Es sei ein Event der zweit- oder drittklassigen
Kategorie, dachte ich, als ich auf das Jubiläum aufmerksam wurde. So wie mich
das Jubiläum des örtlichen Musikvereins nicht interessiert, die
Fußball-Ergebnisse der Kreisliga A oder wenn der Bürgermeister Altersjubilare
im Rathaus ehrt. Doch bei näherem Hinsehen stellte ich fest, dass das 700
jährige Jubiläum, als in Bonn ein König des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation gekrönt worden war, ein komplett anderes Kaliber war.
An der Krönungsstraße, das war auf der Höhe von
Sinzig, Bad Neuenahr und Grafschaft, hatte ich gelernt, dass die Könige des
Heiligen römischen Reiches deutscher Nation im Mittelalter in Frankfurt gewählt
wurden und in Aachen gekrönt wurden. Regelrechte Excel-Tapeten hatte ich
Wikipedia studiert, in denen sich – angefangen mit Ludwig II. dem Deutschen und
aufhörend mit Franz dem II. von Böhmen – über ein Jahrtausend die deutschen
Könige aneinander reihten. Die Liste war lang, sehr lang, und wie das Format in
Excel waren die Strukturen fest vorgegeben: die Herrschernachfolge über das
Erbrecht, die Wahl, definierte Kurfürsten, die wahlberechtigt waren, die
Wahlentscheidung auf den einen deutschen König, die Herrschaftsinsignien.
Doch so streng die Regularien waren: sie reichten
nicht aus, um Zwist und Uneinigkeit zu vermeiden. So war es im November des
Jahres 1314 nach dem Tod des römisch-deutschen Königs Heinrich
VII. zu einer Pattsituation zwischen Bayern und Habsburgern gekommen.
Bei der Königswahl hatte keiner der beiden Kontrahenten die nötige Einstimmigkeit erreicht. Ludwig von Bayern war es zwar
gelungen, die Stimmen der Erzbischöfe von Mainz und Trier sowie des
Markgrafen von Brandenburg und des Königs von Böhmen auf sich zu vereinen,
aber der Pfalzgraf bei Rhein und der Kurfürst von Sachsen wollten unter der
Führung des Kölner Erzbischofs Heinrich von Virneburg unbedingt eine
Dynastiebildung durch den Wittelsbacher verhindern und gaben ihre
Stimme Friedrich dem III. aus dem habsburgischen Adelsgeschlecht.
Nun begann ein Wettlauf um die Königskrönung, in dem
die beiden Kandidaten die Regularien so durchschlagend wie möglich zu überlisten
suchten. In der Nachfolgetradition von Karl dem Großen war der Ort der Königskrönung
Aachen, also begab sich Ludwig von Bayern schnellstmöglich nach Aachen.
Währenddessen ritt Friedrich III. – auch genannt Friedrich der Schöne – nach Bonn,
um sich mit dem Kölner Erzbischof Heinrich von Virneburg zu treffen. Nur der
Kölner Erzbischof konnte die Salbung durchführen. So gab es zeitgleich zwei
Königskrönungen – eine in Aachen und eine in Bonn.
Faktisch kam es danach zu einem Machtkampf und zu einer
Doppelherrschaft, wobei die Verhältnisse erst acht Jahre später auf dem
Schlachtfeld klar gestellt wurden. 1322 wurde Friedrich III. in der Schlacht
von Mühldorf am Inn besiegt, er wurde gefangen genommen und Ludwig von Bayern
konnte als Alleinherrscher regieren.
In einer Nische erinnert die Bonner Münsterkirche an
die Königskrönung vor genau 700 Jahren. Die Fresken gliedern sich in drei
Teile: die Fürsten und Kurfürsten, die an der Wahl teilgenommen haben, das
Herrschaftsgebiet Deutschlands, das durch den Reichsadler symbolisiert wird und
als einheitlicher Staat im Mittelalter nie existiert hat, und die Salbung durch
die Heiligen Drei Könige.
Auf der linken Seite finden sich die Wappen der
Grafen, Fürsten und Kurfürsten.
Erkennbar ist beispielsweise das Wappen der Grafen von
Virneburg aus der Eifel („HENRICUS comes de virneburg“), die genau zu dieser Zeit den
Erzbischof von Köln gestellt haben, sowie des Kölner Kurfürsten („THEODORICUS comes de mörs“).
In der Mitte dieser Wappengalerie steht das Wappen der
Stadt Bonn.
Auf dem mittleren Fresko steht ein Reichsadler, dessen Aussehen stark an
den Bundesadler der Bundesrepublik Deutschland erinnert.
Die Königskrönung verewigt sich in der Inschrift „…
coronati sunt Romanorum Reges Friedericus Austriacus per manus Henrici Archiepiscobus
Coloniensis A.D. 1314 …“.
Auf der rechten Seite wird die Salbung durch die
Heiligen Drei Könige dargestellt, nach dessen Vorbild der König durch den
Erzbischof gesalbt wird.
Diesen Zusammenhang stellt diese lateinische Inschrift
dar (die ich allerdings nicht ganz übersetzt bekomme): „Hoc signum magni Regis
est: ramus et inquiramus cum et offeramus ei munera nurum thus et myrrham.“
Es verwundert wahrscheinlich nicht, dass sich solche
Dissense bei der Wahl zum König des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation
wiederholten. 32 Jahre später war es wieder soweit. Zwei Könige stritten sich
um die Herrschaft und die Krone, und Karl von Böhmen war es, der parallel in
Bonn zum König gekrönt wurde.
1314 und 1346, das sollten aber die einzigen Jahre
bleiben, dass Bonn zum Krönungsort des Heiligen Römischen Reiches Deutscher
Nation wurde.
Interessant! Die Ecke im Münster ist mir bisher nie aufgefallen... Na ja, war auch schon lange nicht mehr drin...😊
AntwortenLöschenEine gute Woche!
Astrid
Finde ich ja klasse das daran erinnert wird und vor allem auch noch alles so schön vorhanden ist. Sehr interessant, und wie noch heute...immer diese Machtkämpfe :-(((
AntwortenLöschenDanke dir dass du uns mitgenommen hast.
Wünsche einen schönen Wochenstart und sende herzliche Grüsse
N☼va
Kontrovers:
AntwortenLöschenSelbst im Königsmantel ist es nichts anderes als der Kampf zweier Hirsche um die Führung im Rudel, bei denen es immerhin noch um die körperliche Stärke (Erhaltung der Art) geht. Die Entwicklung der Menschen auf dem Gebiet (der Führung von was auch immer) geht bis heute gegen Null. Das Konzept "Schlachtfeld" ist zum Leidwesen geblieben und wird (koste es was es wolle) propagiert. Wo bleibt der Verstand, wo das Herz?
Gruß
aelva
Die Kirchen sind voller Geschichte und voller Geheimnisse und vieles ist auch entlarvend. Die Salbung durch die Heiligen Drei Könige gibt der Kaiserkrönung nochmal mehr ein Gewicht. Da scheint sich einer Gott gleichgestellt zu sehen (??)
AntwortenLöschenEs ist ein bisschen schwierig zu übersetzen, weil du drei Buchstaben als andere angesehen hast: aurum (Gold) statt nurum und eamus (wir gehen) statt ramus und eum statt cum. Ich tue mich auch immer sehr schwer mit alten Schriften, z.B. auch mit Sütterlin. Aber dieses interessante Rätsel müssen wir doch knacken, oder?
Zwei Wörter hätte ich nachgucken müssen, aber G. macht es einfach; es weiß einfach alles:
http://gregorien.info/title/pkey/1178/1/de
LG, Ingrid
Wieder was dazugelernt.Dass also auch Bonn mal Kroenungsort war, wusste ich nicht.
AntwortenLöschenDass sich da hin und wieder zwei, oder auch mal drei, um das hoechste Amt des Reiches gestritten haben, ist wohl eher schon Voraussetzung. Aber die Habsburger waren viele Jahrhunderte land unumstrittene Herrscher, auch dann, als das HRRDN oesterreichisch k.und k. wurde.
Wuensche dir ein frohes und friedliches Weihnachtsfest und guten Rutsch noch ausserdem.
Danke für den sehr interessanten Ausflug ins Mittelalter, ich hab den Post mir viel Begeisterung gelesen. Gerade Mittelalter interessiert mich sehr, weiß aber noch viel zu wenig darüber.
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