Dernau; Quelle: Wikipedia |
Pure Not und der Kampf ums Überleben drängte nicht
nur die Menschen aus der Hocheifel in eine bessere Welt, sondern auch Bewohner
aus dem Ahrtal. Es war der Sohn Johann Joseph der Familie Leyendecker aus
Dernau – das liegt rund fünfzehn Kilometer vor der Rheinmündung – der im
jugendlichen Alter eine Leidenschaft fürs Zeichnen und die Malerei entwickelt
hatte. Vielleicht hatte sein Onkel ihm die mathematisch-geometrische Fertigkeit
des Zeichnens vermittelt, denn er zeichnete für die Gemeinde Morgenbücher – das
waren Grundbücher nach heutigem Verständnis.
Johann Joseph Leyendecker - Kölner Kaufmann Leopold Leyendecker |
1810 geboren, hielten Johann Joseph keine zehn
Pferde in seiner Heimat. Dernau, heutzutage ein belebtes Touristennest, beste
Weinlagen mit Spätburgunder, lag zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch am Ende
der Welt, denn die Eisenbahnanbindung kam viel später, nämlich erst 1888. Die einzige Verbindung über eine holprige
Straße war nach Remagen zum Rhein, während in der anderen Richtung, spätestens
ab Altenahr, die öde Wildnis der Eifel undurchdringlich war.
Nach Amerika auswandern, ins verheißene Land,
gemeinsam mit den Menschenströmen aus dem übrigen Europa, das war die
Top-Adresse der Bewohner aus der Eifel. Doch Johann Josephs Ziel war anders,
extravaganter, schöner, eine Verheißung an seine Vision als Künstler: es zog
ihn nach Paris.
"Non-seulement
les tailleurs allemands sont en très-grand nombre à Paris, mais encore il est à
remarquer que tous les plus célèbres dans les annales de la mode nous sont
arrivés d'outre-Rhin, et le bon goût français, si renommé en Europe, doit une immense
partie de ses progrès à ces Allemands qui passent tout justement pour
très-mauvais juges en fait d'élégance et d'adjustments." So
beschrieb Adrien Huart, der Herausgeber einer Pariser Tageszeitung, 1844
ausgewanderte Deutsche in Paris. In ganz Frankreich stagnierte im Gegensatz zum
übrigen Europa das Bevölkerungswachstum, so dass Handwerker überall willkommen
waren. Dabei schätzten die Pariser besonders die Schneider aus Deutschland.
Johann Joseph Leyendecker - Bleibergwerk Mechernich |
Johann Joseph Leyendecker aus Dernau war gerade 16
Jahre alt, als er nach Paris auswanderte. Von 1826 bis 1838 studierte er in den
Ateliers von Paul Delaroche und Francois-Josef Heym die Malerei, wobei Portraits
und Stillleben seine Schwerpunkte bildeten. Mit Malern wie Courbet, Manet,
Delacroix oder Ingres war Paris ein Anziehungspunkt zu Beginn des 19. Jahrhunderts, eine Art Künstlerschmiede
oder „Silicon Valley“, würde man heute sagen. Erst zum Ausgang des 19.
Jahrhunderts waren Fotografien ausreichend scharf, um mit der Malerei mithalten
zu können. Daher war die Malerei nachgefragt wie kaum zuvor. Industrielle,
Reiche, die Kirchen, die Stadt, aber auch Kleinbürger erteilten in der
boomenden Stadt Paris Aufträge für Portraits, Stillleben, Alltagsszenen,
Stadtimpressionen oder Landschaften, um diese in ihren Gebäuden zu verewigen. Diese
Wünsche konnte Johann Joseph Leyendecker erfüllen, so dass er von der Malerei
leben konnte. Später folgte ihm sein elf Jahre älterer Bruder Mathias. Sie
wohnten gemeinsam in der Rue Cassette. Mathias lernte genauso die Malerei und
konnte von Portraits, Stillleben, Alltagsszenen, Stadtimpressionen und Landschaften
leben. Ab dem Jahr 1866 schafften es die Bilder der Gebrüder Leyendecker regelmäßig
in die Ausstellungen des Pariser Salons. Den Weg in Pariser Museen blieb ihren
Gemälde indes verwehrt, oder vielmehr: ein Gemälde von Mathias Leyendecker –
das ist ein Portrait des Kaisers Napoleon III – befindet sich im Keller des
Louvre und ist dem Besucher nicht zugänglich. Die übrigen Gemälde verstreuen
sich in Privatbesitze.
Mathias Leyendecker - Federvieh |
Die Gebrüder Leyendecker waren also in Paris angekommen
und kamen dort gut zurecht. Johann Josephs Ehefrau stammte aus Ahrweiler und
die beiden hatten 1829 in Ahrweiler geheiratet. Beide wohnten bis zu ihrem Tod
in Paris. Ihr Sohn Paul trat in die Fußstapfen seines Vaters und seines Onkels
und wurde ebenfalls Maler. Mathias heiratete 1859 eine Lehrerin aus Paris. Ob
er bis zu seinem Tod in Paris gelebt hat, ist ungewiss, denn sein Grab befindet
sich auf dem Alten Friedhof in Bonn. „24. Mai 1871, gestorben bei Bonn“, steht
auf seinem Grabstein. Über seine letzten Lebensjahre weiß niemand etwas, zumal zwischen
Frankreich und Deutschland zuvor fast ein Jahr lang Krieg geherrscht hatte.
Sie waren nicht die großen Maler, die beiden
Ausgewanderten aus Dernau im Ahrtal. Aber sie hatten einen Spürsinn für die künstlerischen Strömungen in ihrer Zeit. Und sie hatten es verstanden, an sich
zu arbeiten und ihre künstlerischen Fähigkeiten umzusetzen. Ihre Auswanderung
hatte ein Konzept und sie hatte Erfolg. Ganz im Gegensatz zu unserer heutigen
Zeit, so blauäugig, wie sich manche Geschichten über Auswanderungen in den
VOX-Sendungen anhören.
Quelle der Geschichte: http://www.ahr-eifel-rhein.de/index.php?hauptmanue=allesfliesst&todo=alles_inhaltsverzeichnis
Quelle der Geschichte: http://www.ahr-eifel-rhein.de/index.php?hauptmanue=allesfliesst&todo=alles_inhaltsverzeichnis
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenich liebe solche Posts! Dernau ist mir wohlbekannt, wir haben 12 Jahre oberhalb des Ahrtals gewohnt.. aber von den Leyendeckers habe ich noch nie etwas gehört. Habe aber noch heute gute Seilschaften nach Dernau und werde bei Gelegenheit mal darauf zu sprechen kommen.
LG Marita
Eine schöne und interessante Geschichte Dieter.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Angelika
Schone wieder ein interessanter Artikel.
AntwortenLöschenBei dir kriegt man Anregungen.
Aaaah, Pariiiis! Das muss in jener Zeit wirklich und wahrhaftig ein Mekka für Künstler gewesen sein - wer sich da aller herumtrieb an Malern, Bildhauern, Literaten, Philosophen - eine gewiss sehr ansteckende Atmosphäre, und so verstehe ich jeden, der sich zur Kunst hingezogen fühlte und nach Paris ging - ich hätte es damals vermutlich ebenso gemacht. Interessant auch deine Schilderungen über diese schreckliche Hungerzeit, die macht's noch verständlicher, dass sogar ein 16jähriger das Auswandern wagt.
AntwortenLöschenAuf bald und herzliche Rostrosengrüße
von der Traude
✿ܓܓ✿ܓ✿ܓ✿ ♥♥♥♥ ܓܓ✿ܓ✿ܓ
Hej Dieter,
AntwortenLöschensollte der sprichwörtliche "schwedische Neid" etwa ein französisches Erbe sein? Deutsche haben in vielen Ländern Kunst und Handwerk beeinflusst. Oft erfährt man das erst auf den 2. Blick.
Gruß
Beate
Unbekannt fand ich es auch wieder sehr interessant.
AntwortenLöschenLiebe Grüssle
Nova
Obwohl ich eine begeisterte Museumsbesucherin bin und vor allem Kunstausstellungen mag, die Leyendecker-Brüder habe ich noch nie wahrgenommen. Dabei hab ich sie bestimmt schon mal irgendwo gesehen.
AntwortenLöschenIch hoffe, ich werde den Namen jetzt abspeichern, damit ich das nächste Mal sie zu Deinem interessanten Bericht zuordnen kann.