Mittwoch, 17. Dezember 2014

Lohnprellerei in Köln-Ehrenfeld ... und das Weihnachtsfest steht für sechs portugiesische Bauarbeiter auf der Kippe

Sa Ferreiro e Sousa, der Bauarbeiter aus Portugal, verzieht grimmig sein Gesicht. Er ist sprachlos, senkt seinen Kopf zur Erde, die pechschwarze Farbe seiner Schirmmütze passt zu seiner Stimmung. Dann ringt er um Fassung, dreht seinen Kopf weg, sein braungebranntes Gesicht fällt in sich zusammen, während seine silberumrandete Brille einen Rest von Stolz behauptet und aufrecht sitzt auf seiner sauber rasierten Gesichtspartie. Schließlich kocht er vor Wut, als er auf seinem Smartphone Fotos von seiner Frau und seinem kleinen Sohn zeigt, die ihm eng umarmt entgegen lächeln.

Heraus aus Portugal, mit seinen 16% Arbeitslosigkeit und 40% Jugendarbeitslosigkeit, hatte er eine Perspektive gesucht. So war er als Zimmermann mit anderen Bauarbeitern aus Portugal auf dieser Baustelle in Köln-Ehrenfeld gelandet, wo auf dem Gelände eines Möbelhauses, das abgerissen worden war, nun 179 Mietwohnungen gebaut werden, dazu 13 Mehrfamilienhäuser und 158 Tiefgaragenstellplätze. Sa Ferreiro e Sousa erzählt, dass er seine Ehefrau und seine beiden Kinder zurückgelassen hat, um eine Perspektive in Deutschland zu finden. Zwei Monatsmieten konnte er inzwischen in Portugal nicht bezahlen.

Und dann diese Katastrophe.

Die Konstruktion über Sub-sub-Unternehmer, im Baugewerbe nicht ungewöhnlich, wurde ihm zum Verhängnis. Die Baufirma Depenbrock in Westfalen hatte als Generalunternehmer den Zuschlag für dieses Großbauvorhaben bekommen. Als Generalunternehmer teilte sie nun alle nötigen Arbeiten in Gewerke auf, die sie entweder selbst übernahm oder andere Auftragnehmer suchte. Der Auftragnehmer aus Düsseldorf, der dann die Zimmerarbeiten übernahm, bediente sich einer Leiharbeitsfirma. Dabei ist es im Rahmen der EU-Gesetzgebung prinzipiell egal, in welchem EU-Land der Sitz der Leiharbeiterfirma ist.

„Virominho II – Construcao e Reabilitacao de Edificios“ so heißt die Leiharbeitsfirma aus Portugal, bei der die Arbeiter aus Portugal einen Arbeitsvertrag unterschrieben hatten. Diese Leiharbeitsfirma mit Firmensitz in Porto hatte die sechs Portugiesen auf die Baustelle nach Köln-Ehrenfeld vermittelt, wo sie für den Auftragnehmer aus Düsseldorf arbeiteten. Nun trotten sie an der Baustelle vorbei. Der Rohbau wächst, Baugerüste türmen sich in die Höhe, Baukräne beobachten aus luftiger Höhe das Geschehen.  „Wohnen im Venator-Park – Ein Projekt der AVI GmbH“ – viel verheißend lockt die Fotomontage einer durch Baumreihen aufgelockerten Fassade Mietinteressenten und potenzielle Hausbesitzer.

Seit Oktober haben die sechs Portugiesen keinen Arbeitslohn mehr erhalten.

Sa Ferreiro e Sousa hatte die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt über diesen Mißstand informiert. Die ausstehenden Lohnzahlungen beziffern die portugiesischen Bauarbeiter auf mehrere Tausend Euro je Arbeiter. Die „Virominho II – Construcao e Reabilitacao de Edificios“ hat sich in ein Nichts aufgelöst und ist in Portugal nicht mehr erreichbar, Ansprechpartner stehen nicht mehr zur Verfügung. Die portugiesischen Bauarbeiter graben ihre Hände in ihre Hosentaschen ein und blicken ungläubig durch das viereckige Drahtgeflecht des Bauzauns hindurch. Ihre Arbeiten mussten sie zwangsläufig einstellen.

Der Auftragnehmer aus Düsseldorf hat die Zusammenarbeit mit der portugiesischen Leiharbeitsfirma gekündigt. Doch damit ist den betroffenen Arbeitern nicht geholfen, denn weder der Auftragnehmer aus Düsseldorf, noch der Generalunternehmer aus Westfalen sind vertraglich verpflichtet, den ausstehenden Lohn zu zahlen. Gleichwohl prüfen sie, diesen aus ihrer eigenen Kasse zu zahlen. Den Lohn müsste eigentlich die Leiharbeitsfirma aus Portugal zahlen.

Moderne Sklaverei, so nennt dies der Verantwortliche der Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. In Zeiten boomender Wirtschaft zieht die Baubranche Wanderarbeiter aus aller Herren Länder an, nicht nur aus den strukturschwachen Gegenden Europas, sondern sogar aus aller Welt. Von außen aus betrachtet, mag es auf solch einer Großbaustelle wie in einem Taubenschlag zugehen, wobei es an ein Wunder zu grenzen scheint, dass alle Arbeiten koordiniert werden und irgendwann ein fertiges Gesamtwerk entsteht. Ausgeliehen und wie eine Sache behandelt, ausgegrenzt von den Bauarbeitern der Stammfirma, gefeuert mit dem Ende des Bauvorhabens, in einer Abwärtsspirale des Lohnniveaus, hat diese Form des Menschenhandels einen Hauch von Sklaverei.

Um ihren Lohn geprellt, steht nun das Weihnachtsfest auf der Kippe. Um zu ihren Familien nach Portugal zu fahren, fehlt ihnen das Geld. Nachdem das WDR-Fernsehen über die portugiesischen Bauarbeiter berichtet hat, hat eine wahre Spendenwelle eingesetzt, um ihnen das Weihnachtsfest bei ihren Familien in ihrer Heimat zu ermöglichen. Schließlich ist es ein Spender aus Eitorf an der Sieg gewesen, der das Weihnachtsfest mit seiner Spende gerettet hat.

4 Kommentare:

  1. Klingt nicht nur wie ein Krimi, sondern ist auch einer. Wo Geld im Spiel ist, sind kriminelle Machenschaften nicht weit. Das Wort der Sklaverei ist nicht zu hoch gegrffen. Dazu dann das ganze Gegenteil: Menschen mit dem Herzen am richtigen Fleck. Der Weihnachtsgeschichte recht ähnlich und ins 3.Jahrtausend übertragen.
    Danke, Dieter

    Gruß
    Beate

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  2. Lieber Dieter, es ist gut, dass in dieser weihnachtsduseligen Zeit auf den Kern dieses Festes hingewiesen wird. Und noch wichtiger finde ich, dass deutlich wird, dass wir in unserer Gesellschaft ganz, ganz wesentlichere Probleme haben, als derzeit die Straße behauptet...
    LG
    Astrid

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  3. Weisste was??? Mir läuft es gerade eiskalt den Rücken runter :-O So eine Riesenschweinerei!!!!! Da wünschte ich das auch der Bürgermeister sich mit einschaltet um ihnen zu helfen, und ich freue mich sehr das es so eine Spendenflut gegeben hat.

    Ich hatte schon Berichte von Spaniern gesehen die auch schlechte Erfahrungen gemacht haben, da waren die Firmen die sie geholt haben allerdings aus den neuen Bundesländern, und auch das mit Amazon....

    Die Arbeitslosigkeit ist hier ja auch sehr hoch, und dann diesen Menschen noch die letzte Hoffnung zu nehmen, diese Situation auszunutzen. Ich hoffe nur diesen Verbrechern wird irgendwann das Handwerk gelegt wird.

    Lieben Gruß
    N☼va

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