Freitag, 15. März 2013

gesunde Ernährung

Vincent van Gogh, die Kartoffelesser (de "aardappeleters"); van-Gogh-Museum Amsterdam
Die Äcker waren sandig und karg. Brabant in den Niederlanden: auf der trocken gelegten Sumpf- und Moorlandschaft war der Boden nicht nur nass, auch das Klima war kühl. Getreide wuchs kaum, so dass sich die Menschen hauptsächlich von Kartoffeln ernährten. 1885 malte van Gogh die Kartoffelesser, eines seiner Frühwerke: die Bauern waren bescheiden und zufrieden. Oft meinte das Klima es so gut mit ihnen, dass die Kartoffelernte bis ins Frühjahr gelagert werden konnte. Hungersnöte waren glücklicherweise ausgeblieben. Beim Abendessen hockten die Bauern beisammen, die harte Schufterei auf den Feldern hatte ihre Spuren hinterlassen, gegenseitig schauten sie in ihre matten und zerfurchten Gesichter hinein, ihre einzige Speise waren in Fett gebratene Kartoffeln.

Sie hatten keine Wahl. Niemand redete ihnen herein. Sie waren zufrieden mit dem, was sie hatten. Sie waren vor allem nicht dem Überangebot von Meinungen ausgeliefert, wo jeder, der ein bisschen zu sagen hatte, sich zu einem Messias aufspielen konnte, der einen auf den richtigen Weg führen wollte.

Die gesunde Ernährung ist für mich ein Mysterium, ein wohl behütetes Geheimnis, das jeder für sich selbst erkunden muss. Currywurst ? Ich liebe diese würzig-scharfe Soße mit dem saftigen Geschmack der Wurst. Kartoffelchips ? Ich liebe dieses sanfte Krachen zwischen meinen Zähnen beim Zerbeißen der Chips, das mir das Wasser im Mund zusammen laufen lässt. Fritten ? Ja, gerne, besonders in unseren westlichen Nachbarländer, wo sie richtig nach frischen Kartoffeln schmecken. Die Kartoffelesser in Brabant brauchten keine Angst zu haben, in den Abgründen ungesunder Ernährung zu landen – so wie ich. Kartoffeln sind nahrhaft, sie enthalten ein bisschen Eiweiß und Kohlehydrate im Überfluss, vor allem kein Fett und keinen Zucker – den Hauptsünden unserer Ernährungsgewohnheiten.

Es hat mich angeödet, wie im Kindergarten und in der Schule das Thema Ernährung zu einem massiven Familenproblem hoch stilisiert worden war. Es muss Familien geben, in denen tagsüber Süßigkeiten ohne Ende genascht werden. Es muss Familien geben, in denen ausschließlich Fast-Food gegessen wird und nie richtig gekocht wird. Jedenfalls hatte unser kleines Mädchen, bis sie in die Schule ging, regelrechte Gewissensbisse, Schokolade oder Gummibärchen überhaupt anzurühren, als würde ihr Körper dadurch gefoltert. Kindergarten und Schule veranstalteten jeweils ein einwöchiges Projekt, in dem die Kleinsten und Kleinen auf gesunde Ernährung getrimmt wurden. Die Scheu vor Lakritzschnecken oder Erdnussflips hat unser kleines Mädchen inzwischen abgelegt.

Anstatt dessen werden wir alle in diesen Wirrwarr hinein geritten, welche Nahrungsmittel angeboten werden und was wir davon essen. Wir tun, was wir können, um dem mit unserem Speiseplan zu begegnen. Klar, es sind Gerichte dabei, die unstrittig sind: gefüllte Paprika, Gemüsesuppe, Schwedenfisch mit Tomaten, Rosenkohl überbacken oder Zucchini überbacken – Gemüse oder Salat ist drei- bis viermal in der Woche dabei.  Wir finden sogar zu den Wurzeln der Kartoffelesser von Brabant zurück. Es gibt durchaus sehr leckere Variationen von Kartoffeln. Die einfache Version sind Bratkartoffeln oder Kartoffelpüree, die anspruchsvolle Version sind selbst gemachte Reibekuchen oder Kartoffelscheiben in Öl gebraten. Püriert und gemischt mit Möhrengemüse oder Weißkohl und einer Mettwurst dabei sind Kartoffeln eine wahre Delikatesse.

Wir sind sogar schwach und erliegen den Verführungen der Nahrungsmittelindustrie. All diese Nahrungsmittel, die in High-Tech-Laboren heran gezüchtet worden sind und die nur Ersatz sind für eine richtige Ernährung: Fertig-Nudelgerichte, fertige Würzmischungen von Maggi-Fix, Fischstäbchen mit mehr Panade als Fisch, Eierravioli oder Linsensuppe aus Konservendosen. Fast-Food, Hamburger, Pizza, Pommes Frites, tiefgefrorene Kartoffelspalten fehlen natürlich auch nicht. Wenn es schnell gehen muss. Wir haben denselben Zeitmangel wie andere Familien.

Schlankheitskuren oder Diäten brauchen wir nicht, trotz Überdosen von Zucker oder Fett, die wir gelegentlich in uns hineinstopfen. Wem sollen wir denn glauben ? Selbst Tim Mälzer hatte in einer Kochsendung nachgeweisen, dass Hamburgern ausreichend Nährstoffe oder Vitamine enthalten. Wenn wir denn zuviel Kilo auf die Waage bringen, bringen Schlankheitskuren oder Diäten etwas ? Oder ist es besser, sich wie die Buchautorin Susanne Fröhlich mit dem „Moppel-Ich“ zu arrangieren ? Allenthalben wimmelt es in den Meinungen an Halbwahrheiten, an Unausgegorenem oder an Analysen, die bei der betroffenen Person gar nicht zutreffen.

Um Geschmacksverstärker, naturidentische Stoffe, Farbstoffe, um von Produktmanagern designte Lebensmittel brauchten sich die Kartoffelesser von Brabant nicht zu kümmern. Sie waren auch keine Konsumenten in dem Sinne, dass die gesamte Produktpalette miteinander konkurrierender Nahrungsmittelkonzerne über sie ausgeschüttet wurde. Sie konnten sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren: die Kartoffel. Und wenn ein bisschen Salat oder Gemüse dazu kam, waren dies biologisch hergestellte Produkte, die einhundertprozentig Bio waren.

Bio interessiert uns nicht. Auch da wird mit dem Verbraucher ein Verwirrspiel getrieben. Was als Bio gilt, ob das wirklich Bio ist, dass Bio im Supermarkt nicht vom Bauernhof um die Ecke kommt, sondern aus entlegenen Gegenden Europas, da hege ich als Verbraucher tiefstes Misstrauen. Ich weiß, worauf ich mich verlassen kann. Zumindest ab dem Frühjahr, denn dann kommt Bio aus dem eigenen Garten.

Wir lassen uns es schmecken. Egal, ob Frühlingsrollen aus dem Gefrierschrank, Kopfsalat aus unserem Garten oder Bratkartoffeln mit Zwiebeln und reichlich Rührei. Wir leben unsere Esskultur. Besonders stolz sind wir darauf, aus wenigen Zutaten eine Überfülle von Geschmack zu zaubern.

So wie die Kartoffelesser in Brabant.

6 Kommentare:

  1. ja genau - wir lassen es uns schmecken :-)
    ich finde es schön wenn man sich zum Essen Zeit nehmen kann - nicht nur auf die Schnelle im Gehen isst ... wenn man es sich am Tisch gemütlich macht und das Essen genießt - zusammen :-)

    lieber Wochenendgruß von Heidi-Trollspecht

    AntwortenLöschen
  2. Ja mein Lieber das ist ein Thema, da könnt man stundenlang diskutieren.
    Gesund und lecker muss es sein, das ist das wichtigste.

    Liebe Grüße
    Angelika

    AntwortenLöschen
  3. So isses....oder einfach nur Papas Arrugadas mit Mojos oder Kräuterquark ;-) Ich finde das Gerede um die gesunde Ernährung auch oft übertrieben....Alles essen aber Alles in Maßen. Allerdings müssen solche Gespräche in KG und Schule wohl auch mal sein, denn leider gibt es wohl tatsächlich Eltern die gar nicht mehr frisch kochen und nur noch Fastfood auf den Tisch kommt. Eine ausgewogene Ernährung sollte schon sein und da passt die Currywurst dann ebenso rein ;-)

    Übrigens fand ich die Fritten aus den Niederlanden auch immer superlecker, ebenso wie die Poffertjes :-))))

    Schönes Wochenende und herzliche Grüsse

    AntwortenLöschen
  4. Ich gebe absolut nichts mehr auf Diäten. Viele habe ich gemacht.
    Ich kasteie mich auch nicht mehr. Von jedem etwas - warum soll
    ich das nicht dürfen? Ich esse viel Gemüse, Kartoffeln und Obst.
    Fleisch und Wurst ist nich so meine Leidenschaft - nur gelegent-
    lich und dann esse ich es mit Genuss.
    Gerade jetzt - wo es angeblich wieder um die Bikini-Figur geht-
    werden wir mit Diäten und Hinweisen überspült. Auc viele neue
    Sportübungen sind da - wie jedes Jahr. Man sollte sich in dieser
    Hinsicht ein dickes Fell wachsen lassen. Dann ist man auf der
    richtigen Seite.
    Einen schönen Samstag wünscht dir
    Irmi

    AntwortenLöschen
  5. Man sollte sich auf jeden Fall nicht verrückt machen lassen, das ist meine Meinung. Eigentlich signalisiert uns unser Körper schon, was gesund ist oder besser gesagt, was ihm gut tut und darauf sollten wir mehr hören und uns von Werbung nichts vorgaukeln lassen.
    Wenn ich mich weitgehendst natürlich ernähre und hauptsächlich auch das an frischem Obst und Gemüse zu mir nehme, was die Saison bietet und in heimischen Gefilden wächst, dann darf ich auch mal eine Curry-Wurst essen oder mir ein Stück Torte einverleiben.

    Mit diesem Gesundheitswahn kann man es auch übertreiben.

    Wurde noch vor Jahren die Margarine in den Himmel gelobt und Butter verpönt, so hat sich diese Meinung auch umgedreht und die Margarine wird verteufelt wegen ihrer gesättigten Fettsäuren. Sind wir wieder mal bei der Lobby, die alles das lobt, womit man Geld machen kann.

    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende wünscht dir
    Christa

    AntwortenLöschen
  6. *lach* ja, über gesunde Ernährung lässt sich streiten. Ein gesundes Mittelmaß sollte jeder finden, in dem man alles essen darf, aber bestimmte Dinge eben nur in Maßen und nicht in Massen. Das A und O eines gesunden Körpers ist immer noch die Bewegung, die man hat oder eben auch nicht :-)

    Also lass dir deine Currywurst schmecken ;-)

    AntwortenLöschen