Samstag, 29. Juni 2013

Kaiser-Wilhelm-Denkmal


Alleine die Idee, das Denkmal auf dem Heumarkt aufzustellen, war eine Provokation. Nun, bei der Enthüllung, drängelte sich die Prominenz auf dem menschenüberströmten Platz. Die Wolken segelten tief an diesem Spätsommertag des 28. September 1878. Der Deutsche Kaiser, der zwischen einer Menschentraube und seiner Leibgarde verschwand, hatte es sich nicht nehmen lassen, höchst persönlich dieses Denkmal einzuweihen.

Die Kölner Bürger betrachteten das Geschehen argwöhnisch. Was enthüllt werden sollte, sahen sie als merkwürdige Prozedur, einen schlechten Karnevalsscherz oder als unabwendbares Schicksal.  Stille mischte sich in eine allgemeine Neugierde hinein, Augen reckten sich in die Höhe. Dann stand die Leibgarde still, Säbel rasselten, die Kürassiere drehten ihre Köpfe zum Kaiser. Die Kölner warteten der Dinge ab, die kommen sollten. Bis der Oberbürgermeister das Wort ergriff: „Im Namen aller Kölner und aller anderen, die bei diesem festlichen Ereignis dabei sind, begrüße ich seine Kaiserliche und Königliche Majestät. Kaiser Wilhelm lebe hoch ! hoch ! hoch !“ Erst jetzt brachen die Dämme, der Jubel stürmte dem Kaiser entgegen und alle Kölner Bürger schlossen ihn in ihr Herz.

Die Kölner Bürger waren reserviert, denn seit der Jahrhundertwende um 1800 hatten sie nichts anderes gekannt, als von fremden Mächten besetzt zu sein. Zunächst waren es die Franzosen, bis 1814 mit dem Untergang Napoleons die Preußen einmarschierten. Die Symbiose zwischen Rheinländer  und Franzosen klappte besser als mit den Preußen. Frankreich brachte einige Segnungen mit – eine funktionierende Justiz, klare Verwaltungsstrukturen oder eine durchgreifende Agrarreform -, während Preußen nur aus Militär und Drill bestand. Mit den Preußen sahen die Menschen ihren inneren Antrieb in soldatischen Tugenden: Methode und Ordnung, Disziplin und Ausdauer, Gemeinschaft und Unternehmungsgeist fanden sie in der Armee.

Nach 1815 war Preußen ein merkwürdiges Gebilde mit  einem Kernbereich östlich von Brandenburg und Berlin und dem Anhängsel der Rheinprovinz im Westen. Köln sollte zum Bollwerk gegen Frankreich ausgebaut werden, eine Pufferstadt, an denen sich der Erzfeind jenseits des Rheins die Zähne ausbeißen sollte. Die Preußen gaben dem heutigen Militärring ihren Namen: achtzehn Festungen reihten sich linkrheinisch aneinander, das waren alle 500 Meter eine Festung. Darüber hinaus ? Die demokratischen Ideen der französischen Revolution wehrten die Preußen systematisch ab. So wurde bei Wahlen bis zum 1. Weltkrieg ausschließlich das Dreiklassenwahlrecht gehandhabt – also: wer mehr Geld besaß, hatte mehr Stimmrechte und die Stimmen der arbeitenden Bevölkerung fielen kaum ins Gewicht. 1848, mit den revolutionären Bewegungen des Vormärz knüppelten die Preußen diese Ideen von Freiheit und Demokratie einfach nieder. Sie verfolgten und bespitzeltenn die intellektuellen Wortführer, sie überwachte sie polizeilich, ihnen drohte das Gefängnis. Gottfried Kinkel, Ferdinand Freiligrath oder Carl Schurz flohen aus dem Rheinland. Zeitungen wurden zensiert.

Die Chemie zwischen Preußen und Kölnern stimmte nicht. Den Kölner widerstrebte es, Entscheidungen von oberster Ebene aufgezwungen zu bekommen und nicht mitreden zu dürfen. Die Preußen wiederum beklagten den lauen Charakter, die gemächliche Lebensführung und das Fehlen einer entscheidenden Tatkraft.

Im Endeffekt zog sich der Bau des Denkmals auf dem Heumarkt 23 Jahre in die Länge. 1855 hatte der damalige Oberbürgermeister von Köln die erste Idee. 1860, als ausgeschrieben wurde, fand sich aber kein Bildhauer, weil die Kölner Künstler kein Interesse zeigten an der Darstellung von irgendwelchen Feldherren. 1864 fand man schließlich zwei Bildhauer, das waren Hermann Schaevelbein und Gustav Blaeser. Entgegen dem Konzept des Kölner Rates schafften sie es aber, mehr Zivilisten als Feldherren darzustellen. Scharnhorst, Blücher oder Gneisenau, das war die Feldherrenabteilung  Denen standen Denker und Intellektuelle wie Heinrich von Kleist, Wilhelm von Humboldt oder Karl Schuler gegenüber. Zwischenzeitlich starben Blaeser und Schaevelheim, so dass das Denkmal erst 1878 vollendet wurde und durch Kaiser Wilhelm I eingeweiht wurde. Kaiser Wilhelm I. sollte das Denkmal seines eigenen Vaters Friedrich Wilhelm III. enthüllen.

Ein festliches Spektakel nahm seinen Lauf.  Der Kaiser setzte zu einer flammenden Rede an: „Liebe Kölner Bürger ! Ich freue mich, zu diesem besonderen, bewegenden Augenblick in Eurer Stadt zu sein und begrüße Euch im Namen des Deutschen Volkes. Deutsche Güter, deutsches Wissen, deutsche Betriebsamkeit haben sich über den Globus verbreitet. Nach Tausenden von Millionen beziffern sich die Werte, die Deutschland geschaffen hat. Mit der Herrlichkeit unseres Vaterlandes sehen wir einer segensreichen Zukunft entgegen …“ Manche schauten wie gebannt, andere zerstreuten sich, andere hörten weg, weil sich Einheit und Patriotismus in einer Endlosschleife wiederholten. Die Rede des Kaisers strotze vor Kraft, die aus Luftblasen und hohler Rhetorik bestand . Schlaff hing sein Backenbart herab. Die Demonstration von Stärke und Macht zerrann in einem undefinierbaren Rheinland, das sich wie Katze und Maus mit Preußen vertrug.

Erst unter Kaiser Wilhelm II, seinem Sohn, lockerte sich das Verhältnis zwischen Preußen und Rheinland. Er war volksnäher, ging auf die Rheinländer zu, die Rheinländer waren ihm nicht mehr suspekt. Aber protzige Denkmäler aus der Kaiserzeit konnte das Rheinland nicht aufhalten – wie übrigens im Rest der Republik.

Solchen Provokationen aus einer Epoche, in denen der Kaiser angehimmelt wurde wie heutzutage Pop-Stars, wird man flächen deckend begegnen. Es war eine Zeit, in denen die Menschen noch Ideale in Obrigkeitshörigkeit und Gehorsam bis zur Aufopferung gesucht haben. 


9 Kommentare:

  1. An Dir ist ein Lehrer für Geschichte verloren gegangen, Dieter! Schade, sehr schade, denn Dein Stil ist weitab von Jahreszahlen. Er rückt die Verhältnisse in den Vordergrund und das Spiel der Kräfte in einem Landesteil.
    Wirklich toll!

    Beate

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  2. Danke dir mal wieder für die tolle Hintergrundinformation. Du wärst, wie Bea schon schreibt, ein toller Geschichtslehrer. Macht viel Spaß dir zu folgen....vor allem weil ich mich an einige Dinge erinnern kann und dann auch wieder nicht und mich fragt warum ich die nie gesehen habe^^

    Wünsche dir und deiner Familie ein wunderschönes Wochenende und sende herzliche Grüsse

    Nova

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  3. Wow das ist ja spannender Geschichtsunterricht Dieter, hast du interssant geschrieben. Ja die Kölner hatten viel zu kämpfen mit ihre Besatzungsmächten.

    Liebe Wochenendgrüße
    Angelika

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  4. Wieder tolle Hintergrundinformationen. Danke dafür.
    Einen lieben Wochenendgruß schickt dir
    Irmi

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  5. Sehr fesselnd geschrieben, so könnte ;-) es gewesen sein.
    LG, Franka

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  6. Hallo Dieter,
    wie immer ein sehr interessanter Post! Ich finde es einfach start, wie du die Hintergründe in den Vordergrund rückst. Dabei sind das Informationen, die man in der Schule nie erfahren hat! Danke, dafür und ich bin auf deinen nächsten Post gespannt!
    LG Calendula

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  7. Du hast Recht, diese Kaiser Wilhelm - Denkmäler in unserer Republik sind alle sehr mächtig und beeindruckend. Nun, es war ja auch ein mächtiger Mann und mir hat deine Reportage mit all den tollen Infos wieder sehr gut gefallen. :-)

    Liebe Grüße und hab einen schönen Sonntag
    Christa

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  8. Danke für den interessanten Ausflug in die Kölner Geschichte, vieles wusste ich noch nicht, manchmal musste ich schmunzeln. Das ist mal wieder ein toller Post!

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  9. Klasse, vielen vielen Dank für den Bericht ! Ich war heute mit unseren Kunden in Köln und am Heumarkt haben diese mich über das Kaiserwilhelm Denkmal ausgefragt, hätte ich deinen Blog mal lieber früher gefunden, wirklich toll.... beim nächsten Mal weiss ich besser bescheid.

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