Der Wartebereich war nicht mit
Blumenkübeln oder pfiffigen Gemälden geschmückt, so wie ich es von anderen
Service-orientierten Unternehmen – wie Versicherungen oder Krankenkassen -
kannte. Ich schaute in lange Endlos-Gänge hinein, die etwas von der Sterilität
eines Krankenhauses hatten. Auf einem Prospektständer vor einer fahlen weißen
Wand informierte der NRW-Finanzminister. ELSTER, ein Wandplakat mit der
Online-Steuererklärung, verlor sich in der Blässe des Warteraums. Formulare
unterrichteten in einer Aushangtafel über öffentliche Zustellungen. Ein mattes,
schwarz-graues Muster verirrte sich auf den Steinfliesen. Vorbei stolzierende
Beschäftigte des Finanzamtes grüßten höflich und zeigten bisweilen sogar ein
lockeres, entspanntes Lächeln.
Nachdem meine Wartemarke
angezeigt wurde, spazierte ich in die Servicestelle unseres Finanzamtes. In dem
Büro quetschten sich vier Schreibtische inklusive Flachbildschirme zusammen. Ich
platzierte mich auf den gepolsterten Besucherstuhl. An der Wand quollen aus
Schrankreihen Aktenordner heraus. Die Mitarbeiterin, um die vierzig, die mein
Anliegen entgegen nehmen durfte, war überraschend hübsch. Sie trug einen
dezenten hellbraunen Pullover. Glatt hing ihr blondes Haar bis zu den Schultern
herunter.
„Was kann ich für Sie tun ?“
Ich wollte die Grundsatzfrage
klären. Falls es meiner Göttergattin angeboten wird: wie wirkt sich eine höhere
Wochenarbeitszeit oder neue Arbeitsangebote nach ihrer Weiterbildungsmaßnahme im
Portemonnaie aus ? Beziehungsweise: in welchem Umfang wird ein fiktives höheres
Einkommen durch Steuern wieder aufgefressen ?
Die Mitarbeiterin war so
kompetent, wie ich es von den Finanzbeamten gewohnt war. Trotzdem schwebte der
Mief der Bürokratie zwischen den verblichenen Wänden, die einen Anstrich
gebrauchen konnten. Vieles war Stückwerk, Papier, Zettel und Formulare, die
sich in den Ablagekörben sammelten. Richtlinien, Verordnungen und
Entscheidungen des Bundesfinanzhofs bevölkerten einen Schubladenschrank.
„Meine Frau hat momentan
einen 450 €-Job. Wie ist sichergestellt, dass nichts versteuert wird ?“
„Der wird gar nicht in der
Steuererklärung angegeben.“
„Was passiert, wenn meine
Frau mehr als 450 € verdient ?“
„Das ist in der
Steuererklärung anzugeben. Ihr Einkommen als Eheleute wird zusammengezählt und
mit dem dazugehörigen Steuersatz versteuert.“
„Wie hoch sind die zu
zahlenden Steuern ?“
„Das ist der Steuersatz, den
Sie den Steuertabellen entnehmen können.“
„Das heißt: das höhere
Einkommen wird sich anfangs nicht rechnen, sondern erst relativ spät, wenn es
deutlich höher ist als 450 €.“
Diese Aussage half mir
weiter, denn zu Hause besaß ich ein Taschenbuch über die Steuererklärung. Darin
standen auch Steuertabellen mit Steuersätzen. Die Mitarbeiter des Finanzamtes
hatten mir stets weiter helfen können, selbst wenn sie bei der Steuererklärung
Einzelpositionen gestrichen hatten. Das ständig sich ändernde Steuerrecht
förderte ihr flexibles Denken. Damit waren sie anderen Staatsbediensteten um
Lichtjahre voraus.
„Danke schön. Sie haben mir
weiter geholfen.“
Durch den nüchternen Gang mit
den hohen Decken schritt ich zum Ausgang zurück. Abschließend warf ich einen
Blick auf die Hinweistafel, auf der die Abteilungen mit den Amtsbezeichnungen
der zuständigen Mitarbeiter herunter geschrieben waren. Der Pförtner kauerte
ich seinem kleinen Büro, das mit Kartons und Formularen vollgestopft war.
Zu Hause rechneten wir beide
mit spitzem Bleistift nach. Dabei halfen uns die Excel-Kenntnisse, die sich
meine Göttergattin durch die Weiterbildungsmaßnahme des Arbeitsamtes angeeignet
hatte. Um eine Größenordnung berechnen zu können, nahmen wir der Einfachheit
halber eine Verdopplung ihres Einkommens auf 900 € an. Aus den Steuertabellen
und dem Einkommensteuerbescheid errechneten sich 120 € Steuern pro Monat für
meine Göttergattin. Monatlich hatte ich 130 € über den höheren Steuersatz zu
berappen.
Sprich: der Staat kassierte
ordentlich ab. Von den 450 € zusätzlich verdientem Geld gingen in Summe 250 €,
also mehr als die Hälfte, für Steuern drauf.
Warten wir also ab, ob meine
Göttergattin Arbeitsangebote oder dergleichen erhält. Soweit ihr Gehalt
weiterhin im Niedriglohnsektor dümpelt, lohnt wahrscheinlich der zeitliche
Mehraufwand nicht. Es sei denn, sie macht ihren Job aus Spaß und Freude und
Idealismus.
Tja, die leidigen Steuern.
AntwortenLöschenAber ohne sie funktioniert nun mal kein Staat. Dann saessen wir alle wie Griechenland da. Und das wollen wir vielleicht doch nicht.
Nur schade, dass es immer die Kleinverdiener sind, die verhaeltnismaessig hohe Steuern zahlen. Grossverdiener wissen, wie man dran vorbei kommt.
Ja mein Liebr das ist doch immer so, kennt man doch vom Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Sofort kommt man in eine höhere Steuerklasse und vom Geld bleibt fast nichts über. Wir kleinen Bürger müssen das zahlen was die "GRoßen" am Fiskus vorbei schmuggeln.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Angelika
Das ist leider Fakt, dass sich im Niedriglohnsektor in Bezug auf Zweiteinkommen das Arbeiten kaum rechnet und dies ist eigentlich frustrierend oder?
AntwortenLöschenIch drücke deiner Frau die Daumen, dass sie vernünftige Jobangebote bekommt, die sich auch finanziell rechnen und sie Freude an ihrer Arbeit haben wird.
Danke dir noch ganz herzlich für deine Erklärung zum Thema "Radtouren > allein oder in Gemeinschaft".
Liebe Grüße
Christa
Ja, diese Nüchternheit der Finanzämter sind schon gruselig. Vor Jahren kannte ich sogar eines das nur ein Faxgerät für drei Etagen hatte :-(((
AntwortenLöschenWie gut dass ihr noch nachgerechnet habt, denn ich wollte schon ein Veto einlegen. Da sollte man schon in die Tabelle schauen wieviel unter dem Strich übrig bleibt. Gerade wenn man die schlechte Lohnsteuerklasse hat. Da bleibt meist kaum was übrig :-(
Schon viele Jahre kann ich mir über dies aufregen. Die Lohnnebenkosten sind so hoch, auch für den AG, kein Wunder wenn sie abwandern und ihre Pforten in D. schließen. Man sollte wirklich mal an der Basis beginnen, denn was wäre das Land ohne die fleissigen und "kleinen" Mitarbeiter...nüscht-nada-nothing...aber das sehen die Politiker und hohen Herren nicht. Hauptsache ihre Säckle sind immer schön voll. :-(((
Übrigens fände ich es mal interessant ob das FA sich für das Schild eine Genehmigung von Uli Stein geholt hat ;-) Soviel ich weiß ist er nämlich auch sehr bedacht auf sein Copyright^^
Herzliche Grüssle
Nova
Guten Morgen, Dieter (◠‿◠)
AntwortenLöschenIch hätte gar nicht damit gerechnet, dass Fotos in Ämtern erlaubt sein könnten. Vieleicht werde ich dort auch mal fotografieren. Ee geht mit diesen Gängen wie uns beiden mit den Hochhäusern. Fastzinierend und unangenehm zu gleich. Ebenso diese unmenschlichen Apparaturen, die mal veraltet mein hochtechnisiert dort zu finden sind. Widerlich und doch ein Hingucker.
Wenn ihr von 450 € zusätzlich verdientem Geld 250 € Steuern zahlt, dann rechne mal bitte noch dazu: Mehrwertsteuer, Genussmittelsteuer... die beim Einkauf anfallen, Fahrtickets für ÖPNV, der ja eigentl. auch bereits von den Steuergeldern bezahlt wird... Letztendlich müsst ihr mal überelegen, ob sich das wirklich lohnt, deine Frau auch noch arbeiten zu schicken. Denn ihr habt ja nun jede Menge Aufwand durch das Hin- und Herschieben von Betreung, Kochen ...
Danke für deinen cmt., den du sehr nett geschrieben hast, und wieczoramatische Grüße zum Wochenteiler, (◔‿◔) | Mein Fotoblog
hallo Dieter
AntwortenLöschenhabe den kommentar von Friko gelesen.Ja er hat recht.Steuern in Deutschland sind sehr hoch,dagenen das Lebensmittel ist viel billger als hier.Es wird überall immer schlimmer und langsam wollen die Menschenkein Haus mehr besitzen oder auch was anderes.Vieleicht müssen wir alle uns mit wenigere Sachen zufrieden bringen?Wie ging das in den alten Jahren?Oh hast Du hier wieder ein grosses interessantes Thema!!!!-))))Ich wünsche Deiner Frau das ihr Leben schnell zu recht kommt!!
Ganz liebe grüsse
Christa
Es ist leider so, dass gerade im Niedriglohnsektor sich Mehrarbeit bei einem mitverdienenden Ehepartner ziemlich schnell in relativ hohen Steuern niederschlägt. Das ist immer noch ein Manko an unserem Steuersystem.
AntwortenLöschenDem Ulli Stein Cartoon nach zu urteilen, haben die Finanzbeamten (die ja auch nichts für das Steuersystem können) wenigstens den Humor nicht verloren!
LG Calendula
Wenigstens konnte dir kompetent und scheinbar auch freundlich geholfen werden ... ist in Ämtern nicht immer der Fall ;-)
AntwortenLöschenDrücke die Daumen, dass deine Ehegattin etwas entsprechendes findet, wo es sich auch wirklich lohnt, arbeiten zu gehen.