Ich gelobe Besserung. Zwischen Bonn und Köln beheimatet,
gebe ich zu, dass mich jedes Mal ein beklemmendes Gefühl ereilt, wenn ich mich
nach Düsseldorf bewege. Zu unterschiedlich sind die Städte in Struktur und
Geschichte. Und es lässt sich das Gefühl nicht verleugnen, dass speziell den
Kölnern zum Ausgang des Mittelalters ein neues Machtgebilde vor die Nase
gesetzt worden ist. Dies hat für Unbehangen gesorgt und die verwurzelten
Machtkonstellationen neu aufgemischt.
Zu leugnen, dass Düsseldorf zum Rheinland gehört, wäre
sträflich. Ich habe mir Jan Wellem ausgesucht, um das geistige Areal
Düsseldorfs zu betreten. Sein Denkmal in der Altstadt vor Augen, sehe ich ihn
als Reiter auf einem Pferd mit seiner langen Lockenperücke. Hoch zu Roß, mag er
mir als Feldherr vorkommen. Doch in diese preußische Kategorie eines Clausewitz, Scharnhorst oder Moltke ist er nicht
einzusortieren. Herzog Johann Wilhelm II., Kurfürst von der Pfalz, Herzog von
Jülich-Berg, Pfalzgraf von Neuburg, betrieb zwar eine Machtpolitik mit hehren
Zielen. Doch Schlachtfeldern waren nicht sein Ding.
Die Puzzlestücke seines Fürstentums hatte ihm sein Vater Philipp
Wilhelm übertragen. 1658 in Düsseldorf geboren, war er Rheinländer mit Leib
und Seele. Über seine Leutseligkeit und Freigiebigkeit haben seine Zeitgenossen berichtet. Bereits sein Großvater Wolfgang Wilhelm hatte die Herzogtümer Kleve,
Jülich und Berg gegen die Ansprüche der Herzöge aus Brandenburg behauptet. Nach
dem Frieden von Rijswijk (1697), der den Pfälzer Erbfolgekrieg beendete,
erweiterte er seinen Machtbereich um die Pfalz und das Herzogtum Neuburg an der
Donau, das ihm als Erbe seines Vaters zufiel. Während andere Fürsten Ruhm und
Macht auf Schlachtfeldern erlangten, wollte er Macht und Einfluss über
Beziehungen, Netzwerke, Heiraten und Diplomatie erweitern. Er selbst heiratete 1678
die Wiener Erzherzogin Maria Anna Josepha und baute dadurch die Verbindung mit
Habsburg auf. Er hatte insgesamt 16 Geschwister, die quer durch Europa
verheiratet waren, von Portugal über Spanien bis nach Italien und Polen. Er
wollte König werden. Die Position des Königs von Preußen schnappte ihm 1701 ein
brandenburgischer Kurfürst weg. Eine Zeitlang war er als Thronfolger für die
spanische Niederlande im Gespräch. Auch hier wurde der Thron anderweitig
besetzt. Dann sah ein Friedensplan nach dem Spanischen Erbfolgekrieg vor, für
ihn ein Königreich aus Sizilien, Sardinien und den Balearen zusammenzuwürfeln. Daraus
wurde erneut nichts. Schließlich wurden die Angebote immer merkwürdiger. 1695
sollte er anscheinend im Kaukasus mit der Königskrone belohnt werden, wenn er
die Perser vertreiben würde.
So ergab es sich, dass er das rheinische Terrain kaum
verließ. Ab und an suchte er seine Sommerresidenz in Schwetzingen auf. Nach dem
Frieden von Rijswijk hatte er die Pfälzische Kurfürstenwürde erlangt und hätte
eigentlich auf dem Heidelberger Schloss residieren müssen. Doch das
Heidelberger Schloss war zerstört, nachdem französischen Truppen in der Pfalz
Öde und Verwüstung hinterlassen hatten. Nicht nur Heidelberg, auch die
Festungsstädte Mannheim oder Landau waren dem Erdboden gleich gemacht worden.
Sowohl der Dreißigjährige Krieg wie der Pfälzische
Erbfolgekrieg hatten Düsseldorf in vergleichsweise geringem Umfang zerstört.
Daher richtete sich Jan Wellem komfortabel in Düsseldorf ein. Jan Wellem hatte
bei einer Reise durch Frankreich Ludwig XIV. persönlich kennen gelernt. Nicht
nur in Versailles, auch andere Fürsten bauten in der Zeit des Barock prunkvolle
und verschwenderische Schlösser. Jan Wellem ließ Baupläne für ein Schloss in
Düsseldorf entwerfen, die die menschlichen Maßstäbe sprengten – wie bei anderen Fürsten im Zeitalter des
Absolutismus. Der Haken war: in Düsseldorf gab es bereits ein Schloss. Ähnlich
wie bei all den Visionen von Königskrönungen, wurde auch aus dem Schloss nichts:
abreißen wäre unsinnig gewesen, ein zweites Schloss neben dem vorhandenen
Schloss genauso, daher blieb es bei einem Umbau.
Was hingegen die Zeit überdauert hat und wofür Jan Wellem
bis heute die Düsseldorfer Bürger dankbar sind, das ist sein Engagement für die
Kunst. Seine Baupläne waren so dimensioniert, dass er nach der Begegnung mit
Ludwig XIV. ein Paris am Rhein schaffen wollte. Weil auch dies eine Luftnummer
war, entstand nicht nur ein neues Theater und eine neue Oper, sondern auch eine
Kunstakademie. Er holte niederländische und flämische Maler nach Düsseldorf,
die den naturalistischen Stil ihrer Malerei dort lehrten. Später kaufte er
Gemälde an. Darunter waren berühmte Gemälde berühmter Maler – vor allem aus
Antwerpen. Es waren 46 Gemälde von Rubens und mehrere Gemälde von Brueghel und van
Dyk. Die nördlichen Niederlande waren mit zehn Gemälden von Rembrandt
vertreten. Aus Italien stammten Gemälde von Caravaggio, Michelangelo, Raffael
und del Sarto, aus Deutschland Dürer. Neben dem Schloss wurde eigens eine
Gemäldegalerie für die insgesamt 343 Gemälde gebaut. Düsseldorf verlor diese
Gemäldesammlung durch widrige politische Umstände Anfang des 19. Jahrhundert an
die alte Pinakothek in München.
Die Bedeutung von Düsseldorf als Kunstmetropole mit einer
eigenen Kunstakademie ist bis heute erhalten geblieben. Auch der Name von Jan
Wellem ist bis heute ganz eng mit der Stadt Düsseldorf verbunden.
Sein Reiterdenkmal hatte er übrigens bereits zu Lebzeiten in
Auftrag gegeben. Den Auftrag hatte sein Hofbildhauer Gabriel Gruppello
erhalten. Jan Wellem starb 1716. 1711 begann Gruppello das Denkmal, wobei die
ursprüngliche Planung, auf dem Denkmal Jan Wellem mit seinem Vater darzustellen,
aufgegeben wurde. 1714 fertig gestellt, ist es Gruppello gelungen, die Bürgernähe Jan Wellems darzustellen sowie Verehrung und Bewunderung über seinen Tod hinaus.
Vielen lieben Dank wieder für die viele Information und diesen Post. So ist mir wieder ein Stück Geschichte aus dem Rheinland näher gebracht worden.
AntwortenLöschenHerzliche Grüsse
Nova
Interessant!
AntwortenLöschenJa, ja - der Streit zwischen Köln und Düsseldorf. Den gab es immer und es wird auch so bleiben.
AntwortenLöschenAber ich danke dir, dass du mir die Geschicht von Jan Wellem noch einmal nahegebracht hast.
Ich hatte Vieles vergessen.
Einen schönen Abend wünscht
Irmi
Hallo Irmi,
Löschen"der Streit zwischen Köln und Düsseldorf. Den gab es immer und es wird auch so bleiben"
Damit wirst Du wahrscheinlich Recht haben, aber ist es nicht manchmal das Salz in der Suppe? ;-)
Viele Grüße
Nachtfalke
Hallo Dieter
AntwortenLöschenDanke für diesen sehr interessanten Post. Danke auch für Deinen lieben Kommentar auf meinem Blog.
Ich wünsche Dir frohe Osterfeiertage und grüsse Dich herzlichst Yvonne
*lol* das ist ja quasi Folter, wenn ich hier was über "Düsseldorf" lesen muss ;-)
AntwortenLöschenAber informativ war es wie immer trotzdem.
Mist, schulde dir immer noch eine Terminantwort *umfall*
Hallo Frau Fröhlich,
Löschenwarum Folter wenn es informativ war?
VG Nachtfalke
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenDu brauchst kein beklemmendes Gefühl haben, wenn Du Dich mal Richtung Düsseldorf bewegst. Bewege ich mich in den Kölner Raum, habe ich auch keine Berührungsangst ;-)
Dein Bericht ist gut recherchiert.
Gruß Nachtfalke
Jan Wellem kenne ich auch nur als einen Kunstmätzen, vor 2 Jahren hab ich mal eine sehr interessante Ausstellung gesehen, von Bildern, die er gesammelt oder finanziert hat, da waren so viele bekannte Künstler dabei, wie Du schon schreibst, damalige (und heutige) Weltklasse.
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