Die Gunst der Stunde
ausnutzen. Ich summte die Melodie von Xavier Naidoo „wir sind zur rechten Zeit
am rechten Ort und alles ist arrangiert“ und „wir müssen geduldig sein, dann
dauert das nicht mehr lang … „ Wärme und Sonne der Fußball-WM 2006 rief ich mir
ins Gedächtnis zurück. Die richtige Fleck, das war heute das Siebengebirge. Die
erste Rennrad-Tour in diesem Jahr. Der erste Test, wie es um meine Kondition
stand. Ruhig und konzentriert nahm ich die ersten Steigungen. Die Sonne ergoß
ihr nachmittägliches Licht über die unbeackerten Felder. Die Baumallee strebte geradlinig über den Fahrradweg hinweg.
„Wir müssen geduldig sein … „
hatte sich die Melodie in meinem Kopf festgesetzt. Ja, Geduld hatte ich
gebraucht, bis der Winter endlich verschwunden war. Das Kloster Heisterbach
näherte sich. Wuchtig stemmte sich der Klostereingang vor den Fahrradweg, der
sich in einer schmalen Spur vorbei zwängte. Zwei Heiligenfiguren rahmten die
massive Holztüre ein. Seitwärts öffnete sich der großzügige Park der
Klosteranlage. Ein Stück weiter, schaute ich über die Basaltsteinmauer auf die
Chorruine aus dem 13. Jahrhundert, das waren eine der ältesten Überresten von Klosteranlagen im
Rheinland.
Die erste Frühjahrstour mit
dem Rennrad. Welche Tour war optimal als Einstieg in das neue Jahr ? Ich hatte
mir eine 60 km lange Strecke ausgesucht. Drei lange Anstiege durchs
Siebengebirge waren zu bewältigen. Davon hatte es der letzte in sich, denn die
Straße purzelte mit 12% Gefälle ins Tal hinab. Dieselben 12% waren anschließend
als Steigung eine wahre Herausforderung.
Die erste Steigung dehnte
sich fünf Kilometer in die Länge und waren durch fleißiges Treten zu schaffen. Die
Sonne glitzerte zwischen den winterkahlen Bäumen hindurch. Auf dem separaten
Radweg genoß ich die ungestörte Natur. Ins Tal hinab, passierte ich
Schneeglöckchen als Zeugen des Winters. Wie im Gleichschritt, ließen sie Auf
moosbewachsenen Wiesen ihre Blüten herunter hängen. „Hochspannung Lebensgefahr“
warnte mich die ICE-Strecke. Ich überquerte zwei Hauptverkehrsadern. Das breite
Band der Autobahn A3 fraß sich in die Landschaft des Siebengebirges hinein. Lärmschutzwände
unterstrichen die Unnatürlichkeit des Eingriffs in die Landschaft. Hauptsache,
der Lärm war für die Anwohner erträglich. Im Tal umrundete ich die nächsten
Klostermauern. In einer Mauernische studierte ich die Heiligenmalereien, bei
denen deutliche Zeichen zweier Heiligenscheine hervor traten.
Der zweite lange Anstieg,
dann kam die Herausforderung des Tages: als ich die 12% Gefälle mehr abbremste
als hinunterstürzte, sah ich am gegenüberliegenden Berghang diesen Strich der
Straße, der so steil hinaufführte, als ob man eine Leiter vor eine Mauer stellt.
Im Tal plätscherte der Anstieg zunächst vor sich hin, bis die Straße mit einem
Mal einen Knick nach oben zog, geradewegs auf der Ziel der neuromanischen
Kirche mit dem grauen Steinmauerwerk zu. Nach dem Knick schaltete ich zurück
auf den allerkleinsten Gang. Mehr als Schritttempo war nicht drin. Ich kam mir sogar
so vor, dass ich immer langsamer würde. Wie eine Schnecke kroch ich vorwärts,
in Einheiten von Millimetern, Grashalm für Grashalm am Straßenrand. Das
einzige, was mich am Leben hielt, war eine andere Radfahrererin, die ihr
Fahrrad schob. Ich war in der Einsamkeit des Fahrradfahrens angelangt, wo ich
mit meinem Körper alleine war. Ich musste alles aus meinem Körper heraus holen,
was in ihm steckte. Die erste Frühjahrstour: die Tour war ambitioniert, der
Schwierigkeitsgrad dieser Steigung hatte es in sich. Als ich die neuromanische
Kirche hinter mich gelassen hatte, war der Spuk vorbei.
Die Straße glitt in einen
flachen, gemütlichen Teil über. Die Rennradtour konnte ich wieder genießen, den
Blick von der Höhe ins Tal schweifen lassen. Ich dachte an eine alte
Radfahrerweisheit, die sich in meinem Leben stets bewahrheitet hatte: wo es den
Berg rauf geht, geht es auch den Berg wieder runter. Oder: im Leben sind es
begrenzte Phasen, in denen man mit widrigen Umständen, Pech, Unglücken oder Schicksalsschlägen
zu tun hat; dafür geht es in anderen Phasen wieder aufwärts.
Pause in Blankenberg. Alleine
am Hotel Sonnenschein konnte man sich draußen hinsetzen und sich von der Sonne
bescheinen lassen. Ich legte nach dem anstrengenden letzten Anstieg die Beine
hoch, löschte mit einem Weizenbier den Durst. Ich genoß die Schönheit dieses
kleinen Städtchens, das mit der Burgruine aus dem 12. Jahrhundert, all den
Fachwerkhäusern und dem kleinen Marktplatz ungefähr einmalig im
Rhein-Sieg-Kreis ist.
Auf dem Rückweg nach Hause
hatte ich noch ein einmaliges Erlebnis: entlang des Siegtals fuhr ich dem
Sonnenuntergang entgegen. Bei Troisdorf spiegelte sich die herab hängende
Scheibe der Sonne in der Sieg. Baumgruppen waren bereits ins Halbdunkle
abgetaucht. Schleierwolken verloren sich im Zickzack. Ein Hochspannungsmast
dokumentierte die Ewigkeit des Augenblicks, so wie die Hochspannungsleitungen
in ein fiktives schwarzes Loch hinein flossen. „Wir müssen geduldig sein … „
ich summte erneut die Melodie von Xavie Naidoo vor mich in. Ich versuchte, mir
die Einzigartigkeit des Augenblicks einzuprägen.
Über den Feldern ging schließlich
die Sonne unter. Ihr Versteckspiel beendet sie hinter einem zerfaserten
Wolkenschleier. Eine letztes Glühen der Sonnenscheibe beendete diesen Tag.
Nach der längeren Winterpause und dann sofort eine Strecke von 60 km....Hut ab mein Lieber.
AntwortenLöschenEine schöne Tour hast du gemacht wie man an den Fotos sehen kann, und traumhaft scön ist natürlich das letzte Bild. Wirklich ein gelungender Abschluss von Mutter Natur.
Wünsche dir für heute auch viel Sonnenschein und sende herzliche Grüsse
Nova
Hej Dieter,
AntwortenLöschenfür Dich der Beginn der Rennradsaison und für uns Leser/Innen aufs Neue wunderbare Streckenschilderungen. Für mich allerdings ist hier die Fortsetzung des Winters mit -5 Grad tagsüber und Schneefall. Jetzt unterscheiden sich die "Welten" kolossal!
Gruß
Beate
Hallo Dieter, da hast Du Dir eine schöne, aber auch lange Strecke ausgesucht um die Radsaison zu eröffnen. Das Siebengebierge eignet sich besonders gut dafür.
AntwortenLöschenLeider kommt der Winter zurück, obwohl ich Lust auf Frühling habe.
Einen gemütlichen Sonntag und liebe Grüße
Angelika
Beneidenswert- es gibt sie also, die Welt ohne Schnee. An alle nicht eingeschneiten: Hilfslieferungen von wäremnden Blogfotos, Geschichten aus dem Frühling und Sonnensichtungen werden gern angenommen....
AntwortenLöschenWinterliche Grüße, Jo
wow hast Du eine tolle Tour gemacht Dieter.Und so schön alles geknippst.Das letzte Foto ist mein liebstes-)))
AntwortenLöschen★LIEBE GRÜSSE ★
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Christa
Ich bin mit aufrichtiger Bewunderung dir und der Radtour gefolgt.
AntwortenLöschenMit deiner Kondition scheint es zum Besten zu sein. Einige Orte
kenne ich noch. Dort war ich vor langer Zeit, als ich noch zu Hause
wohnte.
Einen schönen Abend wünscht
Irmi
Eine schöne Tour, auch wenn 60 km als Einstiegstour für mich wie eine Weltreise klingen *lach*
AntwortenLöschenLeider ist es mit dem schönen Frühlingswetter ja jetzt erst mal wieder vorbei. Warten wir ab, wann der Winter endlich aufgibt.
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenwas für ein schönes Wetter für deine Tour!
Hier war es mal wieder das ganze Wochenende winterlich.
Ich kann den Winter wirklich nicht mehr sehen!
Viele Grüße
Elke
Bei dem Wetter heute kann ich mir gar nicht vorstellen, dass es schon so schön war, dass Du eine Fahrradtour machen konntest. 60 Km sind für mich definitiv keine Einstiegstour, auch wenn ich beim guten Wetter sehr gerne aufs Fahrrad steige.
AntwortenLöschenZur Klosterruine Heisterbach möchte ich unbedingt hin, sieht nach meinem Beuteshema aus. Schon ein Bookmark gesetzt, werde ich auch noch besuchen.
Liebe Grüße und einen guten Start in die neue Woche!