir übrigens. Ich überlege auch mitzuschreiben. Eine schöne Aufgabe, finde ich! Dir ist es sehr gut gelungen, denn man bekommt Appetit beim Lesen!
Gruß Beate
Haste klasse beschrieben, und wenn es dann noch gelobt wird dann ist es das größe Geschenk. Für mich selbst ist kochen eine Entspannung pur. Meist nach Schnauze probiere und teste ich einfach, alles was der Kühlschrank und Garten hergibt. Vor allem Kräuter sind ein Muss. Dabei immer Musik oder ein Hörbuch wenn nicht gerade Freunde mit dabei sind.
AntwortenLöschenWünsche dir ein schönes Wochenende und sende herzliche Grüsse
Nova
das dachte ich mir dass du bei dem Projekt dabei bist ... dabei sein musst :-)
AntwortenLöschendeine Beschreibung vom Koch-Abend habe ich gerne gelesen - und der Absatz mit dem Whisky hat mich zum Schmunzeln gebracht. Irgendwie habe ich jetzt auch Appetit auf gebratene Kartoffelscheiben ...
lieber Wochenendgruß von Heidi-Trollspecht
Wow, wat een goede blog. Je schrijft zo beelden, dat ik bijna de geuren uit je keuken kan ruiken ... Je bent sterk in sfeer beschrijven. Leuke blog.
AntwortenLöschenGroetjes: Aritha