Im letzten Jahr hatten wir diese Aktion
Management-like und vergleichsweise professionell aufgezogen. Im „Team Day“ sollten wir aufeinander eingeschworen werden, als Gruppe, als Team, noch mehr
sollten wir harmonieren, wir sollten mehr miteinander reden, unser Output und
unsere Arbeitsergebnisse sollten sich verbessern. Dabei gab es – objektiv gesehen
– nicht so riesig viel zu verbessern. Dafür spendierte unsere Firma einen
Eurobetrag, den ich nicht kannte. Wir ließen eine Trainerin kommen, einen
kompletten Tag schlossen wir uns in einem Besprechungsraum ein. Die Trainerin
ließ uns fleißig erzählen, sie hörte zu, und sie notierte sich einiges, was wir
tagtäglich machten, auf einem Flipchart. Unsere Vernetzung als Team hielt sie
in einer Powerpoint-Präsentation fest. Ein paar lustige Spielchen lockerten den
Tag auf, der sowieso locker war wie ein gut aufgegangener Streuselkuchen.
Neue Chefin, neues Glück. Sie mochte die Bewegung
und schlug vor, den „Team Day“ in
diesem Jahr nach draußen zu verlegen. Präziser formuliert: wandern anstatt den Eurobetrag an eine
Trainerin zu verpulvern. Wo wir wanderten, klärte sich rasch. Per Zufall
entdeckte ich die Apollinaris-Schleife in Remagen im Internet, dessen Länge mit 13
Kilometern passte, die idiotensicher beschildert war, das hatte mir die
Tourist-Information in Remagen versprochen, und die auch mit der Bahn erreichbar war.
Schließlich fuhren wir nicht mit der Bahn, sondern
mit PKWs, und wir trafen uns am Ausgangspunkt der Apollinaris-Schleife, der Apollinaris-Kirche.
Einen kurzen Blick gönnte ich mir, indem ich in die neugotische Kirche hinein
schaute und die Fresken aus dem Leben des Heiligen Apollinaris betrachtete, so
seine Buschofsweihe, sein Tod und seine Totenerweckung.
Mit unseren zehn Arbeitskollegen ging es zunächst
bergauf. Durch dichten Wald folgten wir dem weißen Symbol einer Schleife mit
einem Turm obendrauf, das unseren Wanderweg markierte und uns bis zum Ende der
Wanderung treu blieb. Wir folgten einem Bachlauf, der Kurven im Zickzack
hinterließ, wobei der Anstieg aus dem Rheintal erste Zeichen von Anstrengungen
hinterließ. Bald stießen wir auf eine Villa im Wald, die einer schillernden
Unternehmerpersönlichkeit im Rheinland gehörte. Frank Asbeck, Firmeninhaber der
Solar World AG, die in finanzielle Schieflage geraten war, hatte dieses Anwesen
im Jahr 2008 gekauft und nutzte diese seitdem, um seinem Jagdhobby nachzugehen.
Nach zwei bis drei Kilometern flachte der Anstieg ab.
Er verlief über Trippelpfade mitten durch den Wald, wo uns die Beschilderung
der weißen Schleife auf rotem Untergrund sicher den Weg wies. Nachdem wir die
Hauptstraße überquert hatten, öffnete sich das Gelände hinter Wiesen, deren morsche
Einzäunung jämmerlich zusammengebrochen war. Zwischen Waldstücken hindurch
konnten wir auf den fernen Schimmer der Mittelgebirgskette – das war der Westerwald
- auf der anderen Rheinseite schauen. Mehrfach drehten wir unsere Richtung,
Wiesen wechselten mit Eichen- und Buchenwald. Nach weiteren zwei bis drei Kilometern
gelangten wir zu der Hütte des Scheidskopfes.
Der Buckel des Scheidskopfes, 280 Meter hoch, lag
leicht oberhalb der Hütte, von der aus wir einen grandiosen Blick hatten in die
sich auftürmende Kulisse der Eifel, die hinter dem Ahrtal anstieg. Dabei
schoben sich Maisfelder in dieses Gemisch aus Wiesen, Wald und Feldern. Mit der
sich anbahnenden Kulisse der Eifel hatte der Vulkanismus Einzug in die
Landschaft gehalten, so dass der Scheidskopf einst ein Vulkan war. Der
Scheidskopf war sogar sehr jung, nur wenig älter als Maria Laach, so dass sein
Alter auf rund 11.000 Jahre zu datieren war. Wie auf der anderen Rheinseite,
wurde dort Basalt abgebaut, so dass der Vulkankegel fast vollständig verschwand.
In den 1920er Jahren endete die Ära des Steinbruchs.
Nun hatten wir die Hälfte der Wanderung geschafft,
und von Ermüdung war noch keine Spur. Wir drehten zurück, liefen ein Stück
parallel zum Zaun der Straßenfarm. Von diesem Standpunkt aus sahen wir so
manches Neue und Überraschende, aber keine dieser Laufvögel aus dem fernen
Australien, die hier heimisch geworden waren, wagte sich in unsere Nähe. Ich staunte, dass ein Pilgerweg
von unserem Wanderweg abzweigte. Da sich das Pilgern nach Santiago de
Compostella großer Beliebtheit erfreut, hatte man im Rheinland alte Pilgerwege
zu neuem Leben erweckt. Einer dieser Pilgerwege führt von Bonn aus über die
Rheinhöhen nach Mainz, davon auf diesem Teilstück von Remagen nach Bad
Bodendorf an der Ahr.
Weitere zwei bis drei Kilometer marschierten wir
durch schwierigeres Gelände, das feucht war. Großspurige Pfützen sammelten
sich, doch wir fanden die Lücke eines trockenen Pfades. Zu dieser positiven
Grundstimmung gesellte sich das schöne Wetter, denn inzwischen hatte blauer
Himmel die Wolkendecke auseinander gerissen. Vier, fünf, sechs Ameisenhaufen
türmten sich mit ihrem Gekrabbele am Wegesrand auf, und so wüst und
unsystematisch, wie sich das Gekrabbele auf dem Haufen konzentrierte, löste es
sich auf dem Waldweg wieder auf. Wir begegneten einem Jogger in einem blauen
T-Shirt, mit einem Schweißband auf der Stirn, dessen Gesicht erschöpft und ausgepowert
aussah.
Nach rund zehn Kilometern machten wir Pause auf
einer Bank, und irgendwie schien sich seine Erschöpfung auf uns übertragen zu
haben. Ich glaubte zu beobachten, dass unsere ungeübten Wanderer große Mengen
an Flüssigkeit tranken. Es wurde auch eine Kleinigkeit gegessen, Kekse,
Müsli-Riegel, Bananen, Apfelstücke. Kaum fünf Minuten waren vergangen, dann
begegnete uns erneut derselbe Jogger, blaues T-Shirt, Schweißband auf der
Stirn, erschöpftes Gesicht. Mit unseren müden Beinen verweilten wir noch eine
Zeitlang, so dass uns die Sequenz, bestehend aus Jogger, blaues T-Shirt,
Schweißband, erschöpftes Gesicht, mehrfach begegnete , mehrfach freundlich
grüßte und zur festen Institution unserer Pause wurde. Gut ausgeruht und
gestärkt, schafften wir auch noch die restlichen drei Kilometer bis zur
Apollinaris-Kirche zurück.
Am Brauhaus Remagen ließen wir den gelungenen Tag
ausklingen. Das war ein „Team Day“ der anderen Art, der bewundernswert einfach
strukturiert war. Mir zeigte die Gestaltung, dass Büro-Alltag nicht durchgängig
in Management-Theorien hinein gepresst sein sollte. So manche Dinge laufen
unterschwellig, in Kategorien des Verhaltens ab. Und solch ein „Team Day“ zeigte eine viel größere Wirkung als derjenige im letzten Jahr, der in das strenge Korsett des
Büroalltags gezwängt war.
Wir ließen es uns schmecken. Der Blick auf den Rhein
beflügelte mich um ein Vielfaches im Vergleich zu dem Blick auf nackte
Bürowände. Und die Kosten für das Essen im Brauhaus, die die Firma spendiert
hatte, dürften einiges niedriger sein wie solch eine ganztägige Veranstaltung
mit einer Trainerin.
Das Büro einmal gegen die Natur zu tauschen, was sicher ein genialer Einfall! Tolle Landschaftsaufnahmen beweisen, dass die Gegend wunderschön ist, in der ihr unterwegs wart. Und gelernt habe ich auch etwas. Ich gestehe zu meiner eigenen Schande, dass ich niemals zuvor etwas vom Hl. Apollinaris gehört hatte. - Das Essen hattet ihr euch dann auch wirklich verdient! LG Martina
AntwortenLöschen*ggg* das hätte ich auch nicht gedacht, dass ich hier mal lesen würde, dass du dich wandernd und nicht per Fahrrad durch die Gegend bewegst ;-)
AntwortenLöschenEine schöne Idee, so einen Team-Day zu gestalten :-)
LG Frauke
Das finde ich eine supergeniale Idee! Schon allein nicht wieder in einem Raum sitzen zu müssen sondern die Natur genießen zu können, dabei sich dann bewusst oder unbewusst der Stärken und Schwächen der Kollegen bewusst zu werden und es dennoch mit Humor und Teamwork nehmen. Ich denke solche Tage schweißen auch zusammen, vor allem weil es wirklich auch Geld ist das man sparen kann, im Vergleich mit so einem Trainer.
AntwortenLöschenEine sehr schöne Wanderung die du auch wieder lebhaft beschrieben hast. Ich fühle mich bildlich immer mit dabei und kann mir alles so gut vorstellen. Danke dir dafür.
Viele Grüsse
N☼va
Lieber Dieter,
AntwortenLöschendas ist wirklich mal eine ganz besonders gute Idee: Das Team wird gestärkt durch gemeinsame (außerbetriebliche( Aktivitäten. Und das gute Wetter gab es dazu noch ganz umsonst!!!
Liebe Grüße
moni