Albrecht Dürer, Karl der Große (1513) Quelle: Wikipedia |
Es war kein geringerer als Karl der Große, der eine
familienfreundliche Politik betrieb. Er kümmerte sich selbst um die Erziehung
seiner Söhne und Töchter, speiste zu Hause stets mit ihnen zusammen. Abgöttisch
liebte er seine Töchter, weil sie sehr schön waren, und am liebsten hätte er
sie alle bis zu seinem Tode in seinem Haus behalten. Er war Patriarch, und
außer Frau und Kinder lebten noch Mutter, Schwester, Onkel und Tanten in seinem
Hause. Seine familienfreundliche Politik ging sogar soweit, dass er seine
Großfamilie auf Reisen mitnahm. Wenn er nicht gerade Krieg führte, was wohl
einen großen Teil seines Lebens ausgemacht hat.
Das klingt unglaublich ? Ist es aber nicht, denn der
Gelehrte Einhard war Architekt am Hofe Karls des Großen und hat nach seinem Tode 814
eine Biografie geschrieben, die „Vita Caroli Magni“. Dadurch wissen wir relativ viel über den ersten Kaiser des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation in dieser ansonsten eher armen Zeit des Frühmittelalters, was historische Quellen betrifft.
Wenn er reiste, übernachtete er in „villae“ oder
Pfalzen. Dabei erscheinen die Worte „villae“ oder „palatium“ gleichrangig in
den historischen Quellen. Inventare des frühen 9. Jahrhunderts beschreiben, wie
solche „villae“ in Flandern ausgesehen haben: „… Sehr schön aus Stein
errichtet, mit drei Hallen, elf Frauengemächern und ganz von einer Galerie
umgeben. Fernerr fanden wir einen Keller, zwei Portiken, im Inneren des Hofes
siebzehn weitere Holzhäuser mit ebenso vielen Gemächern. Alle übrigen
Nebengebäude waren in gutem Zustand: ein Stall, eine Küche, eine Bäckerei, zwei
Getreidespeicher, drei Scheunen; ein Hof mit festem zaun, einem steinernen Tor
und darüber eine Galerie, ein weiterer kleiner Hof, ebenfalls mit einem festen
Zaun umschlossen, ordentlich angelegt und mit verschiedenen Baumsorten
bepflanzt.“
Dort ließ es sich mit Kind und Kegel gut aushalten.
Ein Junker verwaltete die „villae“, Bauern und Knechte kümmerten sich um das
Anwesen. Im „capitulare de villis“ war sogar akribisch geregelt, wie solch ein
Gut zu bewirtschaften war. Während die Kaiserpfalz in Aachen weithin bekannt ist, standen im Rheinalnd weitere „villae“ oder Pfalzen in Düren und Sinzig.
So berichtet Einhard, dass Karl der Große sich am 25.12.769 und am 15.9.774 in
der „villa Duria“ aufgehalten hat – das ist Düren. Die Pfalz in Sinzig wird in
einer Urkunde in der Kirche in Kesseling erwähnt – das liegt in einem Seitental
der Ahr - , dass Karl der Große am 7.7.762 Eigentumsrechte an einer „palatium Sintiacum“
erwarb.
Wenn Karl der Große mit Frau und Kind und Kegel von
Pfalz zu Pfalz gereist war, dann musste es logischerweise Verkehrswege zwischen
den Pfalzen geben. Dass Karl der Große und andere Könige des karolingischen
Adelsgeschlechts über die Strecke Aachen - Düren - Sinzig den Rhein entlang
gereist waren, dazu sind die Belege im frühen Mittelalter noch zu dürftig. Einhard
nennt in seiner „Vita Caroli Magni“ einen Ort „Hludovesthorp“ an der Ahr, dass
könnte „Lohrsdorf“ bei Sinzig sein. 870 erleidet Ludwig der Deutsche einen
Unfall in „quandam regiam villam nomine Flamersheim“. Flamersheim liegt bei
Euskirchen. Die Existenz dieser Straßenverbindung bleibt aber Spekulation.
Straßenkarte von Sebastian Münster (1515) |
Es mussten Quellen aus späteren Jahrhunderten durchforscht
werden, um dieses Geheimnis zu lüften. Das Geheimnis trägt das Kürzel „AFH“ und
erscheint 1515 in der Kartografie als „Codex latinus 10691 Manuscriptum
mathematicum“ in der königlichen Hof- und Staatsbibliothek in München. Der
Cosmograph Sebastian Münster hat eine Straßenkarte gezeichnet, auf der er die Orte
Ach (Aachen), „Tewern“ (Düren), „Tormens“ (Tomburg bei Rheinbach) und „Rynmagen“
(Remagen) nennt. Noch früher, im 14. Jahrhundert, erscheint die Straße im „Itinéraire
Brugeois“ als Pilgerstraße von Brügge den Rhein entlang nach Venedig – aber ohne
die Bezeichnung „AFH“.
„AFH“ steht für Aachen-Frankfurter-Heerstraße und
taucht seit dem 15. Jahrhundert durchgängig als Straßenbezeichnung auf. Zu
dieser Zeit musste das Verkehrsaufkommen auf der AFH riesig gewesen sein –
sozusagen wie heutzutage auf einer Autobahn. 1510 berichtete ein Wallfahrer aus
Metz in Lothringen, dass er auf seiner Reise nach Aachen an einem Nachmittag „auf
der großen Straße“ an mehr als 50.000 Menschen vorbeigeritten sei. 1546 steht
in der Marschordnung des Generals von Büren, dass er mit seinem Heer Aachen
verlassen hatte und über die AFH von Düren bis nach Andernach geritten war. 1496
wird die AFH im Kursbuch der Thurn- und Taxisschen Post erwähnt, dass diese
Teil der großen niederländisch-tirolischen-italienischen Postroute war.
Ebenso nahmen Handel und Gütertransport zu, zumal
die Stadt Köln 1256 das Stapelrecht eingeführt hatte. Neben dem Wegezoll, der
ohnehin üblich war, mussten Kaufleute alle über den Rhein transportierten Waren
zum Kauf anbieten. Das kostete nicht nur Zeit, sondern auch Geld, wenn sie die
Fahrt über den Rhein nicht stoppen wollten, denn gegen Zahlung eines
Stapelgeldes konnte die Schiffsladung ihre Reise fortsetzen.
Straßenkarte im Eifel- und Hunsrückgebiet (15. - 18. Jh.) |
Um diesem Ärgernis zu entgehen, luden die Kaufleute
ihre Waren am Hafen in Remagen aus, und machten auf dem Landweg über die AFH
einen großen Bogen um Köln. Die Städte entlang der AFH waren aber nicht dumm
und wollten von dem blühenden Handel profitieren, und so entstand das nächste
Ärgernis: sie richteten Zollstellen ein. So war Rheinbach prädestiniert für den
Wegezoll, denn dort kreuzten sich zwei bedeutende Fernhandelswege, das waren
die AFH und die alte Römerstraße vom Rheintal in die Eifel. Die Stadtkämmerer in
Rheinbach rieben sich die Hände, denn die Einnahmen aus den Zollgebühren
stiegen von 1421 nach 1449 von 252 rheinischen Gulden auf 925 rheinische Gulden.
Doch die Kaufleute ließen sich nicht alles gefallen.
1470 beschwerten sie sich beim Kölner Magistrat – aber ohne Erfolg. Anders
geschah es Gerhard von Are, dem Propst des Bonner Cassius-Stiftes. Er richtete
bei Eckendorf eine Zollstelle ein. Diesmal beschwerten sich die Kaufleute
direkt beim König. Daraufhin musste Gerhard von Are geloben, den zu Unrecht
erhobenen Zoll in Zukunft nicht mehr zu verlangen. Weiterer Zank und Streit
entstand, weil es eine Anweisung des Aachener Bischofs gab, dass alle Pilger
keinen Wegezoll zu zahlen hatten. So schrieb der König direkt an König Offa von
Mercien im Nahen Orient, dass er das Treiben gewisser Pilger beklage, die zudem
keinen Wegezoll zahlten.
Es war die Krönung Heinrichs III. im Jahr 1028, die
die AFH zur Krönungsstraße gemacht hatte. „Kaiser des Heiligen römischen
Reiches deutscher Nation“, diese höchste Stufe der Krönung hatte Karl der Große
eingeführt. Zuerst die Kaiserkrönung in Aachen, wo er die Reichsinsignien Krone,
Zepter und Schwert erhielt, dann die Vollendung in Rom, indem der Papst dem
Kaiser seinen Heiligen Segen dazugab. Das Jahr 1028 war ein besonderes, denn zuvor
fand erstmals eine Wahl statt. Das war keine Wahl nach heutigem Verständnis,
denn es wurde vielmehr ein richtiger Nachfolger aus dem Adelsgeschlecht des
verstorbenen Königs ernannt oder benannt. Gewählt wurde in Frankfurt am Main.
Dort nahm die Zeremonie ihren Lauf, denn der frisch gewählte König reiste nach
Aachen zur Krönung. Die Reise folgte dem Main, dann dem Rhein, wobei die
„villae“ oder Pfalzen Fixpunkte auf der Reiseroute waren. Rheinaufwärts
Ingelheim bei Mainz, im Rheinland dann Sinzig und Düren.
Goldene Bulle (um 1400) Quelle Wikipedia |
Heinrich III. war der erste deutsche Kaiser, der
nachweislich die Strecke von Frankfurt am Main nach Aachen zurückgelegt hatte. Noch
genaueres weiß man von Friedrich Barbarossa etwas mehr als einhundert Jahre
später. Er wurde am 4.3.1152 in Frankfurt zum König gewählt. Am 6.3.1152 betrat
er in Frankfurt das Schiff. Am selben Tag erreichte er Sinzig („in villa regali
Sinziche applicuit“). Am 9.3.1152 ritt er mit dem Pferd weiter und erreichte
abends Aachen. Später, 1356, wurden die Vorgehensweisen der Wahl und der
Krönung des deutschen Königs in Aachen in der „Goldenen Bulle“ festgeschrieben.
Erst Napoleon, danach die Preußen, machten diese Wahl ab Ende des 18.
Jahrhunderts hinfällig.
Auf 259 Metern Höhe, auf der höchsten Erhebung
zwischen Düren und Sinzig, zwischen Fritzdorf und Ringen in Grafschaft, erinnert man sich heutzutage an die Krönungsstraße.
Das Gelände steigt an, ein Wirtschaftsweg schiebt sich durch Plantagen von
Apfelbäumen. Oben, auf der Höhe, besticht die Aussicht ins Gelände hinein, das
wie Bugwellen ansteigt, dann ins Ahrtal abstürzt und dann in der Ferne an den
bewaldeten Hängen der Eifel wieder ansteigt. Eine Windmühle ohne Flügel sticht
in die Weite hinein. Ein Ort zum Innehalten, ein „genius loci“, der den Kopf
frei macht und gleichzeitig Ideen sucht, entwickelt und sammelt.
Allenfalls kümmerliche Reste haben sich von der
Krönungsstraße erhalten. Das Kopfsteinpflaster, das seitwärts an der Windmühle
vorbei führt, kann jedenfalls nicht zur Krönungsstraße gehören, denn auf solch
einer rumpligen Oberfläche können keine Pferdefuhrwerke mit schwer beladenen
Wagen auf längerer Strecke verkehrt haben. Die Krönungsstraße versteckt sich
hinter Wegen, Straßen, mit Schotter besser befestigte Straßen, die im Verlauf
der Jahrhunderte längst mit Gestrüpp zugewuchert sind. Das Ende der
Krönungsstraße kam mit der Eisenbahn, die Waren besser, schneller und günstiger
transportieren konnte. Heute ist die Krönungsstraße fast verschwunden, aber im
Abschnitt von Rheinbach über Grafschaft nach Sinzig versuchen Hinweistafeln,
sie wieder zu beleben. Meist erinnern nur noch Flurnamen an Könige, Herrscher und
Geschichten entlang der Krönungsstraße.
eigenes Foto |
Die AFH oder Krönungsstraße verläuft heute im
Abschnitt vom Autobahndreieck Bad Neuenahr bis zum Autobahnkreuz Kerpen ungefähr
parallel zur heutigen Autobahn A61. Das ist aber Zufall, denn die Planer der
Autobahntrasse werden kaum von der einst großen Heer,- Pilger-, Post- und
Handelsstraße gewußt haben.
Quellen:
http://www.via-regia.org/bibliothek/pdf/Kroenungsstr.Sinzig.Dueren.pdf
J. Nottebrock: die Aachen-Frankfurter-Heerstraße in ihrem Verlauf von Aachen bis Sinzig
Pierre Riché: Die Karolinger
Sehr interessanter Bericht wieder. So habe ich von der Krönungsstraße bewusst noch nicht gehört. Kann man mal wieder sehen wie genial sie schon früher gedacht haben, denn das zeigt ja die Autobahnplanung^^
AntwortenLöschenLiebe Grüsse
Nova
Lieber Dieter,
AntwortenLöschenoh muss das Reisen damals aufwendig gewesen sein - erst recht für große Herrscher und ihr riesiges Gefolge! Ich habe eben Noah Gordons "Der Medicus" wieder gelesen (nachdem wir den Film im Kino gesehen hatten und ich mich erinnern konnte, dass im Roman einiges ganz anders war) - und da wird ja auch gereist, so um 1025 herum von London bis nach Isfahan, 20 Monate lang, durch Frankreich, Deutschland, Böhmen... Über die unwegsamsten Straßen, aber auch über bessere Verkehrsverbindungen - wer weiß, vieleicht war sogar ein Teilstück der Krönungssstraße dabei...
Ein wunderschönes Wochenende wünsch ich dir und deinen Lieben!
Einen schönen Abend noch
und liebe Rostrosengrüße, Traude
♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: ♥: