Beiläufig stellte ich fest, dass es in diesem Jahr
meine erste Tour durch den Kottenforst war. Beiläufig rieselte das Sonnenlicht durch
das Laub der Bäume, das zerfaserte und an manchen Stellen grelle Kleckse auf
den Radweg warf.
Ich wollte die schönen warmen Tage ausnutzen, doch
die Hitze war für einen 6. September unwirklich. Morgens war es taufrisch,
nachmittags knallende Hitze, die Temperaturgegensätze sprengten mein
Wahrnehmungsvermögen. Ab Meckenheim bekam ich die Hitze nicht eingeordnet, denn
der Wind blies seitwärts ins Gesicht und sorgte für einen klaren Kopf. Die
Landstraße zog ihre Spur durch Endlosreihen von Äpfeln, die so rot und reif
waren, dass ich am liebsten hineingebissen hätte. Reife Äpfel, Birnen, Pflaumen
wetteiferten miteinander.
Als die Eifel nahte, spürte ich die 32 Grad
Außentemperatur, denn nur phasenweise hielt Schatten die Hitze in Schach. Die
Sonne knallte, hinauf nach Hilberath zog die Steigung an. Der Schweiß lief in
Bächen durch mein Gesicht, ich stöhnte, ich biss die Zähne zusammen, ich hielt
durch. In Hilberath angekommen, entschädigte mich das pralle Sonnenlicht und der durchdringende
Blick auf die Höhen der Eifel.
In Kurven und Biegungen und Wendungen erreichte ich
das Dorf Berg, welches seinem Namen alle Ehre machte. Das war positiv zu sehen,
denn in Berg ging es mächtig den Berg hinunter. Im Nachmittagsschlaf dämmerte
das Dorf vor sich her. Auf dem Dorfplatz mit dem Brunnen war keine
Menschenseele zu sehen, die Bürgersteige waren leergefegt. Beim Anblick der
Gaststätte „Berger Hof“ stellte ich mir den dörflichen Abend inmitten eines
regen Vereinslebens, einem gepflegten Bier und einer treuen Runde von Skatspielern
vor. Die schmale Landstraße, auf der keine zwei Autos nebeneinanderpassten,
trippelte weiter den Berg hinunter. Das war typisch Eifel, dass ich
anschließend denselben Umfang an Steigungen wieder zurück bewältigen musste.
Zäh und schleppend wälzten sich die Häuser von Freisheim den Berghang hoch.
Das raubte Kräfte und wiederholte sich anschließend
noch zweimal. Ein paar schnell daher geschmissene Höfe formierten sich am
Straßenrand. Bei den Streckenkilometern 1,8 und 3,0 der Kreisstraße 31 quälte ich
mich über die nächsten Eifelhöhen, die mit ihrer körperlichen Herausforderung
ihre eigene Dramatik entwickelten. Der Reiz solcher Torturen ist eigenwillig,
denn nirgendwo erlebe ich Landschaften so hautnah. Früher bin ich gerne
gewandert, aber beim Rennradfahren erlebe ich effektiv mehr. Der Radius ist
größer. Die Erlebnislandschaften sind umfangreicher. Die Eindrücke
vervielfachen sich im Überflug bis in Details hinein.
Was die Preußen als „Rheinisch Sibirien“
bezeichneten, sog ich mit allen Einblicken in mich hinein. Die Eifel galt als
verlassener und dünn besiedelter Landstrich, wo die Zivilisation aufhörte. Noch
bis ins 19. Jahrhundert gab es Mißernten und Hungersnöte. Deprimiert, suchten
und fanden die Eifelbewohner anderswo ein besseres Leben.
„Ein Zug der Eifelberge ist
vorzüglich charakteristisch. Dies ist eine Bergkette, die ungefähr sechs
Stunden lang aus der Gegend von Münstereifel bis nach Nürburg und Kelberg sich
fortzieht, im ganzen mit gerader Linie und in gleicher Höhe, nur dass da und
dort aus dem eintönigen Grauwackenplateau das Erdfeuer den Basalt
hervorgestoßen hat, der nun über dem dicht bewaldeten neptunischen Kamm in
schwarzen, oft nackten Kuppen stolz emporragt.“ beschrieb der Romantiker
Gottfried Kinkel seine Wanderungen durch die Eifel.
Nicht Basalt, sondern Schiefer
prägte den Hausbau dieser Dörfer. Beachtliches Fachwerk mischte sich in die Straßen
hinein. In Krälingen, dem nächste Dorf, erwartete mich eine Überraschung. Die Straße
kraxelte den Berg hinab, und hinter einer scharfen Linkskurve schaute ich in
den urigen Innenhof eines rotgestrichenen Fachwerkhauses, das zu einem Bistrot
gehörte. Ich las „Alte Krähe“ und übertrug die französische Bistrot-Kultur
mitten in die Eifel.
Ich folgte der Kreisstraße, bis
ich nach mindestens zehn bis zwölf aufsehenerregenden Serpentinen das
Sahrbachtal erreichte. Ich bedauerte andere Rennradfahrer, die die Serpentinen
in umgekehrter Richtung bergaufwärts noch vor sich hatten.
Das Ziel Altenahr hatte ich nicht
aus Sehnsucht oder Leidenschaft gewählt, sondern aus reiner Zweckmäßigkeit. Vom
Tourismus überlaufen, hatte ich zu Altenahr nie eine Beziehung entwickelt. Gemütliche Weinstuben vermisste ich, die
schönen Abschnitte längs der Ahr begleiteten Fuß- und Wanderwege, aber keine
Radwege. Unsystematisch häuften sich Kneipen längs der Hauptstraße, die bis zur
Fertigstellung der Umgehungsstraße 1998 im Autoverkehr erstickt war.
Dabei verkörperte Altenahr
durchaus den Inbegriff rheinischer Burgenromantik. 1121 erbaut, war die
Burguine steinalt. Die Grafen von Are, die die Herren der Burg gleichen Namens
waren, waren mit ihrem Wirken drei Jahrhunderte lang stets präsent. Münster
oder Lüttich, Utrecht oder Köln: die Grafen hatten bedeutende Bischofsämter
inne, darunter Konrad von Hochstaden von 1238 bis 1261als Erzbischof von Köln.
An der Gabelung der B266 und B267
fand ich ein Lokal, um Pause zu machen. Nach 50 Kilometern sackte ich platt auf
meinem Stuhl zurück, denn die 32 Grad Außentemperatur lagen an der Grenze des
Zumutbaren. Diesmal löschte ich den Durst mit zwei halben Liter Bitburger,
während sich am Nebentisch eine Horde älterer Frauen versammelte und fleißig
Kuchen in sich hinein stopfte.
Um Kräfte zu sammeln, hätte ich
deutlich länger wie eine halbe Stunde ausruhen müssen. Die 30 Minuten mussten reichen, und
anschließend kroch ich die Steigung zur Kalenborner Höhe hoch. Im
Schneckentempo bewegte ich ich vorwärts, wohl wissend, dass hinter all den
Kurven, Krümmungen und Biegungen neue Steigungen warteten. Rund 250 Höhenmeter
musste ich abarbeiten. Ausgelaugt und kraftlos und in dem Pedalen hängend
trottete ich an dem Ausflugslokal auf der Kalenborner Höhe vorbei. Weiter ging
es diesmal über die B257 in die Ebene hinab, um unnütze Höhenmeter zu
vermeiden.
Die Abfahrt war genial. Das
Siebengebirge strotze vor Kraft und bäumte sich über der gewellten
Hügellandschaft der Grafschaft auf. Die
Hügel des Ahrgebirges segelten an mir vorbei. Vor mir fixierte sich die Landschaft
auf den geschwungenen Kirchturm der St. Walburgis-Kirche, der das Umland von
Gelsdorf beherrschte.
Der Schlußakkord der
Eifellandschaft nahte. Dem Rückenwind sei dank, dass ich ab Gelsdorf in der
sanften Ebene daher glitt. Am Ende des Tages steckte mir die Tour heftig in den
Knochen, denn Hitze und Durst hatten mich fertig gemacht. Und mit 90 Kilometern zählte
diese Tour zu meinen längeren Radtouren.
Die Hitze vergaß ich schnell,
denn zwei Tage später fühlte ich mich bei 16 Grad Außentemperatur mitten in den Herbst versetzt.
Ohne deinen wunderbaren Bericht von der Tour hätte ich gedacht, dass eine Tortur sein muss, bei dieser Hitze diese bergige Strecke zu fahren. Doch nachdem ich von deiner Begeisterung gelesen und die schönen Bilder gesehen habe, denke ich fast, es sei nachahmenswert. :-)))
AntwortenLöschenRespekt!
lieben Gruß
Brigitta
Wieder mal eine Wahnsinnstour die du gemacht hast, und danke dass wir dich wieder so lebhaft begleiten durften. Allerdings muss es ja doch auch ein wenig gefährlich sein bei solch einer Hitze. So denke ich immer an die Warnungen, also was man an solchen Tagen nicht unbedingt machen sollte ;-)
AntwortenLöschenDennoch kann ich dich auch gut verstehen, so will man einfach diese Tage auch noch nutzen, denn wer weiß schon was der Herbst und auch Winter noch bringen wird. Da wird das Rad noch lange genug wieder in der Garage stehen^^
Wünsche dir einen schönen Tag und sende liebe Grüssle
Nova
ja, du liebst es Fahrrad zu fahren und ich find toll wie du davon berichtest und deine Bilder dazu!
AntwortenLöschenJetzt hoffe ich dass noch so manches mal Im Herbst die Sonne raus kommt und wir eine schöne Fahrradtour machen können auch wenns kühler ist!
Lieben Gruss Elke
Uff, lieber Dieter, jetzt bin ich ganz schön erschöpft durch all die Strampelei bei der Hitze! Aber durch eine schöne Gegend hast du uns geführt - wundervolle Fachwerkhäuser und auch die uralte Burgruine sieht gut aus! Hier war es am Sa. zum Glück auch warm (ich glaube, knapp an die 30 Grad) und windstill, und das war gut so, denn wir haben ganztags Oltimer durch eine Rallye begleitet. War TOLL! So. kam dann heftiger Wind, gestern teilweise Regen, heute heftiger Wind - und ab morgen soll es bei uns auch so richtig Herbst werden...
AntwortenLöschenEinen schönen Abend wünsch ich dir & deinen 2- und 4-beinigen Lieben noch! (Habt ihr die Katzen aus dem Tierheim?)
Herzlichst Traude
Lieber Dieteer,
AntwortenLöschendas war wieder eine wundervolle Tour.
Allerdings beneide ich dich um die Strapazen nicht.
Danke für die tolle Beschreibung.
Einen schönen Restabend wünscht Dir
Irmi
Das hört sich ja wieder nach einer tollen Radtour an, die du gemacht hast und wunderschön beschrieben.:-)
AntwortenLöschenIch glaube, nach zwei halben Litern Bitburger hätte man mich nicht wieder auf ein Rad gebracht. *g*
Liebe Grüße und gute Nacht
Christa
Tatsächlich, im 'Durchflug' sieht man sicher die unterschiedlichsten Landschaftsbilder. Aber ich bin immer noch der Meinung, dass man beim Wandern die meisten Details seiht: Insekten, Blumen, überhaupt Tiere, Holz, Steine, ...
AntwortenLöschenAltenahr - da hatte ich auch immer Vorurteile. Aber seit die Umgehungsstraße fertig ist, beginnt es, sich zu wandeln. Unter den Reihen von Restaurants und Kneipen gibt's auch hier und da ein Perlchen, z.B. Assenmacher, familiär geführt, sehr gute Küche (der Juniorchef) und eine schöne Terrasse nach hinten raus. --- An der Ahr waren wir dieses Jahr noch gar nicht.
(Ich verlinke mal mein anderes Blog)
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenwaren die Straßen wirklich so einsam wie auf den Fotos?
Dann macht das natürlich Spaß.
Das scheint wirklich eine schöne Gegend zu sein.
VG
Elke
Ich bewundere dich..soviel Sportlichkeit, ich würde vom Fahrrad kippen -lach-
AntwortenLöschenWie immer superschön erzählt, man denkt man ist dabei gewesen.
Danke für diesen Ausflug!
LG, Michaela
Das klingt und sieht anstrengend aus... also Siebengebirge ist doch ganz schön bergig. Tolle Bilder, mein Herz schlägt aber am meisten für die interessante Burgruine.
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