Den Protestierenden von damals dürften die Haare zu
Berge stehen. 1973 hatten sie sich dagegen aufgelehnt, dass ein Areal, so groß
wie zwei Fußballplätze, platt gemacht worden war. Die Abrißbirne hatte ihr Werk
verrichtet, mehrere Straßenzüge waren dem Boden gleichgemacht worden. Die
Nordstadt mit ihren Häusern aus der Gründerzeit, in dem der Maler August Macke
sein Atelier hatte, war amputiert worden.
Abrißorgien wie diese haben in den 60er und 70er
Jahren viele deutsche Städte heimgesucht. Es sind nicht die Protestierenden,
die einen bleibenden Eindruck im Stadtbild hinterlassen, sondern Bauherren und
Architekten, die sich in einem Denkmal verewigen.
Doch an diesem Denkmal wird nun mächtig gekratzt.
Als 1969 der Neubau des Stadthauses beschlossen wurde, waren die
Verantwortlichen noch voller Euphorie. In der Innenstadt gelegen, wurden rund
50 Standorte der Stadtverwaltung, die wie ein Streuselkuchen über die Stadt
verteilt waren, optimiert. Die Architekten markierten weithin sichtbare Punkte
der Stadt: im Regierungsviertel war dies das Abgeordnetenhochhaus – der Lange
Eugen – und in der Innenstadt das Stadthaus, welches den Blick mit der Masse
der fünf Hauptbaukörper einfing. Die Architekten spielten mit der
verschachtelten Struktur der Glasfassade: sich spiegelnd, abbrechend, zurückgeworfen oder beim Sonnenuntergang war das Wechselspiel des Sonnenlichts grandios. Diese
Lichteffekte schimmerten nahtlos in die versilberte Leichtmetallfassade durch,
die an den Ecken und zum Dach abschloss.
1978 fertiggebaut, machte sich bei diesem Glasklotz,
der 180 Millionen DM gekostet hatte,
rasch Ernüchterung breit. Die Architektur der 60er und 70er Jahre ist zwar
repräsentativ und drängt sich in den Vordergrund, sie ist aber zu kurz gedacht.
Über deren Schönheit kann man noch streiten. Der Fremdkörper, der maßlos in die
Breite ausuferte, kostete Geld. 1990 musste Asbest entsorgt werden; dies
kostete 1,5 Millionen DM.
Die Vorhängvorrichtungen für Fassadenelemente
verschlissen, Verankerungen lösten sich, Metall korridierte, Glaselemente wurden
brüchig, Sanitäranlagen waren nicht mehr zeitgemäß, Klimaanlagen fraßen zuviel
Strom, Fassaden waren nicht gedämmt. Gebäude, die weitgehend aus Glas und Metall
bestehen, haben nicht diejenige Lebensdauer wie Häuser, die Stein auf Stein
gebaut worden sind. Die Folgekosten hatten die Entscheidungsträger schlichtweg geschlabbert.
Erfahrungswerte, wie die Lebensdauer solcher Glaskörper einzuschätzen war, gab
es zum Planungszeitpunkt nicht.
Die heutigen Entscheidungsträger wissen nun nicht,
was sie mit dem Repräsentativbau machen sollen. Heute wünschen sie sich sogar,
dass man auf die Protestierenden von damals gehört hätte: dass die Häuser aus
der Gründerzeit stehen geblieben wären und dass die Verantwortlichen die
Neukonzeptionierung der Stadtverwaltung besser durchdacht hätten.
Der Zahn der Zeit hat rund 3.000 Fassadenscheiben
gelockert. Sie müssen abgehängt werden, so dass man die schillernden Lichteffekte
auf der Glasfassade nicht mehr sehen kann. Sonst könnten sie vorbeigehenden
Passanten um die Ohren fliegen. Die Brandmeldeanlage müsste erneuert werden,
ebenso der Bodenbelag in der Tiefgarage. In die Magazinräume des Stadtarchivs
dringt regelmäßig Wasser ein.
Der Renovierungsstau des 35 Jahre alten Gebäudes
wächst den Verantwortlichen über die Ohren. Da die Stadtkasse chronisch leer
ist, wird nur noch notdürftig geflickt. Dem Nothaushalt in die Augen schauend,
haben Geld-verschlingende Baumaßnahmen wie der Weiterbau des WCCB Vorrang (World
Conference Center Bonn; der Bauherr war Pleite gegangen). Auf der Streichliste
stehen Bäder und Stadtteilbibliotheken, was in der Bevölkerung auf reges
Unverständnis stößt.
Ein Krisenmanagement sitzen die Verantwortlichen samt
Oberbürgermeister aus. Was sollen sie auch anders tun ? Die schöne neue
Architektur der 60er und 70er Jahre fällt in sich zusammen, weil sie nur für
einen kurzen Augenblick gedacht ist. Den Zerfall können die Verantwortlichen
nicht aufhalten. Diskussionen, das Stadthaus abzureißen und neu zu bauen, sind
längst entflammt.
Alle drehen sich im Kreis. Ob Abriss oder Neubau,
beide Varianten sollen gleich viel kosten, nämlich 200 Millionen Euro. Doch
diese Überlegungen sind müßig, denn es ist sowieso kein Geld da.
Oberbürgermeister Nimptsch sieht dies gelassen: „Wenn
die Finanzierung für 2014 nicht geklärt ist, müssen wir die Haushaltssituation
in 2015 abwarten.“ hatte er zuletzt erklärt. Das Prinzip Hoffnung regiert. In irgendeiner Ecke läßt sich
vielleicht noch eine Geldquelle entdecken, die nicht versiegt.
Einstweilen steht das Denkmal des Stadthauses noch. Die
Architekten Heinle, Wischer & Partner haben nicht für die Ewigkeit gebaut
und sind mittlerweile verstorben. Derweil sind andere Architekten für solche Glasbauten
mit Architekturpreisen überhäuft worden.
Da hast du für mich wieder eine Zeitreise möglich gemacht in das Bonn meiner Jugend- und Studentenzeit. Was hat der Verlust des Viertels geschmerzt ( war halt nicht so bürgerlich wie die Südstadt, ärmeren Leuten wird immer mehr zugemutet ). Als es in Betrieb genommen wurde, hatte ich die Stadt bereits erlassen, und nur noch einmal in einer ärgerlichen Meldeangelegenheit dort vorsprechen müssen.
AntwortenLöschenDie Kurzsichtigkeit bei den Entscheidungsträgern der heutigen Zeit geht mir gewaltig auf die Nerven ( und die Selbstverliebtheit & Ignoranz von Architekten )...
In meinem neuen Wohnort wurde ich dann auch Opfer einer solchen formaldehyd- & asbestverseuchten Bausünde der 70er.
Ach, da könnt ich mich nur aufregen.
Gute Nacht!
Astrid
Also schön isser ja wirklich nicht, und ich empfinde es immer als Schande wenn alte Prachtbauten sowas weichen müssen und dazu noch das Gesamtbild verschandelt wird. Hier bei dir im Post kann man dann auch noch gut "sehen" was nun ist. Kann doch nicht sein dass so ein Bau nur von so kurzer Lebensdauer ist^^ Bei deinem Post musste ich an einen gestrigen Artikel denken den ich gelesen habe. So wird in London auch so ein Glaskomplex gebaut und noch nicht fertig hat er schon erste Schäden verursacht: Durch die hohe Sonneneinstrahlung (Reflektierung) wurden Autos die dort geparkt hatten beschädigt...die Strahlen haben Autoteile verformt und schmelzen lassen.
AntwortenLöschen...und über die Aussage vom OB kann ich nur den Kopf schütteln :-(((
Liebe Grüsse
Nova
Ja schön ist dieses Bauwerk wirklich nicht Dieter. In den 70 igern wurden viele dieser Bauwerke erstellt, die nun langsam vor sich hin rotten, denn für eine kostspielige Sanierung ist kein Geld da.
AntwortenLöschenTraurig das für diese Bauten wunderschön Häuser weichen mussten.
Eine interessante Zeitreise.
Lieben Gruß und einen schönen Tag
Angelika
wie idyllisch doch das stadthaus davor wirkt. aber so sind wir....schneller, grösser und imposanter muss es sein.
AntwortenLöschenich wohne in einer kleinstadt, da sind mir solche anblicke fremd. naja nicht ganz. 2 hochhäüser haben wir auch, 7 stockwerke hoch!
LG
Ein sehr interessanter Artikel und nicht nur das, sondern noch eine Parallele. Am Wochenende waren wir unterwegs und auf der Rückfahrt stiegen wir an der Rheinaue aus und gingen bis zum ehemaligen Regierungsviertel. Witzig, dass wir uns zum selben Zeitpunkt Gedanken machen wie du.
AntwortenLöschenEhrlich gesagt: wenn manche Gebäude von alleine in sich zusammenfallen würden, wäre das sehr hilfreich *gg*. Aber leider tun sie das nicht.
Die Architektur rund um Langen Eugen und Schürmannbau fand ich OK. Was ich gar nicht akzeptieren kann, wenn Architekten einfach planen ohne die Umgebung zu berücksichtigen. Außerdem behaupte ich mal, dass die Architektur der 60er und 70er zum Scheußlichsten gehört, was DLand zu bieten hat. Wir waren neulich in Bensberg und sind immer noch entsetzt, wie das Potenzial dieses bergischen Örtchens verschleudert wurde. Aber all das mal später ... ich komm nicht nach und jetzt ist es auch schon wieder schön draußen, was genutzt werden will.
LG, 'Franka'
Guten morgen Dieter
AntwortenLöschenwow..so interessant Dein Artikel!!!
Ich finde es auch nicht so schön....Architektur kann viel viel besser sein.
Danke für die infos
LG
Christa
PS.Danke auch für Deine so lieben Kommentare-)))
Ja. Es ist unfassbar, was so alles gemacht wird, ohne dass sich irgend jemand mit den möglichen Folgen auseinandersetzt.
AntwortenLöschenUnd was das hier für Ausmaße sind: 3000! Fassadenscheiben gelockert. Tztztz.
Sehr interessanter Artikel.
lieben Gruß
Brigitta
Wieder ein sehr interessantes Thema. Manchmal weiss man wirklich nicht was die Stadtplaner sich dabei gedacht haben, als sie den Auftrag für diese Gebäude gaben. Gerade wenn man den Glaskasten im Vergleich sieht zu dem sicher unter Denkmalschutz stehenden alten Gebäude. Sehr schade, dass man diesen Teil nicht im Gesamten erhalten hat. Nun könnte man unken der Zerfall des Glaskastens sei die 'Strafe des Herrn' ;)
AntwortenLöschenViele, liebe Grüße,
N.
wenn ich deinen post lese fallen mir spontan auch ein paar Gebäude ein, bei denen ich mich frage ob man die Probleme nicht von Anfang an hätte sehen können. Ich dachte immer, dass solche baulichen Vorhaben von verschiedenen Fachkräften diskutiert und gut überlegt werden. Aber wahrscheinlich geht es dabei doch oft um Prestige. Da will man dann nicht alles so sehen wie es ist - und manche gute Kritik fällt bestimmt unter den Tisch.
AntwortenLöschenlieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Hallo!
AntwortenLöschenDa hast du ein interessantes Thema aufgegriffen und in einem schönen Post aufgearbeitet und weiterverbreitet. Dank dir dafür. Ich finde es auch schade, wenn schöne Altbauten verschwinden. Ein schöner Altbau neben einem dieser gigantischen Neubauten finde ich aber auch schrecklich. Ebf neben den Häusern aus den 70ern, die ich auch zum größten Teil schrecklich hässlich finde.
Meiner Meinung nach sollten alle schönen Altbauten Schutz bekommen und die Umliegenden Gebäude mit entsprechend angepasster Architektur gebaut werden.
Ich sende dir wieczoramatische Grüße in deinen Donnerstag, (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Hallo dearest Dieter,
AntwortenLöschenI suffer a lot when destroyed heritage... the beautiful buildings should not be demolished, they hold the memories, history, magic and cultural identity.