Sa Ferreiro e Sousa, der Bauarbeiter aus Portugal,
verzieht grimmig sein Gesicht. Er ist sprachlos, senkt seinen Kopf zur Erde,
die pechschwarze Farbe seiner Schirmmütze passt zu seiner Stimmung. Dann ringt er
um Fassung, dreht seinen Kopf weg, sein braungebranntes Gesicht fällt in sich
zusammen, während seine silberumrandete Brille einen Rest von Stolz behauptet
und aufrecht sitzt auf seiner sauber rasierten Gesichtspartie. Schließlich kocht er
vor Wut, als er auf seinem Smartphone Fotos von seiner Frau und seinem kleinen
Sohn zeigt, die ihm eng umarmt entgegen lächeln.
Heraus aus Portugal, mit seinen 16% Arbeitslosigkeit
und 40% Jugendarbeitslosigkeit, hatte er eine Perspektive gesucht. So war er
als Zimmermann mit anderen Bauarbeitern aus Portugal auf dieser Baustelle in
Köln-Ehrenfeld gelandet, wo auf dem Gelände eines Möbelhauses, das abgerissen
worden war, nun 179 Mietwohnungen gebaut werden, dazu 13 Mehrfamilienhäuser und
158 Tiefgaragenstellplätze. Sa Ferreiro e Sousa erzählt, dass er seine Ehefrau
und seine beiden Kinder zurückgelassen hat, um eine Perspektive in Deutschland
zu finden. Zwei Monatsmieten konnte er inzwischen in Portugal nicht bezahlen.
Und dann diese Katastrophe.
Die Konstruktion über Sub-sub-Unternehmer, im
Baugewerbe nicht ungewöhnlich, wurde ihm zum Verhängnis. Die Baufirma
Depenbrock in Westfalen hatte als Generalunternehmer den Zuschlag für dieses
Großbauvorhaben bekommen. Als Generalunternehmer teilte sie nun alle nötigen Arbeiten
in Gewerke auf, die sie entweder selbst übernahm oder andere Auftragnehmer
suchte. Der Auftragnehmer aus Düsseldorf, der dann die Zimmerarbeiten übernahm,
bediente sich einer Leiharbeitsfirma. Dabei ist es im Rahmen der
EU-Gesetzgebung prinzipiell egal, in welchem EU-Land der Sitz der
Leiharbeiterfirma ist.
„Virominho II – Construcao e Reabilitacao de
Edificios“ so heißt die Leiharbeitsfirma aus Portugal, bei der die Arbeiter aus
Portugal einen Arbeitsvertrag unterschrieben hatten. Diese Leiharbeitsfirma mit
Firmensitz in Porto hatte die sechs Portugiesen auf die Baustelle nach
Köln-Ehrenfeld vermittelt, wo sie für den Auftragnehmer aus Düsseldorf arbeiteten.
Nun trotten sie an der Baustelle vorbei. Der Rohbau wächst, Baugerüste türmen
sich in die Höhe, Baukräne beobachten aus luftiger Höhe das Geschehen. „Wohnen im Venator-Park – Ein Projekt der AVI
GmbH“ – viel verheißend lockt die Fotomontage einer durch Baumreihen aufgelockerten
Fassade Mietinteressenten und potenzielle Hausbesitzer.
Seit Oktober haben die sechs Portugiesen keinen
Arbeitslohn mehr erhalten.
Sa Ferreiro e Sousa hatte die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt
über diesen Mißstand informiert. Die ausstehenden Lohnzahlungen beziffern die
portugiesischen Bauarbeiter auf mehrere Tausend Euro je Arbeiter. Die „Virominho
II – Construcao e Reabilitacao de Edificios“ hat sich in ein Nichts aufgelöst
und ist in Portugal nicht mehr erreichbar, Ansprechpartner stehen nicht mehr
zur Verfügung. Die portugiesischen Bauarbeiter graben ihre Hände in ihre
Hosentaschen ein und blicken ungläubig durch das viereckige Drahtgeflecht des
Bauzauns hindurch. Ihre Arbeiten mussten sie zwangsläufig einstellen.
Der Auftragnehmer aus Düsseldorf hat die
Zusammenarbeit mit der portugiesischen Leiharbeitsfirma gekündigt. Doch damit
ist den betroffenen Arbeitern nicht geholfen, denn weder der Auftragnehmer aus
Düsseldorf, noch der Generalunternehmer aus Westfalen sind vertraglich verpflichtet, den
ausstehenden Lohn zu zahlen. Gleichwohl prüfen sie, diesen aus ihrer eigenen
Kasse zu zahlen. Den Lohn müsste eigentlich die Leiharbeitsfirma aus Portugal zahlen.
Moderne Sklaverei, so nennt dies der Verantwortliche
der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. In Zeiten boomender Wirtschaft zieht die Baubranche
Wanderarbeiter aus aller Herren Länder an, nicht nur aus den strukturschwachen
Gegenden Europas, sondern sogar aus aller Welt. Von außen aus betrachtet, mag
es auf solch einer Großbaustelle wie in einem Taubenschlag zugehen, wobei es
an ein Wunder zu grenzen scheint, dass alle Arbeiten koordiniert werden und
irgendwann ein fertiges Gesamtwerk entsteht. Ausgeliehen und wie eine Sache
behandelt, ausgegrenzt von den Bauarbeitern der Stammfirma, gefeuert mit dem
Ende des Bauvorhabens, in einer Abwärtsspirale des Lohnniveaus, hat diese Form
des Menschenhandels einen Hauch von Sklaverei.
Um ihren Lohn geprellt, steht nun das Weihnachtsfest
auf der Kippe. Um zu ihren Familien nach Portugal zu fahren, fehlt ihnen das
Geld. Nachdem das WDR-Fernsehen über die portugiesischen Bauarbeiter
berichtet hat, hat eine wahre Spendenwelle eingesetzt, um ihnen das Weihnachtsfest bei
ihren Familien in ihrer Heimat zu ermöglichen. Schließlich ist es ein Spender aus
Eitorf an der Sieg gewesen, der das Weihnachtsfest mit seiner Spende gerettet hat.
Klingt nicht nur wie ein Krimi, sondern ist auch einer. Wo Geld im Spiel ist, sind kriminelle Machenschaften nicht weit. Das Wort der Sklaverei ist nicht zu hoch gegrffen. Dazu dann das ganze Gegenteil: Menschen mit dem Herzen am richtigen Fleck. Der Weihnachtsgeschichte recht ähnlich und ins 3.Jahrtausend übertragen.
AntwortenLöschenDanke, Dieter
Gruß
Beate
Lieber Dieter, es ist gut, dass in dieser weihnachtsduseligen Zeit auf den Kern dieses Festes hingewiesen wird. Und noch wichtiger finde ich, dass deutlich wird, dass wir in unserer Gesellschaft ganz, ganz wesentlichere Probleme haben, als derzeit die Straße behauptet...
AntwortenLöschenLG
Astrid
Weisste was??? Mir läuft es gerade eiskalt den Rücken runter :-O So eine Riesenschweinerei!!!!! Da wünschte ich das auch der Bürgermeister sich mit einschaltet um ihnen zu helfen, und ich freue mich sehr das es so eine Spendenflut gegeben hat.
AntwortenLöschenIch hatte schon Berichte von Spaniern gesehen die auch schlechte Erfahrungen gemacht haben, da waren die Firmen die sie geholt haben allerdings aus den neuen Bundesländern, und auch das mit Amazon....
Die Arbeitslosigkeit ist hier ja auch sehr hoch, und dann diesen Menschen noch die letzte Hoffnung zu nehmen, diese Situation auszunutzen. Ich hoffe nur diesen Verbrechern wird irgendwann das Handwerk gelegt wird.
Lieben Gruß
N☼va
Wat goed om hier aandacht aan te geven!
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