Dienstag, 27. August 2013

Bunker zu verkaufen


Im Krieg müssen sich dramatische Ereignisse abgespielt haben, die jede Action-Szene im Kino in den Schatten stellt.  So notiert ein Einwohner  in seinem Tagebuch, wie am 2. März 1945 um 8:45 Uhr Köln-Nippes bombardiert wird. Um Haaresbreite schafft er es in den Hochbunker Schnurgasse.

Er berichtet:
„Kaum waren wir drinnen, fielen auch schon die ersten Bomben. 25 Minuten hielt das Bombardement an. Der Bunker hebte und senkte sich. Staubwolken raubten einem den Atem. Frauen wimmerten, Kinder schrieen. Es gab Ohnmächtige. Eine Tür wurde vom Luftdruck herausgerissen. Da drängten die Menschen aus den bedrohten Räumen, in die unseren entfernt liegenden herein. Wenn wir Männer nicht ernsthaft zur Ruhe ermahnten, wäre dies zu einer Panik ausgeartet. So beruhigte man sich langsam wieder. Nachdem der Bombenhagel eine zeitlang verstummt war, wagte ich mich mal an die Luft.“

Solche Zeitzeugen, die fast siebzig Jahre alt sind, werden nun in Bonn zum Kauf angeboten. Dabei ist es erstaunlich, dass ich an einer Straßenkreuzung gelegentlich an einem Hochbunker vorbeikomme, ohne dass ich ihn jemals bemerkt habe. Oder vielmehr: wahrgenommen habe ich überwucherndes Efeu, das die Betonwände fest umschlungen hatte; diese merkwürdige Kombination aus Betonklotz und Dornröschenschlaf bekam ich nicht zugeordnet.

Nun sind die Geheimnisse gelüftet. Zwei Bunker aus dem zweiten Weltkrieg stehen zum Verkauf an, einer ist bereits verkauft. Im Jahr 1940 wurde ein Führer-Sofortprogramm zur Errichtung von Luftschutz-Sonderbauten ins Leben gerufen, in dem neben Luftschutzkellern auch ein Netz von Bunkern gebaut werden sollte. Dabei wurden diejenigen Städte in die höchste Dringlichkeitsstufe eingeordnet, in denen Waffen für den Krieg produziert wurden. Bonn hatte sogar Glück, denn die Stadt am Rhein war kein direkter Standort der Eisen- und Stahlindustrie. 1941/1942 wurde in der Stadt ein System von vierzehn Bunkern fertiggestellt, in dem 14.000 Menschen Schutz finden konnten. Danach regten sich Stimmen in der Gauleitung, dass die Kosten, die das Bunkerprogramm verschlang, unangemessen wären, weil Bonn von Luftangriffen verschont blieb. Das änderte sich am 12. August 1943, als Destillationsanlagen in Wesseling bombardiert werden sollten. Da die Anlagen wergen der Vernebelung nicht auszumachen waren, entschieden sich die Alliierten, mit dem Luftangriff auf Bonn auszuweichen. 1944 folgten weitere schwere Luftangriffe.

Quasi unzerstörbar und für alle Ewigkeit gebaut, haben diese Überbleibsel aus dem Krieg die Zeit überdauert. Etliche sind als Hochbunker gebaut worden, so dass Betonkolosse  in der Stadtlandschaft stehen. Mit allerlei Grün und Unkraut sind sie zugewuchert, sie verfallen kaum, an manchen Stellen haben sich Graffiti-Sprayer ausgetobt. So wie es mir gegangen ist, ahnt man nicht die schreckliche Vergangenheit, die sich innerhalb der meterdicken Mauern abgespielt hat.

Quasi unzerstörbar, ist es unverhältnismäßig teuer, sie abzureißen, umzubauen oder anderweitig zu nutzen. Die Bunker sind Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben befasst sich mit der Vermarktung, so als ob sie Bürogebäude, alte Kasernen oder ungenutzte Ministerien verkauft.

Wer will einen Bunker kaufen ? Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt und die Ideen sind abenteuerlich. So ist in Düsseldorf ein Bunker in eine Kirche umgebaut worden, in München in eine Diskothek. Verbreitet hat sich die Nutzung als Atelier für Künstler beziehungsweise Ausstellungen. Begehrt sind Bunker als Proberaum für Musikgruppen, da die Bunker entsprechend schallgedämmt sind und die Nachbarschaft nicht belästigen.

Einige Bunker sind zu Wohnungen umgebaut worden, wenngleich dies baulich schwierig ist. So müssen rund zwei Meter dicke Wände aufgestemmt werden und Fenster eingebaut werden. Wand- und Deckendurchbrüche für Versorgungsleitungen stoßen auf dieselben Probleme. Dafür kann auf Lärm- und Schallschutz verzichtet werden. Sämtliche Bunker befinden sich in attraktiven Innenstadtlagen, so dass diese zunehmend vermarktet werden können.

Bunker zu verkaufen ? Ich muss zugeben, dass sie den Hauch des Extravaganten haben. Ich bewundere den Ideenreichtum, was man aus nacktem Beton alles zaubern kann. In einem Bunker zu wohnen, damit hätte ich allerdings ein emotionales Problem. Gerne sehe ich in den Dingen ein Stück Vergangenheit, wo sie herkommen. Davor müsste ich in einem Bunker meine Augen verschließen.

Der Einwohner von Köln-Nippes, der in seinem Tagebuch über den Hochbunker Schnurgasse berichtet hat, muss im Krieg schreckliches mitgemacht haben.

10 Kommentare:

  1. Lieber Dieter,
    auchwenn e Hochbunker sind, so würde ich doch von einem Kauf Abstand nehmen.
    Abgesehen vnden immenen Umbaukosten - könnte ich darin nicht atmen. Ich würde sicher Albträume bekommen.
    Einen schönen Tag wünscht Dir
    Irmi

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  2. Ein interessantes und doch auch zwiespältiges Thema. Warum werden die denn verkauft? Wohin soll man heutzutage fliehen, wenn es zu einem Angriff käme. Sind die Bunker in Privatbesitz kommen nur noch ausgewählte Menschen in Schutzgenuss? Ist doch ganz schön merkwürdig dass die Anlagen, die seinerzeit Leben erhalten haben heutzutage verkauft werden. Drin Leben wollen wäre für mich auch nichts, aber Ausstellungen, Proberaum oder eine Sporthalle könnte man ja draus machen.

    Viele, liebe Grüße,
    N.

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  3. Hallo Dieter ein interessanter Bericht. Ich habe Abends eine Reportage gesehen, das Wohnungen aus einem Bunker gemacht werden und wie aufwendig das ist. Ein zweischneigiges Schwert. Es gibt bestimmt Menschen, die das nicht verstehen und in ihren Erinnerungen nur die schrecklichen Kriegserlebnisse sind.
    Aber gut das du das Thema beschrieben hast.

    Liebe Abendgrüße
    Angelika

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  4. Ja so ein Bunker reißt man nicht so schnell ab auch das Umbauen ist nicht
    so einfach ich möchte da nicht wohnen.Schöner Bericht.

    Gruß
    Noke

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  5. Och, das hätte ich auch nicht als Bunker wahrgenommen^^ und ich kann mir sehr gut vorstellen dass es schwierig und kostspielig mit den Umbaumaßnahmen ist.

    Sicherlich hängen dort viele negative Gedanken an diese Zeit, aber man muss auch das Positive sehen. So haben Bunker leben gerettet, und diese positive Energie dürfte auch dort umhergehen.

    Liebe Nachtgrüssle

    Nova

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  6. Das ist ja ein interessanter Artikel. Auch wenn ich mich jetzt als absolut unwissend oute. Ich habe nicht gewusst, dass es HOCHbunker gab und gibt, bzw. hatte noch niemals welche gesehen.

    Herzlichen Dank für diesen Artikel.

    lieben Gruß
    Brigitta

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  7. A souvenir of the horror...
    Liebe GrüBe, dearest friend Dieter

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  8. Interessant, dass du gerade einen Nippeser zitierst... Hier in Nippes, genauer im Sechzigviertel, befindet sich auch so ein zum Wohnhaus umgebauter Bunker. Interessant ist auch der total verspiegelte Bunker hinter dem Hauptbahnhof ( Raiffeisen - Waren - Zentrale ). -
    Mein Vater war öfter im Ahrbunker der Bonner Regierung. Wär alles nichts für mich - Klaustrophobie...
    Liebe Grüße
    Astrid

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  9. Hej Dieter,
    Luftschutzräume, damit bin ich hier fast täglich konfrontiert! Wie das geht? Unser Keller ist im Ernstfall als solcher ausgewiesen. Nein, vorstellen kann und will man sich so etwas nicht und im Grund ist es ein einziger Horror, was Menschen damals erleben mussten.

    Gruß
    Beate

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