Alleine die Idee, das Denkmal auf dem Heumarkt
aufzustellen, war eine Provokation. Nun, bei der Enthüllung, drängelte sich die
Prominenz auf dem menschenüberströmten Platz. Die Wolken segelten tief an
diesem Spätsommertag des 28. September 1878. Der Deutsche Kaiser, der zwischen
einer Menschentraube und seiner Leibgarde verschwand, hatte es sich nicht
nehmen lassen, höchst persönlich dieses Denkmal einzuweihen.
Die Kölner Bürger betrachteten das Geschehen
argwöhnisch. Was enthüllt werden sollte, sahen sie als merkwürdige Prozedur,
einen schlechten Karnevalsscherz oder als unabwendbares Schicksal. Stille mischte sich in eine allgemeine
Neugierde hinein, Augen reckten sich in die Höhe. Dann stand die Leibgarde
still, Säbel rasselten, die Kürassiere drehten ihre Köpfe zum Kaiser. Die
Kölner warteten der Dinge ab, die kommen sollten. Bis der Oberbürgermeister das
Wort ergriff: „Im Namen aller Kölner und aller anderen, die bei diesem
festlichen Ereignis dabei sind, begrüße ich seine Kaiserliche und Königliche
Majestät. Kaiser Wilhelm lebe hoch ! hoch ! hoch !“ Erst jetzt brachen die
Dämme, der Jubel stürmte dem Kaiser entgegen und alle Kölner Bürger schlossen
ihn in ihr Herz.
Die Kölner Bürger waren reserviert, denn seit der
Jahrhundertwende um 1800 hatten sie nichts anderes gekannt, als von fremden
Mächten besetzt zu sein. Zunächst waren es die Franzosen, bis 1814 mit dem
Untergang Napoleons die Preußen einmarschierten. Die Symbiose zwischen
Rheinländer und Franzosen klappte besser
als mit den Preußen. Frankreich brachte einige Segnungen mit – eine
funktionierende Justiz, klare Verwaltungsstrukturen oder eine durchgreifende Agrarreform
-, während Preußen nur aus Militär und Drill bestand. Mit den Preußen sahen die
Menschen ihren inneren Antrieb in soldatischen Tugenden: Methode und Ordnung,
Disziplin und Ausdauer, Gemeinschaft und Unternehmungsgeist fanden sie in der
Armee.
Nach 1815 war Preußen ein merkwürdiges Gebilde mit einem Kernbereich östlich von Brandenburg und
Berlin und dem Anhängsel der Rheinprovinz im Westen. Köln sollte zum Bollwerk
gegen Frankreich ausgebaut werden, eine Pufferstadt, an denen sich der Erzfeind
jenseits des Rheins die Zähne ausbeißen sollte. Die Preußen gaben dem heutigen
Militärring ihren Namen: achtzehn Festungen reihten sich linkrheinisch
aneinander, das waren alle 500 Meter eine Festung. Darüber hinaus ? Die
demokratischen Ideen der französischen Revolution wehrten die Preußen
systematisch ab. So wurde bei Wahlen bis zum 1. Weltkrieg ausschließlich das
Dreiklassenwahlrecht gehandhabt – also: wer mehr Geld besaß, hatte mehr
Stimmrechte und die Stimmen der arbeitenden Bevölkerung fielen kaum ins
Gewicht. 1848, mit den revolutionären Bewegungen des Vormärz knüppelten die Preußen
diese Ideen von Freiheit und Demokratie einfach nieder. Sie verfolgten und
bespitzeltenn die intellektuellen Wortführer, sie überwachte sie polizeilich,
ihnen drohte das Gefängnis. Gottfried Kinkel, Ferdinand Freiligrath oder Carl
Schurz flohen aus dem Rheinland. Zeitungen wurden zensiert.
Die Chemie zwischen Preußen und Kölnern stimmte
nicht. Den Kölner widerstrebte es, Entscheidungen von oberster Ebene
aufgezwungen zu bekommen und nicht mitreden zu dürfen. Die Preußen wiederum
beklagten den lauen Charakter, die gemächliche Lebensführung und das Fehlen
einer entscheidenden Tatkraft.
Im Endeffekt zog sich der Bau des Denkmals auf dem
Heumarkt 23 Jahre in die Länge. 1855 hatte der damalige Oberbürgermeister von
Köln die erste Idee. 1860, als ausgeschrieben wurde, fand sich aber kein
Bildhauer, weil die Kölner Künstler kein Interesse zeigten an der Darstellung
von irgendwelchen Feldherren. 1864 fand man schließlich zwei Bildhauer, das
waren Hermann Schaevelbein und Gustav Blaeser. Entgegen dem Konzept des Kölner
Rates schafften sie es aber, mehr Zivilisten als Feldherren darzustellen.
Scharnhorst, Blücher oder Gneisenau, das war die Feldherrenabteilung Denen standen Denker und Intellektuelle wie
Heinrich von Kleist, Wilhelm von Humboldt oder Karl Schuler gegenüber. Zwischenzeitlich
starben Blaeser und Schaevelheim, so dass das Denkmal erst 1878 vollendet wurde
und durch Kaiser Wilhelm I eingeweiht wurde. Kaiser Wilhelm I. sollte das
Denkmal seines eigenen Vaters Friedrich Wilhelm III. enthüllen.
Ein festliches Spektakel nahm seinen Lauf. Der Kaiser setzte zu einer flammenden Rede an:
„Liebe Kölner Bürger ! Ich freue mich, zu diesem besonderen, bewegenden
Augenblick in Eurer Stadt zu sein und begrüße Euch im Namen des Deutschen
Volkes. Deutsche Güter, deutsches Wissen, deutsche Betriebsamkeit haben sich
über den Globus verbreitet. Nach Tausenden von Millionen beziffern sich die
Werte, die Deutschland geschaffen hat. Mit der Herrlichkeit unseres Vaterlandes
sehen wir einer segensreichen Zukunft entgegen …“ Manche schauten wie gebannt, andere zerstreuten sich,
andere hörten weg, weil sich Einheit und Patriotismus in einer Endlosschleife
wiederholten. Die Rede des Kaisers strotze vor Kraft, die aus Luftblasen und
hohler Rhetorik bestand . Schlaff hing sein Backenbart herab. Die Demonstration
von Stärke und Macht zerrann in einem undefinierbaren Rheinland, das sich wie
Katze und Maus mit Preußen vertrug.
Erst unter Kaiser Wilhelm II, seinem Sohn, lockerte
sich das Verhältnis zwischen Preußen und Rheinland. Er war volksnäher, ging auf
die Rheinländer zu, die Rheinländer waren ihm nicht mehr suspekt. Aber protzige
Denkmäler aus der Kaiserzeit konnte das Rheinland nicht aufhalten – wie übrigens
im Rest der Republik.
Solchen Provokationen aus einer Epoche, in denen der
Kaiser angehimmelt wurde wie heutzutage Pop-Stars, wird man flächen deckend
begegnen. Es war eine Zeit, in denen die Menschen noch Ideale in
Obrigkeitshörigkeit und Gehorsam bis zur Aufopferung gesucht haben.
An Dir ist ein Lehrer für Geschichte verloren gegangen, Dieter! Schade, sehr schade, denn Dein Stil ist weitab von Jahreszahlen. Er rückt die Verhältnisse in den Vordergrund und das Spiel der Kräfte in einem Landesteil.
AntwortenLöschenWirklich toll!
Beate
Danke dir mal wieder für die tolle Hintergrundinformation. Du wärst, wie Bea schon schreibt, ein toller Geschichtslehrer. Macht viel Spaß dir zu folgen....vor allem weil ich mich an einige Dinge erinnern kann und dann auch wieder nicht und mich fragt warum ich die nie gesehen habe^^
AntwortenLöschenWünsche dir und deiner Familie ein wunderschönes Wochenende und sende herzliche Grüsse
Nova
Wow das ist ja spannender Geschichtsunterricht Dieter, hast du interssant geschrieben. Ja die Kölner hatten viel zu kämpfen mit ihre Besatzungsmächten.
AntwortenLöschenLiebe Wochenendgrüße
Angelika
Wieder tolle Hintergrundinformationen. Danke dafür.
AntwortenLöschenEinen lieben Wochenendgruß schickt dir
Irmi
Sehr fesselnd geschrieben, so könnte ;-) es gewesen sein.
AntwortenLöschenLG, Franka
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenwie immer ein sehr interessanter Post! Ich finde es einfach start, wie du die Hintergründe in den Vordergrund rückst. Dabei sind das Informationen, die man in der Schule nie erfahren hat! Danke, dafür und ich bin auf deinen nächsten Post gespannt!
LG Calendula
Du hast Recht, diese Kaiser Wilhelm - Denkmäler in unserer Republik sind alle sehr mächtig und beeindruckend. Nun, es war ja auch ein mächtiger Mann und mir hat deine Reportage mit all den tollen Infos wieder sehr gut gefallen. :-)
AntwortenLöschenLiebe Grüße und hab einen schönen Sonntag
Christa
Danke für den interessanten Ausflug in die Kölner Geschichte, vieles wusste ich noch nicht, manchmal musste ich schmunzeln. Das ist mal wieder ein toller Post!
AntwortenLöschenKlasse, vielen vielen Dank für den Bericht ! Ich war heute mit unseren Kunden in Köln und am Heumarkt haben diese mich über das Kaiserwilhelm Denkmal ausgefragt, hätte ich deinen Blog mal lieber früher gefunden, wirklich toll.... beim nächsten Mal weiss ich besser bescheid.
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