Dienstag, 7. Januar 2014

Dreikönigsschrein


Meister der Johannes-Vision; Köln - Wallraf-Richartz-Museum
Der Glaube konnte Berge versetzen. Heilige wiesen die Menschen in eine bessere Welt. Knochen und Gebeine wurden im Mittelalter so verehrt wie Pop-Stars in unserer heutigen Zeit. Doch die Verehrung ging viel tiefer, als wenn heute das Grab eines Jim Morrison auf dem Friedhof „Père-Lachaise“ in Paris verehrt wird. Damals suchten die Menschen Erzählungen, Bilder, Symbole, Zeichen, Wunder. Der Glaube wurde zur Gewißheit,. Klar schälten sich die Umrisse einer Erfüllung heraus. Reliquien versprachen Heilung. Altarbilder ebneten den Weg zu Tugend und Weisheit. Am Pilgerstab baumelnd, den Pilgermantel umgehangen, setzte das Massenphänomen von Wallfahrten ein. „De admiranda, sacra et civili magnitudine Coloniae“, so beschreibt der Kölner Gelehrte Aegidius Gelenius, Stiftsherr von St. Andreas, 1645 seine Stadt als Pilgerziel, auf Deutsch: von der bewundernswerten, heiligen und zivilen Größe Kölns.

Nachdem im 9. Jahrhundert das Grab des Apostels Jakobus des Älteren entdeckt wurde, ergossen sich wahre Pilgerströme nach Santiago de Compostella. Nach dem 23. Juli 1164 sollte die nordwest-spanische Stadt Konkurrenz aus dem Rheinland bekommen.

Am 23. Juli 1164 endete ein waghalsiger und mit viel Versteckspiel betriebener Transport, eine „mission impossible“, würde man heute sagen. 1152 war Kaiser Barbarossa im Aachener Dom zum deutschen Kaiser gekrönt worden. 1155 hatte er vom Papst in Rom die Würde eines Heiligen römischen Kaisers deutscher Nation erhalten. Dass dies geschah, das war das Verdienst des Kölner Erzbischof Reinhard von Dassel, der als Verbindungsmann des Kaisers zum Papst fungierte. Er brachte den Papst Hadrian IV. in die Spur, damit dieser sich den anders gearteten Meinungen seiner Kardinäle nicht anschloss.

Denn nicht nur in Rom, sondern in ganz Norditalien formierte sich Widerstand gegen den König aus dem fernen Deutschland. Durch Handel reich geworden, waren die Städte in der Lombardei unabhängig. Nach der Krönung durch den Papst kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, in dessen Folge Barbarossa Mailand eroberte. Mailand war eine Macht. Mailand war die größte Stadt in der Lombardei. Mailands Kirchen waren eine exzellente Adresse für Reliquien. Als Eroberer, ließ Barbarossa die Muskeln spielen, er raubte Reliquien aus dem Mailänder Dom und schenkte sie seinem Gefolgsmann Reinhard von Dassel als Dank für die Krönung zum „Heiligen römischen Kaiser deutscher Nation“.

Die Reliquien waren nichts geringeres als die Gebeine der Heiligen Drei Könige. Im Jahr 326 fand man die Gebeine in Palästina, die dann nach Konstantinopel gelangten. 350 überführte Bischof Eustorgius die Gebeine von Konstantinopel nach Mailand, die seitdem in einem Sarkophag aufbewahrt wurden. 

Reinhard von Dassel zog zunächst über Turin und den Mont Cenis nach Vienne an der Rhone. Der Transport musste in einer Nacht- und-Nebel-Aktion geschehen, denn der Papst Alexander III. sandte einen Brief an den Erzbischof von Reims, dass dieser unbedingt Reinhald von Dassel den Weg versperren sollte und gefangen nehmen sollte. Unbehelligt, traf die kostbare Reliquienfracht am 23. Juli 1164 über die burgundische Pforte und den Oberrheingraben nach sechs Wochen auf dem Rhein in Köln ein.

Dreikönigsschrein im Kölner Dom
Zeitgenössische Chroniken bezeichnen die Gebeine als „ewiger Ruhm Deutschlands in Köln“. Fortab wurde Köln das „Heilige Köln“ genannt. Pilger reisten aus ganz Europa an, um die Reliquien zu verehren. 1225 vollendete der Goldschmiedemeister Nikolaus von Verdun den Dreikönigsschrein. Zuletzt wurde der Schrein von 1961 bis 1973 restauriert. Den Schrein zieren jede Masse Edelmetall, darunter 2,5 kg Feingold, 4,4 kg Feinsilber, mehr als 700 Perlen, 230 Edelsteine und 100 Gemmen. Rasch war die Klosterkirche, in der der Dreikönigsschrein ausgestellt war, den Pilgermassen nicht mehr gewachsen. Der Kirchenraum musste vergrößert werden. 1247 beschlossen die Kölner, den Dom im französischen Stil der Gotik zu bauen. 1248 legten die Kölner den Grundstein für ihre Kathedrale.

Wenn Touristen heutzutage den Dreikönigsschrein im Chor des Kölner Domes betrachten, wird es bei einem flüchtigen emotionalen und ästhetischen Erlebnis bleiben. Staunen vermischt sich mit Sprachlosigkeit. Die Denkwelt des Mittelalters, wie die Menschen geglaubt haben, liegt zu weit zurück. So ist auch nicht bewiesen, ob der Dreikönigsschrein wirklich die Gebeine der Drei Heiligen Könige enthält. Die Mailänder hatten dies jedenfalls nach dem Raub der Reliquien dementiert. Sie nannten drei andere christliche Märtyrer, die unter dem römischen Kaiser Diokletian um 304 ermordet worden waren. Schriftlich dokumentiert ist lediglich, dass Bischof Eustorgius (der Bischof von Mailand war) um das Jahr 350 Gebeine nach Mailand transportiert hatte, aber nicht, welche Reliquien.

Am 23. Juli 1164, als die Gebeine der Heiligen Drei Könige in Köln eintrafen, hatten die Gelehrten nichts mit naturwissenschaftlichen Beweisverfahren zu tun. Sie glaubten. Es gab keine Zweifel, dass es die Gebeine der Heiligen Drei Könige waren. Nunmehr glauben die Menschen schon fast tausend Jahre lang. Wieso soll die Wahrheit anders sein ?

6 Kommentare:

  1. der Glaube ist etwas sehr Persönliches. Dass wir heute anders damit umgehen, liegt im Wandel der Zeit. Wer die Geschichte um Jesu Geburt als "Rührstück" nimmt, statt als Sinnbild für das Licht der Welt, dem ist wichtig, wer in diesem Prunksarkophag liegt. Als Menschen sollten wir uns statt dessen einreihen in die Bemühungen um das Finden dieses Lichts in unserem Inneren.

    Grüße aus dem Fränkischen
    Beate

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  2. Ein feiner Post Dieter, mit viel geschichtlichen Hintergrund. Ma sagt nicht umsonst: der Glaube versetzt Berge, er ist etwas ganz persönliches und wird von jedem Menschen anders gelebt und wahr genommen.

    Liebe Grüße
    Angelika

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  3. Hallo Dieter, freut mich, dass du eine "Erlebnis-Rubrik" auf deinem Blog einrichten willst.
    Habe deinen Blog bereits bei mir verlinkt. Guckst dort: http://formlos-lebendige-augenblicke.blogspot.de/ und dort rechts unten: http://formlos-lebendige-augenblicke.blogspot.de/p/blog-page.html

    herzlichen Gruß
    Brigitta

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  4. Ich finde Glaube wichtig....egal an was geglaubt wird. Das muss auch nicht kirchlich sein ;-) Der Kölner Dom mit seinen Schätzen ist für mich nach wie vor eine der beeindrucksten Kirchen der Welt. So hat der Kriege überstanden (habe noch zwei Fotos aus dem Krieg. Köln zerbombt und der Dom ragt in die Höhe) Mein Vater sagte mir damals dass dies auch eine Anordnung gewesen sein....nicht auf den Dom zielen, aber Köln zerstören. Der Dom sollte zeigen wo Köln mal gewesen wäre.

    Der Schrein des Domes ist auch einfach nur fantastisch. Ich kann nachvollziehen wenn Menschen dort mit offenem Mund stehenbleiben. So wäre der Dom für mich persönlich der erste Ort den ich besuchen würde wenn ich nochmal nach Köln käme...neben den Römsich-Germanischem Museum^^

    Liebe Grüssle

    Nova

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  5. Einn klasse Bericht. Sehr lehrreich ... ich glaube ich muss auch nochmal in den Kölner Dom. Die Bilder sind dir mal wieder gut gelungen.
    Gruß vonner Grete

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  6. Ik ben nog nooit in de dom in Keulen geweest. Wel in de dom van Aken. Waar de troon van Karel de Grote staat. Heel interessant. heb jij die wel eens gezien?

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