Ein steinernes Wegekreuz, auf
dem sich Hände zusammenfalteten, ließ ich hinter mir. Die Parkanlage aus der
Renaissance von Schloss Gudenau versteckte sich hinter hohen Mauern. Ich kroch
die Steigung hoch, dessen Höhe die Grenze von NRW nach Rheinland-Pfalz
beziehungsweise von Wachtberg zur Grafschaft markierte. Längst hatten sich
diffuse Wolkengebilde vor die Sonne geschoben. Sorgfältig hatte ich den
heutigen Tag für die Tour ausgewählt: im Laufe der Woche sollte sich ein Tief
über Norddeutschland festsetzen, Regengebiete sollten das Rheinland fest im
Griff haben, und heute sollten die Regenmengen erst spät ankommen und im
zumutbaren Bereich liegen.
Von der Höhe aus überblickte
ich diese hügelige Landschaft, dessen Anstiege unspektakulär waren, bis sie
hinter der fernen Autobahn die Hänge der Eifel hoch rollten. Die Temperatur dümpelte unterhalb der 10 Grad-Marke vor sich hin.
Hochspannungstrassen zerrissen das Landschaftsbild. Über den Dörfern der Grafschaft hing eine friedfertige Stille, die durch kleine Kapellen
unterstrichen wurde. 1732, las ich in Arzdorf vor weißgestrichenen Mauern. Aus
den Mauernischen schauten stolz drei Heiligenfiguren heraus.
Nichts los in der Grafschaft
? Um meine innere Ruhe zu finden, brauchte ich diese Untätigkeit. Keine
Reizüberflutung, denn niemand war auf den Obstplantagen zu sehen. Wenige Felder
hatten die Traktoren umgepflügt. Über freien Flächen fegte ein rauher Wind in
mein Gesicht, flaute im nächsten Ort ereignislos ab, der aus lauter
Schreinereien und Treppenbauern bestand. Also, liebe Häuslebauer und all
diejenigen, die Wendeltreppen oder Spindeltreppen oder Bogentreppen oder
Faltwerktreppen brauchen: auf nach Grafschaft !
War in der Grafschaft der
Hund begraben ? Denkste, denn am 20. April würde die Feier richtig losgehen.
Junggesellenfest, Disco, vorgezogener Mai-Ball, Dorfumzug, in zehn Tagen würde
hier gefeiert werden, was das Zeug hält. Im Ortskern ging der Alltag seinen Weg.
Der klotzige Bofrost-Transporter beglückte die Kunden mit seinen
Tiefkühlprodukten. An der Häuserecke wurde das Garagentor gestrichen.
Kleinkinder machten auf ihren Bobby-Cars ihre ersten Fahrübungen. Einige Dörfer
weiter, in Lantersdorf, mischten sich neue Indizien an den Straßenrand, dass
hier keineswegs der Hund begraben war. Die Heinz Erhardt-Show und die
Krageknöpp – eine Kölsche Milieuband - kilometerlang war die Bundesstraße mit
Plakaten zugepflastert.
In Ahrweiler änderte sich das
Gesamtbild der vortouristischen, ruhigen Jahreszeit kaum. Daher war es wenig
erstaunlich, dass ich am Marktplatz ein ungestörtes Plätzchen in einem Café
fand, wo ich ein Weizenbier trinken konnte. Erstaunlich war aber die
windgeschützte Lage des Plätzchens, so dass ich draußen bei einstelligen
Temperaturen nicht frieren musste. Wenig erstaunlich war die Diskussion am
Nachbartisch, die eines der Hauptprobleme unserer Zeit betraf: Rumänen und
Bulgaren als Bettler, kriminelle Organisation oder Wirtschaftsflüchtlinge. Das
Thema waren diesmal Tierschutzprogramme: deutsche Tierschutzorganisationen
stellen Gelder für Hilfsprojekte bereit. Die Zustände dauern aber in Rumänien
an, dass Hunde auf Straßen vor sich her vegetieren oder Katzen in freier
Wildnis verwahrlosen.
Bestimmte Streckenabschnitte
sind fester Bestandteil meiner Rennradrouten. Dazu gehört das Stück zwischen
Ahrweiler und Dernau. Dort gräbt sich das Ahrtal tief in die
Mittelgebirgslandschaft der Eifel ein. Bisweilen fallen Felsformationen
senkrecht ins Tal hinab. Wunderschön ist die Gestaltung der Weinberge als
Terrassen-Landschaft. In Stufen klettern die Weinberge die Hänge hinauf, die
Rebstöcke harren noch in ihrer Winterstarre aus, und bei diesem steilen Anstieg
in den Weinbergen zu arbeiten, liegt außerhalb meines Vorstellungsvermögens.
Besenwirtschaften und
Weinstuben – seit unserer Wanderung im Oktober letzten Jahres war Dernau nicht
wieder zu erkennen. Behaglich und still war es dort. Die Touristenmassen, die
sich verirrt hatten, gingen gegen Null. Die Stühle vor den Lokalen waren schön
aufgeräumt. Der Weinverkauf steckte in den Startlöchern. Entlang der
Hauptstraße herrschte geregelter Werktagsbetrieb. Erst mit dem Maibaumsetzen am
30. April würde ein gewisser Rummel losgehen.
Schließlich der Anstieg aus
dem Ahrtal heraus. Das waren vier bis fünf harte Kilometer, die meine Kondition
extrem strapzierten. Bei solchen Abschnitten bin ich froh, wenn ich den genauen
Verlauf kenne, insbesondere, wann der Anstieg endet. Das vermeidet Frustration
und Erschöpfung, wenn ich meine, hinter der nächsten Kurve endet der Anstieg,
aber er setzt sich quasi endlos fort. Mit der Ausdauer, wie ich sie von mir
kenne,
habe ich die vier bis fünf Kilometer mit beharrlichem Treten geschafft. Jedesmal
genieße ich den unbeschreiblichen Ausblick ins Ahrtal hinunter. Von der Höhe
aus beobachte ich, wie der Rotweinwanderweg Schlangenlinien zwischen Weinberge
und Waldstücken zeichnet. Dass Dernau zwei Jahre hintereinander die Deutsche
Weinkönigin gestellt hat, irritiert mich, weil die Deutsche Weinstraße in der
Pfalz ebenso mit der Deutschen Weinkönigin fleißig Werbung macht. Habe ich da
etwas durcheinander gebracht ?
Von Dernau aus zurück in die
Grafschaft. Bunt hintereinander gewürfelt kamen die nächsten Dörfer Esch und
wie sie alle heißen. Der tiefe Einschnitt des Ahrtals war übergegangen in
buckelige Hügel, die mehr abwärts wie aufwärts führten. Mäßiger Rückenwind
drückte mich mit leichtem Treten vorwärts. Die Akzente in der Landschaft
verblassten. Mein Blick heftete sich an das lange Band der Autobahn A61, die
die Grafschaft genauso wie die Hochspannungstrassen zerlegte. Reihen von LKW’s
huschten in der Ferne vorbei. Unter einer Brücke kondensierte schließlich diese
Masse von Autoverkehr: in luftiger Höhe passierte ich das Autobahnkreuz
Meckenheim. Das System von Zufahrten und Abfahrten schwebte unter mir hinweg.
In sicherem Abstand ging es auf der Landstraße weiter nach Meckenheim.
Der Rest war Routine. Nicht
alle Landschaften sind so aufsehenerregend wie das Ahrtal. In Bonn musste ich
mich sogar mit dem banalen Blick auf den OBI und den bauklotzartigen Häusern
auf dem Hardtberg zufrieden geben.
Schön, dass du mich mit deiner Tour an die Orte meiner Jugend erinnerst! Oberhalb von Dernau habe ich in den Bergen das Autofahren gelernt - schräge Situation in jeglicher Hinsicht :-)....Usw. usw.
AntwortenLöschenVerdamp lang her, verdamp lang!
Gute Nacht!
Astrid
P.S. Das Ahrtal ist wirklich wunderschön!
Eine wunderschöne Tour hast du da gemacht, und schön dass du diese Plätze auch mal von der anderen Seite kennenlernen konntest. Finde ich persönlich auch immer schöner, so kann man es dann genießen und auch entspannen.
AntwortenLöschenLiebe Grüssle
Nova
Je nach Stimmung kann ich Ausflüge zu "stillen" Gegenden auch sehr genießen. Ich muss nicht immer Jubeltrubel um mich herum haben.
AntwortenLöschenEine schöne Gegend, das Ahrtal. Kenne ich leider gar nicht. Aber man kann sich das ja auch sehr schön "erwandern", da ich lieber zu Fuß unterwegs bin als mit dem Rad. Danke für deinen Bericht!
LG Calendula
Da hat du eine wunderbare Radtour hinter dich gebracht und wir
AntwortenLöschendurften wieder einmal partizipieren. Tolle Fotos und ein gran-
dioser Bericht.
Einen schönen Abend wünscht
Irmi
du hast deine Radtour wieder so toll beschrieben! Wie machst du das eigentlich ... machst du dir während der Fahrt zwischendurch Notizen? oder schreibst du alles hinterher an einem Stück?
AntwortenLöschenHat wieder Spaß gemacht bei dir zu lesen.
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Da hast du aber wieder eine tolle Radtour hingelegt und fein säuberlich alles genau beschrieben, so dass man glaubt, man würde mitradeln.:-)
AntwortenLöschenMachst du die Touren eigentlich immer alleine oder in Begleitung?
Liebe Grüße
Christa
Wow, mooie foto's ... Jullie hebben echt 'wijnbergen' hè? Ik heb genoten van de fietstocht. Straks, als de zon schijnt, wordt alles minder grauw. Fijn weekend!
AntwortenLöschenEine stramme Tour, die du da wieder mal durchgezogen hast. Bei der nächsten hast du bestimmt auch mal wieder schöneres Wetter ... ich wünsche es dir auf jeden Fall :-)
AntwortenLöschenEin schönes Wochenende für dich und die Familie.
LG Frauke
Tolle Bilder, man möchte am liebsten mitradeln und auch gucken!!
AntwortenLöschenKlasse!
LG, Michaela
Hallo Dieter,
AntwortenLöschendas sieht nach einer tollen Rennradtour aus.
Der Winter war wirklich zu lang, selbst zum gemütlichen Stadtradeln war es immer zu ungemütlich, daher habe ich auch wenig Kondition im Moment.
Schönes Wochenende!
Elke