Freitag, 26. April 2013

Cantz schön clever


Die Begrüßung von Hugo Egon Balder war aus dem Lautsprecher verklungen. Zehn Jahre kannten sie sich über das Comedy-Quiz „Genial daneben“. Direkt alberte er herum: Balder, bald, der Name passe nicht, von Balder sei bald im Fernsehen nichts mehr zu sehen, er, Guido Cantz, er sei bald und balder und lege sofort auf der Bühne los.

Er hatte sofort die Lacher auf seiner Seite. Es war ja auch ein Heimspiel für ihn. Der Eltzhof in Porz-Wahn, ein altes Gehöft, zu einer Veranstaltungshalle umgebaut, ein langgestreckter Raum, offenes Gebälk zur Dachspitze, in diesen Räumlichkeiten war Guido Cantz’ Bühne. Dem Kölner Karneval entsprungen, ist er nicht eindeutig wie die anderen Rheinländer Dieter Nuhr, Wlfried Schmickler oder Jürgen Becker in die Kategorie des Kabaretts einzuordnen. Seine Show begann er mit der Frage:
„Wo kommt ihr her ?“
„Aus Junkersdorf“ antwortete jemand in der ersten Reihe.
„Das ist ganz weit weg. Am Ende der Welt, aber noch in den Stadtgrenzen von Köln.“
Später, nach der Pause, lästerte er: „Junkersdorf, das ist in die Länge gezogen wie ein Schlauch. Einmal rein und dann wieder raus.“

Guido Cantz ist mit Köln bodenständig verbunden. Er machte kein Geheimnis daraus, dass er in Köln-Porz-Lind kurz vor dem Ortsausgangsschild nach Spich – das zu Troisdorf gehört – wohnt. Mit Junkersdorf polarisierte er die Gegensätze – die äußerste Westecke gegen seine Heimat in der äußersten Südostecke von Köln. Ob Wahn, Libur, Langel oder Gremberghoven, so manche Stadtteile von Köln-Porz baute er in seine Comedy-Show ein. Genauso tauchte das Maximlian-Kolbe-Gymnasium mehrfach auf. 1989 hatte er dort Abitur gemacht. Zu seinem Heimspiel hatte er jede Menge alte Schulfreunde und andere Weggefährten eingeladen. Alte Lehrer sparte er bei seinen Witzen nicht aus und seine alten Schulfreunde applaudierten wohlwollend.

Anders als bei Dieter Nuhr, Wilfried Schmickler oder Jürgen Becker, nahm der Humor bei Guido Cantz mehr die Form eines rheinischen Witzes an. Mit seiner Gestik, seinem aufschraubten Lächeln, mit seinem manchmal sezierenden Blick, war seine Erscheinung bereits komisch. Charmant, stets nett, konnte er auch bissige Pointen formulieren. Die Pointen ergaben sich bisweilen nach langen Spannungsbögen, um sich danach in einem Knalleffekt des Lachens zu entladen. Seine Witze waren oft so gestrickt wie im Karneval: aus Situationen des Alltags, einfach, deftig, ohne großartig Nachdenken zu müssen, deutlich und effektiv. Er hatte es geschafft, bodenständig zu bleiben, obschon er immerhin ein abgeschlossenes Studium der Betriebwirtschaftslehre vorweisen konnte.

Seine Show war nicht wie eine Büttenrede konzipiert. Den roten Faden hatte er in seinem Buch „Cantz schön clever“ beschrieben - Untertitel: mit Klugscheißergarantie. Wissensdurst hatte ihn umgetrieben. Die Wundermaschine Google hatte für den Durchblick gesorgt. Daran sollte das Publikum teilhaben. Mit einem Ratespiel, das bis zum Schluss nicht gelöst werden konnte, begann er seine Show: wie man mit einer Banane eine Bierflasche öffnet.

Schnell vertiefte er sich in das massive Problem, welches er mit Abkürzungen hatte. ASAP tauchte in einer Mail auf. Guido Cantz kannte dieses Kürzel für „as soon  as possible“ nicht. Dies testete er sogleich beim nächsten Pizza-Service. Seiner nächsten Pizza-Bestellung über das Internet fügte er „ASAP“ hinzu. Als der Pizza-Bote ihm die Pizza ins Haus lieferte, befanden sich Berge von Sardellen und Pepperoni auf der Pizza. „Anche sardelle anche pepperoni“ bedeutete diese Abkürzung für Italiener. Seine Mutter missverstand Abkürzungen, als ihr Sohn das Sprechen lernte. Als Guido elf Monate alt war, rannte sie durch die Nachbarschaft und teilte allen mit, dass Guidos erstes Wort „Auswärtiges Amt“ gewesen wäre. Die Nachbarn waren bei solch einem komplizierten Wort verwundert. Tatsächlich hatte Guido „AA“ gesagt, und Guidos Mutter hatte aus diesem Kürzel „Auswärtiges Amt“ interpretiert. Sie hätte genauso interpretieren können „Assistenzarzt“, „American Airlines“ oder „anonyme Alkoholiker“. Natürlich konnte sich Guido an all die Ereignisse im Alter von elf Monaten nicht mehr erinnern.

Plötzlich hielt er eine Bibel in der Hand. Messdiener sei er gewesen. Nicht nur beim Messdienen, sondern auch aus der Bibel habe er Nützliches und Kurioses gelernt. Zum Beispiel das Hohelied aus dem Alten Testament. Ein Zuschauer durfte auf die Bühne kommen und einige Passagen – mit erotischem Zungenschlag – vorlesen:

Deine Zähne gleichen der Herde von frisch geschorenen Schafen
Deine zwei Brüste sind wie die Zwillinge einer Gazelle
Der Duft deiner Kleider gleicht dem Dufte des Libanon …

Das war ganz weit ausgeholt. Danach holte alle wieder der Abkürzungswahn ein, der auch vor der Bibel nicht halt machte. Sein Nachbar war Sachse aus Leipzig. Ich krümmte mich vor Lachen, wie Guido Cantz sein Sächsich nachmachte. Er war entsetzt wegen der Graffitis der Heiligen Drei Könige. Die Buchstaben C+M+B hatten die verkleideten Könige über sein Haus geschmiert. Er konnte den Leipziger beruhigen. Nebenher erklärte er, was niemand wusste, dass C+M+B nicht für die Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar steht. Sondern dafür, dass das Haus gesegnet wird – christus mansionem benedicat auf Lateinisch.

Grönemeyer mit „Flugzeuge im Bauch“ ahmte er nach. Nach den Tagesthemen präsentierte er eine Sondersendung aus dem Bahnhof von Hannover, weil ein ICE entgegen dem Qualitätsmanagement bei der Deutschen Bahn pünktlich eingetroffen war. Gans, Lanz, Conte – er macht sich darüber lustig, welche falschen Nachnamen in seiner Schulzeit kursierten.

Im Flug waren die drei Stunden seiner Comedy-Show vorbei. Den freundlichen Nachbarn, der auf Augenhöhe mit dem Publikum steht, hatte er mit rheinischem Witz exzellent gespielt. Guido Cantz glänzt nicht nur  bei „Verstehen Sie Spaß“. Gerne besuchen wir seine Comedy-Shows wieder.

4 Kommentare:

  1. Kenne ihn bisher nur aus dem Fernsehen. Doch Ihr Bericht macht Lust auf den Cantz live und in Farbe. Danke für den schönen Bericht.

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  2. Hej Dieter,

    ich bin erstaunt und begeistert zugleich, wie intensiv Du diese Show miterlebt hast und nachvollziehen konntest. Ich kenne Guido Cantz nicht, wohl aber sein Konterfei (der hellen Haare wegen) aus Zeitschriften. Man hat sicher mehr von der Show, wenn man den Raum Köln kennt. Alles in allem meine ich, dass er mehr das regionale Publikum (zumindest in dieser Show) ansprechen möchte.
    Dein Bericht macht neugierig. Sehr ausdrucksstark und gelungen!

    Gruß
    Beate

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  3. Dieter Nuhr kenne ich vom TV, Guido Cantz noch nicht. Ich hoffe, bald das Vergnuegen zu haben.
    Nuhr hat mir gut gefallen, Cantz vielleicht auch?

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  4. Kenne ihn auch aus dem TV und fand es damals klasse als er ausser des Karnevals zum "Einsatz" gekommen ist. So hat er ja auch ziemlich schnell den Weg zum damaligen Comedy Club gefunden usw.

    Ich mochte ihn schon immer, alleine schon die Art wie trocken er Dinge rüberbringen kann und dann sein Gesicht ein einziges Grinsen ist :-)))

    Klasse dass du ihn live erleben konntest, würde auch mir gefallen.

    liebe Grüssle
    Nova

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