Franz Boas, aus Minden in Westfalen stammend,
studierte seit 1877 an der Universität Bonn Geografie. Verschanzt hinter
Büchern und Atlanten, wohnte er in seiner Studentenbude in der Burschenschaft
Alemannia. Es war ein giftiger, drahtiger Kommilitone, der ihn in der Vorlesung
„Geografische Methodenlehre“ hänselte. „Jude, was hast Du als Jude hier zu suchen
?“ insistierte er. Vorlesung für Vorlesung hatte er seinen Judenhass nicht im
Griff, bis Franz Boas der Sache überdrüssig wurde.
„Um 8 Uhr Morgen früh im Hofgarten … „ schaute der
zutiefst Beleidigte seinem Kontrahenten nachdrücklich in die Augen und
verlangte Satisfaktion.
Beim Duell um 8 Uhr im Morgengrauen machte Franz
Boas kurzen Prozess. In seiner Burschenschaft Alemannia beherrschte er die Fechtkunst wie
kaum ein anderer. Die beiden Duellanten schritten aufeinander zu, Franz Boa schwang
den Säbel einmal, zweimal, täuschte einmal, zweimal, dann ratschte der Säbel in das Gesicht seines Kontrahenten.
Auf der rechten Backe klaffte eine Wunde. Das Gesicht voller Blut, sackte der freche Mitstudent zusammen. Das reichte. Franz Boas wollte keinen anderen Menschen
umbringen.
Aber das Studentenleben war vor mehr als 150 Jahren
nicht nur rauh, sondern auch feucht-fröhlich. Vor dem Eingang seiner Studentenbude hatte Franz Boas den berühmten §11 der Prinzipien seiner Burschenschaft
verewigt: es wird fortgesoffen. Franz Boa hatte in seiner Burschenschaft einen
Führungsposten als Schriftwart inne. Er war trinkfest und legte beim Zechgelage
am Wochenende die Reihenfolge der Kneipen fest. Die Sauferei ging bis weit nach
Mitternacht. Die lallende Sprache der Studenten verkam zur Unkenntlichkeit, ihre Schritte
torkelten. Am nächsten Tag konnten sie sich nicht zurückerinnern, wie sie den
Weg zu ihren Studentenzimmern zurückgefunden hatten.
Ihre Alkoholexzesse blieben ohne Folgen, doch es
hätte auch anders kommen können. Bei anderen Studenten wurde durchgegriffen.
Nachts gröhlten sie auf dem Marktplatz vaterländische Lieder, ließen den Kaiser
hoch leben und scherten sich nicht um die Nachtruhe. Die Pederellen rückten aus –
das war die Universitäts-eigene Polizei. Sie sammelten die nächtlichen
Ruhestörer ein und warf sie kurzerhand in den Karzer, der in der Bonner
Universität über dem heutigen Koblenzer Tor lag.
Karzer, lateinisch „carcer“, daraus abgeleitetet das
deutsche Wort „Kerker“, das war das Universitäts-eigene Gefängnis. Seit ihrer
Gründung – sie reichte bei manchen Universitäten ins Mittelalter zurück - hatten diese das Privileg
einer eigenen Gerichtsbarkeit. Sie waren eine Ordnungsmacht, hatten Mittel und
Möglichkeiten, ihre Studenten zurechtzuweisen, vor allem, ein ausschweifendes
Leben zu bestrafen. Sie schritten ein bei Prügeleien, Saufgelagen, Duellen,
nächtlichen Ruhestörungen, Überschuldungen oder anderen Exzessen. Wer zu häufig
im Karzer saß, dem drohte die Exmatrikulation und der Verweis von der
Universität.
Wenn Studenten sturzbetrunken bei einer Sauftour aufgegabelt wurden, konnten sie im Karzer landen, um ihren Rausch auszuschlafen. In den meisten
Universitäten war es ein Kellerraum, der von meterdicken Mauern umschlossen
war. Karg und ungeheizt, schauten die Inhaftierten auf nackte Wände, die im
Laufe der Zeit mit allerlei Sprüchen und Karikaturen verziert wurden. Manche
Karzer, die bis heute erhalten sind, stehen unter Denkmalschutz – so in den Universitäten Freiburg, Göttingen, Marburg und anderen Universitätsstädten.
So manches Karzer-Buch ist bis heute erhalten. So
besagten die Regeln der Universität, dass derjenige, der nachts sturzbetrunken
angetroffen wurde, eine Ordnungswidrigkeit beging. So wie heutzutage die
Stadtverwaltung über Ordnungswidrigkeiten bescheidet, legte der Richter an der Universität
die Strafe fest. Je nachdem, wie oft ein Student bei einem Saufgelage in der
Stadt erwischt wurde, konnte es passieren, dass er drei bis fünf Tage in der
Ausnüchterungszelle ausharren musste. In dieser Zeit war es ihm sogar
untersagt, Vorlesungen zu besuchen. Die Strafen für die politische Aufwiegelei
anderer Studenten waren sogar drakonisch, nämlich bis zu drei Wochen.
Der Karzer wurde wenig ernst genommen. So berichtet
der Jurist Karl Schorn, der 1837 im Karzer der Bonner Universität einsaß, in
seinen Memoiren:
"Ich sage: der Karzer war ein fideles
Gefängnis, denn den Inhaftierten war der Empfang des fast nie fehlenden Besuchs
bei Wein und Bier gestattet, und zuweilen ging es dabei hoch
her, so dass die beträchtlichen Bewirtungskosten verbunden mit den
Verpflegungs- und Bedienungskosten seitens der Ehefrau Baude (das war die Gattin
eines Pedellen) eine bedeutende Auszehrung des mit inhaftierten Monatswechsels
im Gefolge hatten".
Ein anderer eingekerkerter Student berichtet, wie
kurzweilig es war, wenn mehrere Studenten eingesperrt waren. Sie vertrieben
sich die Zeit mit Kartenspielen und für Bier und Verpflegung war stets gesorgt.
Nach 1879 neigte sich die Zeit der Karzer dem Ende
zu, denn ein neues Gerichtsverfassungsgsetz trat in Kraft. Die eigene Gerichtsbarkeit
von Universitäten wurde abgeschafft. Als
Stätte der Disziplinierung blieben die Karzer erhalten, doch sie setzten sich
nicht durch. Bis zum ersten Weltkrieg wurden alle Karzer aufgelöst. Gefeiert wurde immer. Gesoffen wurde immer. Es wird immer
Studenten geben, die die feucht-fröhliche Seite ihres Studentenlebens auskosten - auch ohne Karzer.
Sehr interessant und ich könnte mir vorstellen das es zwar keine Karzer aber neben den Saufgelagen auch bestimmt noch Duelle geben mag^^
AntwortenLöschenLiebe Nachtgrüssle
Ein guter Bericht. Da ich ganz in der Nähe von
AntwortenLöschenHeidelberg wohne, bin ich mit der Geschte der
Burschenschaften bestens vertraut. Aber auch heute
bleibt des Studentenleben nicht ohne diese feucht-
fröhlichen Runden.
Einen guten Tag wünscht Dir
Irmi
Ein toller Bericht Dieter von diesen Gelagen habe ich mal gelesen.
AntwortenLöschenOb´s heute auch noch su zu geht ?
Einen schönen Tag und liebe Grüße
Angelika
Hallo!!
AntwortenLöschenEin interessanter Bericht. Obwohl ich viel Zeit an der Uni verbracht habe, bin ich mit Burschenschaften nie in Berührung gekommen, fand sie vom Hören/Sagen immer sehr abschreckend. Zu meiner Zeit war das Studentenleben dennoch feucht-fröhlich. Uns ging es damals recht gut und wir hatten viele Parties, Kneipen...
wieczoramatische Grüße, (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Hallo Dieter,
AntwortenLöschendie Saufgelage gibt es natürlich immer noch.
Als Frau hatte ich mit den Burschenschaften zum Glück wenig zu tun, die gibt's ja auch noch.
VG
Elke
Ein toller Bericht Dieter!!!War öffters früher in Heidelberg,kannte dieses aber nicht.
AntwortenLöschenDankes fürs lernen-))))
LG
Christa
Klar muss man als Student auch die fröhliche Seite des Lebens auskosten, der Ernst kommt noch früh genug. In meinem Jahrgang war allerdings keiner der Jungs in einer der Bonner Burschenschaften. Aber es wurde trotzdem jedes kleine Ereignis groß gefeiert und zwar zusammen mit uns Mädels.
AntwortenLöschenLiebe Grüße und ein schönes Wochenende wünscht dir
Arti