Nachdem ich alles in die Spülmaschine befördert
hatte, ging es ab ins Bett. Die Müdigkeit stürzte auf mich los. Im Bett kuschelte
ich meinen Kopf in mein Kissen, zog die Bettdecke unter meine Ohren, meine
Gedanken schlummerten dahin, zerflossen, dösten, standen still, bis sie in
einem Loch verschwanden.
In diesem Loch kam lange Zeit nichts. Körper, Seele
und Geist schwebten in der Dunkelheit dahin. Traumbilder flackerten über mich
hinweg, blitzten auf und verschwanden dann wieder. Dann tauchte ein Traumbild
wieder auf, verdichtete sich. Klar wie ein Gespenst in der Nacht schälten sich
die Umrisse eines Menschen heraus. Es war so, als träfe mich ein Schlag ins
Gesicht. Dann war alles wie weggewischt. Verzweifelt krallten meine Finger die
Bettdecke. Benommen und vernebelt vom Schlaf, fand ich mich in einer blassen
Dunkelheit wieder.
Ich blätterte in meinen Träumen zurück und das
Traumbild stand wieder vor mir. Rosa war seine Erscheinung: über seinem rosanen
Umhang hing sein Bischofskreuz, seine Hände waren in sich gefaltet, ehrwürdig
und fromm war sein Blick durch seine rahmenlose Brille. Mit seinen feinen
Gesichtszügen wirkte er jünger, als er war. Fast hätte man ihn für einen
Messdiener halten können. Als Kopfbedeckung trug er sein rosanes Zucchetto. Auge
in Auge sahen wir uns an. Kein Zweifel: es war der Limburger Bischof
Tebartz-van Elst.
In diesem Augenblick stand ich senkrecht in meinem
Bett. Obschon ich hellwach war, rieb ich meine Augen. Mein Blick schlich zäh
durch das Zimmer. In der Nacht war alles unterschiedslos grau bis schwarz. Der
Schleier der Gardine war der einzige hellere Fixpunkt, der mir im Dunkeln
Orientierung verlieh.
Wieso kam gerade dieser Bischof dazu, sich in meine
Träume zu mischen ? Die Schlagzeilen hatten wild auf ihn eingedroschen. Zu
Recht. Dass Meineid und Geldgier kein Kavaliersdelikt waren, da gab es nichts
weg zu diskutieren. Ich hatte Tebartz-van Elst aber geistig beiseite geschoben.
Sollten doch all die Journalisten, Kolumnisten, Kabarettisten oder Karnevalisten
ihn ausschlachten. Er lieferte jede Masse Stoff für Komik, Widersprüche,
Parodien oder Zynismus.
Federweißer und Rotwein drückten auf meine Blase und
mich auf die Toilette. Danach zirkulierten meine Gedanken bestechend scharf.
Angestachelt, wusste ich nicht, wie ich mich im Bett drehen und wenden sollte.
Wieso Tebartz-van Elst ? Mein Verhältnis zu Religion und Kirche war entspannt.
In den Messen war ich seltener Gast, unseren Pastor grüßte ich freundlich in
unserem Ort. In der Bibel hatte ich sehr lange nicht mehr gelesen. Ihre Inhalte
betrachtete ich als wichtig, da Ethik und Werte unserer Gesellschaft abhanden
gekommen waren. Ich hatte eine Vorliebe für Dome und Kathedralen.
Kritische Themen wie Zölibat, das Verhältnis der Kirche zu Geld, Exkommunikation
bei Scheidung oder die Wachset-und-mehret-Euch-Ideologie in der Dritten Welt
waren mir bekannt. Ich hatte aber keine Lust, mich an all diesen Debatten zu
beteiligen.
Mein Kopf kam auf Hochtouren. Mitten in der Nacht um
drei Uhr. Ich hatte Tebartz-van Elst nichts getan. Und die anderen sollten sich um die Kostenexplosion seines Bischofssitzes kümmern. War er ein Phantom ?
War er eine Art „Darth Vader“ aus den Starwars-Filmen, der der dunklen Seite
der Macht verfallen war ?
Ich drehte mich, ich wendete mich unter der
Bettdecke, ich öffnete die Türe zum Balkon, um bei frischer Luft einschlafen zu
können. Ich dachte über hoch schwierige Fragestellungen nach, um einschlafen zu
können: ich versuchte, die mathematische Lagrange-Methode auf die Reihe zu
bekommen; ich versuchte, die Erbfolge Karls des Großen über einen möglichst langen
Zeitraum in mein Gedächtnis zurück zu rufen; ich versuchte, alle Bände von
Harry Potter aufzuzählen. Nichts half. Meine Gedanken drehten sich und wendeten
sich und kreisten hilflos um Kirche und Religion und Tebartz-von Elst.
Die Verzweiflung, mit der ich auf meinen Radiowecker
starrte, stieg. Es wurde vier Uhr. Danach fehlten nur noch wenige Ziffern, bis
fünf Uhr erreicht wurden. Doch die fünf als Anfangsziffer bemerkte ich nicht
mehr, denn nach endlosen Anläufen schlief ich ein. Es sollte nicht lange dauern, dann bimmelte
pünktlich um halb sechs mein Wecker und die Musik auf WDR2 plärrte in die Nacht
hinein.
Tebartz van-Elst samt Wecker hätte ich an die Wand
werfen können. Nicht fünfeinhalb Stunden, sondern gerade dreieinhalb Stunden
Schlaf hatte ich gehabt. Das sollte mir den kompletten Tag vermiesen. Ich war
wie gerädert. Ich verrammelte mich in meinem Büro und schaffte nur einfache
Tätigkeiten. Die Formeln in Excel verschwammen. Word-Dokumente, die mehr als 20
Zeilen enthielten, legte ich beiseite. Zu brauchbaren Präsentationen war ich
gar nicht fähig. Viel mehr als Aufräumen und meine archivierten Dateien in
Ordnung zu bringen, war nicht drin.
Einen solchen Albtraum hatte ich seit den 80er
Jahren nicht mehr geträumt. Damals war ich von explodierenden Atomraketen im Schlaf
aufgeschreckt worden.
Ach herja, das war wirklich eine kurze Nacht Dieter und dazu noch Alpträume. Kein Wunder das der Tag beschi....war.
AntwortenLöschenAber das dich dieser Bischof bis in den Traum verfolgt ist schon eigenartig.
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
Angelika
Lieber Dieter, dass dich der Kerl so umtreibt! Das Problem beschäftigt mich zwar auch ( habe als Wesen mit lückenloser kath. Erziehung bis zum Abitur in den 50er/60er Jahren einiges mitgemacht ) und gerade die Frage, dass man von anderen einfordert, Moral zu beachten, selber diese aber missachtet, beschäftigt mich seit meinem 5 Lebensjahr. Aber solche Folgen habe ich noch nicht erlebt...Bei mir würde ich es auf den Alkohol zurückführen, denn damit komme ich nicht mehr klar ( und es bleibt bei den 2-3 Kölsch nach dem Karnevalszug ). Und furchtbar finde ich es auch, wenn man kurz vorm Weckerklingeln wieder in Tiefschlaf fällt. Da ist auch bei mir der Tag gelaufen.
AntwortenLöschenIch hoffe, diese Nacht meint es besser mit dir!
in diesem Sinne: eine gute Nacht!
Astrid
Dieter, wenn schon Albtraum, dann aber bitte nicht von diesem Herrn.
AntwortenLöschenDas wäre für mich Gruselig. Aber dieser Bischof muss dich arg be-
schäftigen, sonst würde er dir nicht im Traum erscheinen.
Und das Schlimmste daran ist, dass er dir auch noch den Schlaf
geraubt hat.
Liebe Grüße schickt dir
Irmi
Kann mich den Vorschreibern nur anschliessen....da lobt man sich schöne Träume die einen wachhalten und nicht dieser abscheuliche Mensch der in meinen Augen nur heuchelt. Wo bitteschön ist da die Bescheidenheit und Nähe zu den Mitmenschen. In meinen Augen hat er den Status seines Berufszweigs im Zusammenhang mit der Kirche nur ausgenutzt um ein schönes Leben zu führen.
AntwortenLöschenFür mich sollte er in ein Fanziskanerkloster versetzt werden und die Bescheidenheit lernen.
Hoffe diese Nacht war besser und wünsche dir noch einen schönen Sonntag.
Liebe Grüsse
Nova
Ich kann mich sämtlichen Vorrednern auch nur anschließen ...
AntwortenLöschenHab einen schönen Sonntag....
LG
Kompliment, klasse geschrieben. Fast schon wie eine Kurzgeschichte.
AntwortenLöschenSchönen Sonntag
Gruß vonner Grete
Hej Dieter,
AntwortenLöschenBis ins Kleinste emotional nachvollziehbar und deshalb auch vergleichbar, wie solche Nächte ablaufen, einschließlich der Konsequenzen am nächsten Tag, der damit "gelaufen" ist. Eine Geschichte, wie man sie besser nicht erzählen kann!!!!!!!!!!!!
Beate
Prima geschrieben, aber heftig, dass der Bischof dich bis in den Traum verfolgt. (●.●) Bist du katholisch?
AntwortenLöschenHoffen wir mal, dass du Montag wieder fit bist. ;)
Einen schönen Sonntagabend wünsche ich, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Lieber Dieter,
AntwortenLöschenach, na geh, dabei sieht er doch so niedlich aus mit den süßen roten Öhrchen und seinen Kulleräuglein. Rosa passt da deutlich gut dazu (ich frage mich: trug er was Pinkes von Dior??? Oder mehr so ein Dress a la Miss Piggy? Oder war's doch bloß dieses Kardinalspurpur?) Und wenn du ihn dir dann auch noch mit einer Kasperlemütze vorstellst, kannst du dich doch eigentlich nur in den Schlaf lachen. Ich pesönlich finde jedenfalls explodierende Atomraketen bei weitem beängstigender als Kirchenleute, die den Hals nicht vollkriegen (was ja eine lange Tradition hat).
✿ܓܓ✿ܓ✿ܓ✿ܓܓ✿ܓ✿ܓ
Herzliche rostrosige Grüße,
Traude