Um nicht aus dem letzten Loch
zu pfeifen, sollen Hügel und Berge geübt werden. Rauf ins Siebengebirge,
welches vom Büro aus ungefähr vor meiner Nase liegt. Das Band der Steigung
beginnt in Oberdollendorf. In einer Kurve wittere ich eine neue Geschichte zu
Glockentürmen. Der Autoverkehr schwingt sich in großem Bogen um die Kirche, der
romanische Kirchturm aus dem 13. Jahrhundert ragt fest in die Höhe. Ich staune,
dass der Heilige Laurentius der Kirche ihren Namen gegeben hat. Noch mehr staune
ich über vier Glocken neben dem Seiteneingang, die Rost angesetzt haben. Was haben
dort die vier Glocken zu suchen ?
Ich forsche nicht nach, denn
heute möchte ich Höhenmeter schaffen. Weiter durch die herrliche
Frühlingslandschaft des Siebengebirges. Schlehen malen weiße Tupfer in die
bewaldeten Hänge. Der Löwenzahn hat mit seinem gelben Blütenmeer die Wiesen
erobert. An den Hangmischwäldern wartet das Grün in den Buchen auf den
Durchbruch.
Anstieg über den Weilberg,
Abfahrt nach Oberpleis, Absturz der Straße ins Tal der Pleis. Ein zweiter, mächtiger
Anstieg nach Westerhausen. Dort zeigt sich das bisschen Übung in diesem Jahr
oder die Rest-Kondition aus dem letzten Jahr, denn butterweich gleite ich mit
wenig Anstrengung den Berg hinauf. Während sich in meinem Rücken die grandiose
Kulisse des Siebengebirges aufbaut, muss ich holpriges Pflaster passieren. Der
Winter hat seine Spuren hinterlassen. Tellergroße Schlaglöcher zwingen mich zu
einer Slalomfahrt. Die Stadt Hennef hat offensichtlich Mühe, mit all den
Flick-Aktionen an Schlaglöchern nachzukommen.
„Weltfrieden“ hat jemand auf
einen grauen Kasten gekritzelt. Wer will das nicht ? Meinen innigen Wunsch nach
Frieden kann die Landschaft jedenfalls erfüllen. Von dem friedlich eingerahmten
Schloss Allner sehe ich wenig, denn hohe Mauern verweigern den Blick in die
Schlossanlage. Anstatt dessen beginnt
der dritte kräftige Anstieg, diesmal in Serpentinen. Idylle, Ruhe, Frieden, die
Straße mogelt sich im Zickzack durch das Waldgebiet, das bis in die Baumwipfel ein erstes zartes Grün angesetzt hat. Langsam spüre ich in meinen Knochen, dass ich treten muss,
denn die Steigung nimmt kein Ende. Nach jeder Kurve ersehne ich, dass die
Steigung in flachem Gelände ausläuft, doch Fehlanzeige. Erst in Happerschoss
pendelt sich die Straße in seichten Auf- und Abwärtsbewegungen ein. Ruhig und
friedlich geht es auch in Happerschoss zu, denn mit der Ortsumgehung ist der
Autoverkehr zu einer Rarität geworden. Ich halte an und betrachtete den
optischen Telegrafen. Ich bin nicht überrascht, ihn in dieser Höhe vorzufinden.
Bevor es ein heute übliches Telefonleitungsnetz gegeben hat, hat man sich
optischer Telegrafen bedient, die Nachrichten in Form von Lichtzeichen gesendet
haben. Das Rheinland umgibt ein Netz von solchen stumpfen Telegrafentürmen.
Die Nachsilben der nächsten Orte
ähneln sich: Happerschoss, Heisterschoss, Remschoss, und das Rauf und Runter
auf dem Höhenrücken kostet langsam Kraft. Ich lerne, dass ich mich auf der
Deutschen Alleenstraße abstrampele. Doch wo sind die Alleen ? Stücke der
Deutschen Alleenstraße habe ich bei Niederpleis, bei Lohmar und hier entdeckt. Doch
von Baumalleen keine Spur. Das sieht nach einer Luftnummer aus. Ist dies etwa
ein Trick der Tourismusbranche ? Oder gibt es wirklich lange, zusammenhängende
Abschnitte von Alleen im Rhein-Sieg-Kreis ?
Da mir vierzig Kilometer
Fahrstrecke mit drei ordentlichen Anstiegen in den Beinen stecken, beschließe
ich, in Neunkirchen eine Pause zu machen. Neunkirchen-Seelscheid, das ist solch
eine Bindestrich-Gemeinde, die durch das Wahnbach-Tal getrennt ist. Eine
Hauptstraße, ein paar Geschäfte, zwei ausladende Kreisverkehre, die die
Geradeausfahrt mächtig nach rechts zwingen, besondere Höhepunkte habe ich
Neunkirchen nicht entlocken können. Schlimmer noch: es gibt zwar Gaststätten,
Bistrots oder Imbißbuden, aber diese haben erst nach 17 Uhr oder 18 Uhr
geöffnet. Mindestens eine halbe Stunde müsste ich warten, daher radele ich
trotz müder Knochen weiter.
Dass weitere Strapazen auf
mich zukommen würden, habe ich gewusst. Die Straße purzelt ins Tal hinunter, so
schön, dass ich mein Rennrad gemütlich ausrollen lassen kann. Zwischen
meterhohem Strauchwerk schaffe ich es sogar, einen Blick auf die Wasserfläche
der Wahnbachtalsperre zu erspähen. Die Wasserfläche verflüchtigt sich rasch, denn
die eigentliche Talsperre beginnt erst weiter flussabwärts, nachdem ich den
Wahnbach im Tal überquert habe. Danach folgt der vierte, kräftezehrende
Anstieg, aus dem Wahnbachtal heraus. Wie die Straße nach oben kriecht,
demotiviert mich. Ich wage kaum hinzuschauen, so dass ich nur auf die Straße
und die schwarz-weißen Begrenzungspfosten starre. Ich beiße die Zähne zusammen,
bis ich die Bergkuppe erreicht habe. Die Strapaze hat mich nicht geschafft.
Anschließend genieße ich die lange und ausgiebige Abfahrt auf der B507 nach Lohmar.
Pause in Lohmar ?
Soccer-Arena, Jabach-Halle, Schulen, Feuerwehr: mit funktionaler Architektur
und nützlichen Einrichtungen zeigt Lohmar sein erstes Gesicht. Auch mit seinem
zweiten Gesicht stößt mich Lohmar ab. Längs der Hauptstraße finden sich die
üblichen Geschäfte. Das Rathaus und die Raiffeisenbank demonstrieren
architektonische Kälte. Als ich in Richtung Troisdorf abbiege, fahre ich mitten
in eine Baustelle von drei- bis vierstöckigen Wohnblocks hinein. Die
Einkaufspassage dahinter ist zwar fertig gebaut, aber vollkommen phantasielos –
als Anhäufung von Bauklötzen - mit einem Drogerie-Markt, einer Bekleidungskette
und einem Schuh-Markt in das zerrissene Stadtbild hinein geklatscht. Ich sehe
meine Hoffnung auf eine Pause schwinden, denn die Discounter LIDL und Kaufland
runden das hässliche Bild an der Peripherie von Lohmar ab.
Ich radele weiter, und kurz
darauf kann ich sogar einen Hoffnungsschimmer entdecken. In der Nähe von
stereotypen Wohnbauten, einem nichtssagenden Einkaufszentrum und einem emotionslosen
Gewerbegebiet behauptet sich einsam und verlassen eine romanische Kirche. Wie
eine Augenweide hat sie ihr Äußeres herausgeputzt. Die Gegensätze könnten nicht
schärfer sein. Und es kommt noch schöner: an den Ufern der Sülz entdecke ich
einen Biergarten, der geöffnet ist. Ein leckeres Weizenbier, das mir selten so
gut geschmeckt hat.
Nachdem ich neue Kräfte
aufgetankt habe, kann ich den fünften längeren Anstieg meistern – durch die
Wahner Heide. Bei einem knackigen Anstieg, der weniger anspruchsvoll ist wie
die vier vorherigen, bleibt mir die Puste weg. Danach gleite ich an sandigen
Böden vorbei, zwischen denen Schilder „Vorsicht – militärisches Übungsgelände“ die
Vergangenheit dokumentieren. Ich erschrecke, denn ich höre einen Schuss. Muss
ich damit rechnen, von Soldaten im Kampfanzug gefangen genommen zu werden ? Nein,
denn die militärische Nutzung ist seit 2004 vorbei. Der Schuss kommt aus einem
Schützenheim, das am Stadtrand von Troisdorf liegt. Danach zerreißt ein
weiterer Schuss die Stille. Die Schützen üben fleißig.
Die Fahrt lasse ich nun
gemächlich bis nach Hause ausklingen. Rund um Köln kann kommen.
Boh was für eine Strecke, Respekt Dieter und das mit dem Rad. Landschaftlich wunderschön gelegen. Die Glocken auf der Wiese sind wohl eine Seltenheit, hab ich noch nie gesehen.
AntwortenLöschenNa dann kann Köln ja kommen, fit bist Du...viel Erfolg.
Liebe Abendgrüße
Angelika
Das ist eine Leistung - mir wird schon beim Lesen
AntwortenLöschenganz schwummerig. Ich wünsche dir auf jeden Fall
für Rund um Köln alles erdenklich Gute.
Liebe Grüße
Irmi
Das klingt sehr anstrengend, bin gestern 20 km geradelt und war schon ganz schön stolz auf meine Leistung :-). Mir ist übrigens auch schon mal aufgefallen, dass es an dem Stück der deutschen Alleenstraße in der Nähe von Paderborn auch recht wenig Bäume gibt. Ohne Schild wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, dass diese Straße den Namen Allee verdient. :-)
AntwortenLöschenLiebe Grüße und einen guten Start ins Wochenende!
Oh weia...da hast du dir aber etwas vorgenommen....mein Respekt. Allerdings aber auch eine sehr schöne Tour wo es viel zu sehen gibt, und ich hoffe auch noch einmmal etwas wegen der Glocken zu erfahren^^. War ich ja ganz erstaunt drüber...einfach so am Boden stehend^^
AntwortenLöschenHab einen schönen Tag und liebe Grüsse
Nova
Dieter das Jedermannrennen schaffst du doch mit Links ;-)
AntwortenLöschenDanke, dass du uns mit auf deine Tour genommen hast. Die Glocken sehen toll aus. Warum sie wohl dort liegen ? *grübel*
Danke,dass du deine Eindrücke und Gedanken mit uns geteilt hast!
AntwortenLöschenEs war mir, wie immer wenn ich dich hier besuche, eine Freude.
Für das Rennen drücke ich dir natürlich ganz fest die Daumen und hoffe,
dass du dabei viel Spaß haben wirst!
Line
Puh, das klingt nach Schwerstarbeit, aber du bist mit tollen Ausblicken und leckerem Bier belohnt worden, so soll es sein!
AntwortenLöschenDieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschen*lol* Sorry alten Nick verwendet..
AntwortenLöschenWenn ich diese Strecke mit dem Bike radeln müsste würde ich nach Luft japsend am Boden krabbeln -lach- Aber die Bilder sind Hammer!
Lieben Gruß zum Wochenende, Michaela
... so eine lebendige Beschreibung - ich hatte wieder richtig Spaß am Lesen. Dazu die schönen und interessanten Bilder. Da bin ich beim weiteren Üben für das Jedermannrennen gerne (virtuell) dabei :-)
AntwortenLöschenlieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Deine Kondition ist wirklich bewundernswert! Ich wäre nie angekommen!
AntwortenLöschenDu schilderst das so hautnah, dass ich wenigstens virtuell mal die Strecke mithalten konnte... ;-)
Aber es ist auch eine schöne Landschaft durch die du gefahren bist.
LG Calendula