Ein Plakat der Linken Partei
hatte mich in der Fußgängerzone aufmerksam gemacht. „Seniorenzentren:
Leiharbeit als Normalzustand und zukünftig Billigarbeitskräfte aus Spanien“ –
so lautete die Überschrift, die geradewegs in die Welt der Ausbeutung führte.
Ob Kellner, Lagerarbeiter,
Friseur, Verkäuferin, Taxifahrer, Kindergärtner, Krankenschwester oder
Altenpfleger: ich bin mir dessen bewusst, dass der Niedriglohnsektor politisch
gewollt ist und dass er mit einer gesunkenen Arbeitslosigkeit allgemein
befürwortet wird. Das Armutsniveau der Arbeitslosigkeit wird nun gegen das Armutsniveau
bei Beschäftigung eingetauscht.
Doch kaum in einer anderen
Branche wie bei den Pflegeberufen wird man ein solch zersplittertes Bild des
Lohnniveaus finden. Friseure oder Taxifahrer werden je nach Betrieb und je nach
Standort ungefähr gleich bezahlt – wenn man vom Ost-West-Gefälle absieht.
Bei Alten- und Pflegeheimen
ist das anders. Im Idealfall wird nach den Tarifverträgen des öffentlichen
Dienstes bezahlt. Die Gehaltstabelle beginnt bei einem examinierten
AltenpflegerIn bei 2.300 €. Das kann man als angemessen betrachten. Wie
anderswo wird nach Schlupflöchern gesucht, nicht nach den Tarifen des
öffentlichen Dienstes zu bezahlen. Und davon gibt es reichlich.
Als dickstes Schlupfloch
entpuppen sich die Kirchen. Um die hohen Personalkosten zu umgehen, geben
Städte und Kommunen die Trägerschaft gerne an die Kirche ab. Die Kirche, das
sind organisatorische Gebilde wie die Caritas, das Malteser-Hilfswerk oder die
Diakonie. Die Kirchen haben ihre eigenen Tarifverträge, die nichts mit dem öffentlichen
Dienst zu tun haben. Dabei berufen sich die Kirchen auf das christliche Prinzip
der Nächstenliebe, welches entsprechende Gehaltsabschläge willentlich in Kauf
nimmt. *
Die kirchlichen Träger
bewegen sich ungefähr auf der Höhe des Mindestlohns, den der Gesetzgeber auf
8,75 € pro Stunde festgelegt hat (siehe hierzu auch Stellenausschreibung von
Altenpflegern der Diakonie Essen bei der Arbeitsagentur). LeiharbeiterInnen aus
der Ukraine, aus Litauen oder aus Asien (z.B. Phlippinen) können dieses Niveau
noch unterbieten, also vier oder fünf Euro unterhalb des Mindestlohnes.
Selbst dieses Niveau kann
unterboten werden – von Ein-Euro-Jobs. Diese sind zwar strengen Regularien
unterworfen, aber im Pflegebereich herrscht Pflegenotstand. Für öffentliche
Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl dienen, können Hartz IV-Empfänger heran gezogen
werden, die mit 1 € pro Stunde bezahlt werden Der Beruf des Altenpflegers befindet
sich also in einem Spannungsfeld der Bezahlung: von 1 € (schlechteste Bezahlung)
bis 2.300 € (beste Bezahlung nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes).
Wohl kaum irgendwo bei den
Billiglöhnen gibt es eine solche Diskrepanz, welchen Stellenwert diese
Tätigkeit hat und wie die Tätigkeit bezahlt wird. Altenpflege – das ist mentale
Belastung ohne Grenzen bei gleichzeitiger Betreuung von 7-10 älteren Personen. Waschen,
Anziehen, Unterstützung bei der Alltagsbewältigung, Begleitung bei täglichen
Beschäftigungen, Arzttermine, die Altenpfleger müssen individuell auf die
Bedürfnisse der alten Menschen eingehen – für mich persönlich ist es
unvorstellbar, was Pflegekräfte tagtäglich leisten.
Bei solch einer Diskrepanz
finden sich nur noch wenige, die einen solchen Job machen wollen. Man müht sich
verzweifelt, den Pflegenotstand zu beheben. Es sollen mehr junge Menschen
ausgebildet werden, aus noch ferneren Ländern der Erde sollen die Leiharbeiter
kommen.
An die Wurzel des Übels, die Gehaltsstrukturen
zu verbessern, will niemand ran. Im Saarland und im Raum Trier ist der Pflegenotstand
soweit gekommen, dass eine Vielzahl von Altenpflegern zu besser bezahlten Arbeitsplätzen
nach Luxemburg abgewandert ist. Die Ausbeutung in Deutschland ist an ihre
Grenzen gestoßen. Diese Altenpfleger haben endlich wirkungsvoll dagegen
protestiert, dass ihre Arbeitsleistung in einem Manchester-Kapitalismus zur
völligen Wertlosigkeit degradiert wird.
Im Umfeld eines allgemeinen Lohn-Dumpings
hatte das Plakat der linken Partei, auf den Pflegenotstand aufmerksam zu machen,
seine Berechtigung. Leiharbeiter aus Spanien sind zur Dauererscheinung
geworden. Oder Leiharbeiter aus der Ukraine, Litauen oder den Philippinien.
Marktpreise sind zu einem
Wettbewerb der Armutssysteme verkommen. Der ungehemmte Kapitalismus hat Eingang
in Alten- und Pflegeheime gefunden. Typisch ist, dass sich Kirche und Staat die
Verantwortung für den Pflegenotstand hin- und herschieben. Niemand will Verantwortung dafür
übernehmen, dass die Angehörigen optimal betreut werden und die Altenpfleger
angemessen entlohnt werden.
Das Plakat der Linken hatte
mitten in einen Wesenskern gezielt. Es ist diskutiert worden, die städtischen Seniorenzentren an einen anderen Träger auszugliedern. Die Entscheidung ist gegen eine Ausgliederung gefallen. Ab 2014 sollen die drei Seniorenzentren aber für 25 Millionen Euro saniert werden. Spätestens dann, wenn diese Umbaukosten auf die Bewohner umgelegt werden sollen, gehe ich davon aus, dass das Thema Ausgliederung wieder auf der Agenda stehen wird. Dann wird zu entscheiden sein: zahlen die Bewohner rund 500 € mehr an Heimkosten oder werden über eine Ausgliederung Dumping-Löhne realisiert, um diese Mehrkosten wieder aufzufangen.
* siehe hierzu auch
WDR-Reportage von Eva Müller „Gott hat hohe Nebenkosten“
Gab es vor gar nicht so langer Zeit einen interessanten Bericht in den Öffentlich-Rechtlichen. Gerade was Malteser und Diakonie angeht.
AntwortenLöschenHabe auch einige Bekannte die in diesen Berufen tätig sind...und man kann wirklich nur hoffen entweder über genug Kapital zu verfügen um sich entsprechend einzukaufen oder nicht in solche Heime zu müssen.
Schlimm daran finde ich immer dass die Menschen die sowas verursachen nicht einmal daran denken wie sie im Alter behandelt werden möchten.
Liebe Nachtgrüssle
Ja Dieter, die Lohnpolitik ist eine Sache der ich mit Widerwillen zu sehe. Wie kann es sein, das Mensche den ganzen Monat hart arbeiten und trotzdem von ihrem geld nicht leben können.
AntwortenLöschenIn Alten- und Pflegeheimem haben die Kräfte keine Zeit sich um die Patienten vernüftig zu kümmern, es muss alles husch husch gehen. Was diese meist Frauen leisten wird nicht vernüftig bezahlt.
Ich habe es gesehen als mein Sohn in dem Pflegeheim auf der Pflegestation gelegen hat und noch nichts alleine konnte. Es schreit zum Himmel.
Die Hauptsache ist die Zahlen der Arbeitslosen stimmt, denn alles was im Niedriglohnbereich, Ein Euro Jobs und ABM ist, fällt aus der Statistik raus. So kann man sich die Arbeitslosen auch schön lügen.
Liebe Grüße
Angelika
ja - der Zustand in den Pflegeheimen ist wirklich schlimm. Meine Mutter lebt in einem Pflegeheim - und ich sehe wie die Pflegekräfte mit der Arbeit einfach nicht hinterherkommen. Es fehlt an Personal.
AntwortenLöschenIch wünsche manchem Politiker, dass er mal eine Woche in einem Pflegeheim in einem Bett liegen müsste - am besten mit Durchfall :-(
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenes geht doch im Grunde in allen Bereichen um Lohndumping. Klar gibt es Unternehmen, die wirklich sparen müssen, weil sie sonst nicht konkurrenzfähig bleiben, aber in vielen Unternehmen gehts um immer höhere Gewinne.
Wenn ausgerechnet die "armen" kirchlichen Träger grade mal den Mindestlohn (wenn überhaupt) zahlen, ist das traurig. Da wundert es mich nicht das behauptet wird, das die katholische Kirche der größte Kapitalist der Erde sein soll.
Zurück zu den Unternehmen. Jeder will nur Reibach machen, und die Politik unterstützt die Unternehmer. Dazu passt es das solche Maßnahmen die Arbeitslosenzahlen verfälschen.
Sollte man sich doch mal die Frage stellen, wen man auspressen kann. Ich denke das sind die viele Arbeiter/innen, Rentner, Kranke, Kinder und Arbeitslose.
Über dieses Thema kann man noch viel diskutieren, doch zurzeit sehe ich keinen Weg, wie es geändert werden kann, es sei denn, es gibt eine Überraschung bei der kommenden Bundestagswahl, aber ob das wirklich was bringt, ich weiß es nicht.
Viele Grüße
Nachtfalke
Ps.: mit Überraschung meine ich nicht die Linken oder ähnliches
Genau: Das: "es geht doch im Grunde in allen Bereichen um Lohndumping."
Löschenwollte ich auch gerade zum Ausdruck bringen.
Warum lässt du dich gar nicht mehr bei mir blicken? Hatte dir doch extra schon 2 cmts geschrieben.
Grüssle zum Feierabend, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Danke, dass Du das Thema ansprichst. Es ist leider nicht nur in dem Bereich so, auch wenn dort wahrscheinlich sehr spürbar. Unsere Marktwirtschaft könnte manchmal mehr "sozial" vertragen.
AntwortenLöschenEin sehr schweres Thema. Alleine die Tatsache das Pflegeberufe in welcher Form auch immer ständig unbeiebter werden. Geringe Löhne, Überstunden und der Job selber ist weiss Gott kein Spaziergang.
AntwortenLöschenAll inklusiv leiden die Patienten dadurch am meisten.
Traurig aber wahr...