Donnerstag, 23. Januar 2014

auf der Krönungsstraße von Frankfurt am Main nach Aachen

Albrecht Dürer, Karl der Große (1513)
Quelle: Wikipedia
Kaiser, Könige und Herrscher führten ein unstetes Leben, denn sie mussten nicht nur große Schlachten schlagen, sondern sie mussten reisen. Dies geschah ausgedehnt, damit die Herrscher wussten, was bis in den letzten Winkeln ihres Herrschafts- und Königreich los war.

Es war kein geringerer als Karl der Große, der eine familienfreundliche Politik betrieb. Er kümmerte sich selbst um die Erziehung seiner Söhne und Töchter, speiste zu Hause stets mit ihnen zusammen. Abgöttisch liebte er seine Töchter, weil sie sehr schön waren, und am liebsten hätte er sie alle bis zu seinem Tode in seinem Haus behalten. Er war Patriarch, und außer Frau und Kinder lebten noch Mutter, Schwester, Onkel und Tanten in seinem Hause. Seine familienfreundliche Politik ging sogar soweit, dass er seine Großfamilie auf Reisen mitnahm. Wenn er nicht gerade Krieg führte, was wohl einen großen Teil seines Lebens ausgemacht hat.

Das klingt unglaublich ? Ist es aber nicht, denn der Gelehrte Einhard war Architekt am Hofe Karls des Großen und hat nach seinem Tode 814 eine Biografie geschrieben, die „Vita Caroli Magni“. Dadurch wissen wir relativ viel über den ersten Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation in dieser ansonsten eher armen Zeit des Frühmittelalters, was historische Quellen betrifft.

Wenn er reiste, übernachtete er in „villae“ oder Pfalzen. Dabei erscheinen die Worte „villae“ oder „palatium“ gleichrangig in den historischen Quellen. Inventare des frühen 9. Jahrhunderts beschreiben, wie solche „villae“ in Flandern ausgesehen haben: „… Sehr schön aus Stein errichtet, mit drei Hallen, elf Frauengemächern und ganz von einer Galerie umgeben. Fernerr fanden wir einen Keller, zwei Portiken, im Inneren des Hofes siebzehn weitere Holzhäuser mit ebenso vielen Gemächern. Alle übrigen Nebengebäude waren in gutem Zustand: ein Stall, eine Küche, eine Bäckerei, zwei Getreidespeicher, drei Scheunen; ein Hof mit festem zaun, einem steinernen Tor und darüber eine Galerie, ein weiterer kleiner Hof, ebenfalls mit einem festen Zaun umschlossen, ordentlich angelegt und mit verschiedenen Baumsorten bepflanzt.“

Dort ließ es sich mit Kind und Kegel gut aushalten. Ein Junker verwaltete die „villae“, Bauern und Knechte kümmerten sich um das Anwesen. Im „capitulare de villis“ war sogar akribisch geregelt, wie solch ein Gut zu bewirtschaften war. Während die Kaiserpfalz in Aachen weithin bekannt ist, standen im Rheinalnd weitere „villae“ oder Pfalzen in Düren und Sinzig. So berichtet Einhard, dass Karl der Große sich am 25.12.769 und am 15.9.774 in der „villa Duria“ aufgehalten hat – das ist Düren. Die Pfalz in Sinzig wird in einer Urkunde in der Kirche in Kesseling erwähnt – das liegt in einem Seitental der Ahr - , dass Karl der Große am 7.7.762 Eigentumsrechte an einer „palatium Sintiacum“ erwarb.

Wenn Karl der Große mit Frau und Kind und Kegel von Pfalz zu Pfalz gereist war, dann musste es logischerweise Verkehrswege zwischen den Pfalzen geben. Dass Karl der Große und andere Könige des karolingischen Adelsgeschlechts über die Strecke Aachen - Düren - Sinzig den Rhein entlang gereist waren, dazu sind die Belege im frühen Mittelalter noch zu dürftig. Einhard nennt in seiner „Vita Caroli Magni“ einen Ort „Hludovesthorp“ an der Ahr, dass könnte „Lohrsdorf“ bei Sinzig sein. 870 erleidet Ludwig der Deutsche einen Unfall in „quandam regiam villam nomine Flamersheim“. Flamersheim liegt bei Euskirchen. Die Existenz dieser Straßenverbindung bleibt aber Spekulation.

Straßenkarte von Sebastian Münster (1515)
Es mussten Quellen aus späteren Jahrhunderten durchforscht werden, um dieses Geheimnis zu lüften. Das Geheimnis trägt das Kürzel „AFH“ und erscheint 1515 in der Kartografie als „Codex latinus 10691 Manuscriptum mathematicum“ in der königlichen Hof- und Staatsbibliothek in München. Der Cosmograph Sebastian Münster hat eine Straßenkarte gezeichnet, auf der er die Orte Ach (Aachen), „Tewern“ (Düren), „Tormens“ (Tomburg bei Rheinbach) und „Rynmagen“ (Remagen) nennt. Noch früher, im 14. Jahrhundert, erscheint die Straße im „Itinéraire Brugeois“ als Pilgerstraße von Brügge den Rhein entlang nach Venedig – aber ohne die Bezeichnung „AFH“.

„AFH“ steht für Aachen-Frankfurter-Heerstraße und taucht seit dem 15. Jahrhundert durchgängig als Straßenbezeichnung auf. Zu dieser Zeit musste das Verkehrsaufkommen auf der AFH riesig gewesen sein – sozusagen wie heutzutage auf einer Autobahn. 1510 berichtete ein Wallfahrer aus Metz in Lothringen, dass er auf seiner Reise nach Aachen an einem Nachmittag „auf der großen Straße“ an mehr als 50.000 Menschen vorbeigeritten sei. 1546 steht in der Marschordnung des Generals von Büren, dass er mit seinem Heer Aachen verlassen hatte und über die AFH von Düren bis nach Andernach geritten war. 1496 wird die AFH im Kursbuch der Thurn- und Taxisschen Post erwähnt, dass diese Teil der großen niederländisch-tirolischen-italienischen Postroute war.

Ebenso nahmen Handel und Gütertransport zu, zumal die Stadt Köln 1256 das Stapelrecht eingeführt hatte. Neben dem Wegezoll, der ohnehin üblich war, mussten Kaufleute alle über den Rhein transportierten Waren zum Kauf anbieten. Das kostete nicht nur Zeit, sondern auch Geld, wenn sie die Fahrt über den Rhein nicht stoppen wollten, denn gegen Zahlung eines Stapelgeldes konnte die Schiffsladung ihre Reise fortsetzen.

Straßenkarte im Eifel- und Hunsrückgebiet (15. - 18. Jh.)
Um diesem Ärgernis zu entgehen, luden die Kaufleute ihre Waren am Hafen in Remagen aus, und machten auf dem Landweg über die AFH einen großen Bogen um Köln. Die Städte entlang der AFH waren aber nicht dumm und wollten von dem blühenden Handel profitieren, und so entstand das nächste Ärgernis: sie richteten Zollstellen ein. So war Rheinbach prädestiniert für den Wegezoll, denn dort kreuzten sich zwei bedeutende Fernhandelswege, das waren die AFH und die alte Römerstraße vom Rheintal in die Eifel. Die Stadtkämmerer in Rheinbach rieben sich die Hände, denn die Einnahmen aus den Zollgebühren stiegen von 1421 nach 1449 von 252 rheinischen Gulden auf 925 rheinische Gulden.

Doch die Kaufleute ließen sich nicht alles gefallen. 1470 beschwerten sie sich beim Kölner Magistrat – aber ohne Erfolg. Anders geschah es Gerhard von Are, dem Propst des Bonner Cassius-Stiftes. Er richtete bei Eckendorf eine Zollstelle ein. Diesmal beschwerten sich die Kaufleute direkt beim König. Daraufhin musste Gerhard von Are geloben, den zu Unrecht erhobenen Zoll in Zukunft nicht mehr zu verlangen. Weiterer Zank und Streit entstand, weil es eine Anweisung des Aachener Bischofs gab, dass alle Pilger keinen Wegezoll zu zahlen hatten. So schrieb der König direkt an König Offa von Mercien im Nahen Orient, dass er das Treiben gewisser Pilger beklage, die zudem keinen Wegezoll zahlten.

Es war die Krönung Heinrichs III. im Jahr 1028, die die AFH zur Krönungsstraße gemacht hatte. „Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation“, diese höchste Stufe der Krönung hatte Karl der Große eingeführt. Zuerst die Kaiserkrönung in Aachen, wo er die Reichsinsignien Krone, Zepter und Schwert erhielt, dann die Vollendung in Rom, indem der Papst dem Kaiser seinen Heiligen Segen dazugab. Das Jahr 1028 war ein besonderes, denn zuvor fand erstmals eine Wahl statt. Das war keine Wahl nach heutigem Verständnis, denn es wurde vielmehr ein richtiger Nachfolger aus dem Adelsgeschlecht des verstorbenen Königs ernannt oder benannt. Gewählt wurde in Frankfurt am Main. Dort nahm die Zeremonie ihren Lauf, denn der frisch gewählte König reiste nach Aachen zur Krönung. Die Reise folgte dem Main, dann dem Rhein, wobei die „villae“ oder Pfalzen Fixpunkte auf der Reiseroute waren. Rheinaufwärts Ingelheim bei Mainz, im Rheinland dann Sinzig und Düren.

Goldene Bulle (um 1400)
Quelle Wikipedia
Heinrich III. war der erste deutsche Kaiser, der nachweislich die Strecke von Frankfurt am Main nach Aachen zurückgelegt hatte. Noch genaueres weiß man von Friedrich Barbarossa etwas mehr als einhundert Jahre später. Er wurde am 4.3.1152 in Frankfurt zum König gewählt. Am 6.3.1152 betrat er in Frankfurt das Schiff. Am selben Tag erreichte er Sinzig („in villa regali Sinziche applicuit“). Am 9.3.1152 ritt er mit dem Pferd weiter und erreichte abends Aachen. Später, 1356, wurden die Vorgehensweisen der Wahl und der Krönung des deutschen Königs in Aachen in der „Goldenen Bulle“ festgeschrieben. Erst Napoleon, danach die Preußen, machten diese Wahl ab Ende des 18. Jahrhunderts hinfällig.

Auf 259 Metern Höhe, auf der höchsten Erhebung zwischen Düren und Sinzig, zwischen Fritzdorf und Ringen in Grafschaft, erinnert man sich heutzutage an die Krönungsstraße. Das Gelände steigt an, ein Wirtschaftsweg schiebt sich durch Plantagen von Apfelbäumen. Oben, auf der Höhe, besticht die Aussicht ins Gelände hinein, das wie Bugwellen ansteigt, dann ins Ahrtal abstürzt und dann in der Ferne an den bewaldeten Hängen der Eifel wieder ansteigt. Eine Windmühle ohne Flügel sticht in die Weite hinein. Ein Ort zum Innehalten, ein „genius loci“, der den Kopf frei macht und gleichzeitig Ideen sucht, entwickelt und sammelt.

Allenfalls kümmerliche Reste haben sich von der Krönungsstraße erhalten. Das Kopfsteinpflaster, das seitwärts an der Windmühle vorbei führt, kann jedenfalls nicht zur Krönungsstraße gehören, denn auf solch einer rumpligen Oberfläche können keine Pferdefuhrwerke mit schwer beladenen Wagen auf längerer Strecke verkehrt haben. Die Krönungsstraße versteckt sich hinter Wegen, Straßen, mit Schotter besser befestigte Straßen, die im Verlauf der Jahrhunderte längst mit Gestrüpp zugewuchert sind. Das Ende der Krönungsstraße kam mit der Eisenbahn, die Waren besser, schneller und günstiger transportieren konnte. Heute ist die Krönungsstraße fast verschwunden, aber im Abschnitt von Rheinbach über Grafschaft nach Sinzig versuchen Hinweistafeln, sie wieder zu beleben. Meist erinnern nur noch Flurnamen an Könige, Herrscher und Geschichten entlang der Krönungsstraße.

eigenes Foto
Die AFH oder Krönungsstraße verläuft heute im Abschnitt vom Autobahndreieck Bad Neuenahr bis zum Autobahnkreuz Kerpen ungefähr parallel zur heutigen Autobahn A61. Das ist aber Zufall, denn die Planer der Autobahntrasse werden kaum von der einst großen Heer,- Pilger-, Post- und Handelsstraße gewußt haben.

Quellen:
http://www.via-regia.org/bibliothek/pdf/Kroenungsstr.Sinzig.Dueren.pdf
J. Nottebrock: die Aachen-Frankfurter-Heerstraße in ihrem Verlauf von Aachen bis Sinzig
Pierre Riché: Die Karolinger

2 Kommentare:

  1. Sehr interessanter Bericht wieder. So habe ich von der Krönungsstraße bewusst noch nicht gehört. Kann man mal wieder sehen wie genial sie schon früher gedacht haben, denn das zeigt ja die Autobahnplanung^^

    Liebe Grüsse

    Nova

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  2. Lieber Dieter,
    oh muss das Reisen damals aufwendig gewesen sein - erst recht für große Herrscher und ihr riesiges Gefolge! Ich habe eben Noah Gordons "Der Medicus" wieder gelesen (nachdem wir den Film im Kino gesehen hatten und ich mich erinnern konnte, dass im Roman einiges ganz anders war) - und da wird ja auch gereist, so um 1025 herum von London bis nach Isfahan, 20 Monate lang, durch Frankreich, Deutschland, Böhmen... Über die unwegsamsten Straßen, aber auch über bessere Verkehrsverbindungen - wer weiß, vieleicht war sogar ein Teilstück der Krönungssstraße dabei...
    Ein wunderschönes Wochenende wünsch ich dir und deinen Lieben!
    Einen schönen Abend noch
    und liebe Rostrosengrüße, Traude
    ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥:

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