Die Begrüßung von Hugo Egon
Balder war aus dem Lautsprecher verklungen. Zehn Jahre kannten sie sich über
das Comedy-Quiz „Genial daneben“. Direkt alberte er herum: Balder, bald, der
Name passe nicht, von Balder sei bald im Fernsehen nichts mehr zu sehen, er,
Guido Cantz, er sei bald und balder und lege sofort auf der Bühne los.
Er hatte sofort die Lacher
auf seiner Seite. Es war ja auch ein Heimspiel für ihn. Der Eltzhof in
Porz-Wahn, ein altes Gehöft, zu einer Veranstaltungshalle umgebaut, ein
langgestreckter Raum, offenes Gebälk zur Dachspitze, in diesen Räumlichkeiten
war Guido Cantz’ Bühne. Dem Kölner Karneval entsprungen, ist er nicht eindeutig
wie die anderen Rheinländer Dieter Nuhr, Wlfried Schmickler oder Jürgen Becker
in die Kategorie des Kabaretts einzuordnen. Seine Show begann er mit der Frage:
„Wo kommt ihr her ?“
„Aus Junkersdorf“ antwortete
jemand in der ersten Reihe.
„Das ist ganz weit weg. Am
Ende der Welt, aber noch in den Stadtgrenzen von Köln.“
Später, nach der Pause,
lästerte er: „Junkersdorf, das ist in die Länge gezogen wie ein Schlauch.
Einmal rein und dann wieder raus.“
Guido Cantz ist mit Köln
bodenständig verbunden. Er machte kein Geheimnis daraus, dass er in
Köln-Porz-Lind kurz vor dem Ortsausgangsschild nach Spich – das zu Troisdorf
gehört – wohnt. Mit Junkersdorf polarisierte er die Gegensätze – die äußerste
Westecke gegen seine Heimat in der äußersten Südostecke von Köln. Ob Wahn,
Libur, Langel oder Gremberghoven, so manche Stadtteile von Köln-Porz baute er
in seine Comedy-Show ein. Genauso tauchte das Maximlian-Kolbe-Gymnasium
mehrfach auf. 1989 hatte er dort Abitur gemacht. Zu seinem Heimspiel hatte er
jede Menge alte Schulfreunde und andere Weggefährten eingeladen. Alte Lehrer
sparte er bei seinen Witzen nicht aus und seine alten Schulfreunde applaudierten
wohlwollend.
Anders als bei Dieter Nuhr,
Wilfried Schmickler oder Jürgen Becker, nahm der Humor bei Guido Cantz mehr die
Form eines rheinischen Witzes an. Mit seiner Gestik, seinem aufschraubten
Lächeln, mit seinem manchmal sezierenden Blick, war seine Erscheinung bereits
komisch. Charmant, stets nett, konnte er auch bissige Pointen formulieren. Die
Pointen ergaben sich bisweilen nach langen Spannungsbögen, um sich danach in
einem Knalleffekt des Lachens zu entladen. Seine Witze waren oft so gestrickt
wie im Karneval: aus Situationen des Alltags, einfach, deftig, ohne großartig Nachdenken
zu müssen, deutlich und effektiv. Er hatte es geschafft, bodenständig zu
bleiben, obschon er immerhin ein abgeschlossenes Studium der
Betriebwirtschaftslehre vorweisen konnte.
Seine Show war nicht wie eine
Büttenrede konzipiert. Den roten Faden hatte er in seinem Buch „Cantz schön
clever“ beschrieben - Untertitel: mit Klugscheißergarantie. Wissensdurst hatte
ihn umgetrieben. Die Wundermaschine Google hatte für den Durchblick gesorgt.
Daran sollte das Publikum teilhaben. Mit einem Ratespiel, das bis zum Schluss
nicht gelöst werden konnte, begann er seine Show: wie man mit einer Banane eine
Bierflasche öffnet.
Schnell vertiefte er sich in
das massive Problem, welches er mit Abkürzungen hatte. ASAP tauchte in einer
Mail auf. Guido Cantz kannte dieses Kürzel für „as soon as possible“ nicht. Dies testete er sogleich beim
nächsten Pizza-Service. Seiner nächsten Pizza-Bestellung über das Internet
fügte er „ASAP“ hinzu. Als der Pizza-Bote ihm die Pizza ins Haus lieferte,
befanden sich Berge von Sardellen und Pepperoni auf der Pizza. „Anche sardelle
anche pepperoni“ bedeutete diese Abkürzung für Italiener. Seine Mutter
missverstand Abkürzungen, als ihr Sohn das Sprechen lernte. Als Guido elf
Monate alt war, rannte sie durch die Nachbarschaft und teilte allen mit, dass
Guidos erstes Wort „Auswärtiges Amt“ gewesen wäre. Die Nachbarn waren bei solch
einem komplizierten Wort verwundert. Tatsächlich hatte Guido „AA“ gesagt, und Guidos
Mutter hatte aus diesem Kürzel „Auswärtiges Amt“ interpretiert. Sie hätte
genauso interpretieren können „Assistenzarzt“, „American Airlines“ oder „anonyme
Alkoholiker“. Natürlich konnte sich Guido an all die Ereignisse im Alter von
elf Monaten nicht mehr erinnern.
Plötzlich hielt er eine Bibel
in der Hand. Messdiener sei er gewesen. Nicht nur beim Messdienen, sondern auch
aus der Bibel habe er Nützliches und Kurioses gelernt. Zum Beispiel das
Hohelied aus dem Alten Testament. Ein Zuschauer durfte auf die Bühne kommen und
einige Passagen – mit erotischem Zungenschlag – vorlesen:
Deine Zähne gleichen der
Herde von frisch geschorenen Schafen
Deine zwei Brüste sind wie
die Zwillinge einer Gazelle
Der Duft deiner Kleider
gleicht dem Dufte des Libanon …
Das war ganz weit ausgeholt. Danach
holte alle wieder der Abkürzungswahn ein, der auch vor der Bibel nicht halt
machte. Sein Nachbar war Sachse aus Leipzig. Ich krümmte mich vor Lachen, wie
Guido Cantz sein Sächsich nachmachte. Er war entsetzt wegen der Graffitis der
Heiligen Drei Könige. Die Buchstaben C+M+B hatten die verkleideten Könige über
sein Haus geschmiert. Er konnte den Leipziger beruhigen. Nebenher erklärte er,
was niemand wusste, dass C+M+B nicht für die Heiligen Drei Könige Caspar,
Melchior und Balthasar steht. Sondern dafür, dass das Haus gesegnet wird –
christus mansionem benedicat auf Lateinisch.
Grönemeyer mit „Flugzeuge im
Bauch“ ahmte er nach. Nach den Tagesthemen präsentierte er eine Sondersendung
aus dem Bahnhof von Hannover, weil ein ICE entgegen dem Qualitätsmanagement bei
der Deutschen Bahn pünktlich eingetroffen war. Gans, Lanz, Conte – er macht
sich darüber lustig, welche falschen Nachnamen in seiner Schulzeit kursierten.
Im Flug waren die drei
Stunden seiner Comedy-Show vorbei. Den freundlichen Nachbarn, der auf Augenhöhe
mit dem Publikum steht, hatte er mit rheinischem Witz exzellent gespielt. Guido
Cantz glänzt nicht nur bei „Verstehen
Sie Spaß“. Gerne besuchen wir seine Comedy-Shows wieder.
Kenne ihn bisher nur aus dem Fernsehen. Doch Ihr Bericht macht Lust auf den Cantz live und in Farbe. Danke für den schönen Bericht.
AntwortenLöschenHej Dieter,
AntwortenLöschenich bin erstaunt und begeistert zugleich, wie intensiv Du diese Show miterlebt hast und nachvollziehen konntest. Ich kenne Guido Cantz nicht, wohl aber sein Konterfei (der hellen Haare wegen) aus Zeitschriften. Man hat sicher mehr von der Show, wenn man den Raum Köln kennt. Alles in allem meine ich, dass er mehr das regionale Publikum (zumindest in dieser Show) ansprechen möchte.
Dein Bericht macht neugierig. Sehr ausdrucksstark und gelungen!
Gruß
Beate
Dieter Nuhr kenne ich vom TV, Guido Cantz noch nicht. Ich hoffe, bald das Vergnuegen zu haben.
AntwortenLöschenNuhr hat mir gut gefallen, Cantz vielleicht auch?
Kenne ihn auch aus dem TV und fand es damals klasse als er ausser des Karnevals zum "Einsatz" gekommen ist. So hat er ja auch ziemlich schnell den Weg zum damaligen Comedy Club gefunden usw.
AntwortenLöschenIch mochte ihn schon immer, alleine schon die Art wie trocken er Dinge rüberbringen kann und dann sein Gesicht ein einziges Grinsen ist :-)))
Klasse dass du ihn live erleben konntest, würde auch mir gefallen.
liebe Grüssle
Nova