Ich bemerkte nichts, neben unserem Bürogebäude hätte
eine Bombe einschlagen können. Nichts hätte mich aus diesem fernen Zustand, in
dem mich all meinen Verstand in die Waagschale schmiß, herausreißen können.
Es ist nicht nur mit zunehmendem Alter, auf
Geräusche habe ich schon immer sensibel reagiert. Das Telefon klingelte in
meinem Büro. Dem vernetzten Internet-Zeitalter entsprechend, riß mich das
Internet-Telefon auf meinem Schreibtisch aus diesem Höchstmaß an Konzentration.
Es klingelte dumpf, hartnäckig. Unbekannt verschleierte die fehlende
Rufnummernanzeige den wahren Anrufer. Weil mich der Klingelton an einen
schlechten Hupton erinnerte, fühlte ich mich genötigt abzuheben. Trotz
fehlender Rufnummernanzeige, denn diese Anrufe sortierte ich direkt in die
Kategorie „unwichtig“.
Ich hob ab, meldete mich mit meinem Namen, den ich
wegen des Abbruchs meiner Phase finaler Einsichten bewußt mit meiner undeutlichen
Aussprache schluderte. Immerhin signalisierte mir die fehlende
Rufnummernanzeige, dass es wieder mein Chef, noch meine Abteilungsleiterin,
geschweige denn unser Geschäftsführer sein konnte. Die wichtigsten Anrufe, die
von meiner Göttergattin kamen, konnten es genauso wenig sein.
Als sich die Telefonleitung einige Sekunden wie tot
anhörte, meldete sich mein Gesprächspartner.
„Papa ?“
Kannte ich nicht. Es war eine unsichere
Jungenstimme, die sofort von der Vergänglichkeit des Augenblicks erstickt
wurde. Unser Sohn war es definitiv nicht. Bei ihm wäre Frage auf Frage gefolgt,
denn er hätte ein Ziel seiner Fragerei im Hinterkopf gehabt. Außerdem war die
Stimme unseres Sohnes tief, die den Stimmbruch in vollem Umfang durchlaufen
hatte.
„Papa ?“ hakte die Jungenstimme irritiert nach.
Das war irrational. Nicht jeder x-beliebige hatte
die dienstliche Telefonnummer in meinem Büro. Ich war nicht weniger irritiert,
dass sich ein Sohn meldete, der gar nicht mein Sohn sein konnte.
„Papa ?“ die Jungenstimme blieb hartnäckig. Sie
klammerte sich an meiner Stimme fest und gewann an Überzeugung.
„Sind Sie nicht mein Vater ?“
Sprachlos hielt ich den Telefonhörer in der Hand.
Spontan gingen mir Politiker durch den Kopf, die im Rampenlicht der
Öffentlichkeit standen. In irgendwelchen dunklen Ecken verbargen sie ihre
unehelichen Kinder. Beispiele gingen mir durch den Kopf: ein Horst Seehofer in
einem erzkatholischen Bayern, ein Francois Mitterrand als Denkmal eines
französischen Präsidenten, von Lüstlingen wie Silvio Berlusconi ganz zu
schweigen. Dabei hatte ich es gar nicht nötig, in diese Kategorie eingeordnet
zu werden. Ich hatte ein vollkommen reines Gewissen, kein Fremdgehen, auch
keine unehelichen Kinder im Verborgenen.
Ich konnte also ein aufrechtes Telefongespräch
führen, ich brauchte keine unseligen Erinnerungen an dunkle Kapitel meiner
eigenen Vergangenheit zu fürchten. Ich versuchte, Licht ins Dunkel hinein zu
bringen.
„Wer ist denn Dein Vater ?“ ich war mir selbst
unsicher. Weniger wegen der Vaterschaft, sondern ob es richtig war, meinen
Gesprächspartner zu duzen. Ein beklemmendes Schweigen entstand , mit dem unsere
menschlichen Verbindungen abzureißen schienen.
„Wie heißt denn Dein Vater ?“ … „Matthias.“
Matthias saß ein Büro weiter. Ich wusste, dass er
einen Sohn im jugendlichen Alter hatte. Er signalisierte, dass ich das Gespräch
weiterleiten sollte. Alles klärte sich also innerhalb von Sekunden.
Wie kam sein Sohn an meine Telefonnummer ? Für seine
Familie hatte mein Arbeitskollege eine Liste wichtiger Telefonnummern
angefertigt. Falls er unter seiner dienstlichen Telefonnummer nicht erreichbar
sein würde, hatte er Ersatz-Telefon-Nummern von mehreren Arbeitskollegen
aufgelistet. Vielleicht war die dienstliche Nebenstellenanlage defekt, so dass
er telefonisch nicht erreichbar war. Daher telefonierte sein Sohn die
Nachbar-Büros ab – und landete bei mir.
Seine Stimme war ein ominöses Erlebnis. Meine
Bedenken waren in Sekundenschnell in einer Luftblase zerplatzt. Easy livin‘.
Mögen Vater und Sohn in diesem Telefongespräch miteinander klar gekommen sein.
Ha, was in Minutenschnelle durch den Kopf schießt
AntwortenLöschenUnd am Ende ist alle Aufregung umsonst.
Eine gute Nacht wünscht Dir
Irmi
Na ja, das kann einer Frau schon mal nicht passieren. :-))
AntwortenLöschennach-mittsommerliche Grüße
Beate
*lacht*.....ach wie herrlich geschrieben, und dieses Gedankenwirrwarr.
AntwortenLöschenHabe ich mir richtig bildlich vorstellen können^^
Wünsche einen schönen Start ins Wochenende und sende herzliche Grüsse
Nova
*grins*...na warum warst Du aufgeregt?Hm...hm-))))))
AntwortenLöschenHabe alles mit panik gelesen,und irgentwie geglaubt,da taucht ein neues Kind auf...hihi
Hab ein schönes Wochenende
gruss
Christa
ich lese deine Gedanken immer sehr gerne. Wieder toll beschrieben.
AntwortenLöschenich wünsche dir einen schönen Sonntag. Lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
:-D
AntwortenLöschenSo geht's! Hat sich ja geklärt, Aufregung umsonst! ;-)
LG Calendula
Ja mein Lieber da schiessen einem hunderte Gedanken durch den Kopf nicht wahr....
AntwortenLöschenDoch es hat sich alles aufgeklärt.
Hast due gut geschrieben.
Liebe Grüße
Angelika
Respekt, ein wunderbarer Bericht der Gedanken, die einem in Windeseile durch den Kopf schießen. Man glaubt hier, mitten im Gedankenkarussell zu sein.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Christa
*lach* ... diesen Augenblick kann ich mir gut bildlich ausmalen :-)
AntwortenLöschenSchön, dass sich alles schnell geklärt hat.