Ich: „Ich habe das Problem einmal aus einer neuen Sicht
betrachtet. Ich komme da zu entgegengesetzten Ergebnissen.“
Sie: „X und Y haben ein Tool entwickelt und wir haben
abgesprochen, dass wir dieses Tool nehmen.“
Ich: "Stimmen denn all die Eingangsgrößen und Rechenregeln ?"
Ich: "Stimmen denn all die Eingangsgrößen und Rechenregeln ?"
Sie: „Dieses Tool ist von oben abgesegnet und darüber
wird nicht mehr diskutiert.“
Ich: „Aber wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass wir nach
rechts gehen sollen und das Tool kommt zu dem Ergebnis, dass wir nach links
gehen sollen ?“
Sie: „Quatsch. Da steckt jede Menge Sachverstand drin.
Das Tool nehmen wir. Basta.“
Die Charaktereigenschaften dieser früheren
Vorgesetzten umfassten genau das, was ich als preußisch empfand: korrekt, penibel,
übergenau, gehorsam, obrigkeitshörig, diszipliniert, ausdauernd, machtbesessen,
anordnend, herum kommandierend, durchgreifend, abkanzelnd, überheblich. Durchweg verstand ich dies als
abwertend und nicht als tugendhaft. Da ich selbst so ziemlich das Gegenteil
dieser Charaktereigenschaften verkörpere, habe ich mich mit Mitmenschen solchen
Kalibers stets schwer getan.
Es ist Zeit, mit diesem Bild von Preußen
aufzuräumen. Dabei hat mir das Buch „Preußen ohne Legende“ von Sebastian Haffner
(1907-1999) geholfen. Er gilt als Koryphäe der deutschen Historiker, wobei sich
seine Hauptwerke mit dem Nationalsozialismus befassen. In Berlin beheimatet,
dringt er bis zu den Wurzeln des preußischen Ritterordens vor, der Urzelle
Preußens. Das war im 12. Jahrhundert während der Ostkolonialisierung.
Ich muss zugeben, dass ich in meiner Sichtweise als
Rheinländer gefangen bin. Preußen hat für mich erst 1815 angefangen, als
Preußen nach dem Wiener Kongress das Rheinland zugesprochen bekam. Napoleon war
besiegt, die Preußen hatten entscheidend zu seiner Niederlage beigetragen. Sie
verhandelten eine Gebietserweiterung nach Osten, das sollten Polen und Sachsen
sein. Doch die Großmächte Habsburg und Preußen, deren Gewicht stärker war als
Preußen, blockierten. Preußen musste sich mit diesem Pufferstaat im Westen
zufrieden geben, um im Gleichgewicht der europäischen Mächte Frankreich in
Schach zu halten.
Ein englischer Historiker meinte dazu, die
Großmächte hätten Schabernack mit den Preußen getrieben. Das Rheinland machte
aus dem preußischen Staat einen Flickenteppich mit Schwerpunkten im Westen und
im Osten und einem Loch in der Mitte. Solch ein unförmiges Gebilde war schwer
zu führen, zu organisieren und zu verteidigen.
Haffner beschreibt Preußen als Mittelmacht, die aus
reinem Selbsterhaltungstrieb zum Militärstaat wurde, um im Konzert der
europäischen Großmächte England, Frankreich, Habsburg und Rußland mitspielen zu
können. Dies gelang Preußen zweifellos exzellent. Mit deutlich kleinerer
Bevölkerungszahl, war Preußens Armee im Verhältnis zu den Einwohnern
überdimensioniert, um dieselbe Größenordnung wie die europäischen Großmächte zu
erreichen und nicht von deren Armeen überrannt zu werden. Steuern und Abgaben
waren horrend, um die Armee bezahlen zu können. Dafür subventionierte Preußen
Handwerksbetriebe, Manufakturen und Großgrundbesitzer, die bestenfalls diese
Gelder an die Bauern weiterreichten.
Nicht nur mit dem Zugewinn des Rheinlandes, auch in
den Jahrhunderten vorher war Preußen ein Flickenteppich auf der Landkarte, der auseinandergerissen
und teilweise löchrig wie ein Schweizer Käse war. Dieses Gebilde musste straff
organisiert sein, die Finanzverwaltung musste den Überblick behalten, die
Beamtenschaft musste zuverlässig sein. So erklären sich preußische Charaktereigenschaften, die durchaus positiv belegt sind.
Dabei ist der Grundcharakter Preußens ein rauher Vernunftsstaat. Dieser ist weit weg von den Idealen eines Humanismus, geschweige
denn von demokratischen Strukturen. Preußen war stets offen gegenüber den Ideen
der Aufklärung – die in Preußen (namentlich Königsberg) insbesondere Immanuel
Kant verkörpert hat. Zum Zentrum des geistigen Lebens hatte sich ohnehin Berlin
entwickelt. Tieck, Klopstock, von Kleist, Hegel, Fichte, Schelling und andere: Dichter und
Denker fanden durchaus ihren Platz in diesem rauhen Vernunftsstaat.
Die Masse des Volkes behandelte der Staat in dieser
rauhen Art und Weise. Der Staat definierte sich durch den Auftrag, de er jedem
gab, sich in ihn einzuordnen und für ihn tätig zu sein. Er verhieß
machtpolitischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fortschritt auf
Basis eines allgemeinen Leistungswillens. Er verlangte absolute Unterordnung
und Dienstbereitschaft.
Bei der feindlichen Übernahme des Rheinlandes 1815
kamen diese rauhen Umgangsformen nicht an. Die Gegensätze in der Mentalität
waren so groß, dass sie unüberwindbar schienen. Die Rheinländer waren
bürgerlich städtisch, katholisch und hatten lange Zeit unter französischer
Herrschaft gelebt. Die Zugehörigkeit zu Preußen war ein Rückschritt, denn die
Ideen von Freiheit und Gleichheit und Brüderlichkeit hatten Fuß gefaßt. Der
Rheinländer war gewohnt zu diskutieren, Anordnungen von oben waren ihm fremd.
Er stellte die Dinge in Frage, nahm nicht alles von Gott gegeben hin. Totalen
Gehorsam bis zur Selbstaufgabe kannte er nicht.
Rheinische Intellektuelle wie Heinrich Heine lehnten
sich rasch gegen die Preußen auf: „Ich traue diesem Preußen nicht,
diesem langen, frömmelnden Kamaschenheld mit dem weiten Magen und dem großen
Maule und mit dem Korporalstock, de er erst in Weihwasser taucht, ehe er
zuschlägt. Mir mißfiel dieses philosophisch-christliche Soldatentum, dieses
Gemengsel von Lüge und Sand. Widerwärtig, zutiefst widerwärtig war mir dieses
Preußen, dieses steife, heuchlerische und scheinheilige Preußen, dieser
Tartuffe unter den Staaten“.
Die Geburt von Rheinländern und Preußen war bis auf weiteres schwierig. Ab 1866, der Schlacht bei Königgrätz, waren die
Karten in Mitteleuropa neu gemischt worden. Preußen hatte Habsburg auf dem
Schlachtfeld besiegt, und die Preußen hatten sich die Vorherrschaft in
Mitteleuropa gesichert. 1871 geht aus dieser Vorherrschaft das Deutsche Reich
hervor. Haffner nennt diese Phase das langsame Sterben Preußens. In dieser
Phase trennt Haffner sauber: Militarismus und Patriotimus und Obrigkeitsdenken
halten im gesamten Deutschen Reich Einzug. Verantwortlich dafür ist das
Kaiserreich, welches nicht deckungsgleich mit Preußen ist. Dabei ist der
Preußische Landtag dem Kaiserreich untergeordnet. Preußen stirbt langsam.
Danach bricht eine neue Phase von nationalistischen
Bewegungen in Europa an.
Ich fand schon damals, als das Buch von Haffner auf den Markt kam, dieses nicht so gut, wie es gemacht wurde. Preussen und das Rheinland hatten ein sehr spezielles Verhältnis. Dass Preussen langsam starb liegt auch daran, dass das Kaiserreich seine Machtbefugnisse erheblich ausweitete. Guter Beitrag.
AntwortenLöschenEine gute Nacht wünscht
Irmi
Ein interessanter Beitrag Dieter. Preussen und Rheinland, ein Fall für sich.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Angelika
Hej Dieter,
AntwortenLöschendass Teile Frankens ehemals preussisch waren, ist immer noch spürbar. Es blieb eine wenig beliebte Region in bayerischen Landen. Die Benachteiligung der Region rührt natürlich auch von der Grenznähe zur ehemaligen DDR, aber das trennende sitzt tiefer, weil geschichtlich älter.
Gruß
Beate
hallo Dieter
AntwortenLöschenIch weiss nicht was ich schreiben soll....
W[nsche Dir aber einen schönen Sonntagabend
Liebe Grüsse
Christa
Hallo!!
AntwortenLöschenEin interessanter Text, zu einem anspruchsvollen Thema. Es gibt viele solcher Gebiete und Überschneidungen. In Berlin sind die Beeinflussungen/ Grenzverschiebungen zwischen Deutschland und Polen noch spürbar. Nach 45 kamen viele Deutsche aus Polen als Flüchtlinge nach Berlin und Umland. In jüngerer Vergangenheit kamen nochmals viele Polen mit deutschen Wurzeln...
wieczoramatische Grüße, (◔‿◔) | Mein Fotoblog