„In
Deutschland wäre so etwas verboten … der ADAC kontrolliert so etwas … die 50
Cent sind eine Unverschämtheit … „
Sie meinte die Toiletten neben dem Aufzug des
Parkhauses Nolensplein, die ihr zu verdreckt waren. Ihr hochroter Kopf ereiferte sich in Erregung. Die Toilette im Parkhaus war aber höchst praktisch,
denn auch unsere Blase drückte. Also testeten wir allesamt die Toiletten.
Darunter waren zwei Frauen und unsere Kleine, die nichts zu beanstanden hatten.
Auch ich konnte nicht klagen: das Urinalbecken auf der Herrentoilette samt
Waschbecken waren tadellos sauber.
Abgeschreckt durch den deutschen Wesenszug der
Nörgler und Meckerer, schätzten wir uns glücklich, in dem Parkhaus Nolensplein
einen der kostbaren Parkplätze ergattert zu haben. Das Parkhaus lag zentral,
und am Ausgang fielen wir regelrecht in den Stoffmarkt hinein.
Es war unser vierter Stoffmarkt-Besuch in Venlo in
den Niederlanden, so dass Venlo zu einer Art von Tradition geworden war.
Gewohnheiten und Fixpunkte hatten sich bei den vorherigen drei Malen herauskristallisiert:
Stoffmarkt – wobei der Umfang der eingekauften Stoffe im Zeitverlauf
nachgelassen hatte -, Fritten essen, Einkaufsbummel, Zeitung kaufen, die 2
Brüder von Venlo und einiges mehr ...
Venlo war ein Kompromiß, aber ein guter. Ich
bedauerte, dass Stoffmärkte uns in keine anderen sehenswerten niederländischen
Städte führten: Maastricht oder s’Hertogenbosch kamen in der Stoffmarkt-Agenda
nicht vor, der Stoffmarkt in Roermond fand gleichzeitig mit demjenigen in Hennef
statt, Delft oder Alkmaar lagen unerreichbar weit im Kernbereich der
Niederlande.
Also Venlo, das sich wahrscheinlich durchgesetzt
hatte, weil der Einkaufstourismus aus dem nahen Rhein- und Ruhrgebiet blühte.
WES, KR, MG, KLE, DU, BO, E: deutsche Autokennzeichen bevölkerten die Tiefgarage, und auch jenseits der Tiefgarage dominierte in Venlo die
deutsche Sprache.
Das nahm ich als gegeben hin. Einkaufen dient der
Völkerverständigung. Wenn der Kunde König ist, schauen die Einzelhändler nicht
auf die Nation. Grenzstädte sind offen gegenüber fremdartigen kulturellen
Einflüssen. Umgekehrt waren für mich die Einkaufsscharen von Belgiern und
Holländern in Aachen selbstverständlich. Schweizer und Franzosen hatte ich bei
unseren Besuchen in Freiburg als Bereicherung empfunden. Aber nirgendwo in den
Grenzregionen in Deutschland waren mir Einkaufstouristen aus den Niederlanden,
aus Belgien, Frankreich oder der Schweiz als Nörgler und Meckerer aufgefallen.
So hangelte uns unsere Neugierde durch die Fixpunkte
der Fußgängerzone.
Die heutigen Fritten im Imbiß „Big Snack Parade“
waren lecker, aber steigerungsfähig. Der Geschmack nach frischen Kartoffeln
drang durch, hätte aber intensiver sein können. Die Frittenbuden in Venlo waren
denjenigen in Belgien hoffnungslos unterlegen. Die Ansammlung von Frittenbuden,
die mit „friet uit verse aardappelen“ lockten, kam mir sogar unkontrolliert
vor. Zweimal hatten wir bei unseren Stoffmarkbesuchen nach Restaurants gesucht,
doch das Angebot war dürftig (wobei das Preis-/Leistungsverhältnis stimmte). Immerhin:
zwischen der Qualität der Fritten in Venlo und in Deutschland lagen Lichtjahre;
Loempia, Saté oder Kroket, die Imbisskulturen in Deutschland und den
Niederlanden waren komplett anders geartet.
Meine Göttergattin kaufte eine hübschen Mantel mit
geschwungenen, kreisförmigen Mustern. Ich kam mit der Tageszeitung „De
Volkskrant“ auf meine Kosten und schmökerte in dem Buchladen herum, während die Damen den einzigen
Lego-Shop in den Niederlanden besuchten.
Normalerweise hätte ich Venlo als Konsum-Terror
abgetan. In regelmäßiger Frequenz gibt es einmal monatlich in großen
niederländischen Städten verkaufsoffene Sonntage. In Deutschland lockt mich
kein einziger verkaufsoffener Sonntag hervor, wenn ich meine Rückstände der
nicht gelesenen Tageszeitungen aufarbeite. Anders in den Niederlanden.
Wollt ihr den totalen Krieg ? Diese Rede von Josef
Göbbels, die 1943 gehalten wurde, dröhnt in meinen Ohren. Wollt ihr den totalen
Konsum ? So könnte man in Venlo formulieren. Die Ekstase der Einkaufsmassen
ergießt sich im Warenhaus „2 Brüder von Venlo“. Die Kulturen von Deutschen und
Niederländern definieren sich einheitlich über Prozentschilder und
Rabattschlachten. Wir werden überrollt von Einkaufswagen. Kaffee und Zigaretten
locken. Während in Deutschland Türken für überquellende Einkaufswage herhalten
müssen, sind es in Venlo die Deutschen selbst. Konsumgewohnheiten verschieben
sich. „Geiz ist Geil“ hat längst in Venlo Einzug gehalten.
Die Niederländer profitieren auch von Gesetzgebungen
und krummen Steuerregelungen, die der preisbewußte Konsument geistesgegenwärtig
durchdringt. So das Dosenpfand. Wir deckten uns ein mit Paletten von Coladosen.
9,60 € für 24 Coladosen, das war unerreichbar. In den Niederlanden war die
grüne Bewegung zwar stark, Regelungen über das Dosenpfand waren den
Niederlanden erspart geblieben. Es darf fleißig Cola (oder Fanta oder Sprite)
aus Dosen getrunken werden und ohne Pfand in Mülleimern entsorgt werden. Ein
ungeheures Gefühl der Freiheit. Seitdem ich die Niederlanden in den 80er Jahren
kennen gelernt habe, war es für mich ein Land ohne Schranken und voller
Freiheit.
Bei Bezahlen an der Kasse beobachteten wir deutsche Kunden,
die ins Leere liefen. Ein-und-zwei-Cent-Stücke hatten die Niederländer
abgeschafft, während die Schwellenpreise erhalten blieben. 19,99 € kostete die
Ware. Die deutschen Kunden bezahlten mit 20 € und bekamen keinen Cent zurück.
Die Erregung konnte ich nachvollziehen. Sie
nörgelten und meckerten und verwiesen
darauf, dass nichts mehr Bestand hatte. Deutsche können bohren und nerven und
ihren Standpunkt behalten. Wahrscheinlich
sehnten sie sich nach dem guten alten Kaiser Wilhelm zurück, auf den noch
Verlass war.
Ein schöner Bericht. :-)))
AntwortenLöschenAuch ich liebe die Nähe zu Holland und Belgien UND die holländischen Stoffmärkte!
Maastricht steht auf der Agenda. Ich war selbst schon dort. Am 17.11. ist der nächste. http://www.stoffenspektakel.nl/stoffenspektakel-agenda/informatie/436
Und wenn es nur um den Stoff-Markt geht: Jedes Jahr am 1. Mai und am 3. Oktober in Kerkrade.
Das mit den abgeschafften Centstücken wusste ich nicht. Klingt aber klug. Und die Freiheit in Sachen Dosen, die man einfach in Mülleimern entsorgen kann kenne ich aus Spanien. Finde ich auch wunderbar.
Schönen Gruß
Brigitta
Hast du schön geschrieben mit dem Wesenszug...denn das kann ich hier auch öfters feststellen. Da muss ich mich dann immer sehr zusammenreißen um nicht meinen Senf dazu abzugeben.
AntwortenLöschenAllerdings das mit dem Bezahlen finde ich schon eine kleine Frechheit. Da sollten sie die Preise angleichen, nur noch runde Summen haben oder sich etwas einfallen lassen. So im Gegenzug z.B. ein Bonbon geben. Ich hätte das z. B. gar nicht gewusst und wahrscheinlich dumm aus der Wäsche geschaut wenn es kein Wechselgeld gegeben hätte^^
Alles in allem aber wieder ein schöner Ausflug, kann mich noch an eure anderen Besuche erinnern. Sind ja immer mit kleinen Erfolgen gekrönt :-)
Liebe Grüsse
Nova
Moin Moin...
AntwortenLöschenman muss sich ja heutzutage nicht mehr darüber wundern, dass man für die Benutzung öffentlicher Toiletten immer öfter in die Tasche greifen muss.
Letztlich reicht es ja, wenn man sich die "kostenlosen" Toiletten mal nach der Benutzung einiger Gäste anschaut...Da kann es einem nur schlecht werden, und ich frage mich dann immer wie es bei einigen Zuhause aussieht.
Ansonsten ein sehr interessanter Berich...ich glaube irgendwann müssen wir auch mal wieder nach Holland rüber fahren....Ich war da eine gefühlte Ewigkeit schon nicht mehr gewesen !
Grüße aus Berlin
Hallo meine Lieber, ich zahle lieber 50 Cent und habe eine saubere und gepflegte Toilette, anstatt so eine verschmutze kostenlose.
AntwortenLöschenNa das war ja wieder ein toller Tag auf dem Stoffmarkt. Eure Einkäufe habt ihr gleich dazu erledigt, also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Interessant geschrieben dein Bericht. Ich glaube ich muß den Stoffmarkt auch mal besuchen. Hier in Hückelhoven ist auch immer einer, aber sehr klein.
Liebe Grüße
Angelika
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenich bin auch einmal im Jahr in Venlo, zum Bummeln und lecker Kibeling essen... den Stoffmarkt kenne ich nicht. Venlo kann man nicht mit dem schönen en BesucMaastricht vergleichen, dieses hat beinahe französisches Flair.
Aber ich liebe dieses bunte Treiben in Venlo sehr. Ich habe mich auch beim letzten Besuch mit vier Paletten Getränkedosen eingedeckt, meine Kinder freuten sich, es gibt in den Niederlanden ja Sorten, die man hier nicht kennt.
Viele Grüße
Marita
Dieter, wieder ein inhaltsreicher, humoriger Bericht.
AntwortenLöschenDiese Nörgler werden wohl nie aussterben und denen
fehlt was, wenn es nichts zu Nörgeln gibt.
Einen schönen Mittwoch wünscht Dir
Irmi