Man kennt ihn als Symbol der Verschwendung. 1978 hatte
bereits der Ankauf von Grundstück und Gebäuden auf dem Petersberg 17,5 Millionen
DM verschlungen. In den Folgejahren wurden die ausufernden Umbaukosten des
Gästehauses zum Horror-Erlebnis der Bundesregierung. Man kennt ihn auch, weil
er in die Geschichtsschreibung eingegangen ist. Das war das Petersberger Abkommen, mit dem 1949 die Alliierten grünes Licht gaben für
das Staatengebilde der Bundesrepublik Deutschland. Obschon Berlin längst Bundeshauptstadt ist, schreibt auch heute noch der Petersberg mit dem
Weltklimagipfel oder der Afghanistan-Konferenz Geschichte.
Weniger kennt man ihn als Prozessionsweg. In meiner
seltenen Rolle als Wanderer bin ich den Petersberger Bittweg bis zum Gipfel des
Petersberges hoch gelaufen. Die exzellenten Tippeltouren von Peter Squentz
stehen schon Jahrzehnte in meinem Bücherregal, und nun ist es das erste Mal,
dass ich Live eine Tippeltour getestet habe.
Für das Leben in Meditation und Gebet suchten die
Klosterorden des Mittelalters Einsamkeit und Abgeschiedenheit. Augustiner
hatten 1131 die Einsamkeit und Abgeschiedenheit des Siebengebirges gesucht und
auf dem Petersberg ein Kloster gegründet. 1189 übernahm der Orden der
Zisterzienser das Kloster, allerdings nur für ganze drei Jahre, denn danach
gründeten sie ein paar Kilometer weiter den Klosterneubau des Klosters
Heisterbach. Das Kloster auf dem Petersberg verfiel, die Steine wurden baulich
zweckentfremdet und abgetragen, so dass heute nahezu nichts von der
Klosteranlage übriggeblieben ist. 1980 wurden die Fundamente der Klosterkirche
freigelegt.
Es sollte vier Jahrhunderte dauern, bis dem Petersberg
neues Leben eingehaucht wurde: als Wallfahrtsort. Hoch über dem Rhein gelegen,
war die Stelle exponiert wie heute. Bereits 1312 erwähnen Urkunden eine
Wallfahrtskirche, die nach dem Apostel Petrus benannt war und ein Vorläufer der
heutigen Kapelle sein kann. 1763 wurde sie vom Abt des Klosters Heisterbach im
Stil des Barock umgestaltet, wodurch sie ihr heutiges Aussehen erhielt.
Wallfahrer pilgerten zur Kapelle auf dem Petersberg.
Vier Pilgerwege aus vier Richtungen gelangten zum Wallfahrtsort, wobei der
Petersberger Bittweg kurz, steil und atemlos zum Ziel führt. Steinkreuze und Prozessionsaltäre beeindrucken und lohnen die Mühe des Aufstiegs, denn auf 1,4 Kilometer
sind 230 Meter Höhendifferenz zu schaffen. Mit vierzehn Wegekreuzen und Altären
ist dies der einzige Prozessionsweg auf den Petersberg, auf dem sich eine
solche imponierende Anzahl erhalten hat.
Es fanden nicht nur Prozessionen statt, wie wir sie
heutzutage an Christi Himmelfahrt oder Fronleichnam kennen. Die Kirche
veranstaltete sogar eine Art von Ablasshandel, wenn gegen einen entsprechenden
Obulus bei Teilnahme an einer Prozession Schuld und Sünden erlassen wurden. Die
Menschen sammelten sich verzweifelt in Prozessionen, um der Geißel der
Menschheit – der Pest – zu begegnen. Dürren und Plagen waren ebenso Anlässe für
Prozessionen.
1842 kam es sogar zum Streit. Es herrschte große
Dürre und die Prozession zeigte sogar Wirkung: im Spätsommer regnete es
wochenlang. Dies war aber den Winzern in Oberdollendorf überhaupt nicht Recht,
denn für die Weinlese konnten sie keinen Regen gebrauchen. Die Teilnehmer der
Prozession und die Winzer gingen aufeinander los. So mancher musste Prügel
einstecken. Damals haben die Streithähne im Dialekt gerufen: „Mer schloch üch duhd, un schibbele üch, ed boversch End für gekihrd
dä Pittersch-Berg erav!"
Wie gut, dass ich nichts mit Pest, Plagen und Streithähnen
zu tun habe. Anstatt dessen muss ich mich über querliegende Bäume quälen,
die das gestrige Orkantief Christian entwurzelt hat. Schönheit und Anstrengung
prägen den Aufstieg zum Petersberg. Eine Prozession so hoch hinauf muss eine
regelrechte Knochenarbeit gewesen sein.
Kreuze und Prozessionsaltäre stecken voller Mystik.
Geheimnisumwittert, schart sich das Herbstlaub um deren Sockel. Herzen
und Buchstaben stechen aus glatten Baumstämmen heraus. Knorriges
Wurzelwerk überragt das Erdreich.
Oben angekommen, parken schwere Limousinen. Die deutsche
Flagge hängt schlapp neben dem Eingang des Steigenberger Hotels herunter. Das
Gelände ist so weitläufig, dass ich an den freigelegten Umrissen des
Zisterzienser-Klosters vorbei gelaufen bin. Ich stoße zum Mittelpunkt des
Petersberges. Das ist die besagte Kapelle des Heiligen Petrus, die dem 330 Meter
hohen Berg ihren Namen gegeben hat. In
der Tat ein romantischer, verträumter Fleck.
Die Queen von England, der Schah von Persien, Leonid
Breschnew oder Michail Gorbatschow: über Jahrzehnte hatte der Petersberg hoch
dotierte Staatsgäste beherbergt; und ich begegne sogar dem Namen eines amerikanischen
Präsidenten. Abseits des Gästehauses in tiefem Mischwald hatte Bill Clinton sich
bewegt und Sport getrieben. Auf einem Bill-Clinton-Jogging-Pfad kann Otto
Normalverbraucher nun den Sportsgeist eines amerikanischen Präsidenten nach
empfinden.
Um die Wanderung abzurunden, folge ich der Empfehlung meines geistigen
Wanderführers Peter Squentz. Ich umrunde das Gästehaus und schlendere zu den
Rheinterrassen, wo mich eine überwältigende Aussicht auf den Rhein belohnt. Die
Sonne ist schräg über die andere Rheinseite gesunken. Der Buckel des
Drachenfelses sticht in weiße Wolkentupfer hinein. Als einsames Band zieht sich
der Rhein zäh durch den Talkessel.
Der kurze und heftige Anstieg hat es in sich gehabt.
Beim Abstieg den Berg hinab lasse ich gemütlich meine Schritte ausklingen.
Sehr kurzweiliger und interessanter Bericht über die "Besteigung" des Petersbergs! Danke dafür!
AntwortenLöschenWas für ein Glück, dass nicht jeder am Wetter rumdrehen kann, wie es ihm gerade passt: sonst gäbe es öfter mal solche Prügeleien, wie du sie geschildert hast. :-)
LG Calendula
Der Petersberg ist mit neben der Wolkenburg der liebste der 7 Berge, seit ich als Neiuhinzugezogene dort das erste Mal im Café und auf den Terrassen war. Auch eine meiner ersten Touren mit dem eigenen Auto nach dem Führerscheinerwerb führte auf den Berg ( und herunter mit kaputtem Auspuff - welch ein Geknatter! ).
AntwortenLöschenDoch den Prozessionsweg kenne ich gar nicht. Schön, dass du mich damit bekannt gemacht hast! Bin gespannt, wo du Allerheiligen unterwegs bist, per pedes oder mit dem Radl...
Ein schönes langes Wochenende!
Astrid
Was für ein interessanter Bericht Dieter, den Petersberg kenn ich nur aus Geschichtsbüchern.
AntwortenLöschenTolle Fotos hast du gemacht und bei dem letzten kommt die herbstliche Stimmung gut rüber.
Liebe Grüße und gute Nacht
Angelika
Danke für diesen überaus interessanten Bericht.
AntwortenLöschenDer Petersberg hat viel Prominenz Kommen und Gehen
sehen. Aber der Plgerweg ist schon was Besonderes.
Eine gute Nacht wünscht dir
Irmi
Kann mich nur anschliessen, sehr interessant dein Bericht über den Berg den ich auch nur aus dem TV kenne. Muss bestimmt sehr schön sein dort zu hochzuwandern.
AntwortenLöschenLieben Gruß
Nova
Sehr gelungener und vor allem interessanter Berich....untermal mit sehr schönen Fotos !
AntwortenLöschenLG
P.S.: Happy Halloween :)
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenwas für ein interessanter Bericht und als Ergänzung wunderschöne Fotos. Vor allem das letzte Bild ist Dir sehr gut gelungen!
Lieben Gruß
moni
Auch dir Happy Halloween, Dieter
AntwortenLöschenDein Bericht ist interessant und die Fotos dazu schön. Las sich prima und ich danke für die interessante Unterhaltung.
Danke für deinen cmt.: Ja, inzw habe ich sogar bei beiden Blogs die runde Zahl geknackt. Aber das Danke _00 Leser habe ich mir abgewöhnt, weil ständig Leute abspringen und neu Eingetragene dann gar nicht lesen, sogar Kommentatorinnen (oder Projektinitiatorinnen) mit Copy&Paste-cmts oder allseits passenden Floskeln kommen. Mom sind sowieso andere Dinge wichtiger als die Blogs... ;)
Beste Grüße, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog
What beauty and power is this entry.
AntwortenLöschenWarm greetings.
Den Petersberg kenne ich überhaupt nicht, hab den Bericht aber total gerne gelesen, lasse mich gerne inspirieren!
AntwortenLöschenSo, mal ohne Radl ;-) Auf dem Petersberg war ich schon lange nicht mehr, aber man sieht ihn immer, wenn man die Rheinstrecke fährt.
AntwortenLöschenDanke für die kleine Wanderung auf den Petersberg. Die Aussicht von dort oben ist wirklich toll. Wir waren letztes Jahr mal wieder dort oben, um die Aussicht zu genießen :-)
AntwortenLöschenDu ohne Rad ... kann ich mir gar nicht vorstellen :-)