Der Herbst hatte gezögert. Über Wochen hinweg hatte
er sich schwer getan, Fuß zu fassen inmitten der vom Sommer begrünten
Landschaft. Der Altweibersommer wollte nicht weichen. Die Mittagssonne hatte
soviel Wärme gespendet, als wäre ich in einer Wellness-Oase gelandet. Zaghaft hatten
sich gelbliche und rötliche Verfärbungen in das Laub geschlichen. Silberweiden
reckten ihr dichtes Blattwerk in die Höhe. Blasse Gelbtöne waren in Birken eine
Randerscheinung.
Dann fiel der Herbst ein. Das war plötzlich, wie bei
einem Motor, der durchstartet. Oder wie
bei einer Rennradtour, wenn es nach einer Passhöhe steil bergabwärts geht. Eine zähe Wolkendecke
hatte den Himmel verdunkelt. Leichtes Getröpfel hatte Donald Bäcker im
ARD-Morgenmagazin vorhergesagt. Anfangs behielt seine Prognose Recht. Doch
seine Prognose hatte den falschen Moment erwischt, als ich mich auf dem
Trekking-Rad befand. Auf dem Nachhauseweg wurde aus dem leichten Getröpfel ein
Netz. Die Regentropfen gewannen an Dichte, sie sponnen lange Fäden in diesem
Netz und prasselten schließlich senkrecht und entschlossen herunter. Ohne
Regenponcho, wurde aus dem leichten Getröpfel eine klatschnasse Angelegenheit.
Das war gemein. Verlegen blickte ich in den Trübsinn
hinein, in den Regen, der die gelblich-rötlichen Farben des Herbstes verstärkte,
in all diese Blässe, die die Baumgruppen über den Feldern verschwinden ließ.
Der Regen hatte die Elstern auf den abgeernteten Maisfeldern vertrieben. Es sah
so aus, als wäre der Sommer unwiederbringlich verloren gegangen.
Der Sommer war nur noch Rückblende, der Herbst
schaute grimmig nach vorne. Nicht im Rheinland, sondern in der derben Schönheit
Schleswig-Holsteins hatte Theodor Storm dazu gedichtet:
„Es rauscht, die gelben Blätter fliegen,
Am Himmel steht ein falber Schein;
Du schauerst leis und drückst Dich fester
In Deines Mannes Arm hinein.
Am Himmel steht ein falber Schein;
Du schauerst leis und drückst Dich fester
In Deines Mannes Arm hinein.
Was nun von Halm zu Halme wandelt,
Was nach den letzten Blumen greift,
Hat heimlich im Vorübergehen
Auch Dein geliebtes Haupt gestreift.
Was nach den letzten Blumen greift,
Hat heimlich im Vorübergehen
Auch Dein geliebtes Haupt gestreift.
Doch reißen auch die zarten Fäden
Die warme Nacht auf Wiesen spann –
Es ist der Sommer nur, der scheidet;
Was geht uns denn der Sommer an !“
Die warme Nacht auf Wiesen spann –
Es ist der Sommer nur, der scheidet;
Was geht uns denn der Sommer an !“
Auch auf unseren Feldern rauschte er Wind. Stoßweise
purzelten Blätter auf den Boden, wo sie sich sammelten und den Sommer abschoben
in die Vergessenheit.
Klatschnasse Angelegenheit und reiches Farbenspektrum,
das waren Gegensätze, die wunderbar miteinander harmonierten. Das bewunderte ich in den
Vorgärten. Aufmärsche von Astern protzten in ihren lilanen Farbtönen. Reihen von
Tagetes glänzten in purem Orange. Weniger prahlend, gesellte sich die
gelb-orange Farbmischung der Anemonen dazu. Herbstfreuden besprenkelten die
Vorgärten mit ihren rosanen Farbtupfern. Ich spürte die Regungen. Die
Inspirationen des Herbstes waren geweckt worden. Die Melancholie war wie
verflogen.
Der nächste Tag war mit Regenschauern durchsetzt.
Donald Bäcker war im ARD-Morgenmagazin eigens in das Allgäu gereist, um den
Wetterbericht bei Schneefall zu moderieren. Das war ihm hervorragend gelungen,
denn auf 800 Metern Höhe schneite es tatsächlich. Nicht so bei uns. Es war
stark abgekühlt, doch zwischen der Nässe von oben ließ sich auch die Sonne
blicken.
Sie motivierte. Ich war im Herbst angekommen, der
die Biergärten leer gefegt hatte. Spaziergänger hatten sich mit einem Regenschirm
bewaffnet und trotteten an Pfützen vorbei, in denen sich die noch hängenden
Blätter spiegelten. Es war eine seltene Erscheinung, dass der Posttower voller
Romantik über dem Rhein von gold-gelb-grünen Blättern des Herbstes eingerahmt
war. Selbst er inspirierte mich mit seiner nackten und klotzigen Erscheinung.
So wie praktisch alle Farben des Herbstes.
Hui meine Lieber, da hast dich der Herbst eiskalt erwischt.
AntwortenLöschenSchön hast du den Beitrag geschrieben und schöne Fotos dazu gewählt.
Jetzt zeigt der Herbst sein wahres Gesicht, es braust der Wind und klatscht der Regen.
Liebe Abendgrüße
Angelika
Dieter, da hast du das Ankommen des Herbstes
AntwortenLöschentrotz aller Härte, launig beschrieben. Wieder einmal
ein toller Post, wie man ihn von dir gewohnt ist.
Einen geruhsamen Abend wünscht dir
Irmi
Da wird dein Fahrrad wohl auch so langsam nicht mehr so häufig zum Einsatz kommen ;-) Zumindest nicht mehr für so lange Touren^^
AntwortenLöschenDer Herbst kann ja schön sein, gerade wenn sich das Laub verfärbt und in den wunderschönsten Farben zeigt. Leider oft durch Regen vermiest macht es dann keinen Spaß mehr.
Allerdings hat der Regen dir ein supertolles Motiv geliefert....das Foto mit der Pfütze ist der Hammer. Ganz ganz toll lieber Dieter.
Ich wünsche dir jedenfalls ein schönes, hoffentlich sonniges Wochenende und sende liebe Grüssle
Nova
Erzählerisch erste Sahne, dem Werk von Theodor Storm perfekt im schreibstil angepasst. Sehr lyrisch huete dein Text. Gefällt mir ausnehmend gut, Vor allem der erste Absatz. Wunderbar poetisch angehaucht geschrieben. Kompliment.
AntwortenLöschenSamstägliche Grüße vonner Grete
Sonnenwende
Die Sonne lacht, als müsse sie dafür nicht üben.
Sie blinzelt frech, vertreibt im Nu die Sorgen,
das was sie wirklich denkt, bleibt heut verborgen,
Sie strahlt so hell, als könnt kein Wässerchen sie trüben.
Doch in der Luft hängt der Geschmack schon vom Vergehen.
Das welke Blatt am Boden, es straft Lügen.
Der Lauf der Welt, er lässt sich nicht betrügen,
die ersten Zeichen lassen sich nicht übersehen.
Die Kraft lässt nach, sie kann es in der Tiefe spüren,
schon steht die Dunkelzeit vor aller Welten Türen.
Die Sonne ist nur noch ein müder Krieger,
der alle Kräfte sammelt um zu überleben.
Dem Tode will sie sich nicht einfach so ergeben.
Sie weiß, letztendlich bleibt sie dennoch Sieger.
©Perdita Klimeck (mit freundlicher Genehmigung)
Lieber Dieter,
AntwortenLöschentrotzdem ich jetzt ein paar kühle Schauer beim Lesen verspürte, ist das ein schönes Herbstposting - perfekt zur Jahreszeit passend.
Und besonders gut gefällt mir dein Foto von der Pfütze mit Spiegelung. Ich möchte dir auch noch danken für deinen Hinweis auf dein St.Augustin-Posting - oh, das ist wirklich eine trostlos aussehende Stadt, überhaupt bei grauem Himmel (und tatsächlich scheint das freundliche Werbeplakat dort der hübscheste Anblick zu sein.... Als wir vor ein paar Jahren durch den US-Bundesstaat Mississippi fuhren, hatte ich in manchen Städten ähnliche Gefühle - sogar trotz blauen Himmels...) Aber ich hoffe, dass wenigstens die Kinderklinik gut ist und es eurer Kleinen wieder großartig geht!
Alles Liebe und herzliche Rostrosengrüße,
Traude
So langsam schreitet die Herbstfärbung der Blätter fort und auch der gerühmte goldene Oktober zeigt gleichzeitig noch sein anderes Gesicht, was wir dann nicht unbedingt lieben, aber auf kühlere und auch regnerische Tage müssen wir uns einstellen.
AntwortenLöschenDein Rad bleibt wohl jetzt öfter zu Hause oder doch nicht?
Auf jeden Fall hast du diese Jahreszeit toll beschrieben und auch bebildert.:-)
Liebe Grüße und hab einen schönen Sonntag
Christa
Hallo Dieter !
AntwortenLöschenEs hat gedauert und dann von jetzt auf gleich war er da :-) So habe auch ich es empfunden Dieter.
Wir waren gestern im und um den Wald spazieren. Es hat ganz schön geweht draußen, was den Eindruck von Herbst noch verstärkte. Zu Hause angekommen brauchte ich erst einmal einen warmen Pott Kaffee, um mich wieder aufzuwärmen :-)
LG Frauke
Was für ein wunderschönes Pfützenspiegelbild. Ich gucke auch ständig danach.
AntwortenLöschenLG, Franka
Wieder einmal hast du mir mit einem schönen Post Freude gemacht, Dieter.
AntwortenLöschenMit dem Rad musst du nun vorsichtig werden, denn auf nassem Laub kannst du übelst ausrutschen...
Bei uns zeigt sich der Herbst deutlich, aber von seiner schönsten Seite. Herrlicher Sonnenschein, frisch Luft, z.T. recht windig aber alles draussen wunderschön. Einfach zum genießen. Jedoch soll heute der schönest Tag dieser Woch sein oder auch der letzte schöne Tag. Also mal sehen.
Danke für deinen interessanten cmt.: Von offizieller Seite (Kommune oder Staat, wie es jeweils heisst) wird wohl seit einiger Zeit versucht, alles zu verscheuern. Hauptsache Geld kommt rein. Glücklicherweise lassen sich die BürgerInnen heutzutage nicht mehr alles einfach so gefallen. Leider finde ich es sehr schwer, neben Arbeit, Haushalt, sozialen "Verpflichtungen" an den Protesten teilzunehmen. :(
Identitätslose Neubausiedlungen sind unschön, aber wenigstens wird somit Wohnfläche geschaffen, was im Falle von Tempelhof schönster Innenstadtbereich wäre.
Einen schönen Abend wünscht dir Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Good afternoon Dieter...It's so lovely to visit you this afternoon....I think this post has to be a favourite for me and once again you've worked your magic and brightened up a very dark and wet day here! Beautiful words and images.....always such a treat ♥
AntwortenLöschen